TE OGH 1988/5/10 4Ob543/88

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Veröffentlicht am 10.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Olga P***, Volksschuldirektorin i.R., Wien 21., Strebersdorferplatz 4, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 24. Februar 1988, GZ 44 R 16, 17/88-15, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 11. Jänner 1988, GZ 16 SW 62/87-10 u. 11, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs und der Schriftsatz der Betroffenen vom 14. April 1988 werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Betroffene hat Silvia G*** zu 6 C 5249/86 des Bezirksgerichtes Floridsdorf auf Räumung geklagt. Da dem Prozeßrichter Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Betroffenen kamen, verständigte er das Pflegschaftsgericht und unterbrach mit Beschluß vom 22. Juni 1987, ON 18, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Pflegschafsgerichtes darüber, ob für die Betroffene eine Maßnahme im Sinne des § 273 ABGB zu treffen sei. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß (48 R 363/87).

Nach Anhörung der Betroffenen bestellte das Erstgericht den Rechtsanwalt Dr. Erwin D*** zu ihrem einstweiligen Sachwalter für die Dauer des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, und zwar mit Beschluß ON 10 zur Vertretung im Räumungsverfahren 6 C 5249/86 und mit Beschluß ON 11 zur Vertretung im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters. Aus den Verhandlungsprotokollen im Räumungsstreit gehe hervor, daß die Betroffene weder die Rechtsbelehrung des Richters zur Kenntnis nehme noch auf das Vorbringen ihrer Prozeßgegnerin einzugehen imstande sei. Seit 1987 verfasse sie Schriftsätze, in denen sie in Stichworten äußerst umständlich und teilweise unverständlich die Ereignisse ab 1963 chronologisch darstelle und unzusammenhängend zu den einzelnen Verfahren Stellung nehme. Sie benütze jede Gelegenheit, um aus diesen Schriftsätzen zu zitieren, beachte aber nicht an sie gerichtete Fragen; ein Gespräch mit ihr sei nicht mehr möglich gewesen. Auch sei ihr weder der Grund für die Überprüfung ihrer Prozeßfähigkeit noch der Sinn und Zweck sowie die rechtlichen Konsequenzen der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters begreiflich zu machen gewesen. Sie scheine nicht in der Lage, das Wesen des Beweisverfahrens im Zivilprozeß zu erkennen. Eine Fixierung auf einmal festgelegte Äußerungen und Rechtsansichten sei unverkennbar und deute auf einen gewissen Altersstarrsinn der Betroffenen hin. Es lägen auch Anzeichen einer Paranoia querulans und eines beginnenden Verfolgungswahnes, verbunden mit einer Überbewertung der eigenen Persönlichkeit, vor. Aus diesen Gründen sei für sie ein einstweiliger Sachwalter für beide Verfahren zu bestellen gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Beschlüsse. Die Betroffene behaupte zwar, sie sei gesund und bedürfe nicht der Hilfe eines Sachwalters, weil sie in ihrem Rekurs Denkfähigkeit, Sachlichkeit, zielstrebiges Arbeiten und Konzentration bekunde; sie erwecke jedoch erhebliche Zweifel daran, weil sie abermals auf ihre Bestandstreitigkeiten eingehe und ganz offenbar mißverstandene Rechtssätze zitiere. Die vom Erstgericht über die Erstanhörung wiedergegebenen Eindrücke entsprächen völlig dem Bild, das aus den Schriftsätzen der Betroffenen zu gewinnen sei. Diese sei zwar sicherlich überdurchschnittlich gebildet, dennoch aber unfähig, die rechtliche Erheblichkeit von Sachverhalten zu erkennen und bindend gewordene gerichtliche Entscheidungen hinzunehmen. Wie immer ihr Verhalten psychiatrisch zu werten sein werde, so gehe doch schon jetzt klar hervor, daß die Fähigkeit zur zutreffenden Einschätzung eines Sachverhaltes und zu folgerichtigem prozessualen Handeln ganz erheblich beeinträchtigt sei. Das berge die Gefahr eines Nachteiles im Sinne des § 273 Abs. 1 ABGB in sich. Nach § 238 AußStrG habe das Erstgericht daher sowohl für einen Rechtsbeistand im Sachwalterschaftsverfahren als auch für einen einstweiligen Sachwalter zur Fortführung und Beendigung des Räumungsstreites 6 C 5249/86 des Bezirksgerichtes Floridsdorf zu sorgen gehabt. Diese Maßnahmen bedeuteten keine Entrechtung der Betroffenen, sondern dienten ihrem Schutz.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß von der Betroffenen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da § 249 AußStrG das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen nicht abschließend regelt, sondern nur einzelne Ausnahmen von der allgemeinen Regelung der §§ 9 bis 16 AußStrG festlegt, findet § 16 AußStrG auch hier Anwendung (NotZ. 1986, 71; NotZ 1987, 95 u.v.a.).

Nach § 16 Abs. 1 AußStrG können bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, wegen Aktenwidrigkeit und wegen Nichtigkeit angefochten werden; die Geltendmachung anderer Beschwerdegründe, insbesondere der unrichtigen Beweiswürdigung oder einfacher (nicht das Gewicht einer Nichtigkeit erreichender) Verfahrensmängel, ist hingegen ausgeschlossen (EFSlg. 39.783, 49.936, 52.744 u.v.a.). Mit ihren Rechtsmittelausführungen zeigt aber die Betroffene keinen der Anfechtungsgründe des § 16 Abs. 1 AußStrG auf.

§ 236 AußStrG verlangt als einzige materiellrechtliche Voraussetzung für die amtswegige Einleitung des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person das Vorliegen begründeter Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme. Unter welchen konkreten Umständen im Einzelfall diese Voraussetzung anzunehmen ist, wird im Gesetz nicht geregelt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß im vorliegenden Fall solche begründeten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Betroffene gegeben seien, kann daher nicht offenbar gesetzwidrig im Sinn des § 16 Abs. 1 AußStrG sein (8 Ob 539/87, 8 Ob 550/87, 6 Ob 732/87). Ist aber das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters nach der Vernehmung des Betroffenen durch den Richter (§ 237 AußStrG) fortzusetzen, so hat das Gericht für einen Rechtsbeistand des Betroffenen in diesem Verfahren einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen (§ 238 Abs. 1 AußStrG), wie es das Erstgericht mit seinem Beschluß ON 11 getan hat. Nach § 238 Abs. 2 AußStrG hat das Gericht dem Betroffenen für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten zu bestellen, wenn das Wohl des Betroffenen es erfordert. Die rechtliche Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz, daß es im Interesse der Betroffenen dringend notwendig sei, für sie einen einstweiligen Sachwalter zur Führung des Zivilprozesses gegen Silvia G*** zu bestellen, steht nicht im Gegensatz zum Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmung und ist daher nicht offenbar gesetzwidrig.

Da auch keine Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit zu erkennen ist, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Der dieses Rechtsmittel ergänzende Schriftsatz der Betroffenen vom 14. April 1988 war gleichfalls zurückzuweisen, und zwar schon deshalb, weil er erst nach Ablauf der Revisionsrekursfrist von 14 Tagen beim Obersten Gerichtshof überreicht wurde. Der angefochtene Beschluß war der Betroffenen am 22. März 1988 zugestellt worden; den Schriftsatz hat sie am 15. April 1986 zur Post gegeben.

Anmerkung

E14168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00543.88.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19880510_OGH0002_0040OB00543_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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