Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter P*** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Jänner 1988, GZ 7 Vr 2.176/87-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Allmer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 1 des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch (unter Aufrechterhaltung des Ausspruches gemäß § 38 StGB) aufgehoben; im Umfang der Aufhebung wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Walter P*** hat am 6.Juli 1987 in Graz seine Ehefrau Renate P*** durch zumindest zwei Faustschläge ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung der Genannten, und zwar den Abriß von Brückenvenen sowie eine ausgedehnte Rißquetschwunde im Bereich der Oberlippe rechts, eine tiefe Schleimhautverletzung der Oberlippe auf der Höhe des ersten Schneidezahnes links und mehrere Hautabschürfungen im Gesicht, zur Folge hatte.
Walter P*** hat hiedurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches unverändert zur Last liegenden strafbaren Handlungen (laut Punkt 2 und 3 des Urteilssatzes) gemäß §§ 28 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu 20 (zwanzig) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Walter P*** wurde mit dem angefochtenen Urteil (zu 1.) des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB, sowie der Vergehen (zu 2.) des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB und (zu 3.) der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er
1. am 6.Juli 1987 in Graz seine Ehefrau Renate P*** durch zumindest zwei Faustschläge ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat den Tod der Geschädigten zur Folge hatte,
2. am 15.Juni 1987 in Mooskirchen den PKW des Harald F*** mit dem Kennzeichen G 56.683, sohin ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, und
3. am 16.Juni 1987 in Graz als Lenker des unter Punkt 2 beschriebenen PKW den Klaus B*** fahrlässig am Körper verletzt (Zerrung der Halswirbelsäule, Prellungen und Hautabschürfungen im Bereich des linken Ellenbogens), indem er die beim Betrieb von Kraftfahrzeugen gebotene Aufmerksamkeit außer acht ließ und mit dem Fahrzeug auf das Heck des vor ihm verkehrsbedingt anhaltenden PKW mit dem Kennzeichen G 76.896 auffuhr.
Nur gegen den Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes (Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
Aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer zunächst den Ausspruch als unvollständig begründet, daß nicht festgestellt werden kann, ob er und Renate P*** am 6. Juli 1987 gegen 22,00 Uhr gemeinsam oder getrennt zur Wohnung des Zeugen Hermann H*** gelangten, ergebe sich doch aus seiner Einlassung und den Angaben des genannten Zeugen, daß seine Ehefrau erst rund eine halbe bis eine dreiviertel Stunde nach seinem eigenen Eintreffen dorthin nachgekommen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Einwand, mit dem der Beschwerdeführer entsprechend seiner Verantwortung die Möglichkeit aufzeigen will, daß Renate P*** sich während dieses außerhalb der Wohnung getrennt von ihm zugebrachten Zeitraumes die Verletzung anderweitig zugezogen haben könnte, betrifft allerdings keine entscheidende Tatsache, weil das Erstgericht unter Berücksichtigung der erwähnten Angaben des Angeklagten sowie des Zeugen auf Grund des gerichtsärztlichen Sachverständigengutachtens mängelfrei festgestellt hat, daß Renate P*** jedenfalls noch unverletzt in die Wohnung des Hermann H*** gekommen ist und daher erst dort die Verletzungen erlitten hat (Urteil ON 49, S 235 iVm S 241).
Insoweit der Beschwerdeführer aber diesen Einwand auch unter dem Gesichtspunkt eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a) wiederholt, fehlt es nicht bloß - wie eben dargelegt - an der Relevanz der vermißten Konstatierung, sondern zudem an der weiteren Voraussetzung, daß ein solcher Mangel auf einem Rechtsirrtum des Erstgerichtes beruhen muß und demgemäß niemals dann vorliegen kann, wenn das Gericht die relevierte Feststellung erklärtermaßen nur deshalb nicht getroffen hat, weil es sich mangels gesicherter Beweisergebnisse dazu nicht imstande sah.
Zu Unrecht erblickt der Angeklagte ferner einen dem Urteil anhaftenden inneren Widerspruch darin, daß ihm das Erstgericht einerseits attestiert, am Tatabend nicht alkoholisiert gewesen zu sein, ihm aber andererseits eine Alkoholisierung zur Tatzeit zum Vorwurf macht. Denn die erstangeführte Feststellung bezieht sich bloß auf den Zeitraum zwischen 20,00 Uhr und 21,00 Uhr dieses Abends (S 234/II), in dessen weiterem Verlauf aber der Angeklagte seinen Alkoholkonsum fortsetzte, sodaß er nach den von ihm selbst angeführten Trinkmengen im Zeitpunkt der Tat (nach 22,00 Uhr) einen Blutalkoholgehalt von 1,2 %o bis 2,4 %o aufgewiesen haben müßte (S 311/I und S 224/II). Die bemängelten Urteilsannahmen, die vom Erstgericht aus den erwähnten Prämissen denklogisch einwandfrei abgeleitet worden sind, schließen einander entgegen der Auffassung des Angeklagten somit keineswegs aus.
Dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers ist zwar einzuräumen, daß der gerichtsärztliche Sachverständige den Tatort nicht mit völliger Gewißheit im Badezimmer der Wohnung des Zeugen Hermann H*** zu lokalisieren vermochte und ihm auch nach Vorliegen der abschließenden Verfahrensergebnisse dieses Badezimmer bloß der einzig mögliche Tatort zu sein "schien" (S 220/II), weshalb das Erstgericht dazu keine exakteren Feststellungen treffen konnte (S 235/II). Der Beschwerdeführer ist jedoch nicht in der Lage, insoweit einen formalen Begründungsmangel darzutun, denn es ist nicht entscheidend, in welchem Raum der betreffenden Wohnung die Tat begangen wurde, kommt es doch nur darauf an, daß nach den aus dem gerichtsärztlichen Gutachten mängelfrei abgeleiteten Urteilsfeststellungen eine Entstehung der Verletzungen außerhalb der Wohnung (durch Eigen- oder Drittverschulden) ausgeschlossen worden ist.
Soweit sich der Angeklagte gegen die zuletzt angeführte Urteilsannahme mit dem Vorwurf wendet, das Erstgericht habe unerwogen gelassen, daß die Wohnungsnachbarn keine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, obwohl diese nach seiner Auffassung den damit verbundenen Lärm hätten hören müssen, bekämpft er nur in hier (Z 5) unbeachtlicher Weise dessen Beweiswürdigung, weil das Gericht ja eine besondere Geräuschentwicklung bei der festgestellten Auseinandersetzung keineswegs angenommen hat. Auch die weiteren Einwendungen, das Erstgericht lasse Erwägungen über das Fehlen von sturzbedingten Folgeverletzungen bei Renate P*** vermissen, erweisen sich als nicht stichhältig. Seine ein Zubodenstürzen der Genannten unterstellende Argumentation hat nämlich - den Beschwerdeausführungen zuwider - sehr wohl nur spekulativen Charakter, weil zwei selbst heftige Faustschläge ins Gesicht einer Alkoholisierten (zumal in einem beengten Raum, wie etwa einem Badezimmer) einen Sturz derselben nicht zwingend zur Folge haben müssen, weshalb Erörterungen darüber unterbleiben konnten.
Bezüglich der Verursachung der Verletzungen hinwieder konnte sich das Schöffengericht zu Recht auf das gerichtsärztliche Sachverständigengutachten stützen, das entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers eine andere Entstehung dieser Verletzungen, insbesondere durch einen (selbstverschuldeten) Sturz im alkoholisierten Zustand, wegen des Fehlens hiefür typischer Begleitverletzungen und wegen der ansonsten nicht erklärbaren Gesamtheit der vorhandenen Verletzungen nach Lage des Falles "praktisch" ausschließt (S 175/I, 215 und 219/II) und auch die Zurücklegung einer Wegstrecke von mehreren hundert Metern bis zur Wohnung des Hermann H*** durch das Opfer bei der Art und Weise der objektivierten Wunden ohne Hinterlassung entsprechender Blutspuren als bloß theoretische Denkmöglichkeit bezeichnet (S 127 und 129, 216, 217 und 220/II). Daß aber die Tatrichter diese unrealistische Geschehensvariante nicht aufgegriffen, sondern unter Berücksichtigung der Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit andere, für den Angeklagten ungünstige Schlüsse gezogen haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) einer Anfechtung in diesem Rahmen (Z 5) entzogen.
Soweit der Beschwerdeführer daran anknüpfend auch unter dem Gesichtspunkt eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a, der Sache nach indes Z 10) Konstatierungen dahin reklamiert, ob Renate P*** infolge der ihr versetzten Faustschläge zu Boden gestürzt (und bewußtlos liegen geblieben) ist oder nicht, bringt er die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil ein solcher Sturz nicht nur nach den Verfahrensergebnissen nicht indiziert gewesen, sondern vom Erstgericht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist (S 238 f iVm S 215/II). In diesem Fall kann aber - worauf bereits hingewiesen wurde - von einem (durch einen Rechtsirrtum hervorgerufenen) Feststellungsmangel in der Bedeutung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes keine Rede sein. Im übrigen kommt der Frage eines durch die Faustschläge ausgelösten Sturzes der Renate P*** aus dem - wie noch darzulegen sein wird - geänderten rechtlichen Aspekt keine entscheidende Bedeutung zu.
Verfehlt ist auch die Kritik an der erstrichterlichen Beurteilung der Aussage des Zeugen Hermann H***, kann doch - wie das Erstgericht der Beschwerde zuwider mängelfrei darlegt - selbst nach den Angaben des Zeugen die Tatverübung durch den Angeklagten in der Wohnung (objektiv betrachtet) nicht ausgeschlossen werden, weil dieser den Angeklagten und Renate P*** zeitweilig im Badezimmer sowie in den Wohnräumen allein gelassen und die beiden auch während des Fernsehens nicht ständig beobachtet hat (S 241/II iVm S 347/I und S 13, 30, 208 f/II). Das angefochtene Urteil läßt darüber hinaus klar erkennen, daß die Tatrichter dem genannten Zeugen nicht nur wegen gewisser Ungereimtheiten in seinen Angaben, sondern auch wegen seiner - durch die drohende eigene Strafverfolgung wegen § 95 StGB bedingten - Interessenslage und wegen eines durch eine besondere persönliche Beziehung (S 241/II) motivierten Wohlwollens gegenüber dem Angeklagten keine Glaubwürdigkeit zuerkannt haben. Daß im Urteil die zudem gegen die Verläßlichkeit des Zeugen sprechenden Aussagedivergenzen nur pauschal angeführt wurden, stellt einen Begründungsmangel angesichts der Bezugnahme darauf nicht dar, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung über entsprechenden Vorhalt "divergierende Angaben" seinerseits gar nicht in Abrede gestellt hat (S 210/II). Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber auch mit seinem sonstigen Vorbringen die entlastende Aussage des Zeugen als wahr hinzustellen und die ihm zugesonnene Absprache mit diesem zu bestreiten sucht, münden seine Einwendungen erneut in eine unzulässige Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Es ist aber auch - und zwar aus rechtlichen Gründen - der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) gleichwie der Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a) erhobene Beschwerdeeinwand verfehlt, das Erstgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß Renate P*** als Alkoholikerin schon früher Verletzungen (durch Selbstverschulden) erlitten habe, wobei aber vom Roten Kreuz eine Intervention wegen Geringfügigkeit mehrfach abgelehnt worden sei, woraus der Beschwerdeführer abzuleiten sucht, daß der ihm gemachte Vorwurf, die Gefährlichkeit der gegenständlichen Verletzungen schuldhaft nicht erkannt und keine ärztliche Hilfe herbeigerufen zu haben, einer Überprüfung nicht standhalten könne.
Dieser Einwand bezieht sich nämlich deshalb auf keine entscheidende Tatsache, weil es für einen Schuldspruch wegen eines erfolgsqualifizierten Verletzungsdelikts nach §§ 83 ff StGB auf die Vorhersehbarkeit des Erfolgs zum Zeitpunkt des gewaltsamen Einwirkens auf das Opfer, somit auf die Erkennbarkeit der spezifischen, d.h. auf die besondere Tatfolge bezogenen Gefährlichkeit der das Grunddelikt bildenden (vorsätzlichen) Tathandlung (hier: der beiden Faustschläge ins Gesicht) ankommt (vgl Kienapfel BT I2 § 86 RN 23). Ein nachträgliches, nicht mehr vom Verletzungs-(oder Mißhandlungs-)vorsatz getragenes, auf einer fahrlässigen Fehleinschätzung der Gefährlichkeit der bereits eingetretenen Verletzungen beruhendes Verhalten des Täters hingegen ist, mag auch gerade dieses die mögliche Abwendung der besonderen Tatfolge verhindert haben, für deren Zurechnung im Sinn des § 7 Abs. 2 StGB nur rein faktisch insoferne von Bedeutung, als sich diese Frage andernfalls gar nicht stellt.
Aus dem eben Gesagten ergibt sich freilich auch, daß es rechtlich verfehlt war, die festgestellte Unterlassung der erforderlichen Hilfeleistung zur Begründung der Zurechenbarkeit des Todes der Renate P*** als besondere Folge (§ 7 Abs. 2 StGB) der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB heranzuziehen (S 245/II). Demnach gewinnt aber der weitere Einwand (Z 10) seine Berechtigung, daß der tödliche Erfolg dem Angeklagten objektiv nicht hätte zugerechnet werden dürfen:
Gewiß indiziert eine vorsätzliche (leichte) Körperverletzung in der Regel auch schon einen objektiven Sorgfaltsverstoß des Täters in bezug auf eine daraus entstandene qualifizierte Tatfolge (vgl SSt 47/1 ua). Insbesondere beim Eintritt von tödlichen Verletzungen ist jedoch diese Schlußfolgerung nicht zwingend. Denn diesfalls erstreckt sich das Erfordernis einer - für die Zurechnung der Todesfolge als fahrlässig herbeigeführt - vorauszusetzenden objektiven Sorgfaltswidrigkeit des Täters speziell auch auf den Todeseintritt. Bei einer in Ansehung der qualifzierenden Tatfolge atypischen Ungefährlichkeit der Begehungsweise liegt diese Prämisse nicht vor (vgl Burgstaller im WK § 84 Rz 31, § 85 Rz 28, § 86 Rz 5, § 7 Rz 20, § 6 Rz 35 f; EvBl 1979/118, 10 Os 11/87, 10 Os 146/85, 15 Os 148/87 ua).
Ein qualifizierter Taterfolg ist nämlich dem Täter grundsätzlich nur dann als fahrlässig herbeigeführt zuzurechnen, wenn er für ihn - aus der ex-ante-Sicht eines seinen Verkehrskreisen angehörenden und mit seinem Sonderwissen ausgestatteten sachkundigen Beobachters - nach den Erfahrungen des täglichen Lebens voraussehbar, also der Tathandlung adäquat war und dementsprechend im Rahmen des von ihm eingegangenen Risikos lag (vgl EvBl 1980/40, SSt 49/51, 47/58, RZ 1976/52, SSt 46/67 ua). Nur im Rahmen einer derart spezifischen objektiven Sorgfaltswidrigkeit in bezug auf § 86 StGB, also einer objektiven Vorhersehbarkeit des Todeseintritts als Folge des konkreten Tatverhaltens, ist demnach die rechtliche Konsequenz atkuell, daß es auf die Vorhersehbarkeit des tatsächlichen Kausalverlaufs nicht ankommt (vgl EVBl 1983/145, SSt 53/43, 50/22, 10 Os 146/85, 15 Os 148/87 ua). Bei zwei (wenngleich heftigen) Faustschlägen gegen die Mundpartie eines Erwachsenen, die sichtbar zwar erhebliche, aber noch leichte Verletzungen, jedoch ohne Lockerung von Zähnen (S 172/I) hervorriefen und nicht einmal zum Sturz des schwer alkoholisierten Opfers führten (anders in SSt 47/1, 49/51), liegt diese Voraussetzung nicht vor, weil es nach allgemeiner Lebenserfahrung so gut wie ausgeschlossen ist, daß derartige Mißhandlungen unter den konkreten Umständen schon zum Tode führen.
Da mithin dem Beschwerdeführer der Tod der Renate P*** nicht als eine fahrlässig herbeigeführte Folge seiner Tat angelastet werden kann, ist seine Beschwerde (Z 10) insoweit berechtigt. Der Wegfall der Qualifikation nach § 86 StGB bewirkt allerdings noch nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, daß seine Tat rechtlich nur mehr als das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu beurteilen wäre (wobei er zudem übersieht, daß er diesfalls nach den Feststellungen auch das Vergehen des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu verantworten hätte). Da es nicht zweifelhaft sein kann, daß Faustschläge der beschriebenen Art zu an sich schweren Verletzungen führen können, war eine solche Tatfolge für den Angeklagten sehr wohl objektiv vorhersehbar, wobei es in diesem Rahmen auf die Vorhersehbarkeit gerade des konkreten Kausalverlaufes eben nicht ankommt. Dementsprechend kommt die erwähnte Erfolgsqualifikation (§ 84 Abs. 1 StGB), die durch den Abriß von Brückenvenen (mit Blutungen in das Schädelinnere) als fahrlässig herbeigeführte Tatfolge jedenfalls verwirklicht wurde (und nur bei rechtsrichtiger Annahme einer strengeren Qualifikation als bloßer Zwischenerfolg verdrängt würde: vgl RZ 1979/53, Ö*** 1975/230 zu § 86 StGB) vollauf zum Tragen.
Die Voraussetzungen für die subjektive Erfolgszurechnung hinwieder liegen aber gleichfalls vor, weil Umstände, wonach der Angeklagte infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Möglichkeit zu erkennen, daß seine Tat eine an sich schwere Verletzung des Opfers nach sich ziehen könnte, nach der Aktenlage nicht indiziert waren und in der Beschwerde auch gar nicht behauptet wurden.
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher die Subsumtion der dem Angeklagten zur Last liegenden Tat (Punkt 1) wie aus dem Spruche ersichtlich zu korrigieren.
Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung waren die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen dreier Vergehen und das Imstichlassen der Verletzten erschwerend; mildernd war hingegen das Geständnis hinsichtlich der Vergehen laut Punkt 2 und 3 des Schuldspruchs. Eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten entspricht der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten. Deren (auch nur teil-) bedingte Strafnachsicht kam wegen seines Vorlebens nicht in Betracht.
Anmerkung
E14110European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00040.88.0503.000Dokumentnummer
JJT_19880503_OGH0002_0150OS00040_8800000_000