Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Ulrike A*** wegen §§ 302 und 310 StGB über die Anträge des Privatbeteiligten Dr. Rudolf H*** auf
I. Zuweisung der Strafsache gemäß § 63 StPO an ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Linz sowie
II. Ablehnung der Richter des Kreisgerichtes Wels und des Oberlandesgerichtes Linz, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
I. Dem Delegierungsantrag wird nicht Folge gegeben.
II. In bezug auf die Richter des Oberlandesgerichtes Linz wird dem Ablehnungsantrag nicht Folge gegeben.
Zur Entscheidung des die Richter des Kreisgerichtes Wels betreffenden Ablehnungsantrages werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Begründung:
Der Privatbeteiligte Dr. Rudolf H*** beantragte bei der Ratskammer des Kreisgerichtes Wels die Einleitung der Voruntersuchung gegen Dr. Ulrike A***, Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Wels, wegen §§ 302 und 310 StGB. In der Anzeige lehnte er dem Sinne nach die Richter des Kreisgerichtes Wels und jene des Oberlandesgerichtes Linz wegen Befangenheit ab; aus ebendemselben Grund begehrte er die Zuweisung der Strafsache an ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Linz. Dem Delegierungsantrag war nicht Folge zu geben, weil er ausschließlich mit Befangenheit von Gerichtspersonen begründet wird, alle mit Befangenheit zusammenhängenden Verfahrenshandlungen in den §§ 72-74 a StPO geregelt sind und sonach die Befangenheit eines Gerichtes keinen Delegierungsgrund darstellt (Ö*** 1975/239).
Rechtliche Beurteilung
Zu den Ablehnungsanträgen:
Nur in bezug auf die Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichtes Linz ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung zuständig (§ 74 Abs. 2 dritter Halbsatz StPO). Eine erfolgreiche Ablehnung hätte zur Voraussetzung, daß der Privatbeteiligte außer den in den §§ 67 bis 69 StPO bezeichneten Fällen (der Ausschließung) andere Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit sämtlicher Mitglieder dieses Gerichtshofes in Zweifel zu setzen (§ 72 Abs. 1 StPO). Die Ablehnung eines Richters ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die - objektiv - die volle Unvoreingenommenheit des Betreffenden in Zweifel ziehen und zur Befürchtung Anlaß geben, der Abgelehnte könnte sich bei der Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen (EvBl 1973/326 uva).
Eine solche Eignung kommt den vom Privatbeteiligten vorgebrachten Gründen nicht zu, weil es sich hiebei um bloße Vermutungen, die Angezeigte sei von Richtern des Oberlandesgerichtes Linz über den Sachausgang eines von ihm erhobenen Anklageeinspruchs informiert worden, handelt. Inwieweit Richter des Oberlandesgerichtes Linz im Zusammenhang mit einem Sachverständigengebührenbestimmungsbeschluß im Akt 8 Vr 1912/81 des Kreisgerichtes Wels befangen wären, ist dem Antrag nicht zu entnehmen.
Dem Antrag auf Ablehnung des Oberlandesgerichtes Linz war sohin nicht Folge zu geben. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß sich von den 13 in Strafsachen tätigen Richtern des Oberlandesgerichtes Linz lediglich 4 (bei urlaubsbedingter Abwesenheit von 2 Richtern) in bezug auf den Privatbeteiligten für befangen erklärten.
Zur Entscheidung über die Ablehnung der Richter des Kreisgerichtes Wels wird der Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben (§ 74 Abs. 2 zweiter Halbsatz StPO).
Anmerkung
E14319European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0150NS00011.88.0531.000Dokumentnummer
JJT_19880531_OGH0002_0150NS00011_8800000_000