Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Terry F*** Gesellschaft m. b.H., Handel mit Automaterial, Wien 19., Heiligenstädterstraße 111, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*** Akkumulatorenfabrik Elisabeth O*** Gesellschaft m.b.H., Wien 23., Liesinger Flurgasse 15, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gemäß § 35 EO, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 4. November 1986, GZ 46 R 859/86-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Exekutionsgerichtes Wien vom 15. Juli 1986, GZ 9 C 16/86-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung:
Im Ausgleichsverfahren der klagenden Partei wurde die Ausgleichsforderung der beklagten Partei mit S 309.812,11 festgestellt. Am 11.4.1985 wurde ein Ausgleich angenommen, nach welchem die klagende Partei eine Quote von 40 % zahlbar in 9 Raten beginnend drei Monate nach Annahme des Ausgleichs zu leisten habe. Bei Verzug sollten Terminsverlust und Wiederaufleben eintreten. Im Exekutionsverfahren 9 E 187/86 des Exekutionsgerichtes Wien, anhängig seit 8.1.1986, betreibt die beklagte Partei eine Forderung von S 254.834,39 samt Anhang mit der Begründung, die klagende Partei habe nach Mahnung und Nachfristsetzung die ersten drei Raten nicht innerhalb der Nachfrist gezahlt, so daß die ganze Forderung von S 309.812,11 wiederaufgelebt und abzüglich verspäteter Zahlungen von vier Raten a S 13.749,43 in Höhe von S 254.834,39 (richtig: S 254.734,39) fällig sei.
Gegen diese Exekutionsführung richtet sich die Oppositionsklage der klagenden Partei mit der Behauptung, die beklagte Partei habe nach erfolgter Mahnung zumindest stillschweigend einer weiteren Stundung der ersten Rate zugestimmt und auch durch die vorbehaltlose Entgegennahme von insgesamt fünf Raten schlüssig auf die Geltendmachung des Terminsverlustes und des Wiederauflebens verzichtet.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestreitet die behauptete Stundung. Nur durch Entgegennahme einiger Raten sei es nicht zu einem Verzicht auf das in der Mahnung ernsthaft geltend gemachte Wiederaufleben gekommen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:
Als die klagende Partei die beiden ersten am 11.7.1985 und 11.8.1985 fälligen Raten laut bewilligtem Ausgleich nicht bezahlt hatte, richtete der Rechtsfreund der beklagten Partei an die klagende Partei mit Schreiben vom 9.9.1985 eine Mahnung und setzte eine Nachfrist bis 27.9.1985. Wenn die Zahlung nicht bis zu diesem Tag einlange, trete Terminsverlust und Wiederaufleben ein. Da sich die klagende Partei in einer angespannten finanziellen Lage befand, rief kurz vor Ablauf der Nachfrist, als auch schon die dritte Rate fällig geworden war, die Buchhalterin der klagenden Partei in der Kanzlei des Beklagtenvertreters an und besprach die Situation mit dem dort tätigen Dr. Michael G***. Dieser erklärte, er könne selbst keine Zusagen über eine Verlängerung der Nachfrist machen, da dies einzig Sache der Frau Kommerzialrat O*** sei. Für etwaige verspätete Ratenzahlungen machte er keine Angaben, die als Stundungserklärungen gewertet werden hätten können. Am 15.10.1985, 16.10.1985, 22.10.1985 und 29.11.1985 bezahlte dann die klagende Partei die ersten vier Raten.
Die beklagte Partei reagierte zunächst nicht weiter auf die Versäumung der Nachfrist und die Einzahlung der Raten. Am 8.1.1986 langte beim Exekutionsgericht Wien der mit 6.12.1985 datierte Exekutionsantrag ein. Die Ursache für diese Verspätung lag in einem Gesellschafterwechsel bei der beklagten Partei. Die klagende Partei erhielt vom eingebrachten Exekutionsantrag erst beim Vollzug am 20.2.1986 Kenntnis. Schon vor diesem Zeitpunkt, nämlich am 4.2.1986 hatte die klagende Partei die fünfte Rate bezahlt.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die beklagte Partei sei ihrer Pflicht zu einer qualifizierten Mahnung nachgekommen; die klagende Partei habe die erteilte Nachfrist ungenützt verstreichen lassen, so daß Terminsverlust und Wiederaufleben eingetreten seien. Die Annahme einiger Ratenzahlungen allein habe nicht zu einem stillschweigenden Verzicht auf diesen Anspruch geführt.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klage ab und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß die beklagte Partei wegen der Nichtbeantwortung des Ersuchens um Verlängerung der Nachfrist durch ihren Vertreter nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, auf die Anfrage der klagenden Partei eine Antwort zu erteilen. Die Antwort hätte auch in der unverzüglichen Einleitung eines Exekutionsverfahrens bestehen können. Wenn die beklagte Partei aber, ohne das Ersuchen um Verlängerung der Nachfrist zu beantworten oder Auskünfte darüber zu geben, wie sie etwaige verspätete Ratenzahlungen bewerten werde, die verspätete Zahlung der ersten vier Raten annahm und erst mehr als drei Monate nach dem Verlängerungsansuchen die Exekution beantragte, dann sei durch die Annahme der vier Raten schlüssig zum Ausdruck gebracht worden, daß auf die Geltendmachung des Terminsverlustes und des Wiederauflebens verzichtet werde. Der festgestellte Gesellschafterwechsel bei der beklagten Partei betreffe ihre Sphäre und sei für die Konkludenz ohne Belang. Es treffe zwar zu, daß durch die bloße Annahme verspäteter Raten ein solcher Verzicht noch nicht zustandekomme, die beklagte Partei habe aber überdies auch noch das Ansuchen um Fristverlängerung nicht beantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig. Wenn auch die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen Schweigen zu einem Stundungsansuchen als Genehmigung desselben oder die Entgegennahme von Ratenzahlungen als Verzicht auf einen schon ausgesprochenen Terminsverlust und ein schon geltend gemachtes Wiederaufleben anzusehen ist, weitgehend von den Umständen des Einzelfalles abhängt, liegt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO dennoch vor, weil es der Fortentwicklung des Rechts dienlich ist, klarzustellen, wie das Stillschweigen auf ein Stundungsansuchen eines in Verzug befindlichen Ausgleichsschuldners zu bewerten ist.
Die Revision ist berechtigt.
Der Gläubiger hat grundsätzlich Anspruch auf exakte Erfüllung der Verbindlichkeit. Dies gilt besonders, wenn dem bereits säumig gewesenen Schuldner zB im Vergleichswege ein Nachlaß und die Abstattung des verglichenen Betrages in Raten gewährt, für den Fall neuerlichen Verzuges aber Terminsverlust oder Wiederaufleben festgelegt wurden (Mayerhofer/Ehrenzweig, Schuldrecht, Allg T 376; ÖBA 1988/72). Auch durch den vorliegenden Ausgleich wurde ein solcher Nachlaß gewährt.
Nach der in der Revision zitierten Stellungnahme von Stanzl in Klang2 IV/1, 698 Anm.73 wird durch die schriftliche Mahnung mit Nachfristsetzung für den Ausgleichsschuldner sogar besonders deutlich gemacht, daß der Gläubiger jetzt die Verzugsfolgen eintreten lassen möchte. Leistet daher der Ausgleichsschuldner nach einer solchen qualifizierten Mahnung wiederum nicht pünktlich, so kann aus der bloßen Entgegennahme der verspäteten Rate nicht der Schluß gezogen werden, daß schon damit allein auf den Eintritt des Terminsverlustes und des Wiederauflebens verzichtet worden wäre (so Stanzl aaO S 698; ähnlich Mayerhofer aaO 377 mit Hinweis auf den vergleichbaren Fall nach § 13 KSchG). Auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde wiederholt erkannt, daß nach geltend gemachtem Terminsverlust die vorbehaltlose Annahme weiterer Raten für sich allein noch nicht genügt, um einen schlüssigen Verzicht auf den schon geltend gemachten Terminsverlust zu begründen (Rspr 1928/299; EvBl 1955/226, HS 147/105; HS 6332/9). Die Entscheidung 3 Ob 56/73 (teilweise veröffentlicht in RZ 1973/149) war nicht gegenteilig; denn dort hatte (was der Veröffentlichung nicht zu entnehmen ist) ein Schuldner eine bestimmte Rate so bezahlt, daß geringfügige Überweisungsspesen anfielen, und der Gläubiger diese Überweisung in der Korrespondenz als volle Zahlung der Rate anerkannt, wollte aber später den Terminsverlust damit begründen, daß nicht die volle Rate bezahlt wurde.
Andererseits ist allerdings in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes anerkannt, daß bei "Hinzutritt weiterer Umstände" (EvBl 1955/226), "nach Umständen" (Rspr 1928/299), in der vorbehaltlosen Annahme verspäteter Teilzahlungen durch einen längeren Zeitraum ein Verzicht auf einen schon angedrohten oder ausgesprochenen Terminsverlust liegen kann. Bei der Annahme, ein Gläubiger habe sich im Sinne des § 1444 ABGB eines Rechtes durch Stillschweigen im Sinne des § 863 Abs 1 ABGB begeben, ist jedoch besondere Vorsicht geboten.
Nach den vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen lagen jedoch solche besonderen Umstände, die im Sinne des § 863 ABGB objektiv nur als Verzicht auf die schon geltend gemachten Verzugsfolgen gewertet werden könnten, nicht vor.
Wenn ein an den Vertreter des Gläubigers gerichtetes Stundungsansuchen damit beantwortet wird, er, der Vertreter, könne keine Zusage auf Verlängerung der Nachfrist machen, dies sei einzig Sache des Geschäftsherrn, und wenn der Vertreter für den Fall der verspäteten Leistung der ausstehenden und eingemahnten Raten keine Angaben macht, die als Stundungserklärungen gewertet werden können, dann darf der Schuldner nicht darauf vertrauen, die Verzugsfolgen seien vorerst abgewehrt, er werde noch vom Gläubiger hören, er müsse daher die gesetzte Nachfrist zunächst einmal nicht einhalten, sondern könne mit einem Verzicht des Gläubigers rechnen. Die festgestellten Erklärungen legten der klagenden Partei vielmehr nahe, noch vor dem Ablauf der Nachfrist beim Gläubiger selbst um Stundung anzusuchen oder wenigstens bei dessen Vertreter nochmals rückzufragen, ob die bisher abgelehnte Stundung bewilligt worden sei. Nichts sprach hingegen dafür, daß jetzt der Gläubiger zu einem bestimmten Handeln verpflichtet gewesen sei und der Schuldner vertrauen durfte, bei Untätigkeit oder Stillschweigen liege ein konkludenter Verzicht vor. Mit dem Fall der Entscheidung MietSlg 33.248 läßt sich der vorliegende Fall nicht vergleichen; denn dort wurde durch 2 1/2 Jahre lang eine vorher angedrohte vorzeitige Fälligstellung eines Darlehens nicht vorgenommen und der Gläubiger nahm vier pünktlich geleistete Halbjahresannuitäten kommentarlos an. Hier aber leistete die klagende Partei die ersten Raten auch in der Folge durchwegs verspätet und innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes. Aus der Annahme solcher Raten allein konnte noch nicht der Schluß gezogen werden, die beklagte Partei werde das Wiederaufleben nicht mehr begehren.
Ein anderes Ergebnis käme nur in Betracht, wenn im Sinne der Prozeßbehauptungen der klagenden Partei der Vertreter der beklagten Partei ausdrücklich zugesagt hätte, wenn keine gegenteilige Nachricht komme, gehe die Nachfristgewährung in Ordnung. Das Berufungsgericht hat zur Beweisrüge der klagenden Partei in dieser Richtung wegen seiner vom Revisionsgericht nicht übernommenen Rechtsansicht nicht Stellung genommen. Würden die bisherigen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes übernommen, so wäre die Sache spruchreif im Sinne einer Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes. Sollte aber das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung etwa der Zeugenaussage K*** folgend feststellen, daß der Vertreter der beklagten Partei ausdrücklich eine Verlängerung der Nachfrist für den Fall des Ausbleibens einer weiteren Nachricht der beklagten Partei zugesagt habe, dann wäre der Oppositionsklage stattzugeben. In diesem Zusammenhang wäre allerdings auch auf die Ausführungen der beklagten Partei in Punkt 6 ihrer Revision hinzuweisen; denn es dürfte nicht nur ein Satz des strittigen Gespräches festgestellt werden, sondern es wäre der gesamte Verlauf des Gespräches zu ermitteln, also auch dazu Stellung zu nehmen, ob verschiedene vom Zeugen Dr. G*** bekundete weitere Gesprächsteile als erwiesen angenommen werden. Nur wenn durch den Gesamtinhalt des Gespräches unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden wäre, vorerst sei bis zum Einlangen einer weiteren Nachricht eine Stundung gewährt, könnte die beklagte Partei das Wiederaufleben nicht mehr geltend machen.
Der Hinweis der Revision, es seien nach der fünften Rate überhaupt keine Zahlungen der klagenden Partei mehr erfolgt, ist eine unzulässige Neuerung und spielt für dieses Verfahren auch keine Rolle, weil es nur darum geht, ob der Terminsverlust und das Wiederaufleben auf Grund des Verzuges mit den früheren Raten eingetreten sind oder ob darauf verzichtet wurde.
Unerheblich sind die subjektiven Ansichten des Vertreters der beklagten Partei. Nicht, ob er es für nötig hielt, die klagende Partei nochmals über die getroffene Entscheidung zu informieren, ist maßgebend, sondern wie seine Erklärungen objektiv zu werten waren. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das österreichische Ausgleichsverfahren mit dem Verfassungsgrundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums vereinbar ist, ist entbehrlich, weil das Wiederaufleben der strittigen Forderung in erster Instanz nicht auf eine Unwirksamkeit des Ausgleiches gestützt wurde. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E14156European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00079.88.0518.000Dokumentnummer
JJT_19880518_OGH0002_0030OB00079_8800000_000