Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) M*** Graz registrierte Genossenschaft m.b.H., Babenbergerstraße 75, 8020 Graz, und
2) Helmut M***, Kraftfahrer, Leutzenhofgasse 15, 8020 Graz, beide vertreten durch Dr. Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei V*** DER V***
Ö***, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Rudolf und Dr. Gunter Griss, Rechtsanwälte in Graz, wegen
1) 934.129,17 S sA und 2) 40.000 S sA (Revisionsstreitwert 710.929,17 S), infolge Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 6. Mai 1986, GZ 7 R 36, 37/86-65, womit infolge Berufung der erstklagenden Partei und der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10. Oktober 1985, GZ 9 Cg 142/84-58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.596,71 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 1.200 S und Umsatzsteuer von 1.490,61 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei einem am 3. Jänner 1984 bei Rottenmann von Konstantinos T*** als Lenker eines LKW-Zuges mit dem Kennzeichen MO 1505 (GR) verschuldeten Verkehrsunfall wurde ein LKW der Erstklägerin beschädigt und der Zweitkläger, der Lenker dieses LKW, verletzt. Darüber hinaus wurden noch mehrere andere Kraftfahrzeuge beschädigt. Es ist unbestritten, daß der Erstklägerin bei diesem Verkehrsunfall ein Sachschaden in der Höhe von 934.129,17 S entstand und daß die dem Zweitkläger zugefügten Verletzungen den Zuspruch eines Schmerzengeldes von 40.000 S rechtfertigen. Die Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen im Sinne des § 62 Abs 1 KFG ist dem Grunde nach unbestritten. Im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen über die Schadenersatzforderungen der beiden Kläger trat die W*** V*** als Korrespondenzgesellschaft mit Liquidationsbefugnis für die Beklagte auf.
Im vorliegenden Rechtsstreit (die Verfahren über die getrennt eingebrachten Klagen der beiden Kläger wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden) begehrte die Erstklägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 934.129,17 S sA (Sachschaden) und der Zweitkläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 40.000 S sA (Schmerzengeld) im wesentlichen mit der Begründung, daß zwischen den Streitteilen ein außergerichtlicher Vergleich über die Schadenersatzleistung der Beklagten geschlossen worden sei; im übrigen hafte die Beklagte für den Ersatz dieser Schäden, weil der Lenker des griechischen LKW-Zuges den Unfall allein verschuldet habe.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß ein Vergleich mit den Klägern über die Höhe der ihnen gebührenden Ersatzleistungen nicht zustande gekommen sei. Den Lenker des griechischen LKW-Zuges treffe kein Verschulden am Schaden der Kläger; es habe sich um ein unabwendbares Ereignis gehandelt. Eine Haftung der Beklagten für Sachschäden komme nur bis zum Betrag von 720.000 S in Betracht. Da der gesamte Sachschaden aus diesem Unfall 3,058.467,44 S betragen habe, könne die Erstklägerin nur den auf ihren Sachschaden entfallenden aliquoten Anteil am Haftungshöchstbetrag fordern. Im übrigen treffe den Zweitkläger ein Mitverschulden an dem eingetretenen Unfall.
Das Erstgericht erkannte - im zweiten Rechtsgang - die Beklagte schuldig, der Erstklägerin einen Betrag von 223.200 S sA und dem Zweitkläger einen Betrag von 40.000 S sA zu bezahlen. Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 710.929,17 S sA gerichtete Mehrbegehren der Erstklägerin wies es ab.
Das Erstgericht stellte - soweit für die im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen von Bedeutung - im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Für den von T*** gelenkten griechischen LKW-Zug besteht bei der W*** Schweiz zu CH 56/GR, 852103/1, Polizzennummer 9398761, eine Haftpflichtversicherung.
Die beiden Kläger beauftragten am 24. Jänner 1984 Dr. L*** mit der Regelung ihrer Schadenersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall. Dieser bezifferte in einem an die W*** V*** in Graz zu Handen des Schadensreferenten K*** übergebenen Forderungsschreiben den vorläufigen Schaden der Erstklägerin mit 890.643 S und des Zweitklägers mit 40.450 S. In der Folge fragte er mehrmals telefonisch nach, ob diese Forderungen schon einer Erledigung zugeführt worden seien. Dabei nahm er zur Kenntnis, daß bei einer Gesamtforderung von nahezu einer Million Schilling die Generaldirektion der W*** V*** zu einer außergerichtlichen vergleichsweisen Erledigung ihre Zustimmung geben muß.
Die W*** V*** mit dem Sitz in der Schweiz
unterhält in Wien eine Direktion sowie eine Filialdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland und ferner Filialdirektionen in Graz für die Steiermark und Kärnten, in Linz für Oberösterreich und Salzburg und in Innsbruck für Tirol und Vorarlberg. Der bei der Filialdirektion Graz angestellte Schadensreferent K*** ist befugt, Schadensfälle mit einem Gesamtschadensaufwand bis zu 40.000 S zu erledigen und Zahlungsanweisungen bis zu 40.000 S freizugeben. Der Leiter der Schadensabteilung der W*** Wien Dr. D*** hat eine Schadenserledigungskompetenz bis 500.000 S. 40.000 S bzw. 500.000 S übersteigende Gesamtansprüche sind zwar vom Schadensreferenten bzw. Leiter der Schadensabteilung vorzubereiten, werden aber vom Stammhaus in der Schweiz entschieden. Werden von einem Geschädigten mehrere Ansprüche geltend gemacht, dann bedeutet das im Zuge der Entscheidungsvorbereitung erfolgte "Abhaken" einzelner Posten, daß gegen die Höhe des einzelnen abgehakten Anspruches keine Einwendungen erhoben werden. Wird der jeweilige Anspruch dem Grunde und der Höhe nach von dem zur Entscheidung zuständigen Organ anerkannt, dann ergeht bei einem Schadensumfang von mehr als 500.000 S eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung vom Stammhaus in der Schweiz zur Direktion nach Wien und von dort an die jeweilige Filialdirektion.
K*** übermittelte am 21. Februar 1984 das Forderungsschreiben des Dr. L*** an die Direktion in Wien. Dort wurden von einer Angestellten einzelne Positionen abgehakt; bei zwei Positionen wurden Vermerke angebracht, daß ihre Höhe noch näher zu prüfen sei. Nach seiner Rückkehr vom Urlaub am 10. März 1984 setzte sich Dr. L*** fernmündlich mit K*** in Verbindung, der ihm erklärte, daß er mangels einer Ermächtigung seitens der Direktion in Wien noch keine definitive Erklärung abgeben könne. Die Direktion in Wien übersandte dann die teilweise abgehakte Schadensaufstellung der Filialdirektion in Graz, worauf K*** am 20. März 1984 Dr. L*** fernmündlich mitteilte, daß die Verschuldensfrage nunmehr geklärt sei und er von Wien grünes Licht bekommen habe. Am 26. März 1984 verfaßte K*** auf der Basis des Forderungsschreibens der Kläger vom 26. Jänner 1984 eine Abfindungserklärung betreffend die Schadenersatzansprüche der Erstklägerin über 890.000 S mit dem Vermerk: "Sobald die Abfindungserklärung unterschrieben bei uns eingelangt ist und von uns in dieser Form angenommen wird, erfolgt die Überweisung". Dr. L*** änderte am 30. März 1984 den Abfindungsbetrag von 890.000 S auf 920.000 S zuzüglich 30.000 S Kosten und sandte die abgeänderte Abfindungserklärung mit einem Begleitschreiben zurück. In einem Ferngespräch vom 4. April 1984 teilte K*** dem Dr. L*** mit, daß er daran zweifle, für dieses Anbot in Wien die Genehmigung zu bekommen. Schließlich einigten sich die beiden fernmündlich hinsichtlich der Erstklägerin auf einen Betrag von 910.000 S und einige Tage später hinsichtlich des Zweitklägers auf einen Betrag von 40.000 S samt den Kosten von 30.000 S, aufgeteilt mit 25.000 S auf die Erstklägerin und mit 5.000 S auf den Zweitkläger. Noch am gleichen Tag teilte Dr. L*** der G*** W*** V*** dieses Ergebnis mit und
urgierte nach fruchtlosem Verstreichen der für die Zahlung in Aussicht gestellten Frist von 14 Tagen bei K*** die Bezahlung der Beträge. Mit Schreiben vom 19. April 1984 teilte die W*** V*** Wien nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage mit der Generaldirektion Dr. L*** mit, daß die Abfindungsanbote nicht angenommen werden können.
Gegenüber der Beklagten haben aus dem Unfall vom 3. Jänner 1984 neben der Erstklägerin noch nachstehende Personen Ansprüche auf Ersatz von Sachschäden in folgender Höhe erhoben:
1) Österreichische Fischereigesellschaft S 61.732,--
2) Kingsrod Transport (Schäden am Sattel-
Kraftfahrzeug AR 37.515) S 1,015.554,27
3) Konstantin A*** (Schäden am LKW
ET 6427) S 200.000,--
4) Nikolaos T*** (Schäden am
Fahrzeug AI 3175) S 822.052,--
S 2,099,338,27
Zusammen mit der unbestrittenen
Forderung der Erstklägerin von S 934.129,17
ergibt sich eine Gesamtforderung auf
Ersatz von Sachschäden von S 3,033.467,44.
Die Österreichische Fischereigesellschaft hat ihren Schadenersatzanspruch durch ein Gutachten des Institutes für Fischkunde und durch eine Preisliste für Setzlinge bescheinigt. Bezüglich der übrigen Sachschäden der am Unfall beteiligten Fahrzeuge liegen Rechnungen, Kostenvoranschläge und Sachverständigengutachten vor.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß vom Zustandekommen eines die Beklagte bindenden außergerichtlichen Vergleiches nicht gesprochen werden könne, weil die Zustimmung der hiefür zuständigen Organe der Korrespondenzversicherung gefehlt habe. Im übrigen seien die Ansprüche beider Kläger dem Grunde nach im vollen Umfang berechtigt, weil der Lenker des griechischen LKW-Zuges die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und damit gegen eine Schutznorm verstoßen und so die Anstoßfolgen erhöht habe. Ein Haftungsausschluß wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses sei nicht gegeben. Ein Mitverschulden des Zweitklägers am Unfall liege nicht vor. Gleichwohl müsse sich die Erstklägerin eine anteilsmäßige Kürzung ihrer Ansprüche der Höhe nach gefallen lassen, weil die Haftung der Beklagten für Sachschäden mit dem Betrag von 720.000 S begrenzt sei und die gesamten Sachschäden aus diesem Unfall 3,033.467,44 S ausmachten. Der Anteil der Sachschäden der Erstklägerin an diesem Gesamtschaden betrage 31 %. Diesen Anteil vom Betrag von 720.000 S könne die Erstklägerin von der Beklagten fordern; ihr Mehrbegehren sei abzuweisen.
Dieses Urteil wurde von der Erstklägerin und von der Beklagten mit Berufung bekämpft.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil beiden Berufungen keine Folge.
Soweit für die im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen von Bedeutung, übernahm es die Feststellungen des Erstgerichtes. Rechtlich führte es im wesentlichen aus, daß das Erstgericht das Zustandekommen eines außergerichtlichen Vergleiches zwischen den Streitteilen mit Recht verneint habe. Die Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen habe das Erstgericht dem Grunde nach zutreffend bejaht.
Was die Frage der Haftungsbeschränkung der Beklagten der Höhe nach anlange, sei nicht strittig, daß die Mindestversicherungssumme bei Sachschäden 720.000 S betrage.
§ 62 Abs 1 KFG bestimme, daß für Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen dann, wenn sie im Inland auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden, die Haftung eines zum Betrieb der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Österreich zugelassenen Versicherers oder eines Verbandes solcher Versicherer im Umfang der §§ 59 und 60 KFG vorliegen müsse. § 62 Abs 3 KFG bestimme, daß für Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen zur Gewährleistung der im Abs 1 angeführten Haftung eine Versicherung abgeschlossen werden könne. Dabei könne sich diese Versicherung auf die Ersatzleistung an den Geschädigten auf Rechnung des Versicherungsnehmers beschränken (Schadensbehandlungsversicherung). Durch die Verweisung auf § 59 KFG sei klargestellt, daß es sich bei der Haftung nach § 62 Abs 1 und Abs 3 KFG nur um eine solche im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen handeln könne (vgl. § 59 Abs 1 und Abs 3 KFG). Erhärtet werde diese Auslegung noch durch Art. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 14. Februar 1967 über die Schadensbehandlungsversicherung, BGBl. 1967/403, in der derzeit geltenden Fassung, weil dort angeordnet werde, daß die im § 62 Abs 3 KFG vorgesehene Schadensbehandlungsversicherung unter anderem zu der Bedingung abzuschließen sei, daß sich der Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs zu verpflichten habe, Entschädigungsansprüche im Rahmen der für Fahrzeuge mit inländischem Kennzeichen vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung zu befriedigen. Was aber unter "vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungssummen" zu verstehen sei, ergebe sich wiederum aus § 59 Abs 3 KFG. Dies werde auch noch durch Art. 3 Abs 1 AKHB verdeutlicht, wonach der Versicherer bis zu den vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen hafte. Durch die Verweisung im § 62 Abs 1 KFG auf die §§ 59 f KFG sei klargestellt, daß die Beklagte nur bis zu Sachschäden in der Höhe von 720.000 S hafte, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob allenfalls im Ausland zwischen dem Halter und dem Haftpflichtversicherer eine höhere Haftpflichtversicherungssumme vereinbart worden sein sollte.
Dem Erstgericht sei auch insoweit beizupflichten, als es von der zur Deckung der Sachschäden zur Verfügung stehenden Mindestversicherungsumme der Erstklägerin nur einen Anteil von 31 % zuerkannt habe. Auszugehen sei nämlich davon, daß sich aus den §§ 15 Abs 3 und 16 Abs 2 EKHG der Rechtssatz ableite, daß immer dann, wenn auf Grund desselben Schadensereignisses - hier also der durch den Lenker des griechischen LKW-Zuges hervorgerufenen Massenkarambolage - an mehrere Geschädigte Ersatzbeträge zu leisten seien, die insgesamt die Mindestversicherungsumme überstiegen, sich die einzelnen Ersätze in dem Verhältnis verringerten, in dem ihr Gesamtbetrag zur Höhe der Versicherungssumme stehe. Dabei müsse der in Anspruch genommene Halter (Haftpflichtversicherer) - hier also im Sinne des § 62 Abs 1 KFG die Beklagte - behaupten und beweisen, welche Ansprüche und in welcher Höhe gegen ihn bereits erhoben wurden. Es bildeten daher der Grund und die Höhe dieser anderen, außerhalb des vorliegenden Rechtsstreites geltend gemachten Ansprüche für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsfalles zwangsläufig eine zu prüfende Vorfrage, über die - ohne Rechtskraftwirkung - abgesprochen werden müsse, weil nur so die Grundlagen für eine verhältnismäßige Kürzung der Ersatzansprüche zu ermitteln seien. Mit Recht habe daher das Erstgericht über den entsprechenden ausdrücklichen Einwand der Beklagten die Vorfrage untersucht, welche anderen Ansprüche die Beklagte aus dem Titel der Sachschäden zu befriedigen haben werde.
Die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes habe die Erstklägerin gar nicht bekämpft. Ohne Belang sei in diesem Zusammenhang, ob diese Beträge bereits eingeklagt, von der Beklagten anerkannt oder gar schon teilweise befriedigt worden seien, weshalb sich hiezu weitere Feststellungen erübrigten. Es komme auch nicht darauf an, ob die Beklagte die Mindestversicherungssumme zugunsten sämtlicher Anspruchsprätendenten bei Gericht hinterlegt habe und warum dies etwa im besonderen Fall bisher nicht geschehen sei. Maßgeblich sei vielmehr lediglich, ob solche Forderungen aus der Sicht der Vorfragenprüfung zu Recht bestünden. Dies habe das Erstgericht mit seinen insoweit nicht bekämpften Feststellungen bejaht.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Erstklägerin. Sie bekämpft sie im Umfang der Abweisung ihres Klagebegehrens aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Erstklägerin ein weiterer Betrag von 710.929,17 S sA zugesprochen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Erstklägerin keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Aber auch die Rechtsrüge der Erstklägerin ist unberechtigt. Soweit sie sich in der Frage, ob ein im Verhältnis zwischen den Streitteilen rechtswirksamer außergerichtlicher Vergleich über die Schadenersatzansprüche der Erstklägerin zustandekam, in der Verweisung auf den Inhalt eines anderen Schriftsatzes erschöpft, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Wenn die Erstklägerin dazu weiter ausführt, ihr Vertreter Dr. L*** habe im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand der Auffassung sein dürfen, mit K*** als legitimiertem Vertragspartner verhandelt zu haben, ist ihr zu entgegnen, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen dem Vertreter der Erstklägerin bekannt war, daß nach den Organisationsvorschriften seines Verhandlungspartners, der W*** V***, bei einer Gesamtforderung aus einem Schadensfall in der Höhe von nahezu einer Million Schilling eine außergerichtliche vergleichsweise Erledigung der Zustimmung der Generaldirektion bedurfte. Daß eine derartige Zustimmung nicht vorlag, steht fest. Der Schutz des Vertrauens des Geschäftspartners auf einen äußeren Tatbestand kommt aber nicht in Betracht, wenn ihm die Beschränkung der Vertretungsmacht des Gegners bekannt war (Strasser in Rummel, ABGB, Rz 5 zu §§ 1027-1033; SZ 34/176 ua). Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Zustandekommen einer derartigen Vereinbarung verneint.
Zu Unrecht wendet sich die Erstklägerin auch gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen in Ansehung der entstandenen Sachschäden mit der Mindestversicherungsumme von 720.000 S beschränkt ist. Gemäß § 62 Abs 1 KFG (in der zur Unfallszeit geltenden Fassung) mußte für Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen, wenn sie im Inland auf Staßen mit öffentlichem Verkehr verwendet wurden, die Haftung eines zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in Österreich zugelassenen Versicherers oder eines Verbandes solcher Versicherer im Umfang der §§ 59 und 60 KFG vorliegen. Zur Begründung der behaupteten Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen hat sich die Erstklägerin nicht etwa darauf berufen, daß hinsichtlich des griechischen LKW-Zuges ein Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen worden wäre, sondern darauf, daß seitens des Haftpflichtversicherers für dieses Fahrzeug eine "Grüne Karte" ausgestellt wurde. Insoweit ist das Vorbringen der Erstklägerin unbestritten geblieben. Die Grundlage für die von der Erstklägerin in Anspruch genommene Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen bildet daher das Londoner Abkommen über die Einführung des Grüne-Karte-Systems, wonach in jedem besuchten Land das Büro des Landes hinsichtlich des Gebrauches des in der Versicherungskarte bezeichneten Fahrzeuges die Verpflichtung eines Haftpflichtversicherers in Übereinstimmung mit den Gesetzen über die Haftpflichtversicherung in diesem Land übernimmt. Im Rahmen dieser Regelung soll durch die in der Grünen Karte erklärten Einstandsgarantie des behandelnden Büros (Abwicklungsbüro in dem besuchten Land) der Geschädigte so gestellt werden, als ob ihm der Schaden von einem inländischen, zu den gesetzlichen Mindestversicherungssummen versicherten Kraftfahrer zugefügt worden wäre (Schmitt, System der Grünen Karte 36, 45, 116 f, 133; VersR 1973, 976; 2 Ob 150/81).
Die Hinweise der Erstklägerin auf die zur Unfallszeit geltenden AKHB und die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über die Festsetzung eines Tarifs für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (VersTarifV) sind in diesem Zusammenhang nicht zielführend, weil eben die Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen nicht in einem mit ihr geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag, sondern nur in ihren auf Grund des Londoner Abkommens übernommenen Verpflichtungen ihre Grundlage hat. Bei den in lit i) der Anlage zur VersTarifV genannten Versicherungssummen handelt es sich nicht um die gesetzlichen Mindestversicherungsummen; nur bis zu diesen besteht aber im Sinne obiger Rechtsausführungen eine Ersatzpflicht der Beklagten auf Grund des Londoner Übereinkommens.
Die gesetzliche Mindestversicherungsumme betrug gemäß § 59 Abs 3 KFG in der zur Unfallszeit geltenden Fassung hinsichtlich Schäden an Sachen 720.000 S (siehe dazu Dittrich-Veit-Veit, Kraftfahrrecht2 I Anm. zu § 59 Abs 3 KFG). Nur in diesem Umfang hat die Beklagte auf Grund der Bestimmungen des Londoner Übereinkommens für die von dem griechischen LKW-Zug verursachten Sachschäden einzustehen.
Zu Unrecht wendet sich die Erstklägerin in ihrer Rechtsrüge letztlich gegen die verhältnismäßige Kürzung ihrer Schadenersatzforderung im Hinblick auf die übrigen aus dem gleichen Unfallereignis gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche aus dem Titel des Ersatzes von Sachschäden.
Der Umfang des Deckungsschutzes im Grünen-Karte-System richtet sich im Regulierungsfall in jeder Beziehung nach dem Maßstab, den die Versicherungsgesetze im Besuchsland auf einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsfall anlegen. Nach dem Recht des Besuchslandes werden unter anderem die versicherungsmäßigen Einschränkungen und überhaupt alle Einzelheiten der Regulierungsabwicklung bestimmt (Schmitt aaO 133).
Nach den Vorschriften der §§ 156 Abs 3 VersVG, 16 Abs 2 EKHG hat der Versicherer, wenn auf Grund desselben Ereignisses an mehrere Geschädigte Ersätze für Sachschäden zu leisten sind, die insgesamt die dafür bestehende Versicherungssumme übersteigen, die einzelnen Forderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge bis zur Höhe der Versicherungssumme zu berichtigen. Die Ausübung des in den AKHB dem Versicherer eingeräumten Abandonrechtes (nunmehr § 3 Abs 4 AKHB 1988) betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer und steht somit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch Klage nicht im Wege (vgl. SZ 48/124; SZ 49/1 ua). Forderungen Dritter im Sinne des § 156 Abs 3 VersVG sind nicht nur nach § 156 Abs 2 VersVG festgestellte Forderungen, sondern auch noch nicht festgestellte, aber geltend gemachte Forderungen (Prölss-Martin, Versicherungsvertragsgesetz24 Anm. 6 c zu § 156; SZ 48/124; SZ 50/78; 2 Ob 46/87 ua). Die gegen die Beklagte von verschiedenen Geschädigten aus dem Rechtsgrund des Ersatzes von Sachschäden erhobenen Forderungen wurden von den Vorinstanzen festgestellt. Daß diese Forderungen aus irgendwelchen Gründen unberechtigt seien, wurde von der Erstklägerin im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen die Beklagte nur zum Ersatz des Sachschadens der Erstklägerin in jener Höhe verurteilt, die dem dem Verhältnis der Schadenersatzforderung der Erstklägerin zu den gesamten gegen die Beklagte erhobenen Ansprüchen auf Ersatz von Sachschäden entsprechenden Teil der Mindestversicherungssumme für Sachschäden entspricht.
Der Revision der Erstklägerin muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14016European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00050.87.0510.000Dokumentnummer
JJT_19880510_OGH0002_0080OB00050_8700000_000