Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Alois T***, Kaufmann, 2441 Mitterndorf an der Fischa 44, vertreten durch Dr. Alois Tauchner, Rechtsanwalt in Ebreichsdorf, wider die beklagte Partei prot. Firma Ernst D***, Inhaberin Brigitte E***, Köchelstraße 6, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Karl Endl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung der Geschäftsräumlichkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 23.Juli 1987, GZ 32 R 142/87-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 16.Feber 1987, GZ 12 C 1588/85-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei das im Haus Salzburg, Waagplatz 6, ebenerdig gelegene Geschäftslokal samt dem im Hof befindlichen Magazin binnen vierzehn Tagen geräumt zu übergeben hat.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Waagplatz 6 in Salzburg. Er kündigte der beklagten Partei das Mietverhältnis an dem im Erdgeschoß des Hauses gelegenen Geschäftslokal samt einem im Hof befindlichen Magazin für den 31.März 1984 wegen Weitergabe des Mietgegenstandes an die Michael H*** Gesellschaft mbH (§ 30 Abs 2 Z 4 MRG) und wegen Änderung der im Mietgegenstand bedungenen geschäftlichen Betätigung und Überlassung an Dritte (§ 30 Abs 2 Z 7 und Z 13 MRG) gerichtlich auf.
Die beklagte Partei behauptete in den Einwendungen gegen diese Aufkündigung, sie habe den Bestandgegenstand nur vorübergehend verpachtet. Die Tochter der Geschäftsinhaberin werde das Geschäft in naher Zeit übernehmen. Die Pächterin führe wie die beklagte Partei im Mietgegenstand ein Textilgeschäft. Die Interessen des Klägers seien nicht berührt. Es fehle an einem wichtigen und bedeutsamen Umstand iSd § 30 Abs 2 Z 13 MRG.
Das Urteil des Erstgerichtes vom 20.November 1984, womit die Aufkündigung aufgehoben worden war, wurde vom Berufungsgericht am 9. Oktober 1985 ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Das Erstgericht hat im zweiten Rechtsgang die Aufkündigung als wirksam erkannt, ohne zugleich auszusprechen, ob und wann die beklagte Partei verpflichtet ist, den Bestandgegenstand zu übergeben (§ 572 ZPO). Es stellte im wesentlichen fest:
Die Geschäftsräumlichkeit im Haus Salzburg, Waagplatz 6, war vom Eigentümer der Liegenschaft am 22.Feber 1963 an die Firma J. B*** & Co Wiener Schirmproduktion vermietet worden. Jede Untervermietung oder Überlassung des Mietgegenstandes war der Hauptmieterin verboten. Sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag sollten auf die Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger der Vertragsteile übergehen. Später erwarb die beklagte Partei, eine protokollierte Einzelfirma, das Unternehmen der Mieterin durch Kauf und bot im Geschäft Schirme und Damenmodeartikel an, besonders Mäntel, Röcke und Jacken. Zuletzt wurden nur mehr zu etwa einem Viertel Schirme verkauft. Die beklagte Partei führte mit dem gleichen Sortiment in einheitlicher Organisation ein weiteres Verkaufsgeschäft in der Rainerstraße in Salzburg. Alleininhaberin des Unternehmens ist Brigitte E***. Sie wollte im Sommer 1982 mit der italienischen Industriegruppe S*** ins Geschäft kommen, die ihre Produkte im Franchisesystem vertreibt und ihre Vertragspartner bindet, ausschließlich S***-Produkte nach einem einheitlich gestalteten Werbe- und Marketingkonzept zu verkaufen. Den Vertragspartnern werden Richtlinien für die nach Farbgebung und Ausstattung vereinheitlichte Geschäftseinrichtung vorgegeben. Nach der Aufnahme der Vertragsgespräche erlitt Brigitte E*** bei einem Verkehrsunfall Verletzungen, gab das Projekt aus gesundheitlichen Gründen auf und entschloß sich, "das Bestandobjekt" an die Michael H*** Gesellschaft mbH zu verpachten, die mit der S***-Gruppe wegen Einrichtung eines Geschäftes in Mödling verhandelt hatte. Die Michael H*** Gesellschaft mbH sollte das gesamte Textilfachgeschäft, das im Mietgegenstand betrieben wurde, den Firmennamen, den seit 15 Jahren aufgebauten Kundenstock, die gesamte Geschäftseinrichtung, das gesamte am Stichtag vorhandene Warenlager und die Geschäftsräumlichkeiten samt Toilette und Heizung, Portal und Passage übernehmen, den "gepachteten" Betrieb ordentlich und ununterbrochen führen und mit der Gruppe S*** den Kooperationsvertrag abschließen. Das Bestandverhältnis zwischen der beklagten Partei und der Michael H*** Gesellschaft mbH sollte am 1.Feber 1983 beginnen und bis zum 31.Dezember 1989 unkündbar sein. Diese zeitliche Beschränkung mit sieben Jahren erfolgte, weil die (am 20.Mai 1966 geborene) Tochter Bettina der Inhaberin Brigitte E*** allenfalls beabsichtigt, nach Beendigung ihrer Studien dieses Geschäft weiterzuführen. Nach Abschluß dieses Bestandvertrages führte die beklagte Partei bis Ende Jänner 1983 einen Schlußverkauf durch und konnte fast ihr gesamtes Warenlager absetzen. Die wenigen übrig gebliebenen Artikel wurden zum Teil ins zweite Geschäft mitgenommen oder der C*** überlassen, weil die Michael H*** Gesellschaft mbH daran kein Interesse zeigte. Die Bestandnehmerin übernahm von der beklagten Partei keine Ware. Die beklagte Partei hatte schon Ende 1982 an dem Geschäft eine Tafel mit dem Hinweis angebracht, daß die Kunden gebeten werden, sich an das Hauptgeschäft in der Rainerstraße zu wenden. Nach dem Abverkauf blieb das Geschäft wegen der Umbauarbeiten geschlossen. Nur ein geringer Teil der vorhandenen Geschäftseinrichtung blieb bestehen. Die Gruppe S*** veranlaßte die Erneuerung der Elektroinstallation. Die Innenausstattung wurde durch aus Italien angereiste Handwerker von der Gruppe S*** angefertigt. Das Portal des Geschäftes wurde erneuert. Das Geschäft wurde in der Folge mit der Gewerbeberechtigung der Michael H***
Gesellschaft mbH betrieben, die an die beklagte Partei einen monatlichen Bestandzins von S 35.000,-- zu entrichten hatte, die Geschäftsbezeichnung S*** verwendete und sich an die jüngeren, weiblichen Käuferschichten wendet, die besonders modisch anspruchsvolle Kleidung der mittleren Preiskategorie bevorzugt. Seit dem Herbst 1984 übernahm mit der Einwilligung der beklagten Partei anstelle der Michael H*** Gesellschaft mbH Ruth K***-G*** das Geschäftslokal.
In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes sah das Erstgericht den Kündigungsgrund nach dem § 30 Abs 2 Z 4 MRG als erfüllt an, weil die beklagte Partei der Michael H*** Gesellschaft mbH nicht ein lebendes Unternehmen verpachtet, sondern die Geschäftsräumlichkeiten (unter-)vermietet habe. In naher Zukunft fehle ein Bedarf der beklagten Partei.
Das Berufungsgericht bestätigte. Es übernahm nach der Erörterung der Beweisrüge die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und ausreichend und kam gleichfalls zu der rechtlichen Beurteilung, daß die beklagte Partei in Wahrheit nicht ein lebendes Unternehmen verpachtet hat, das eine wirtschaftliche Einheit bleiben und fortbestehen sollte, sondern den Mietgegenstand ganz weitergegeben hat, ohne daß feststehe, daß die beklagte Partei den Mietgegenstand in naher Zeit für sich dringend benötigt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei erhobene, nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Bei der Prüfung, ob jener wichtige Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses an den Geschäftsräumlichkeiten gegeben ist, dessen Vorliegen die Vorinstanzen angenommen haben, ist davon auszugehen, daß für die erforderliche Abgrenzung der Unternehmenspacht von der Geschäftsraummiete kaum allgemein gültige Grundsätze bestehen, sondern die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind (MietSlg 38.457 uva). Dabei darf aber nicht eine Betrachtung nur nach einzelnen Beurteilungskriterien einsetzen. Maßgebend ist die Gesamtschau und das äußere Erscheinungsbild der Unternehmensverpachtung, die dann vorliegt, wenn ein lebendes Unternehmen, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit all dem übergeben wird, was zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand gehört, wenn auch das Fehlen einzelner Komponenten die Beurteilung als Pachtvertrag nicht ausschließt (Würth in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1091; Klang in Klang2 V 27 ff; Koziol-Welser, Grundriß8 I, 341; MietSlg 32.162/23; MietSlg 35.552 ua). Auf die Bezeichnung durch die Parteien kommt es jedenfalls nicht an, und auch durch bloße Leerfloskeln im Vertrag kann eine bloße Zurverfügungstellung des Mietobjektes ohne weitere wesentliche Elemente eines Unternehmens nicht zur Pacht werden (Würth aaO; MietSlg 28.117; MietSlg 32.164 ua). Die Unterscheidung zwischen Pacht und Miete ist nicht nur wegen der Geltung der Kündigungsbeschränkungen (§ 1 Abs 1, Abs 3 und Abs 4 MRG; § 30 MRG), die hier für die Miete der Geschäftsräumlichkeit durch die beklagte Partei unbestritten ist, sondern auch für das Vorliegen des Kündigungsgrundes der Weitergabe nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG wesentlich. Eine Weitergabe des in gemieteten Geschäftsräumlichkeiten betriebenen Unternehmens auf Zeit, etwa durch die Verpachtung erfüllt den Kündigungstatbestand nicht (RdW 1986, 369), wohl aber jede selbständige Verwertung des Bestandrechtes (Würth in Rummel, Rz 23 zu § 30 MRG; SZ 23/54; SZ 41/96 ua). Soll dagegen das Mietrecht als einziger wesentlicher Wert, wenn auch nur zeitweise einem Dritten überlassen werden, so liegt in der Untervermietung der Geschäftsräume deren Weitergabe im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 MRG. Das wirtschaftliche Schwergewicht liegt, wenn etwa die Betriebseinrichtung veraltet ist, und der Kundenstock nicht überlassen wird, auf der Überlassung des Geschäftsraumes (MietSlg 35.552 ua).
Betrachtet man die zur abschließenden rechtlichen Beurteilung ausreichenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen, so ist ihrer rechtlichen Beurteilung des Bestandvertrages, den die beklagte Partei mit der Dritten abgeschlossen hat, beizutreten. Es handelt sich ungeachtet der Bezeichnung und gewisser auf Unternehmenspacht abgestellter Vertragsbestimmungen nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht um die Verpachtung des lebenden (Teil-)Unternehmens. Nicht eine organisierte Erwerbsgelegenheit wurde als Ganzes verpachtet, vielmehr übt die beklagte Partei ihren einheitlich organisierten Handelsbetrieb im zweiten Geschäft weiter selbst aus und sie hat sogar ihre Kunden auf dieses "Hauptgeschäft" verwiesen. Dem Kundenstock kommt damit hier für die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht keine Bedeutung zu, denn die beklagte Partei kann ihre Kunden weiter halten, und ihr Bestandnehmer wendet sich an andere Kaufinteressenten. Daß das Warenlager übergehen sollte, stellt eine als Leerfloskel anzusehende Vertragsbestimmung dar, denn die beklagte Partei hat sich zur "Verpachtung" entschlossen, als sie bereits die Vertragsverhandlungen mit der S***-Gruppe aufgenommen hatte, und ihre Bestandnehmerin sollte dann den Vertrag mit der S***-Gruppe abschließen. Damit war aber klar, daß danach nur mehr S***-Produkte im Geschäft vertrieben werden durften. Auch der Firmenname der beklagten Partei war für die Übernehmerin wertlos, stand bei ihr doch die Marke S*** für die künftige Kennzeichnung des Geschäftes im Vordergrund. Den Vertragsteilen mußte auch klar sein, daß nach dem von der S***-Gruppe geforderten Umbau die bei der Überlassung der Geschäftsräume vorhandene Einrichtung nicht brauchbar war, so daß auch der Umstand bedeutungslos ist, ob die beklagte Partei ihrerseits beim Unternehmenskauf dafür noch Entgelt geleistet hatte. Wenig Bedeutung kommt dem Umstand zu, daß der Pachtzins nicht umsatzabhängig gestaltet wurde, daß die Bestandnehmerin Dienstnehmer der beklagten Partei nicht übernehmen mußte, eine eigene Gewerbeberechtigung aufwies - dazu verweist die beklagte Partei darauf, daß sie ihre Gewerbeberechtigung nicht verpachten konnte, weil sie diese zur Weiterführung ihres Unternehmens im zweiten Geschäft benötigte -, ob eine Konkurrenzklausel vereinbart wurde und ob die Inventarisierung der Geschäftseinrichtung unterblieb. Entscheidend ist, daß in Wahrheit für die Verpachtung sprechende Komponenten außer dem Versuch, durch Vertragsbedingungen und die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses eine Unternehmenspacht anzustreben, nicht übrig bleiben. Daß auch die Bestandnehmerin, wenn auch mit völlig anderem Sortiment und anderen Käuferschichten im Textilhandel tätig ist, reicht dazu nicht aus. Entscheidend dafür, daß die Weitergabe des Mietgegenstandes im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 MRG unschädlich bliebe, wäre die Überlassung eines Unternehmens und nicht, ob nach dem Ende der Bestandzeit der Bestandnehmer sein neu aufgebautes Unternehmen an die beklagte Partei zu übergeben hat.
Wirtschaftlich bedeutsam war hier allein die Zurverfügungstellung des Mietgegenstandes (vgl MietSlg 37.775/7). Es kann daher nicht von echter Unternehmensverpachtung gesprochen werden, sondern der Mietgegenstand wurde zur Gänze weitergegeben, ohne daß dies bloß ein Bestandteil der Verpachtung des lebenden Unternehmens gewesen wäre.
Zutreffend haben die Vorinstanzen auch erkannt, daß der dringende Bedarf der beklagten Partei nach dem Bestandobjekt in naher Zeit nicht dadurch verwirklicht ist, daß die studierende Tochter der Einzelunternehmerin sich in Jahren für die Übernahme des Unternehmens interessieren könnte. Eine Weitergabe an die Tochter käme wieder nur in der Form der Unternehmensveräußerung (§ 12 Abs 3 MRG) in Betracht, weil die Abtretung des Mietrechts nach § 12 Abs 1 MRG auf die Wohnungsmiete beschränkt ist.
Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG liegt demnach vor und rechtfertigt die Auflösung des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverhältnisses an der Geschäftsräumlichkeit nach § 29 Abs 1 Z 1 MRG und § 30 Abs 2 Z 4 MRG.
Die in der Auslassung des nach § 572 letzter Halbsatz ZPO erforderlichen Ausspruches liegende Unvollständigkeit des Spruches des Ersturteils ist durch die entsprechende Ergänzung zu berichtigen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E21133European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00581.87.0527.000Dokumentnummer
JJT_19880527_OGH0002_0030OB00581_8700000_000