Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria J***, Rentnerin, Arnoldstein, Gailitz 21a, vertreten durch Dr. Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Raiffeisenkasse A*** reg. Genossenschaft m.b.H.,
Arnoldstein 67, vertreten durch Dr. Kuno Ther ua, Rechtsanwälte in Villach, wegen Einwendungen gemäß § 35 EO (Streitwert S 490.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 11. November 1987, GZ 2 R 468/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 20. August 1987, GZ 14 C 1084/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.443,15 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei und ihr Sohn Hubert J*** nahmen bei der beklagten Partei im Jahr 1977 einen Kredit von S 500.000,- auf und wurden mit Versäumungsurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. November 1985, 28 Cg 319/85, zur Zahlung von S 650.000,- und mit Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Villach vom 16. April 1986, 6 C 83/86, zur Zahlung von 15 % Zinsen aus S 500.000,- seit 26. September 1985 verurteilt. Die beklagte Partei führt gegen die klagende Partei das Zwangsversteigerungsverfahren 14 E 47/86 des Bezirksgerichtes Villach zur Forderung aus 28 Cg 319/85 und führte weiters das inzwischen (nach Schluß der Verhandlung erster Instanz) eingestellte Zwangsverwaltungsverfahren 14 E 102/86 zur Forderung aus 6 C 83/86.
Gegen diese beiden Ansprüche richten sich die Einwendungen der klagenden Partei gemäß § 35 EO, in denen geltend gemacht wird, die beklagte Partei habe widerrechtlich, ohne wirksame Sicherungsübereignung sechs Kraftfahrzeuge des Hubert J*** verkauft, wodurch diesem ein Verdienstentgang mindestens in Höhe der betriebenen Forderungen entstanden sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die beiden Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Der Sohn der Klägerin unterfertigte Verträge zur Sicherungsübereignung von Kraftfahrzeugen, in denen unter anderem das Recht der beklagten Partei festgelegt war, für den Fall der Säumigkeit mit der Kreditrückzahlung die sicherungsweise übereigneten Kraftfahrzeuge freihändig zu verkaufen. Eine Übergabe dieser Kraftfahrzeuge an die beklagte Partei fand nicht statt. Am 10. Jänner 1986 teilte die beklagte Partei dem Sohn der Klägerin mit, daß die Kraftfahrzeuge jetzt geschätzt worden seien und ihr Verkauf geplant sei, er möge die Autoschlüssel, Zulassungsscheine und Steuerkarten übergeben. Am 14. Jänner 1986 übergab er beklagten Partei die Kraftfahrzeugschlüssel, nicht jedoch die Zulassungsscheine und Steuerkarten, weil zu dieser Zeit alle Kraftfahrzeuge abgemeldet waren. Die Unterfertigung einer Verkaufsvollmacht lehnte er ab. Am 28. Jänner 1986 holte die beklagte Partei die strittigen Kraftfahrzeuge ab und führte deren Verkauf durch.
Auf Grund dieses Sachverhaltes gingen beide Vorinstanzen davon aus, daß die beklagte Partei die in den Sicherungsübereignungsverträgen beschriebenen Kraftfahrzeuge berechtigterweise verkauft habe. Wenn schon nicht von Anfang an Sicherungseigentum entstanden sei, so doch spätestens mit der Übergabe der Fahrzeugschlüssel zum Zwecke des Verkaufes. - Das Erstgericht nahm darüber hinaus, vom Berufungsgericht aber nicht übernommen, als erwiesen an, daß der Sohn der Klägerin durch den Verkauf der Fahrzeuge keinen Verdienstentgang erlitten habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die Nichterledigung der Mängel- und Beweisrüge zum Verdienstentgang wurde vom Berufungsgericht nur mit rechtlichen Überlegungen begründet, sodaß keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vorliegen kann, sondern höchstens eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Die Rechtsrüge der klagenden Partei dringt aber aus folgenden Gründen nicht durch:
Zutreffend sind die Ausführungen zur Revision zur Entstehung von Sicherungseigentum. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfordert der Erwerb des Sicherungseigentums an einem Kraftfahrzeug die körperliche Übergabe von Hand zu Hand (SZ 58/1), welche im vorliegenden Fall zunächst nicht stattgefunden hat. Auch die Übergabe der Schlüssel am 14. Jänner 1986 konnte die Übergabe der Kraftfahrzeuge nicht ersetzen, wenn nicht zugleich die volle Sacherschaft eingeräumt wurde. Die Fahrzeuge standen damit bis zum 28. Jänner 1986 möglicherweise noch im Eigentum des Hubert J*** und noch nicht im Sicherungseigentum der beklagten Partei. Unrichtig ist jedoch die Ansicht der klagenden Partei, daß der beklagten Partei in der kritischen Zeit nicht der Anspruch auf Herausgabe der strittigen Kraftfahrzeuge und das Recht auf deren freihändigen Verkauf zustand. Aus den nicht als unrichtig bekämpften Urkunden ergibt sich, daß die beklagte Partei bei Fälligkeit des gesicherten Darlehens die Fahrzeuge freihändig verkaufen durfte. Der Umstand, daß in den Sicherungsübereignungsverträgen die einzelnen Daten der Kreditverträge und die Kreditsummen nicht genannt sind, schadet nicht. Einerseits steht fest, daß der beklagten Partei gegen Hubert J*** aus Kreditverträgen eine Forderung von über S 3 Mio. zustand. Andererseits hat dieser Schuldner nach Erhalt des Schreibens vom 10. Jänner 1986 durch Übergabe der geforderten Kraftfahrzeugschlüssel konkludent anerkannt, daß der beklagten Partei wegen der in diesem Schreiben reklamierten "Fälligkeit der Darlehen" das Recht zum Verkauf der in den Sicherungsübereignungsverträgen genannten Fahrzeuge zusteht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich also die Sicherungsabrede auf alle zu diesem Zeitpunkt offenen, den Wert der Fahrzeuge übersteigenden Kreditforderungen.
Obwohl aber somit der beklagten Partei ein Anspruch auf Übergabe der Fahrzeuge und das Recht, sie zu verkaufen, zustand, stand ihr deshalb allein noch nicht das Recht zu, die Fahrzeuge gegen den Willen des Hubert J*** eigenmächtig im Wege der Selbsthilfe seiner Gewahrsam zu entziehen.
Es muß aber nicht untersucht werden, ob mit der Übergabe der Kraftfahrzeugschlüssel am 14. Jänner 1986 konkludent der Traditionswille zum Ausdruck gebracht wurde oder ob am 26. Jänner 1986 nach den Behauptungen der klagenden Partei die eventuell erteilte Zustimmung zur Übernahme der Fahrzeuge widerrufen wurde (vgl. EvBl 1963/24) und damit am 28. Jänner 1986 Eigenmacht der beklagten Partei vorlag. Auch wenn man von einem Akt unzulässiger Selbsthilfe ausginge, wäre für die klagende Partei nämlich im Ergebnis nichts zu gewinnen:
Wenn dem von der Selbsthilfehandlung Betroffenen bewußt sein muß, daß der Eingriff zwar mit unzulässigen Mitteln, aber zur Herbeiführung geschuldeten Veränderung vorgenommen wurde, so ist das Begehren auf Ersatz des Schadens, der nicht unmittelbar durch die Selbsthilfehandlung verursacht wird, sondern sich aus der Beendigung eines rechtswidrigen Zustandes ergibt, iSd des § 1295 Abs 2 ABGB sittenwidrig. Wer etwas zurückfordert, was er dem Beklagten im Zeitpunkt der Entziehung zu übergeben vertragsmäßig selbst verpflichtet war, handelt arglistig (HS 4279/39 mwN). Dies wurde zB vom Obersten Gerichtshof für den Fall ausgesprochen, daß der Pfandschuldner vom Pfandgläubiger die Pfandsache zurückforderte, in deren Besitz sich dieser zwar zum vereinbarten Zeitpunkt aber eigenmächtig gesetzt hatte (SZ 9/283, HS 4279/39). Im Ergebnis gleich wurden Fälle einer eigenmächtigen Delogierung eines Mieters oder Aussperrung eines Pächters behandelt, wenn die betroffenen Bestandnehmer den durch die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes entgangenen Nutzen (EvBl 1971/328) oder die Unterlassung der Störung des Betriebes des gepachteten Unternehmens (MietSlg 38.202) begehrten. In allen diesen Fällen pocht zwar der von der Selbsthilfehandlung Betroffene auf das Recht, sich gegen die Eigenmacht der unzulässigen Selbsthilfe zur Wehr zu setzen, er tut dies aber nur zu dem Zweck, seinen Gegner dadurch zu schädigen, daß dieser weiterhin einen rechtswidrigen Zustand hinnehmen soll und er selbst sich auf Kosten seines Gegners einen ihm nicht mehr gebührenden Nutzen verschaffen kann. Anderes gilt für einen darüber hinausgehenden unmittelbaren Schaden aus der Selbsthilfehandlung (zB Beschädigung einer Sache; JBl 1988, 248) und allenfalls bei Gutgläubigkeit des von der Selbsthilfehandlung Betroffenen (ungeklärte Rechtslage); vgl. EvBl 1971/328). Der Fall der E JBl 1974, 314 betraf hingegen unzulässige vorzeitige Selbsthilfe. Die beklagte Partei war nicht verpflichtet, sich ausdrücklich auf Rechtsmißbrauch zu berufen, sondern es genügte die Darlegung der Tatsachen (Hinweis auf die Rechte aus den Sicherungsvereinbarungen und die Fälligkeit der gesicherten Forderung), aus denen sich die schikanöse Klagsführung ergibt (ähnlich auch HS 4279/39). Es muß daher auch nicht untersucht werden, ob iSdE JBl 1988, 248 der Fall einer entschuldbaren oder einer unentschuldbaren Selbsthilfe vorliegt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E14410European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00022.88.0518.000Dokumentnummer
JJT_19880518_OGH0002_0030OB00022_8800000_000