TE Vfgh Beschluss 2001/10/3 B690/01 ua

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Veröffentlicht am 03.10.2001
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages nach Zurückweisung eines Verfahrenshilfeantrages wegen nicht behobener Mängel; nur minderer Grad des Versehens aufgrund der Begleitumstände bei Vorlage der Bescheide zur Erfüllung des Verbesserungsauftrages in Folge des Verhaltens eines Mitarbeiters des Verfassungsgerichtshofes; Abweisung des gleichzeitig eingebrachten Verfahrenshilfeantrages als aussichtslos.

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragstellerin beantragte mit am 30.4.2001 zur Post gegebener, am 2.5.2001 beim Verfassungsgerichtshof eingelangter, selbst verfaßter Eingabe die Verfahrenshilfe gegen nicht näher konkretisierte Bescheide zur Erhebung einer Beschwerde. Mit Schriftsatz vom 7.5.2001 wurde die Antragstellerin gem. §§84, 85 ZPO iVm. §66 ZPO und §35 VerfGG aufgefordert, innerhalb einer Frist von vier Wochen mit dem beigelegten Formblatt ein Vermögensbekenntnis abzugeben, bekanntzugeben, ob der Rechtsanwalt für die Einbringung der Beschwerde allein oder in vollem Umfang beigegeben werden solle sowie den angefochtenen Bescheid vorzulegen und dessen Zustelldatum anzugeben. Diesem Verbesserungsauftrag wurde zunächst nur insofern entsprochen, als die Antragstellerin innerhalb der gesetzten Frist am 18.5.2001 das ausgefüllte Vermögensbekenntnis zur Post gab und angab, die Verfahrenshilfe in vollem Umfang zu beantragen. Am letzten Tag der gesetzten Frist erkundigte sich der Ehemann der Antragstellerin telephonisch beim Verfassungsgerichtshof, "was nun mit diesem Antrag geschehen sei". Ein Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofes teilte ihm mit, daß der Antrag wahrscheinlich zurückgewiesen werden würde, da der Verbesserungsauftrag bislang nicht vollständig erfüllt worden sei. Die Antragstellerin begab sich daraufhin in die Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes, wo sie mit dem betreffenden Mitarbeiter sprach und die angefochtenen Bescheide vorlegte. Bei dieser Gelegenheit wurde sie auf das fehlende Zustelldatum nicht hingewiesen; der betreffende Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofes erweckte vielmehr durch die Art der Gesprächsführung bei der Antragstellerin den Eindruck, daß mit Vorlage der angefochtenen Bescheide alle Fristen gewahrt seien und somit "alles in Ordnung" sei.

2. Mit Beschluß vom 25.6.2001, der Antragstellerin zugestellt am 3.7.2001, wies der Verfassungsgerichtshof den Verfahrenshilfeantrag zurück, da die Antragstellerin innerhalb der gesetzten Frist das Zustelldatum der angefochtenen Bescheide nicht bekanntgegeben hatte; dieses sei aber zur Ermittlung der Rechtzeitigkeit ihres Antrages gem. §82 Abs1 VerfGG erforderlich.

3. Mit Eingabe vom 13.7.2001 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Sie sei persönlich im Verfassungsgerichtshof erschienen und habe die angefochtenen Bescheide abgegeben. Bei dieser Gelegenheit habe sie niemand nach deren Zustelldatum gefragt. Sie habe dem Verhalten des Mitarbeiters entnommen, daß die Sache mit der Vorlage der Bescheide ihr Bewenden hätte. Erst durch die Zustellung des zurückweisenden Beschlusses vom 25.6.2001 am 3.7.2001 habe sie Kenntnis davon erlangt, daß die Frage des Zustelldatums noch immer offen sei. Sie sei der Meinung, daß sie an der Versäumung der Frist kein grobes Verschulden treffe und stelle innerhalb der Frist den Antrag auf Wiedereinsetzung. Gleichzeitig gab sie das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide mit 23.3.2001 bekannt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

4.1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

4.2. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986, 15596/1999).

Aufgrund des eingangs (Pkt. I.1.) wiedergegebenen Sachverhaltes liegt hier ein Wiedereinsetzungsgrund vor:

Der Antragstellerin liegt zwar als Verschulden zur Last, den keineswegs mißverständlichen Verbesserungsauftrag des Verfassungsgerichtshofes nicht fristwahrend beachtet zu haben. Auf der anderen Seite hat die Antragstellerin zum Zwecke der Erfüllung dieses Verbesserungsauftrages beim Verfassungsgerichtshof vorgesprochen, wobei (am letzten Tag der Frist, als die Verbesserung somit noch möglich gewesen wäre) das Verhalten des Mitarbeiters des Verfassungsgerichtshofes bei der Antragstellerin den Eindruck hervorgerufen hat, daß mit der Vorlage der Bescheide "alles in Ordnung" sei, worunter bei den gegebenen Begleitumständen nur gemeint gewesen sein konnte, daß die Verbesserungsfrist gewahrt sei und einer Sachentscheidung über den Verfahrenshilfeantrag nun nichts mehr im Wege stünde. Unter diesen Umständen liegt der Antragstellerin nur ein minderer Grad des Versehens zur Last, der einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hinderlich ist.

4.3. Dem rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher stattzugeben.

II. 1. Die Einschreiterin beantragt die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen Bescheide des UVS Oberösterreich, mit denen Berufungen der nunmehrigen Antragstellerin gegen Bescheide der BH Freistadt wegen Verspätung zurückgewiesen bzw. Anträge auf "Beistellung einer kostenlosen Verfahrenshilfe" abgewiesen wurden.

2. Unter Bedachtnahme auf den Inhalt der von der Antragstellerin vorgelegten Bescheide sowie angesichts der eigenhändigen Unterschrift der Antragstellerin auf dem Rückschein über die Zustellung der erstinstanzlichen Bescheide besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Bescheide auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruhen oder daß bei der Gesetzeshandhabung ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre; es ergeben sich vielmehr ausschließlich Fragen der richtigen Rechtsanwendung, die jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Verfassungsgerichtshofes fallen. Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage sogar die Ablehnung der Beschwerdebehandlung zu gewärtigen wäre.

3. Der Antrag war sohin mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §33 und 35 Abs1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B690.2001

Dokumentnummer

JFT_09988997_01B00690_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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