TE OGH 1988/5/30 6Ob595/88

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Veröffentlicht am 30.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** H*** Gesellschaft m.b.H., 6840 Götzis, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Franz M***, Kaufmann, Kiechlanger 8, 6060 Hall, vertreten durch Dr. Lienhard Grabmayr und Dr. Herbert Kofler, Rechtsanwälte in Landeck, wegen S 37.061,33 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. März 1988, GZ 3 a R 133/88-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 1. Dezember 1987, GZ C 529/83-48, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei lieferte dem Beklagten, einem Sportartikelhändler, von ihr hergestellte Skibindungseinstellungsgeräte mit der Bezeichnung "H*** BEG 80" um den in Rechnung gestellten Gesamtpreis von S 212.400, auf den der Beklagte in drei Teilzahlungen insgesamt S 191.030,40 bezahlte, so daß ein Saldo von S 21.369,60 offen ist.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten zuletzt noch Zahlung von S 37.061,33 s.A. und brachte hiezu vor, daß sich der Klagsbetrag aus dem Saldo sowie aus Verzugszinsen einschließlich 18 % Umsatzsteuer aus dem Zinsenbetrag zusammensetze.

Der Beklagte wendete ein, die klagende Partei habe ihm über seinen Vorschlag zugesichert, das Gerät "H*** BEG 80" in Österreich um den Preis von S 27.860 (zuzüglich Umsatzsteuer) auf den Markt zu bringen, so daß er in der Folge Prospekte habe drucken lassen, mit welchen er die Geräte um diesen Preis angeboten habe. Auf der Fachmesse ÖSFA in Salzburg im September 1980 habe er jedoch feststellen müssen, daß die klagende Partei das Gerät abredewidrig um S 24.500 zuzüglich 18 % Umsatzsteuer anbiete. Durch diesen Vertragsbruch sei ihm ein Schaden von S 19.000 deshalb, weil die Prospekte, Rundschreiben und Kataloge danach nicht mehr brauchbar gewesen seien, und von S 10.000, weil er bei der ÖSFA nicht den erwarteten Erfolg erzielt habe, erwachsen. Diesen Schaden wende er gegen die eingeklagte Forderung zur Aufrechnung ein. Auf die Aufrechnungseinrede replizierte die klagende Partei, ihre Zusage sei unverbindlich gewesen, so daß beide Teile Rabatte und sonstige Zahlungskonditionen einzuräumen berechtigt gewesen seien. Im übrigen sei die Preisabsprache - als Verstoß gegen das Kartellrecht und gegen § 879 ABGB - auch nichtig.

Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren in Ansehung des Betrages von S 37.061,33 samt Anhang statt, ohne allerdings den Spruch gemäß § 545 Abs 3 Geo zu gliedern. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf und überband diesem die Rechtsauffassung, daß

Bagatellkartelle - also Kartelle, die an der Versorgung des gesamten inländischen Marktes zur Befriedigung desselben Bedarfes einen Anteil von weniger als 5 % oder eines allfälligen inländischen Teilmarktes einen solchen von weniger als 25 % hätten - stets privatrechtlich wirksam seien. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren - als Vorfrage - zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen eines Bagatellkartells vorlägen, und auch zur Prüfung der eingewendeten Gegenforderung ausreichende Feststellungen über den behaupteten Schaden zu treffen haben.

Über Auftrag des Erstgerichtes, im Sinne des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses weiteres Prozeßvorbringen zu erstatten (ON 17, S.10 = AS 96), brachte der Beklagte unter anderem vor, er sei genötigt gewesen, zum gleichen Preis wie die klagende Partei anzubieten. Da die Verträge zwischen den Streitteilen beiderseitige Handelsgeschäfte seien, müsse ihm die klagende Partei auch den entgangenen Gewinn ersetzen, der "noch präzisiert" werde (ON 19, S.4 = AS 104).

Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, dem Kläger den Betrag von S 31.061,33 samt Anhang zu bezahlen (Punkt 1) und sprach aus, daß die in Höhe von S 29.000 eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe (Punkt 2). Es stellte - unter anderem - fest, es sei nicht feststellbar gewesen, daß der Beklagte durch den Preisnachlaß der klagenden Partei infolge geringeren Absatzes Umsatzeinbußen und hiedurch einen Schaden erlitten habe. Es habe auch nicht festgestellt werden können, daß die vom Beklagten in Druck gegebenen und versandten Prospekte infolge der Preissenkung durch die klagende Partei unbrauchbar geworden seien. Soweit diese Werbemittel mindertauglich gewesen sein sollten, könne die damit verbundene finanzielle Einbuße des Beklagten ziffernmäßig kaum eingeschätzt werden (ON 48, S.10 = AS 298).

In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht seinen Ausspruch, daß die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, damit, daß die Preisabsprache als Vertragskartell mangels Schriftlichkeit und Eintragung im Kartellregister ungültig (§ 7 Abs 1 KartellG) und weder als Bagatellkartell (§ 2 Abs 1 KartellG) noch als vertikale Preisbindung (§ 2 Abs 2 KartellG) zu beurteilen sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, ohne auszusprechen, ob die Revision zulässig sei. Es führte zur Rechtsrüge des Beklagten im wesentlichen aus, er gehe nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, so daß die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt sei. Das Erstgericht habe nämlich die Gegenforderung des Beklagten gar nicht festgestellt, weshalb allein schon die begehrte Aufrechnung nicht in Frage komme. Es könne daher ungeprüft bleiben, ob und inwieweit die festgestellte Preisabsprache zwischen den Streitteilen auch auf ihre Rechtsbeziehungen zueinander rechtliche Wirkungen äußere.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich das vom Beklagten als "außerordentliche Revision" eingebrachte Rechtsmittel, das jedoch nicht zulässig ist.

Zur Begründung der Zulässigkeit führte der Beklagte aus, trotz eines S 60.000 nicht übersteigenden Streitwertes sei die Revision zulässig, weil das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil nur teilweise bestätigt und dem Erstgericht im übrigen im Aufhebungsbeschluß ohne Rechtskraftvorbehalt eine Rechtsauffassung überbunden habe, die der Beklagte gemäß § 502 Abs 3 zweiter Satz ZPO jedenfalls anzufechten berechtigt sei, sowie eine Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Bezirksgericht kartellrechtliche Fragen im Rechtsstreit zu beurteilen zuständig sei, und das Berufungsgericht diese Frage im zweiten Rechtsgang anders als im ersten gelöst habe. Diesen Darlegungen kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Soweit sich der Beklagte auf die bloße Teilbestätigung beruft, genügt der Hinweis, daß ein Urteil des Berufungsgerichtes, soweit es das angefochtene Urteil bestätigt, - anders als bisher nach Jud 56 neu - nicht mehr mit Revision bekämpft werden kann, wenn der davon betroffene Teil des Streitgegenstandes S 60.000 nicht übersteigt (§ 502 Abs 3 erster Satz ZPO). Gerade das trifft aber auf den vorliegenden Fall zu, weil der Beklagte das berufungsgerichtliche Urteil nur in einem (dem Klagebegehren stattgebenden) bestätigenden Teil anficht.

Richtig ist zwar, daß das berufungsgerichtliche Urteil trotz Vorliegens der den Revisionsausschluß begründenden Voraussetzungen der vorgenannten Gesetzesstelle dennoch der weiteren Anfechtung unterliegt, wenn das erstinstanzliche Urteil noch vor Rechtskraft des Beschlusses des Berufungsgerichtes, das ein früheres Urteil der ersten Instanz gemäß § 496 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO aufgehoben hatte, gefällt worden ist (§ 519 Abs 1 Z 3 ZPO) und wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, von der das Berufungsgericht in jenem Beschluß ausgegangen ist (§ 499 Abs 2 ZPO), angefochten wird (§ 502 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Dieser besondere Rechtszug an den Obersten Gerichtshof setzt jedoch voraus, daß die überbundene Rechtsansicht, an die nicht nur das Erstgericht, sondern auch das Gericht zweiter Instanz selbst gebunden ist, die bekämpfte berufungsgerichtliche Entscheidung im zweiten Rechtsgang zumindest mitträgt, nicht aber auch, wenn sie für die nun bekämpfte Entscheidung ohne Bedeutung ist (EvBl 1986/128 mwN; Fasching, Komm ErgB 108 und Zivilprozeßrecht Rz 1877). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht dem Erstgericht im ersten Rechtsgang - ohne ihm auch eine Rechtsauffassung dahin zu überbinden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein allfälliges abredewidriges Verhalten der klagenden Partei einen Schaden im Vermögen des Beklagten auslöste - die Ergänzung des Verfahrens deshalb aufgetragen, weil dieses die Preisabsprache der Streitteile, auf die der Beklagte seine Gegenforderung stützte, als Verstoß gegen das Kartellrecht und damit als nichtig beurteilt habe, ohne die entscheidungswesentlichen Fragen des Bagatellkartells und der vertikalen Preisbindung geprüft zu haben, und keine zur verläßlichen Beurteilung der zur Aufrechnung eingewendeten Schadenersatzforderung des Beklagten ausreichenden Feststellungen getroffen habe. Im zweiten Rechtsgang gelangte das Erstgericht sodann zu einer Verbreiterung seiner (negativen) Feststellungen über den vom Beklagten behaupteten Schaden, ohne allerdings daraus die notwendigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Diese hat dagegen das Berufungsgericht aufgrund der ergänzten Feststellungen nachgetragen und seine Entscheidung (Bestätigung in der Hauptsache = Verneinung der Gegenforderung) in erster Linie damit begründet, daß der Beklagte die behauptete Gegenforderung nicht habe beweisen können, so daß schon deshalb eine Aufrechnung nicht in Betracht komme. Die im ersten Rechtsgang überbundene Rechtsansicht war demnach infolge Verbreiterung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes für die neuerliche Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht kausal, weil dieses bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang nicht mehr von seiner Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluß ausgegangen ist (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1877). Ist aber die im § 502 Abs 3 zweiter Satz ZPO umschriebene Prozeßlage zu verneinen, so ist die Revision schon deshalb unzulässig, weil der für deren Zulässigkeit maßgebliche Streitwert den im § 502 Abs 3 erster Satz ZPO vorgesehenen Schwellwert von S 60.000 nicht übersteigt. Die Frage, ob der Beklagte eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ins Treffen führt - bei deren Bejahung die Erhebung einer außerordentlichen Revision trotz Fehlens eines Ausspruches über die Zulässigkeit einer Grundsatzrevision möglich wäre (vgl. Petrasch in ÖJZ 1983, 201) -, ist daher nicht mehr zu prüfen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Behauptung des Beklagten in der Revision, die klagende Partei habe es außer Streit gestellt, daß ihm durch deren Verhalten ein Schaden

erwachsen sei, aktenwidrig ist (ON 7, S.2 = AS 26; ON 18, S.4 =

AS 100; ON 22, S.5 = AS 115).

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E14201

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00595.88.0530.000

Dokumentnummer

JJT_19880530_OGH0002_0060OB00595_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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