Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann, Mag. Engelmaier, Dr. Angst und Dr.Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ruth Hilda L***, geb. am 26. August 1946 in Kufstein, Hauptschullehrerin, 6330 Kufstein, Anton-Karg-Straße 12, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Ing. Gerhard L***, geb. am 18. Jänner 1944 in Wörgl, Techniker, 6300Wörgl,UntererAubachweg6,vertreten in Wörgl, Techniker, 6300 Wörgl, Unterer Aubachweg 6, vertreten durch Dr. Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung und Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Juni 1987, GZ 4 R 84/87-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1986, GZ 14 Cg 294/85-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.397,35 S (darin 308,85 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 24. Juli 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage die Scheidung dieser Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten und die Bezahlung eines monatlichen Unterhalts von 5.500 S. Das Scheidungsbegehren stützte sie auf ein im einzelnen näher beschriebenes Verhalten des Beklagten, durch das er die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet habe, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Gemeinschaft ausgeschlossen sei.
Der Beklagte bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen und die unheilbare Zerrüttung der Ehe, beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens und stellte hilfsweise den Antrag, die Mitschuld der Klägerin auszusprechen, wobei er seinerseits ein seiner Meinung nach Eheverfehlungen begründendes Verhalten der Klägerin behauptete. Beim Begehren auf Bezahlung von Unterhalt vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des Beklagten und sprach aus, daß die Klägerin ein die Schuld des Beklagten überwiegendes Mitverschulden treffe. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
In der Zeit nach der Eheschließung harmonierte das Zusammenleben der Streitteile weitgehend. Es traten aber schon damals gelegentlich Unstimmigkeiten auf, die vorwiegend dadurch verursacht wurden, daß der Beklagte in übertriebener und kleinlicher Weise geringfügige Unzulänglichkeiten der Haushaltsführung beanstandete, worauf die Klägerin in unnötiger Weise heftig reagierte. Anlaß für die Unstimmigkeiten war auch der Umstand, daß der Beklagte übermäßig viele alte Zeitungen und Zeitschriften, die er für seine Berufsausübung benötigte, im Wohnzimmer verwahrte, wodurch die gemeinsame Benützung des Raumes erheblich gestört wurde. Der Beklagte kam der Aufforderung der Klägerin, die Zeitungen und Zeitschriften soweit wegzuräumen, daß die Benützung des Wohnzimmers dadurch nicht beeinträchtigt werde, nicht nach. Die Klägerin räumte daher das Wohnzimmer selbst von dem Altpapier, was ihr eine heftige Beanstandung durch den Beklagten eintrug. Wegen beiderseits mangelhafter Rücksichtnahme ist es den Streitteilen in dieser Zeit überdies nicht gelungen, ein Einvernehmen über die gemeinsame Benützung des ehelichen Schlafzimmers zu erzielen, weshalb dieses in der Folge von der Klägerin und der am 31. Dezember 1979 geborenen ehelichen Tochter benützt wurde, während der Beklagte in einem anderen Zimmer schlief.
Am 8. Dezember 1980 zogen die Streitteile mit ihrem Kind in ein Reihenhaus. Es kam in der Folge zunehmend zu weiteren Unstimmigkeiten, so etwa am Nachmittag des 24. Dezember 1980. Für diesen Tag hatte der Beklagte vorgesehen, daß am Nachmittag zunächst eine Weihnachtsfeier im Kreis seiner Familie stattfinden sollte und er sodann mit der Klägerin und dem Kind zu seinen Eltern fahren werde. Die Klägerin, die damit einverstanden war, konnte auf Grund starker Arbeitsbelastung im Haushalt den vom Beklagten vorgesehenen Zeitplan nicht einhalten. Der Beklagte war über die hiedurch verursachte Verzögerung der Abreise erheblich verärgert und machte der Klägerin grobe Vorwürfe. Zugleich ordnete er an, daß die Geschenke erst später ausgepackt werden sollten. All dies verärgerte wiederum die Klägerin, sodaß es schließlich zu einer lautstarken Auseinandersetzung mit wechselseitigen Beschimpfungen und dadurch zu einer längeren gedrückten Stimmung kam.
Die Weihnachtsfeiertage des Jahres 1980 verbrachten die Streitteile mit ihrem Kind bei den Eltern des Beklagten. Während dieses Aufenthaltes forderte der Beklagte die Klägerin einmal auf, sie solle sich an der guten Haushaltsführung seiner Mutter ein Beispiel nehmen. Die Antwort der Klägerin, auch deren Haushaltsführung sei nicht tadellos, verstand der Beklagte als unberechtigte Kritik. Er forderte die Klägerin auf, an seiner Mutter keine Kritik zu üben. Wegen der Antwort der Klägerin, sie bleibe bei ihrer Kritik, versetzte der Beklagte ihr eine Ohrfeige. Die Klägerin führte als Reaktion darauf mit einer Packung Kindernährmittel einen Schlag gegen den Kopf des Beklagten aus. Der Vorfall endete schließlich in einer lautstarken Auseinandersetzung mit wechselseitigen Beschimpfungen.
Nachdem die Klägerin am Rosenmontag des Jahres 1984 alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen hatte, um das Kind zu baden, beanstandete der Beklagte das vorgesehene Bad mit dem Bemerken, es sei nicht erforderlich und es sei hiefür jedenfalls schon zu spät. Die Klägerin ersuchte ihn, sie in Ruhe weiterarbeiten zu lassen, und verwies ihn aus dem Badezimmer. Dadurch kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten, in deren Verlauf sich beide wechselseitig an den Armen erfaßten. Der Beklagte ließ die Klägerin schließlich überraschend los, wodurch sie mit dem Kopf gegen einen Türstock stieß und am Kopf verletzt wurde. Die Folge dieses Vorfalls war wiederum erheblich gedrückte Stimmung zwischen den Ehegatten.
Während des Sommerurlaubes 1984, den die Streitteile ohne ihr Kind in Jugoslawien verbrachten, wies der Beklagte die Klägerin an, für das Frühstück bestimmte, aber nicht verbrauchte Marmeladepäckchen zu sammeln und am Ende des Urlaubs nach Hause mitzunehmen. Die Klägerin ließ ohne Wissen und Zustimmung des Beklagten etwa die Hälfte der gesammelten Marmeladepäckchen zurück. Der Beklagte machte ihr deshalb grobe Vorhalte, welche sie lautstark zurückwies. Im Laufe der Auseinandersetzung kam es zu wechselseitigen Beschimpfungen. Unmittelbar nach diesem Vorfall fuhr die Klägerin zu ihren Eltern, ohne den Beklagten zuvor über ihre Abreise aufzuklären. Sie verständigte ihn erst am folgenden Tag, daß sie bei ihren Eltern sei und in die Ehewohnung zurückkehren werde. Dort trafen die Ehegatten schließlich wiederum zusammen. Als die Streitteile am 9. April 1985 von den Eltern des Beklagten zurückkehrten, kam es zu Unstimmigkeiten über das Verräumen der mitgebrachten Sachen. Sie führten zunächst zu einem Wortwechsel und ferner dazu, daß die Ehegatten sich wechselseitig an den Armen erfaßten, weil sie Tätlichkeiten des Andern befürchteten. Der Beklagte versetzte schließlich der Klägerin Fußtritte, wodurch sie geringfügig am Körper verletzt wurde. Das Ergebnis der Auseinandersetzung war eine tiefgreifende Verstimmung der Ehegatten. Der Beklagte versuchte, die Situation am nächsten Morgen durch ein klärendes Gespräch zu bereinigen. Die Klägerin war hiezu aber nicht bereit und verließ die Ehewohnung am Vormittag des 10. April 1985 unter Mitnahme persönlicher Sachen und des Kindes. Sie bewohnt seither eine andere Wohnung. Der Beklagte forderte sie nach dem 10. April 1985 wiederholt und mit großem Nachdruck auf, mit dem Kind in die Ehewohnung zurückzukehren, um die Ehe fortzusetzen. Er ist weiterhin zu einer Versöhnung mit der Klägerin bereit. Die Klägerin lehnte die Rückkehr und die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft mit dem Beklagten jedoch stets ab und ist zu einer Versöhnung nicht bereit.
Während die Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten noch aufrecht war, bildeten gelegentlich auch Belange der Erziehung des Kindes Anlaß für Unstimmigkeiten. Ursache dafür waren hauptsächlich Vorfälle, bei denen die Klägerin das Kind körperlich züchtigte oder zur Maßregelung allein in ein Zimmer verwies. Diese harten Erziehungsmaßnahmen beanstandete der Beklagte. Seit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft streiten die Ehegatten erbittert um das Kind. Dieses befand sich zunächst in der Obsorge der Klägerin. Dem Beklagten wurde in einem am 6. September 1985 geschlossenen Vergleich an jedem zweiten Wochenende ein Besuchsrecht eingeräumt. Die Besuchsregelung wurde, wenn auch unter gelegentlichem Streit, bis 8. Jänner 1986 eingehalten. An diesem Tag nahm der Beklagte das Kind zu sich und verweigerte in der Folge der Klägerin während mehrerer Monate jeden Kontakt zu dem Kind, weshalb das Pflegschaftsgericht auf Antrag der Klägerin eine Besuchsregelung treffen mußte.
Die Klägerin war zur Zeit der Eheschließung in Belangen der Haushaltsführung unerfahren; dies war dem Beklagten bekannt. Nach der Übersiedlung in das Reihenhaus versuchte sie zwar, den Haushalt bestmöglich zu erledigen. Sie war dabei aber teilweise umständlich und langsam, weshalb es gelegentlich zu Verzögerungen, etwa im Zubereiten des Essens oder in der Versorgung der Wäsche, kam. Solche Mängel mißfielen dem Beklagten, der seinerseits häufig in übertriebener und kleinlicher Weise die Klägerin deshalb rügte. Diese Beanstandungen beantwortete die Klägerin ihrerseits mit gereizter Stimmung und lautstarken Erklärungen. Gelegentlich beanstandete der Beklagte auch belanglose Mängel der Haushaltsführung in nörgelnder und beleidigender Weise, wobei er der Klägerin häufig seine Mutter als Beispiel einer guten Hausfrau vor Augen stellte. Beide Ehegatten hatten schon zur Zeit der Eheschließung einen ausgeprägten Charakter und sie verstanden es beide nicht ausreichend, zu Zwecken eines harmonischen Zusammenlebens auf die Wünsche und Eigenschaften des anderen einzugehen, sondern waren beide häufig bestrebt, ohne Rücksicht auf den anderen die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Vorwiegend der Beklagte trachtete, das eheliche Zusammenleben nach seinem Willen und nach seinen Wünschen zu gestalten. Die Klägerin empfand ihn deshalb als herrschsüchtig und dominierend. Durch dieses Verhalten und dadurch, daß sich der Beklagte wiederholt in nörgelnder Weise in belanglose Angelegenheiten der Haushaltsführung einmischte, entstanden häufig vorübergehende Unstimmigkeiten zwischen den Ehegatten.
Finanzielle Belange waren kaum Anlaß für Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen. Bis zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft stellte der Beklagte der Klägerin ausreichend Wirtschaftsgeld und Unterhalt zur Verfügung. Er gewährte ihr allerdings nur wenig Einblick in seine finanziellen Verhältnisse. Die Klägerin wiederum legte das Geld, das sie im Herbst 1984 als Abfertigung erhielt, auf ein Sparbuch, ohne das Einvernehmen mit dem Beklagten über die Verwendung herzustellen. Sie wollte es vorsorglich für sich behalten, wenn es zu weiteren Schwierigkeiten in der Ehe kommen sollte. Der Beklagte bezahlte seit der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft keinen Unterhalt in Geld und trug für die Dauer einiger Monate vorerst auch zum Unterhalt des Kindes nichts bei. Seit Herbst 1985 leistet er zu Handen der Klägerin wieder angemessenen Unterhalt für das Kind.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß beiden Parteien Eheverfehlungen anzulasten seien. Das Verschulden der Klägerin an der hiedurch verursachten unheilbaren Zerrüttung der Ehe überwiege, weil der Beklagte zu Recht Mängel in der Haushaltsführung und in der überstrengen Kindererziehung beanstandet habe. Außerdem habe sie die eheliche Lebensgemeinschaft ohne Einverständnis des Beklagten aufgelöst und hiedurch und durch ihre Weigerung zurückzukehren den endgültigen Bruch der Ehe bewirkt.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes infolge der Berufung der Klägerin dahin ab, daß es nur das Mitverschulden der Klägerin, nicht jedoch dessen Überwiegen feststellte. Der Hauptgrund für die Schwierigkeiten in der Ehe der Streitteile sei bis zum 10. April 1985 in der charakterlichen Verschiedenheit und darin gelegen gewesen, daß die Streitteile nach jahrelangem unverheiratetem Leben nicht genügend aufeinander eingehen und ihr Verhalten nicht in dem Umfang hätten ändern können, der notwendig gewesen wäre, um eine gedeihliche Ehe zu führen. In dieser Hinsicht sei beiden Teilen im Grund genommen gleich viel vorzuwerfen. Das Verhalten des Beklagten in den dadurch entstandenen Streitereien müsse aber als eine gröbere Verfehlung gegen die eheliche Gesinnung als das der Klägerin gewertet werden. In diesem Lichte sei die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch die Klägerin zu beurteilen. Die eigenmächtige Aufhebung der Hausgemeinschaft sei zwar nur bei besonders schweren Eheverfehlungen eines Ehegatten gerechtfertigt und bilde sonst eine schwere Eheverfehlung des anderen Ehegatten. Hier sei der Klägerin zwar nach dem Vorfall vom 9. April 1985, der als schwere Eheverfehlung des Beklagten zu werten sei, ein weiteres Zusammenleben mit ihm gerade noch zumutbar gewesen, zumal sie an der ungünstigen Entwicklung des Eheverhältnisses ein ganz erhebliches, nahezu gleichwertiges Mitverschulden treffe und sie die eheliche Gemeinschaft nicht aus Furcht vor weiteren Tätlichkeiten des Beklagten aufgelöst habe. Die Auflösung sei daher zwar eine Eheverfehlung der Klägerin, sie falle aber deshalb nicht so schwer ins Gewicht, weil sie durch das Verhalten des Beklagten provoziert worden sei und fast als gerechtfertigt angesehen werden müsse und weil damals außerdem die Ehe schon zerrüttet gewesen sei. Es habe auch der Beklagte nach Auflösung der Lebensgemeinschaft noch dadurch eine Eheverfehlung begangen, daß er der Klägerin monatelang das gemeinsame Kind vorenthalten habe. Bei Berücksichtigung des Verhaltens beider Ehegatten nach dem 9. April 1985 ergebe sich, daß das Verschulden des Beklagten leicht, jedoch nicht erheblich überwiege. Es sei daher ein gleichteiliges Mitverschulden beider Parteien festzustellen. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes, inhaltlich jedoch nur gegen den darin enthaltenen Schuldausspruch, richtet sich die Revision des Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsschöpfung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltendgemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In rechtlicher Hinsicht ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß bis zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft am 10. April 1985 eher ein leichtes Überwiegen des Verschuldens des Beklagten anzunehmen ist, weil in der Regel er mit den Streitigkeiten begann und die Reaktion der Klägerin nicht wesentlich verwerflicher als das Verhalten des Beklagten war, mag sie auch über das entschuldbare Maß hinausgegangen sein. Sein Verhalten überschritt entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sehr oft den Rahmen einer gerechtfertigten Beanstandung. Gegen all dies wird in der Revision konkret auch nichts vorgebracht. Die Revisionsausführungen laufen darauf hinaus, daß das Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe nach Ansicht des Beklagten deshalb überwiege, weil sie ihn zweimal verlassen und beim letzten Mal die eheliche Gemeinschaft endgültig aufgelöst habe. Die Klägerin verließ den Beklagten das erste Mal im Jahr 1984 für eine Nacht. Dem kann aber schon deshalb keine besondere Bedeutung beigemessen werden, weil nicht anzunehmen ist, daß ein kurzfristiges, noch dazu auf den vorangehenden Streit zurückgehendes Verlassen für sich allein entscheidend zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat. Dies ist aber wesentlich bei der Prüfung der Frage, ob die Schuld des einen oder anderen Ehegatten überwiegt (EFSlg 48.824, 51.648 ua).
Was die endgültige Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft betrifft, so ist dem Beklagten zwar einzuräumen, daß sein Verhalten sie nicht gerechtfertigt erscheinen läßt. Die Aufhebung ist der Klägerin daher als Eheverfehlung anzulasten. Damals war aber die eheliche Gemeinschaft offenbar schon unheilbar zerrüttet. Daß der Beklagte dies nicht so empfand, steht dieser Annahme nicht entgegen, weil es genügt, daß ein Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg 48.764, 51.602 ua). Dies trifft aber auf die Klägerin zu. Nach der nunmehr überwiegenden Rechtsprechung können zwar auch Eheverfehlungen, die nach der Zerrüttung der Ehe begangen wurden, noch ein Mitverschulden begründen, wenn eine Vertiefung der Zerrüttung nicht ausgeschlossen werden kann und der zunächst schuldtragende Teil das Verhalten des anderen bei verständiger Würdigung noch als ehezerrüttend empfinden durfte (EFSlg 41.293, 48.828; 3 Ob 652/86). Im allgemeinen werden solche Eheverfehlungen allerdings nicht mehr von entscheidender Bedeutung sein (EFSlg 51.653, 51.654 mwN). Dieser Fall ist hier aber gegeben, weil auch der Umstand, daß die Klägerin nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe als Folge eines der zahlreichen Streite mit dem Beklagten die eheliche Gemeinschaft eigenmächtig verließ, an dem für den Schuldausspruch maßgebenden Gesamtverhalten der Ehegatten (EFSlg 51.642 uva) nichts ändert. Insbesondere führt dieser Umstand nicht dazu, daß unter Berücksichtigung des Verlaufes der Ehe der Streitteile das Verschulden der Klägerin erheblich schwerer als das des Beklagten gewertet werden müßte und daß sein Verschulden als fast völlig in den Hintergrund tretend angesehen werden könnte. Dies wäre aber, wie schon das Berufungsgericht richtig erkannte, Voraussetzung für den vom Beklagten angestrebten Schuldausspruch (EFSlg 51.658 uva). Dem Berufungsgericht ist daher ein Rechtsirrtum zum Nachteil des Beklagten nicht unterlaufen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 und § 50 ZPO.
Anmerkung
E14275European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0100OB00532.87.0510.000Dokumentnummer
JJT_19880510_OGH0002_0100OB00532_8700000_000