TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/26 2003/04/0098

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Veröffentlicht am 26.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §359 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der B GmbH in S, vertreten durch Dr. Hella Ranner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Am Eisernen Tor 3/2. OG, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. April 2003, FA14/A-15/549-02/6, betreffend Vorschreibung zusätzlicher Auflagen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung (BH) vom 23. Jänner 2002 wurde die Anzeige der Beschwerdeführerin betreffend die Änderung der Betriebsanlage (Großhandelskaufhaus) durch Errichtung und Betrieb eines Baumarktes gemäß § 345 Abs. 8 Z 8 iVm § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 GewO 1994 zur Kenntnis genommen und darüber hinaus gemäß § 79 Abs. 1 iVm § 359 Abs. 1 GewO 1994 und § 94 Abs. 3 ASchG unter anderem folgende Auflage (5.) vorgeschrieben:

"Entweder ist die Verkaufsfläche I in annähernd 2 gleich große Brandabschnitte zu unterteilen (Durchbrüche durch diese Brandwand müssen durch zumindest brandhemmende Öffnungsverschlüsse abgeschlossen werden) oder ist der Markt mit einer Sprinkleranlage gem. TRVB S 127 auszustatten. Im Falle der Errichtung dieser Sprinkleranlage ist das Projekt der Anlage bei einer akkreditierten Prüfanstalt zur Begutachtung und Nachrichtung zur Abnahme einzureichen."

Begründend verwies die BH zu dieser Auflage auf ein Gutachten des brandschutztechnischen Sachverständigen, nach welchem von der Beschwerdeführerin betreffend die Verkaufsfläche I ein Privatgutachten vorgelegt worden sei, demzufolge dieser Bereich durch eine "Brandschürze" in 2 Abschnitte unterteilt werde und dadurch der Einbau einer automatischen Löschanlage nicht erforderlich sei. Diesem Schluss könne nicht gefolgt werden, da "Brandschürzen" in der Brandschutztechnik nicht als Begriff genormt seien und die eingebaute "Schürze" lediglich die Funktion einer "Rauchschürze" habe und einen allfällig auftretenden Brand nicht aufhalten könne. Auf Grund der Brennbarkeit der Lagerungen, der hohen Brandbelastung und einem im Brandfall allfällig zu erwartenden Brandrauch und der zum Teil vorhandenen brennbaren Lagerungen in der Rauchschicht sei mit einer großflächigen Entzündung und einer möglichen raschen Brandausweitung zu rechnen. Um einer solchen Gefahr zu begegnen, sei in (technischen) Richtlinien wie der TRVB 138 Verkaufsstätten ab einer Größe von 3.000 m2 der Einbau einer Sprinkleranlage vorgesehen. Auch in § 104 des Stmk. Baugesetzes sei ab derselben Größe der Einbau einer solchen Anlage zwingend festgelegt. Ohne die Bildung eines weiteren Brandabschnittes oder den Einbau einer Sprinkleranlage gem. TRVB S 127 könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Leben und die Gesundheit von Kunden und ArbeitnehmerInnen gefährdet würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der - alleine gegen die Vorschreibung der Auflage 5. gerichteten - Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem brandschutztechnischen Gutachten gehe eindeutig hervor, ohne die in Rede stehenden Auflagen könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Leben und die Gesundheit von Kunden und Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gefährdet würden. Das von der Beschwerdeführerin im Verfahren erster Instanz vorgelegte Gutachten sei nicht geeignet, das schlüssige Gutachten des brandschutztechnischen Sachverständigen zu entkräften, zumal dieser ausdrücklich ausgeführt habe, er könne aus näher dargelegten Gründen dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten nicht folgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht "auf Unterbleiben unnötiger, unangemessener und unbegründeter Brandschutzauflagen" verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die BH habe die Anzeige der Beschwerdeführerin gemäß § 345 Abs. 8 Z 8 iVm § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 GewO 1994 zur Kenntnis genommen, da das Emissionsverhalten der Anlage durch die Änderung nicht nachteilig beeinflusst werde. Gleichzeitig sei aber die Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage damit begründet worden, dass es durch die Änderung hinsichtlich der gelagerten Waren zu einer Gefahrenerhöhung komme, was die erstinstanzliche Behörde jedoch durch den Verweis auf § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 GewO 1994 selbst ausgeschlossen habe.

Darüber hinaus sei die gegenständliche Auflage nicht ausreichend begründet, da sich der brandschutztechnische Sachverständige damit begnügt habe festzuhalten, ohne die in der Auflage vorgeschriebenen Maßnahmen könne eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Kunden oder Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen nicht ausgeschlossen werden. Eine solche Begründung genüge jedoch dem Bestimmtheitsgebot nicht. Gemäß § 79 GewO 1994 müsse konkret festgestellt werden, welches spezielle Interesse des § 74 Abs. 2 GewO 1994 trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sei. Jede Auflage sei idS auf ihre Erforderlichkeit, Angemessenheit und Geeignetheit hin zu prüfen und es bedürfe genauer und eindeutiger Feststellungen, die im gegenständlichen Fall nicht vorhanden seien. Für die Vorschreibung der gegenständlichen Auflage sei auch keine sachliche oder rechtliche Rechtfertigung gegeben. So könne sich die belangte Behörde nicht auf § 104 Stmk. Baugesetz stützen, da diese Bestimmung alleine von der Baubehörde heranzuziehen war. Auch auf die Richtlinie TRVB N 138 habe sich die Behörde nicht stützen dürfen, da diese den baulichen Brandschutz behandle. Zudem sei gemäß Pkt 4.5 der Richtlinie TRVB N 138 vorgesehen, dass Abweichungen von den Bestimmungen gemäß Pkt 4.2 zulässig seien, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt seien. Diesbezüglich sehe Pkt 4.5.2 u. a. das Anbringen von Rauchschürzen vor.

Die vorliegende Änderung der Betriebsanlage sei baubehördlich mit Bescheid des Bürgermeisters von S vom 19. März 2001 rechtskräftig bewilligt worden. In diesem Bescheid seien Belange des Brandschutzes umfassend und abschließend berücksichtigt und auch brandschutztechnische Auflagen vorgeschrieben worden. Hingegen sei die belangte Behörde zur Vorschreibung feuerpolizeilicher Auflagen unzuständig, da bau- und feuerpolizeiliche Angelegenheiten kompetenzrechtlich in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fielen.

Als Verfahrensfehler macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, inwieweit eine konkrete Gefährdung der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen gegeben sei und sich nicht damit begnügen dürfen, eine generelle und abstrakte Gefährdung bei Nichterfüllung der in Rede stehenden Auflagen festzustellen. Weiters hätte die belangte Behörde feststellen müssen, inwieweit die von der Beschwerdeführerin bereits ergriffenen Maßnahmen (trotz Vorliegens einer bau- und gewerbebehördlichen Genehmigung seien zusätzliche verbessernde Maßnahmen für den Brandschutz gesetzt worden, wie z.B. die Installation von Brandschutzklappen, die Erneuerung von Türen und Meldeanlagen sowie die Erweiterung des Fluchtwegesystems) geeignet seien, die konkret beschriebenen Gefahren hintan zu halten. Insoweit die belangte Behörde das von der Beschwerdeführerin beigebrachte private Brandschutzgutachten verwerfe, weil "Brandschürzen" in der Brandschutztechnik nicht als Begriff genormt seien, die eingebaute "Schürze" lediglich die Funktion einer "Rauchschürze" habe und einen allfällig auftretenden Brand nicht aufhalten könne, hätte ihr bekannt sein müssen, dass der Begriff "Brandschürze" seit über 40 Jahren ein technisch definierter Begriff laut den einschlägigen Normen (so etwa in der ÖNORM F 1000 aus dem Jahr 1951 bzw. 1968) sei. Die belangte Behörde hätte abklären müssen, ob die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Brandschürze nicht dieselbe Wirkung wie die in Rede stehende Auflage erzielen könne.

2. Gemäß § 79 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 in der im vorliegenden Fall gemäß § 379 GewO maßgeblichen Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 2002 (GewO 1994) hat die Behörde (§§ 333, 334, 335) die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 ist eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 jedenfalls nicht gegeben bei Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen. Diese Änderungen sind gemäß § 81 Abs. 3 GewO 1994 der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen und von dieser gemäß § 345 Abs. 8 Z 6 GewO 1994 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen; dieser Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides.

3. Die Beschwerdeführerin wendet gegen die gegenständliche Auflage zunächst ein, diese hätte nicht gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschrieben werden dürfen, da die gegenständliche Änderung der Anlage gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 iVm § 345 Abs. 8 Z 6 GewO 1994 zur Kenntnis genommen worden sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ändert eine nach § 81 erteilte Bewilligung nichts an der Verpflichtung der Behörde - von Amts wegen oder über Antrag -, in einem Verfahren nach § 79 leg. cit. für die Wahrung der im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen zu sorgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Slg. 14.927/A). Gleiches gilt für den Fall der genehmigungsfreien Änderung einer Betriebsanlage im Sinn des § 81 Abs. 2 GewO 1994; bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 79 Abs. 1 GewO 1994 ist die Behörde verpflichtet, zur Wahrung der unzureichend geschützten Interessen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben.

4. Insoweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die rechtskräftige baubehördliche Bewilligung die Unzuständigkeit der Gewerbebehörde zur Vorschreibung der vorliegenden Auflage behauptet, ist ihr zu entgegnen, dass für die Gewerbebehörde keine Bindung an einen Bescheid der Baubehörde besteht. Sie hat vielmehr jene Maßnahmen vorzuschreiben, die dem Umstand entspringen, dass die Räumlichkeiten dem Gewerbebetrieb gewidmet sind (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung2 (2003), 560 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

5. Insoweit sich die Beschwerdeführerin mit ihrem weiteren Vorbringen gegen die Erforderlichkeit der im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Auflage wendet, ist ihr entgegen zu halten, dass diese Auflage jedenfalls dem in § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 normierten Interesse des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, dient und die Beschwerdeführerin darüber hinaus den im Übrigen nicht als unschlüssig zu erachtenden Sachverständigendarlegungen, die insbesondere in nachvollziehbarer Weise auf das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten und die Frage der "Brandschürzen" eingehen, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist (vgl. zur Notwendigkeit der Entgegnung sachverständiger Darlegungen auf gleicher fachlicher Ebene etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2002/04/0168).

6. Den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Begründungsmängeln fehlt nach dem oben Gesagten die nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG notwendige Relevanz.

7. Da sich die Beschwerde daher insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Kostenersatz war nicht zuzusprechen, da die belangte Behörde ein entsprechendes Begehren nicht gestellt hat.

Wien, am 26. September 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003040098.X00

Im RIS seit

04.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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