Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika S***, geboren am 23.März 1949 in Kollnitz, Hausbesorgerin in 6370 Kitzbühel, Bichelweg 24/16, vertreten durch Dr. Eckart Söllner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Kurt S***, geboren am 23.April 1938 in Leipzig-Eutritzsch, Taxifahrer, 6370 Kitzbühel, Bichelweg 24, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.November 1987, GZ 2 R 223/87-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.Mai 1987, GZ 7 Cg 421/86-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 2.März 1973 vor dem Standesamt Kitzbühel die beiderseits erste Ehe geschlossen. Dieser entstammen die am 10.März 1973 geborene Tochter Sandra und der am 15. November 1974 geborene Sohn Peter. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Sie haben einen gemeinsamen Wohnsitz in Kitzbühel.
Mit der am 23.Jänner 1984 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie behauptete, der Beklagte übe seinen erlernten Beruf als Installateur nicht aus. Er arbeite nur dann, wenn äußerster finanzieller Druck herrsche, und nur solange, bis die Voraussetzungen für die nächste "Arbeitslose" vorlägen. Hauptursache der Arbeitsscheu des Beklagten sei dessen Hang zu übermäßigem Alkoholgenuß. Er habe die Klägerin bei Erfüllung der gemeinsam übernommenen Hausbesorgerarbeiten im Stich gelassen und unterstütze sie dabei in keiner Weise. Sie müsse daher überwiegend für den Familienunterhalt aufkommen. Hingegen investiere der Beklagte sein Arbeitseinkommen aus kurzfristigen "Gelegenheitsjobs" fast zur Gänze in seine Alkoholsucht. Hiedurch sei das Eheleben zerrüttet. Der Beklagte bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen. Am 23.November 1984 trat Ruhen des Verfahrens ein, welches erst wieder über Antrag der Klägerin vom 11.August 1986, eingelangt am 13. August 1986, fortgesetzt wurde. Sie brachte vor, der Beklagte habe den Hausverwalter nicht über ihre krankheitsbedingte Abwesenheit informiert, was zu einer Kündigung des Hausbesorgerdienstverhältnisses geführt habe. Der Beklagte sei nach wie vor arbeitsunwillig und dem Alkoholkonsum übermäßig zugeneigt. Er habe den ganzen Sommer 1985 "gestempelt", sei am Vormittag ins Gasthaus gegangen, zu Mittag stark nach Alkohol riechend zurückgekommen, habe sich danach niedergelegt, sodann wieder Gasthäuser besucht und sei erst spät in der Nacht zurückgekehrt. Im Juli 1985 habe er sein durch Schwarzarbeit erzieltes Einkommen in Gasthäusern durchgebracht, weshalb die Familie von einer Tante der Klägerin finanziell habe unterstützt werden müssen. Der Beklagte hielt dem entgegen, während des Ruhens des Verfahrens hätten sich die Streitteile versöhnt. Im übrigen stellte er auch die nunmehr geltend gemachten Eheverfehlungen in Abrede. Während das Erstgericht das Scheidungsbegehren abwies, gab ihm das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung Folge und schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Es ging dabei von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:
Die Ehe der Streitteile war bereits am Anfang dadurch belastet, daß der Beklagte Schulden hatte. Sie verlief dennoch bis 1982/83 ohne größere Probleme, weil der Beklagte bis dahin mehr als später arbeitete und auch noch nicht häufig Gasthäuser aufsuchte. Ab 1982/83 arbeitete der Beklagte nur mehr zeitweilig. Seit 1982 war er nur mehr während der Wintermonate als Taxifahrer bei Anton M*** fix beschäfigt. Diese Wintersaison dauerte jeweils vom 15.Dezember bis 20.März. Im Jahre 1984 gab der Beklagte seine Arbeit bei Anton M*** allerdings schon am 5.Februar auf.
In den Sommermonaten verrichtete der Beklagte nur gelegentlich Aushilfsarbeiten. Er bezog im Jahre 1984 Arbeitslosengeld in den Zeiträumen vom 28.März bis 14.Juni und vom 1.November bis 19. Dezember, im Jahre 1985 für die Zeiträume vom 1.April bis 25. April, vom 28.Mai bis 5.Juni und vom 24.Juni bis 11.Dezember. Daß der Beklagte bei entsprechendem Willen keine anderen Arbeitsmöglichkeiten gefunden hätte, konnte nicht festgestellt werden.
Während der Zeiträume seiner Arbeitslosigkeit hielt sich der Beklagte viel in Gasthäusern auf und kam dann "zum Teil" betrunken nach Hause. Zeitweilig war er den ganzen Vormittag im Gasthaus und legte sich dann am Nachmittag zu Hause nieder. Für seine häufigen Gasthausbesuche benötigte der Beklagte viel Geld und verbrauchte so einen erheblichen Teil des Arbeitslosengeldes für sich. Für den Unterhalt der Familie mußte deshalb zum Großteil die Klägerin aufkommen, die seit ca. 10 Jahren als Hausbesorgerin und nebenbei in den Abendstunden auch noch in einer Bank gearbeitet hat. Seit März 1987 ist die Klägerin ganztägig in einem Blumengeschäft beschäftigt. Die Familie wurde daher - vor allem in den Zeiträumen der Arbeitslosigkeit des Beklagten - weitgehend von der Klägerin erhalten.
Mit Vertrag vom 10.September 1976 hatten beide Streitteile gemeinsam die Hausbesorgung für das Appartementhaus "Hahnenkamm" in Kitzbühel übernommen. Danach war auch der Beklagte zur Durchführung von Hausbesorgerarbeiten verpflichtet. Dem Hausverwalter Dr. Gerhard Zanier gingen jedoch laufend Beschwerden aller Miteigentümer des Hauses zu, wonach die Klägerin alle Arbeiten verrichten mußte, während der Beklagte keinerlei Arbeiten durchführte. Aus diesen Gründen wurde der Hausbesorgervertrag auch aufgekündigt. Nachdem die vorgesehene einvernehmliche Scheidung an Kostenfragen gescheitert war, erlitt die Klägerin im Juni 1984 einen Nervenzusammenbruch und hielt sich deshalb bis August bei ihrer Mutter in Kärnten auf. Im Oktober 1984 kam es dann zu einer Versöhnung der Streitteile. Sie beschlossen, unter ihr bisheriges Eheleben einen Schlußstrich zu ziehen und einen neuen Anfang zu setzen.
Im Oktober 1985 begann der Beklagte aber wieder zu trinken und saß ganze Vormittage im Gasthaus, um sich dann am Nachmittag zu Hause niederzulegen. Das Gleiche spielte sich ab Februar 1986 ab, als der Beklagte wegen einer Fußverletzung arbeitslos wurde und auch danach zwei weitere Monate nicht arbeitete. Während dieser Zeit besuchte er - so wie vor Oktober 1984 - viel die Gasthäuser und kam dann "teilweise" betrunken nach Hause. Im Frühjahr 1986 arbeitete der Beklagte einen Monat lang schwarz, stellte aber der Klägerin von seinen Einnahmen für den Haushalt nichts zur Verfügung. Der letzte eheliche Verkehr fand vor den Sommerferien 1986 statt. Die Klägerin hat jegliches Interesse an einer Fortsetzung der Ehe verloren. Der Beklagte will aber an der Ehe vor allem wegen der Kinder festhalten und auch deshalb, weil er sonst nicht wüßte, was er allein anfangen sollte.
Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Ehe sei zumindest seit Sommer 1986 unheilbar zerrüttet. Zwar seien die vor Oktober 1984 begangenen Eheverfehlungen des Beklagten infolge der Versöhnung als verziehen anzusehen, der Beklagte habe aber auch danach noch weitere Eheverfehlungen begangen. Er habe sich ab Herbst 1985, insbesondere aber ab Februar 1986 wieder viel in Gasthäusern aufgehalten und sein Alkoholmißbrauch habe den Unterhalt der Familie beeinträchtigt. Es könnten daher auch die bereits verziehenen Eheverfehlungen unterstützend herangezogen werden. Danach sei es dem Beklagten auch als schwere Eheverfehlung anzulasten, daß er die Klägerin bei den Hausbesorgerarbeiten nicht unterstützt habe. Insgesamt sei die Ehe wegen seiner schuldhaften schweren Eheverfehlungen unheilbar tief zerrüttet.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der vom Beklagten geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt schon deshalb nicht vor, weil die Frage, ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektiven Maßstäben zu beurteilende Rechtsfrage darstellt (EFSlg 25.387; 43.632 ua). Daran ändert es auch nichts, daß diese Frage im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht bereits im Rahmen seiner Tatsachenfeststellungen beantwortet wurde. Unheilbare Ehezerrüttung liegt immer dann vor, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg 43.629, 46.178, 48.763, 51.601 ua). Dabei ist die Bereitwilligkeit des schuldigen Ehegatten zur Fortsetzung der Ehe unerheblich (EFSlg 48.767, 51.606 ua), denn es genügt, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg 48.764, 51.602 ua). Wesentlich ist daher nur, ob das Verhalten des schuldigen Ehegatten geeignet war, dem anderen die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen und ob es diese Wirkung gehabt hat (EFSlg 48.765, 51.603 ua), wobei in der Regel schon die Erhebung der Scheidungsklage dafür spricht, daß die als Scheidungsgrund geltend gemachten Eheverfehlungen auch tatsächlich als ehezerstörend empfunden wurden (EFSlg 27.438, 34.024, 41.263, 51.605 ua).
Das Vorliegen einer unheilbaren Ehezerrüttung wurde daher im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht zutreffend bejaht, weil die Klägerin auf Grund des festgestellten Verhaltens des Beklagten jegliches Interesse an einer Fortsetzung der Ehe verloren hat. Entgegen der Meinung des Revisionswerbers wurde auch richtig erkannt, daß der Beklagte nach der Versöhnung vom Oktober 1984 abermals zerrüttend auf die Ehe gewirkt hat, indem er ab Oktober 1985 während der Zeiten seiner Arbeitslosigkeit wieder seine Gasthausbesuche an den Vormittagen aufnahm, zum Teil betrunken nach Hause zurückkehrte und sich nachmittags niederlegte. Er verbrauchte dabei einen erheblichen Teil des Arbeitslosengeldes für sich und gab der Klägerin auch im Frühjahr 1986 nichts von seinen durch Schwarzarbeit erzielten Einkünften, weshalb die Klägerin zum Großteil für den Familienunterhalt aufkommen mußte. Wenn der Beklagte daher vermeint, es könne ihm kein unterhaltsbeeinträchtigender Alkoholmißbrauch vorgeworfen werden, so ist dies durch die Feststellungen nicht gedeckt und seine Revision insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Trunksucht und Alkoholmißbrauch stellen aber auch dann, wenn sie nicht öffentlich in Erscheinung treten, grundsätzlich eine schwere Eheverfehlung vom Gewicht eines Scheidungsgrundes dar, insbesondere dann, wenn - wie hier - dadurch der Unterhalt der Familie beeinträchtigt oder gefährdet wird und der andere Gatte die Achtung verlieren mußte (Schwind in Klang2 I/1, 782; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 49 EheG; JBl 1976, 212; EFSlg 31.650/6, 33.904, 43.610, 51.581 ua). Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß bei Vorliegen solcher nicht verziehener Eheverfehlungen gemäß § 59 Abs 2 EheG zur Stützung des Scheidungsbegehrens auch auf schon verziehene Eheverfehlungen zur Unterstützung der Klage zurückgegriffen werden kann (EFSlg 46.223, 51.641 ua). Dem Beklagten sind daher auch die während der Zeiten seiner Arbeitslosigkeit vor Oktober 1984 vorgenommenen ständigen Gasthausbesuche und die damit verbundenen Geldausgaben und teilweise erfolgten Alkoholisierungen als schwere Eheverfehlungen vorzuwerfen, desgleichen der Umstand, daß er die Klägerin die Hausbesorgerarbeiten alleine verrichten ließ, obwohl auch er vertraglich dazu verbunden war. Selbst wenn dies aber nicht der Fall gewesen wäre, so läge darin unter den gegebenen Umständen schon eine schwere Eheverfehlung wegen grundloser Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung am Erwerb des anderen Ehegatten (Pichler aaO Rz 1 a zu § 49 EheG und die dort angeführte Rechtsprechung).
Soweit der Beklagte schließlich die Meinung vertritt, die von ihm nach dem Oktober 1984 begangenen Eheverfehlungen seien sämtliche durch den festgestellten letzten Geschlechtsverkehr der Streitteile vor den Sommerferien 1986 "verziehen" worden, so ist er darauf zu verweisen, daß er sich auf eine derartige Verzeihung im erstgerichtlichen Verfahren gar nicht berufen hat. Im übrigen ist in der Vollziehung eines Geschlechtsverkehrs eine Verzeihung im Sinne des § 56 EheG nur dann zu erblicken, wenn aus dem Gesamtverhalten des gekränkten Ehegatten hervorgeht, daß er dadurch unzweideutig zum Ausruck bringen wollte, die Eheverfehlungen des anderen nicht mehr als solche zu empfinden (Pichler aaO Rz 2 zu § 56 EheG; EFSlg 29.601, 36.376, 38.763, 48.805, 48.806, 51.636 uva). Der dem Beklagten hiefür oblegene Beweis (EFSlg 34.022, 51.634 ua) wurde jedoch nach den Feststellungen nicht erbracht.
Die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten durch das Berufungsgericht erweist sich somit als zutreffend, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14469European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00539.88.0505.000Dokumentnummer
JJT_19880505_OGH0002_0060OB00539_8800000_000