Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kabelka (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Milan M***, Bauarbeiter, 1150 Wien, Märzstraße 61/23, vertreten durch Dr.Gerd Hartung und Dr.Hildegard Hartung, Rechtsanwälte in Wien, wider die P*** DER A*** (Landesstelle Wien),
1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Jänner 1988, GZ 31 Rs 261/87-71, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14.September 1987, GZ 10 Cgs 245/86-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht hat die auf eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 11.Februar 1986 gerichtete Klage gegen den diese Leistung ablehnenden Bescheid der beklagten Partei vom 17. Juni 1986 abgewiesen.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen kann der am 7. April 1940 geborene Kläger wegen seines seit Februar bzw hinsichtlich der Einschränkungen des rechten Armes seit September 1986 bestehenden, im einzelnen festgestellten körperlichen und geistigen Zustandes während der üblichen Arbeitszeit bei Einhalten der üblichen Pausen leichte und mittelschwere Arbeiten mit folgenden Einschränkungen leisten: keine Arbeiten, die mehr als einfache Hilfstätigkeiten des rechten Armes oder dauernde Exkursionen dieses Armes erfordern oder bei denen damit Lasten gehoben oder getragen werden müssen, kein Besteigen von Leitern oder Gerüsten und keine Arbeiten an exponierten Stellen. Die Anmarschwege sind gewährleistet. Der Kläger hat in Jugoslawien am 20.Juni 1963 eine Abschlußprüfung als "qualifizierter Arbeiter, Beruf Zimmermann, Fachbauwesen" abgelegt, der eine zweijährige Tätigkeit mit theoretischer Ausbildung in einem Bauunternehmen, verbunden mit dem Besuch der 3. Klasse im technischen Schulzentrum in Sombor voranging. Während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag war er überwiegend bei der U*** BAU tätig, und zwar als Schaler, qualifizierter Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiter. Seine Tätigkeit umfaßte im wesentlichen Schalungsarbeiten auf verschiedenen Baustellen im Hochbau bei Säulen-, Wand-, Unterzug- und Deckenschalungen, so daß er qualifizierte Hilfsarbeiten und Hilfsarbeiten verrichtete, wie sie beim Bau üblich sind. Dem Leistungskalkül entsprechen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die näher beschriebenen Tätigkeiten eines Saaldieners in der Metall-, Kunststoff- und Textilindustrie, Kontrollarbeiten in Fertigungsabteilungen von Betrieben, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb kleinerer Erzeugnisse befassen, Tischarbeiten im Buchbindergewerbe, in der Kleinleder- und Plastikwarenerzeugung und in der Kartonagenwarenerzeugung und eines Portiers bei öffentlichen Dienststellen, bei Direktionen von Groß- und Industriebetrieben, Banken, Versicherungen und Fabriken. Solche Arbeitsplätze kommen auf dem Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl vor.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß der nicht überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig gewesene Kläger nicht invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG sei.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger und mangelhafter Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Kostenfestsetzung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte die vom Berufungswerber behaupteten Verfahrensmängel, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete auch die rechtliche Beurteilung des ausreichend festgestellten Sachverhaltes durch die erste Instanz für richtig.
Dagegen richtet sich die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit die Revision meint, daß der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig gewesen sei, geht sie nicht von den maßgeblichen Feststellungen aus, nach denen der Kläger während dieser Zeit nur qualifizierte Hilfsarbeiten und andere Hilfsarbeiten verrichtete, wie sie beim Bau üblich sind. Dies entspricht übrigens auch den eigenen Angaben des Klägers in seinem ersten Pensionsantrag vom 18. September 1984, wonach er seit 1970 mit Unterbrechungen als Zimmererhelfer tätig gewesen war
(Seite 3 - Versicherungsverlauf - des damaligen Pensionsaktes der beklagten Partei).
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, daß der Kläger nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen im Sinne der Abs 1 und 2 des § 255 ASVG tätig war, ist daher richtig. Der Kläger gilt daher nach Abs 3 leg cit als invalid, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt.
Soweit die Revision ausführt, daß der Kläger die von den Vorinstanzen genannten Verweisungstätigkeiten infolge seines körperlichen Zustandes nicht mehr ausüben könnte, geht sie wieder nicht von den maßgeblichen Feststellungen aus, daß diese Tätigkeiten - deren Umfang im für die Beurteilung erforderlichen Maß festgestellt wurde - seiner Leistungsfähigkeit entsprechen. Im übrigen widersprechen die die Tätigkeit eines Portiers bei öffentlichen Dienststellen etc betreffenden Revisionsausführungen dem diesbezüglich offenkundigen und daher nicht beweisbedürftigen Leistungsprofil.
Wenn ein Versicherter - wie der Kläger - in der Lage ist, Verweisungstätigkeiten ohne jede Einschränkungen auszuüben, dann ist davon auszugehen, daß er durch diese Tätigkeiten den kollektivvertraglichen Lohn erwerben kann. Daß in den für ihn möglichen Verweisungstätigkeiten die Durchschnittsentgelte nicht mehr als doppelt so hoch sind wie die Kollektivvertragslöhne, ist offenkundig und daher nicht beweisbedürftig. Damit steht auch fest, daß der Kläger durch die Verweisungstätigkeiten wenigstens die Hälfte des üblichen Entgeltes erwerben kann (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates seit SSV-NF 1/11).
Die Revisionsbehauptung, es sei nicht festgestellt worden, ob die Verweisungstätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, ist aktenwidrig, weil das Erstgericht festgestellt hat, daß solche Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl vorkommen. Sollte der Kläger keinen offenen Arbeitsplatz finden, wäre er nicht invalid sondern arbeitslos (vgl Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts3 50; Teschner in Tomandl, SV-System 365 FN 1; Schrammel in ZAS 1984, 83; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates seit SSV-NF 1/23). Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E14762European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00142.88.0531.000Dokumentnummer
JJT_19880531_OGH0002_010OBS00142_8800000_000