TE OGH 1988/5/30 6Ob601/88

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Veröffentlicht am 30.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald P*** & Co., Wien 9., Schlickgasse 2, vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erna S***, Hotelier, Wien 9., Schlickgasse 2/10, vertreten durch Dr. Franz Bixner sen., Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung eines Geschäftsraummietverhältnisses (Streitwert S 96.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1987, GZ 48 R 519/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. September 1987, GZ 46 C 398/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der Beklagten die mit S 4.242,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 385,80) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist seit 1946 Eigentümerin eines Stadthauses. In den in diesem Haus befindlichen Gasthausräumlichkeiten führte sie einen gastgewerblichen Betrieb. Diesen verpachtete sie zunächst an einen Gastwirt. Mit diesem, damals 61 Jahre alten Pächter schloß sie dann über die Unternehmensveräußerung einen Vertrag nach der Urkunde vom 1. Juni 1957. Die - in der Folge von beiden Vertragsparteien unterfertigte - Vertragsurkunde hatte der Unternehmenserwerber der Beklagten mit dem Beifügen vorgelegt, der Vertrag sei nur für die beiden Teile bestimmt, ein Rechtsanwalt sei ebensowenig vonnöten wie die Entrichtung von Stempelgebühren. Der Unternehmenserwerber erläuterte mit dem Hinweis auf sein eigenes Alter, den schlechten Gesundheitszustand seiner Ehefrau und den Auslandsaufenthalt seines Sohnes seinen Wunsch nach einer Weitergabemöglichkeit. Dazu war im Vertragspunkt II wörtlich vorgesehen:

"Herr ..." (Unternehmenserwerber) "... verpflichtet sich

gegenüber Frau ..." (Beklagter) "... als Hausbesitzerin das Gasthaus

nur in der bestehenden Betriebsform, also als Gasthaus weiterzuverkaufen oder zu verpachten. Diese Abmachung gilt auch für die beiderseitigen Erben und Rechtsnachfolger."

(Nach dem IV. Vertragspunkt war "der gesetzliche monatliche Zins mit Nebengebühren sowie Wassergeld" an die Beklagte zu entrichten.)

Der Vertragspartner der Beklagten verpachtete das in den Bestandräumlichkeiten geführte Unternehmen zunächst kurzfristig an einen Dritten, dann an einen (1921 geborenen) Gastwirt und einen weiteren Mann, der später aus dem Vertragsverhältnis ausschied. Der verbliebene Pächter kaufte im Jahre 1964 vom Unternehmenserwerber der Beklagten dessen Unternehmen. (Dabei hielten die Vertragsteile im Punkt V des Kaufvertrages vom 20. Oktober 1964 fest, daß die Beklagte im Punkt II des am 1. Juni 1957 geschlossenen Vertrages für sich und ihre Erben und Rechtsnachfolger bereits die Zustimmung zum Weiterverkauf des Unternehmens in der bestehenden Betriebsform erteilt habe. Dieser Feststellung fügten sie weiter bei: "Diesbezüglich wird überdies auf die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes im Falle eines Unternehmensverkaufes verwiesen.")

Die Beklagte wurde von dieser Unternehmensveräußerung nicht unterrichtet. Nach dem Unternehmensverkauf anerkannte aber die Beklagte den Unternehmenskäufer als ihren Hauptmieter. Gleichzeitig wies sie ihn allerdings darauf hin, sie werde es nicht anerkennen, wenn er das Gasthaus wieder verkaufe. (Damit bezog sich die Beklagte offensichtlich auf eine weitere Mietrechtsübertragung.)

Im Mai 1981 verkaufte der Geschäftsraummieter das in den Mieträumen betriebene gastgewerbliche Unternehmen an die nun als Klägerin auftretende offene Handelsgesellschaft. (Auch in diesem Vertrag hielten die Vertragsteile fest, daß die Beklagte im Punkt II des von ihr mit ihrem vormaligen Pächter geschlossenen Kaufvertrages vom 1. Juni 1957 für sich sowie für ihre Erben und Rechtsnachfolger bereits die Zustimmung zum Weiterverkauf des Unternehmens erteilt habe. Dazu legten die Vertragsteile ihre übereinstimmende Auffassung in folgender Formulierung nieder: "Diese Zustimmung gilt zufolge der Fassung des erwähnten Vertragspunktes auch für die Rechtsnachfolger des Herrn ..." (Vertragspartner der Beklagten) "... sohin also auch für Herrn ..." (nunmehrigen Unternehmensverkäufer). "Überdies wird auf die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes im Falle eines Unternehmensverkaufes verwiesen.")

Die Klägerin führt seit 21. Juni 1981 den Betrieb des gekauften Unternehmens in den gemieteten Gasthausräumlichkeiten. Der Klagevertreter unterrichtete die Beklagte mit dem Schreiben vom 25. Mai 1981 unter Übersendung eines Kaufvertragsdurchschlages vom Unternehmenserwerb durch die Klägerin. Er ersuchte gleichzeitig um Vorschreibung der Mietzinse an diese Handelsgesellschaft. Die Beklagte legte in ihrem anwaltlich verfaßten Antwortschreiben ihren Standpunkt dar, mit der Vereinbarung nach dem Punkt II des mit ihrem seinerzeitigen Pächter abgeschlossenen Vertrages vom 1. Juni 1957 keinesfalls auch zugunsten eines Unternehmenserwerbers als "Rechtsnachfolgers" ihres Vertragspartners ein Weiterverkaufsrecht eingeräumt zu haben, mit einer Mietrechtsübertragung an die Klägerin nicht einverstanden zu sein und Mietzinszahlungen nur von (oder für) ihren bisherigen Mieter entgegennehmen zu wollen.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, einerseits im Sinne des Vertrages vom 1. Juni 1957 und andererseits auch aufgrund des Gesetzes (§ 12 MRG) in die volle Vertragsstellung eines Mieters der Geschäftsräumlichkeiten, in denen sie aufgrund ihres Kaufvertrages das Gastgewerbeunternehmen weiterführt, eingetreten zu sein. Das Erstgericht wies das entsprechende Feststellungsbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Nach der rechtlichen Beurteilung des Prozeßgerichtes erster Instanz sei in den einzelnen Kaufverträgen über das Unternehmen keine besondere Regelung über die Mietrechte enthalten. Die Klägerin könne sich nicht auf eine vertragliche Bindung der Beklagten durch den von ihr 1957 mit ihrem ehemaligen Pächter geschlossenen Vertrag stützen. Kraft § 12 Abs 3 MRG sei ein gesetzlicher Vertragseintritt nicht erfolgt, weil die in der genannten Gesetzesstelle vorgesehene Unternehmensveräußerung bereits vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes vollzogen gewesen sei und mangels anderer Übergangsbestimmungen die Regelung des § 12 Abs 3 MRG nicht auf Sachverhalte zurückwirke, die bereits vom dem Inkrafttreten dieser gesetzlichen Regelung abgeschlossen gewesen seien. Mangels einer auch nur schlüssigen Zustimmung der Beklagten zum Eintritt der Klägerin in das Bestandverhältnis bleibe es beim sogenannten gespaltenen Mietverhältnis.

Das Berufungsgericht teilte zwar die erstrichterliche Beurteilung nicht, daß in dem von der Beklagten mit ihrem vormaligen Pächter abgeschlossenen Vertrag vom 1. Juni 1957 und in den von der Klägerin mit deren Veräußerer im Jahre 1981 abgeschlossenen Vertrag keine das Mietrecht betreffenden Regelungen enthalten seien. Das Berufungsgericht folgerte aber zur behaupteten vertraglichen Bindung der Beklagten, die Klägerin als Mietvertragspartnerin anerkennen zu müssen: In dem von der Beklagten mit ihrem vormaligen Pächter abgeschlossenen Vertrag vom 1. Juni 1957 sei von den Mietrechten am Geschäftslokal ausdrücklich überhaupt nicht die Rede. Die als Verpflichtung des Unternehmenserwerbers formulierte Bestimmung nach dem Punkt II des Vertrages hätte dieser keinesfalls als Einräumung der Befugnis auffassen dürfen, einem von ihm gewählten Unternehmenserwerber seine Vertragsstellung als Lokalmieter einseitig und ohne weitere Zustimmung der Beklagten übertragen zu können. Selbst bei gegenteiliger Auslegung wäre mangels anderslautender Vereinbarung ein solches Weitergabe- oder Präsentationsrecht durch seine einmalige Ausübung verbraucht. Es stünde daher keinesfalls dem Vertragspartner des Vertragspartners der Beklagten zu. Die gesetzliche Vertragsübernahme im Sinne des § 12 Abs 3 MRG erachtete das Berufungsgericht, wie bereits das Erstgericht, im Sinne der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Revisionsgerichtes (EvBl 1983/143 u.a.) als nicht eingetreten. Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem Abänderungsantrag im Sinne des Klagebegehrens an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Weder die Revisionsausführungen zum vertraglichen Eintrittsrecht noch die zur gesetzlichen Vertragsübernahme sind stichhältig. Die nicht von der Beklagten stammende Formulierung in dem nach dem Vorschlag ihres Vertragspartners ohne anwaltlichen Beistand abgefaßten Wortlaut des Vertrages vom 1. Juni 1957 über eine Verpflichtung des Mieters gegenüber der Vermieterin, "das Gasthaus nur in der bestehenden Betriebsform, also als Gasthaus weiterzuverkaufen oder zu verpachten", welche Abmachung auch für die beiderseitigen Erben und Rechtsnachfolger gelten sollte, durfte der Vertragspartner der Beklagten nicht dahin auslegen, daß die Beklagte im vorhinein einer Vertragsübernahme auf Mieterseite durch einen Unternehmenserwerber zugestimmt hätte oder zustimmen müßte. Der Vertragspartner der Beklagten durfte lediglich erwarten, daß die Beklagte eine Abtretung der Rechte aus dem Mietvertrag im Falle einer solchen Unternehmensveräußerung, zu deren Unterlassung sich

der Mieter nicht verpflichtet hatte, hinnehmen werde. Nach der vor

dem Vertragsschluß erklärten Motivation des vormaligen Pächters zu

seinem Wunsch nach Absicherung einer gewissen Weitergabemöglichkeit mit seinen persönlichen Verhältnissen, durfte dieser nicht annehmen, die Beklagte stimme mit der Formulierung nach Punkt II der ihr vorgelegten Vertragsurkunde auch zugunsten etwaiger dritter Erwerber des Unternehmens gleichartigen Rechtsübertragungen zu. Die Revisionsausführungen vermögen die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes zur behaupteten vertraglichen Bindung der Beklagten zur Anerkennung eines Vertragseintrittes der Klägerin auf der Mieterseite nicht zu entkräften.

Die Revisionsausführungen zur gesetzlichen Vertragsübernahme im Sinne des § 12 Abs 3 MRG bestimmen den erkennenden Senat nicht zu einer Abkehr von seiner Gesetzesauslegung, wie sie in der als EvBl 1983/143 veröffentlichten Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher nun von der Rechtsmittelwerberin aufgezeigten Umstände eingehend dargelegt worden ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00601.88.0530.000

Dokumentnummer

JJT_19880530_OGH0002_0060OB00601_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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