TE OGH 1988/5/19 7Ob20/88

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Veröffentlicht am 19.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede S***, Gastwirtin, Bad Wimsbach-Neydharting, Haidermoos 2, vertreten durch Dr. Wolfgang Zahradnik, Dr. Hans Christian Kollmann und Dr. Edgar Hofbauer, Rechtsanwälte in Lambach, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wels, Traumgasse 3-5, vertreten durch Dr. Erwin Höller und Dr. Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Jänner 1988, GZ 6 R 253/87-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 17. Juni 1987, GZ 3 Cg 263/86-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt auf der Liegenschaft Haidermoos 2 eine Gastwirtschaft, für die sie bei der beklagten Partei eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963) und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB 1963) zugrunde. Im Sommer 1985 ließ die Klägerin auf der Liegenschaft eine sogenannte Knittelbahn errichten. Der Grundnachbar behauptet, daß durch die für die Errichtung der Knittelbahn vorgenommene Schotter- und Erdaufschüttung das Niederschlags- und Schmelzwasser auf sein Grundstück abgeleitet werde, wodurch ihm anläßlich eines starken Regenfalles ein Schaden von S 55.246,- entstanden sei; er verlangt den Ersatz dieses Schadens von der Klägerin. Diese begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei. Die beklagte Partei bestreitet eine Deckungspflicht. Die gesetzliche Haftpflicht aus der Innehabung von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten sei nach Art. 2 I lit a AHVB 1963 nur dann vom Versicherungsschutz umfaßt, wenn die Grundstücke, Gebäude oder Räumlichkeiten ausschließlich für den versicherten Betrieb benützt würden. Das Grundstück, auf dem sich die Knittelbahn befinde, diene nicht nur dem Betrieb der Gastwirtschaft, sondern auch dem Betrieb einer Landwirtschaft. Die Knittelbahn sei nicht ausschließlich für betriebliche Zwecke errichtet worden, sie werde vorwiegend privat benützt. Nach Pkt. 10 1 lit a EHVB 1963 sei ein Versicherungsschutz nicht gegeben, wenn die vom Versicherungsnehmer aufgewendeten Kosten für die von ihm errichteten Bauten S 20.000,-

übersteigen. Der Bauaufwand für die Knittelbahn habe diesen Betrag überschritten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen sind die Klägerin und ihr Ehemann Johann S*** je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft

Haidermoos 2. Die Klägerin betreibt auf der Liegenschaft die Gastwirtschaft, ihr Ehemann eine Landwirtschaft mit 12 Joch nutzbarer landwirtschaftlicher Fläche. Die vom Ehemann der Klägerin mit deren Einverständnis im Sommer 1985 errichtete Knittelbahn besteht aus einer ca. 30 m langen, 4 m breiten und ca. 50 cm hohen, abgeschrägten Aufschüttung. An den Kopfenden ist die Bahn mit einer Holzumrahmung versehen. Die Knittelbahn wurde von Johann S*** unter Verwendung von Altmaterial aufgeschüttet. Sie befindet sich ca. 10 m vom Hausstock des Hauses entfernt und schließt an den für die Gäste des Gasthauses zur Verfügung stehenden Parkplatz an. Die Errichtungskosten betrugen S 5.000,- bis S 6.000,-. Der Neuwert der Baumaßnahme beträgt incl. Umsatzsteuer S 30.570,-. Die Knittelbahn wurde zum Zwecke der Förderung des Gasthausbetriebes errichtet. Eine private Nutzung durch die Klägerin ist nicht feststellbar.

Nach der Ansicht des Erstgerichtes kommt es nach der Risikobeschreibung des Art. 2 I lit a AHVB 1963 darauf an, ob jener Teil des Grundstückes, auf dem sich die Knittelbahn befindet, ausschließlich für eine unter das versicherte Risiko fallende Tätigkeit benutzt wird. Dies sei der Fall, sodaß die aus der Innehabung des Grundstückes entstehende gesetzliche Haftpflicht vom Versicherungsschutz umfaßt werde. Der Deckungsausschluß nach Z 10 Punkt 1 lit a EHVB liege nicht vor, weil der Wert der Baumaßnahme S 20.000,- nicht übersteige.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,- übersteigt und erklärte die Revision für nicht zulässig. Auch nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sei unter Grundstück im Sinne des Art. 2 I lit a AHVB auch ein räumlich begrenzter Teil eines solchen zu verstehen.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil zur Frage, ob sich die Erweiterungsklausel des Art. 2 I lit a AHVB 1963 auch auf räumlich begrenzte Teile eines Grundstückes erstreckt, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Da räumliche Teilflächen eines Grundstückes nicht selten einer unterschiedlichen Nutzung auch durch verschiedene Besitzer unterliegen, kommt der Beantwortung der Frage auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist jedoch nicht berechtigt. Auszugehen ist davon, daß hier eine Betriebshaftpflichtversicherung vorliegt. Zweck einer solchen ist es, alle Haftpflichtgefahren, die dem Versicherten aus dem bestimmten Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt (VersR 1984, 998; VersR 1977, 780). Dem entspricht die Erweiterung des Versicherungsschutzes nach Art. 2 I lit a AHVB 1963, da eine betriebliche Tätigkeit üblicherweise in einem Raum, in einem Gebäude oder auf einem begrenzten Teil der Erdoberfläche ausgeübt wird und dem Betriebsinhaber Haftpflichtgefahren auch aus der Innehabung der Betriebsstätte erwachsen können. Nach dem Zweck der Erweiterungsklausel kann es daher nicht darauf ankommen, daß der Versicherungsnehmer Inhaber eines Grundstückes im Sinne eines solchen Teiles einer Katastralgemeinde ist, der im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster als solcher mit einer eigenen Grundstücksnummer versehen ist (§ 30 LTG). Betriebe werden vielfach nur auf einem räumlich abgegrenzten Teil eines Grundstückes im Sinne des § 30 LTG geführt. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß unter Grundstück nach Art. 2 I lit a AHVB 1963 auch eine räumliche Teilfläche eines im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster mit einer eigenen Nummer versehenen Grundstückes zu verstehen ist. Für die Richtigkeit dieser Auslegung spricht auch, wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, daß sich der Versicherungsschutz jedenfalls auch auf die Innehabung von Gebäuden, ja selbst von Räumlichkeiten, die - ausgenommen den Fall eines Superädifikates - keine selbständigen Sachen sind, erstreckt. Der Wortlaut des Art. 2 I lit a AHVB 1963 zwingt nicht zu einer gegenteiligen Auslegung. Dem Erfordernis der Kalkulierbarkeit des versicherten Risikos ist durch die Beschränkung auf die ausschließliche Nutzung für den versicherten Betrieb Rechnung getragen. Letzteres trifft aber gerade hier nach den Feststellungen auf jenen Teil des Gesamtgrundstückes zu, auf dem die Knittelbahn errichtet wurde. Aus der Innehabung dieses Grundstückteiles leitet aber der Nachbar der Klägerin seine Ersatzansprüche ab. Darauf, ob diese Ansprüche berechtigt sind, kommt es hier nicht an, weil die Haftpflichtversicherung auch die Abwehr unberechtigter Ersatzansprüche umfaßt.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14705

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00020.88.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19880519_OGH0002_0070OB00020_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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