Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** S*** W***,
Gesellschaft mbH, Frohnleiten, Grazerstraße 14, vertreten durch Dr.Hans Peter Benischke, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Johann M***, ÖBB-Beamter, 2.) Hermine M***, Fachlehrerin, beide St. Stefan ob Leoben 117, beide vertreten durch Dr.Gerhard Strobich, Rechtsanwalt in Trofaiach, wegen S 392.867,56 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9. November 1987, GZ 4 R 169/87-51, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 15. Mai 1987, GZ 6 Cg 425/84-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.340,31 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.303,66 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei errichtete Reihenhäuser und räumte den beklagten Parteien mit Vertrag vom 15.Juli bzw. 18.Juni 1982 das Anwartschaftsrecht auf den Eigentumserwerb eines dieser Häuser ein. Die klagende Partei begehrt die restlichen Finanzierungskosten von (nach einer Klagseinschränkung) S 392.867,56 s.A. und mit Eventualbegehren 9 % Zinsen aus diesem Betrag und die Unterfertigung der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 20.Dezember 1983 samt Nachtrag vom 9.Jänner 1985.
Die Beklagten wendeten unter anderem aufrechnungsweise eine Gegenforderung auf Rückzahlung eines der klagenden Partei zugekommenen Eigenmittelersatzdarlehens von S 70.000 ein. Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung auf Bezahlung von S 392.867,56 zu Recht, die Gegenforderung dagegen nicht zu Recht bestehe, und gab demgemäß dem Hauptbegehren statt. Nach seinen Feststellungen betrugen die voraussichtlichen Kosten des Reihenhauses laut Anwartschaftsvertrag S 2,178.719. Diese sollten durch Eigenmittel der Beklagten von S 261.000, ein Darlehen der R*** von S 609.000, ein Wohnbauförderungsdarlehen
des Landes Steiermark von S 1,160.000, durch weitere Eigenmittel der Beklagten von S 57.719 und durch ein weiteres Darlehen der R*** von S 91.000 aufgebracht werden. Die
endgültigen Herstellungskosten sollten durch die Schlußabrechnung bestimmt werden. Die von den Beklagten aufzubringenden Eigenmittel betrugen demnach S 318.719, ein allfälliges Eigenmittelersatzdarlehen sollte davon in Abzug gebracht werden. Die Darlehen sollten von der klagenden Partei aufgebracht werden. Die Reihenhäuser wurden in den Jahren 1982 und 1983 errichtet und waren im Herbst 1983 fertiggestellt. Zur Zwischenfinanzierung wurden von der klagenden Partei Darlehen bei der R*** F*** und St. S*** zu den banküblichen Zinsen aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Reihenhäuser war klar, daß sich die Auszahlung des Bausparkassendarlehens voraussichtlich noch ein bis zwei Jahre verzögern werde. Da der Zinsensatz für ein Zwischendarlehen der B*** nur 7,5 % gegenüber 9 % bei der R*** St. S*** betrug, erschien eine "Überbrückung" bis zur Auszahlung des Bausparkassendarlehens zweckmäßig. Sämtliche Siedlungswerber, darunter auch die Beklagten, wurden darüber am 13. Oktober 1983 informiert. Am 24.Oktober 1983 unterfertigten die Beklagten einen Antrag auf ein Zwischendarlehen von S 735.000 mit einer Vertragssumme von S 1,050.000. Am 22.November 1983 unterfertigten die Beklagten eine Anweisung, wonach die Zahlungen aus dem Bausparvertrag an die R*** S*** zu
überweisen sind. Nachdem die Beklagten diese Urkunden unterfertigt hatten, wurden ihnen die Schlüssel übergeben. Im Dezember 1983 wurde den Beklagten der Bausparvertrag der R*** zur Zwischenfinanzierung mit einer Vertragssumme von S 1,050.000 zur Unterfertigung vorgelegt, in dem ein Sparguthaben bzw. ein Ablösebetrag von S 354.575,68 aufscheint. Die Beklagten verweigerten die Unterfertigung mit der Begründung, daß im Antrag lediglich eine Bausparsumme von S 700.000 genannt sei, daß ein Ablösebetrag von S 354.575,68 einzuzahlen sei, obwohl sie die Eigenmittel bereits bezahlt hätten und daß sich die Rückzahlungsrate von S 4.200 auf S 6.825 bzw. S 5.565 erhöhe. Die Beklagten wurden vom Vertreter der R*** G*** dahin aufgeklärt, daß der sogenannte
Ablösebetrag nicht von ihnen einzubezahlen, sondern in der Vertragssumme enthalten sei und zur Abdeckung der für die Erlangung des Bauspardarlehens notwendigen Eigenmittel diene. Da die Eigenmittel durch die R*** G*** vorfinanziert
worden waren, sollte der Ablösebetrag zur Abdeckung der Vorfinanzierung überwiesen werden. Da die Beklagten diese Vorgangsweise nicht als vertragskonform erachteten, verlangten sie einen Bausparvertrag mit einer Vertragssumme von S 700.000 und weigerten sich, die für die Durchführung notwendige Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 20. bzw. 28.Dezember 1983 zu unterfertigen. Die Zuteilung des Bauspardarlehens erfolgte am 31. Dezember 1984. Es wurde daher zu der obgenannten Urkunde am 9. Jänner 1985 ein Nachtrag verfaßt. Nach dem Inhalt dieses Nachtrages besteht zwischen der R*** und den Beklagten Übereinstimmung darüber, daß aufgrund der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde keine Auszahlung des Zwischendarlehens im Betrage von S 1,050.000 erfolgte. Die Auszahlung des Bauspardarlehens von S 679.045,44 wird nach Unterfertigung des Nachtrages durchgeführt. Die Verzinsung beträgt ab 1.Jänner 1985 aufgrund der Zuteilung per 13.Dezember 1984 6 %, 7 % Verzugs- und 7 % Zinseszinsen. Der Tilgungsbeginn wird neu mit 1.April 1985 vereinbart, zur Tilgung des Darlehenskapitals und zur Berichtigung der Zinsen sind monatliche Tilgungsbeiträge von S 4.853 zu entrichten. Die Beklagten unterfertigten jedoch auch diesen Nachtrag nicht. Die Unterfertigung der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde war jedoch seitens der B*** zur Bedingung für die Auszahlung des Bauspardarlehens gemacht worden, um sich auch durch eine persönliche Haftung der Siedlungswerber abzusichern. Das von der klagenden Partei den Siedlungswerbern präsentierte Finanzierungsmodell sah auch vor, daß die Siedlungswerber unmittelbar Schuldner und Vertragsinhaber gegenüber der B*** sind und die Tilgungsraten direkt an die B*** zu leisten haben. Mangels Auszahlung des Bauspardarlehens konnte der auf die Beklagten entfallende Teil des Zwischendarlehens bei der R*** St. S*** im Betrage von S 392.867,56, der mit 9 % seit 5.April 1984 zu verzinsen ist, bisher nicht getilgt werden. Zusätzlich zum Landesdarlehen war den Beklagten vom Land Steiermark ein Eigenmittelersatzdarlehen von S 70.000 gewährt worden, das vom Darlehensgeber direkt an die klagende Partei überwiesen wurde. Dieses Darlehen wurde den Beklagten jedoch angerechnet. Nach der im Verlaufe des Rechtsstreites fertiggestellten Endabrechnung betrugen die Gesamtkosten des Hauses des Beklagten (einschließlich Grundkosten) S 2,050.776,56. Hievon wurden aufgebracht: An Eigenmitteln der Beklagten (einschließlich des Eigenmittelersatzdarlehens) S 484.909 und durch das Darlehen des Landes Steiermark S 1,173.000, zusammen S 1,657.909. Die Differenz auf die Gesamtkosten beträgt somit S 392.867,56. Für diesen Betrag hat die klagende Partei bei der R*** St. S*** seit 5. April 1984 9 % Zinsen zu bezahlen. In den Gesamtkosten sind Zinsen von S 139.272,75 für die Zwischenfinanzierungsdarlehen (für das Zwischendarlehen bei der R*** St. S*** bis 5.April 1984) enthalten. Die Auszahlung des Darlehens des Landes Steiermark erfolgte nach den verfügbaren Mitteln, wodurch in der Auszahlung Verzögerungen eintraten.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes ist das Hauptbegehren auf Bezahlung des sich aus der Endabrechnung ergebenden Restkaufpreises samt Anhang gerechtfertigt. Die Beklagten hätten diesen Betrag weder durch zusätzliche Eigenmittel aufgebracht, noch hätte die Schuld in dieser Höhe bei der R*** St. S*** infolge der
vertragswidrigen Weigerung der Beklagten, die Schuld- und Pfandbestellungsurkunde der R*** zu
unterfertigen, getilgt werden können. Die Herstellung einer direkten Vertragsbeziehung zwischen der R*** und den Siedlungswerbern sei vertraglich vereinbart worden. Durch die dem Anwartschaftsvertrag beigeschlossene Baubeschreibung und Siedlungsordnung (Beilage A) sei bereits vor Vertragsabschluß klargestellt worden, daß eine Zwischenfinanzierung vorgesehen ist und den Beklagten die Möglichkeit eingeräumt worden, anstelle des Bauspardarlehens eine höhere Eigenmittelzahlung zu leisten. Zur Einbehaltung des Eigenmittelersatzdarlehens in Anrechnung auf den noch offenen Restkredit sei die klagende Partei berechtigt gewesen, weil infolge der Weigerung der Beklagten zur Unkundenunterfertigung nur mehr die Möglichkeit einer Eigenfinanzierung in Betracht gekommen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil aus dessen Gründen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Zu Unrecht wendet sich die Revision neuerlich gegen die Annahme der Vorinstanzen, daß eine Zwischenfinanzierung vereinbart worden sei. Die Revision räumt selbst ein, daß in dem Schreiben der klagenden Partei vom April 1982 (Baubeschreibung und Siedlungsordnung, Beilage A) eine Zwischenfinanzierung vorgesehen ist. Dieses Schreiben enthält entgegen der Meinung der Revision nicht nur unverbindliche Werbeangaben, es wurde auch gemäß Punkt 14.) des Anwartschaftsvertrages zum integrierenden Bestandteil dieses Vertrages gemacht.
Unerörtert bleiben kann, ob die Beklagten auch zur Umschuldung der Zwischenfinanzierung vertraglich verpflichtet gewesen wären und ob eine solche Umschuldung für die Beklagten günstiger gewesen wäre, weil es seit der Klagseinschränkung nicht mehr darauf ankommt. Klar ist nach dem Inhalt des Anwartschaftsvertrages, daß die Herstellungskosten des Reihenhauses letztlich durch Eigenmittel der Beklagten, durch ein Wohnbauförderungsdarlehen und ein Bauspardarlehen finanziert werden sollten. Fest steht, daß ein Teil der Herstellungskosten von S 392.767,56 durch ein Zwischendarlehen gedeckt wurde, bei dem Darlehensschuldnerin die klagende Partei ist, und daß das Bauspardarlehen mangels Unterfertigung der erforderlichen Urkunden durch die Beklagten bisher nicht zur Auszahlung gelangte. Daß eine Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Finanzierungsstandes der vertraglichen Vereinbarung entspräche, wurde nicht einmal von den Beklagten behauptet. Fraglich kann demnach nur sein, ob die klagende Partei von den Beklagten Zahlung in Höhe des Zwischendarlehens samt Anhang (Hauptbegehren) oder bloß die Zinsen für das Zwischendarlehen und die Urkundenunterfertigung gegenüber der R*** (allenfalls entsprechend dem Standpunkt der Beklagten lautend auf einen Darlehensbetrag in Höhe des Zwischendarlehens; Eventualbegehren) verlangen kann. Dies ist eine Frage der Vertragsauslegung. Gemäß § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu haften, sondern der Wille der Parteien im Sinne der dem Erklärungsgegner erkennbaren Absicht des Erklärenden zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (KoziolWelser8 I 87 mwN). Nach der Finanzierungsabrede der Streitteile übernahm es zwar die klagende Partei, auch das Bauspardarlehen "aufzubringen". Die Beklagten sollten jedoch unmittelbar Schuldner und Vertragsinhaber gegenüber der B*** werden und die Tilgungsraten unmittelbar an diese bezahlen. Vom Standpunkt eines redlichen Erklärungsempfängers konnte dies aber nur bedeuten, daß die klagende Partei nicht gewillt war, Personalschuldner der B*** zu werden. Da die Finanzierung der Herstellungskosten durch ein Darlehen des Landes Steiermark und durch ein Bauspardarlehen sowie durch Eigenmittel erklärtes Finanzierungsziel der Parteien war und die Zwischenfinanzierung nur den Sinn haben konnte, einen sich aus der Bauführung ergebenden Finanzierungsbedarf bis zur Bereitstellung der Darlehen zu decken, konnte es für die Beklagten auch nicht zweifelhaft sein, daß die klagende Partei nicht bereit war, über den Zeitpunkt der Bereitstellung der Darlehen hinaus die Stellung eines Schuldners für die Zwischenkredite zu übernehmen. Daraus folgt aber, daß die klagende Partei im Zeitpunkt der Bereitstellung des Bauspardarlehens Anspruch darauf hatte, von ihrer Stellung als Schuldnerin des Zwischenkredites befreit zu werden. Wenn sich die Beklagten daher grundlos weigerten, die für die Auszahlung des Bauspardarlehens erforderlichen Erklärungen abzugeben, ohne gleichzeitig anstelle des Bauspardarlehens eine höhere Eigenmittelleistung zu erbringen, kann die klagende Partei jedenfalls jenen Betrag begehren, der zur Tilgung des Zwischenkredites erforderlich ist. Durch den Nachtrag vom 9.Jänner 1985 war klargestellt, daß die Schuld- und Pfandbestellungsurkunde nur das Bauspardarlehen in Höhe des Finanzierungsplanes und des damaligen Finanzierungsstandes betraf, sodaß die Weigerung der Unterfertigung durch die Beklagten nicht gerechtfertigt war. Daß die Urkunde nicht zur Verbücherung geeignet war, stellte keinen Grund zur Verweigerung der Unterfertigung dar, weil das Pfandrecht, wie die Revision richtig hervorhebt, ohnehin bereits eingetragen war und die Schuld der Beklagten durch den Nachtrag bestimmt war. Unerheblich ist, daß sich nachträglich durch die Endabrechnung ein geringerer Darlehensbedarf ergab, weil nach dem Gesagten der Zeitpunkt der Darlehensbereitstellung maßgeblich war und den Beklagten ein höherer Darlehensbetrag ohnehin als vorzeitige Tilgung mit Folgen für die Annuitäten angerechnet worden wäre (vgl. AS 129, ON 20).
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14243European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00545.88.0519.000Dokumentnummer
JJT_19880519_OGH0002_0070OB00545_8800000_000