Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Susanne R***, Private, Graz, Unterer Plattenweg 11, vertreten durch Dr.Walter Nödl, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Dipl.-Ing. Erwin W***, Zivilingenieur, Graz, Nibelungengasse 40, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen Bestimmung einer Heiratsausstattung, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 7. April 1988, GZ 3 R 338/87-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19.November 1987, GZ 15 Nc 101/87-21, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung ihres ehelichen Vaters zur Leistung einer seinem beträchtlichen Vermögen (das sich nach ihrem Vorbringen im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß auf 60 bis 100 Mill. S belaufen soll) angemessenen Heiratsausstattung aus Anlaß ihrer Eheschließung vom 19.Oktober 1984 in der Höhe von 3,5 Mill. S samt Aufwertung und Verzinsung ab dem 10. Oktober 1984.
Der Antragsgegner bestreitet die Berechtigung des erhobenen Anspruches unter Darlegung seines mit etwa 8 Mill. S zu beziffernden Vermögens mit der Behauptung, seiner Tochter vor und bei deren Eheschließung Vermögenswerte in einem Ausmaß übergeben zu haben, welches zur Hausstandsgründung hinreiche. Ein von ihm im Hinblick auf die erbrachten Vorleistungen ohnehin großzügig ausgemessener Abfindungsbetrag von 250.000 S sei von der Antragstellerin nicht angenommen worden.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die am 26.Februar 1957 geborene Antragstellerin entstammt der Ehe des Antragsgegners mit Flora W***. Diese Ehe wurde im Jahre 1958 aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden. Der Antragsgegner hat im Jahre 1959 seine jetzige Frau Gerlinde W*** geheiratet. Dieser Ehe entstammen zwei Kinder, geboren 1963 bzw. 1970. Die Antragstellerin hat am 19.Oktober 1984 Ing. Michael R*** geheiratet. Dieser Ehe entstammt eine am 12.Mai 1986 geborene Tochter. Der Antragsgegner war mit der Eheschließung der Antragstellerin einverstanden. Er hat die Kosten der Hochzeitsfeiern einschließlich Polterabend mit 40.000 S bezahlt und seiner Tochter anläßlich der Eheschließung eine antike Truhe im Wert von mindestens 15.000 S geschenkt. 1982 hat er ihr einen Neuwagen Marke PKW VW Rabbit im Wert von 100.000 S zur Verfügung gestellt, über den die Antragstellerin bis 1985 verfügen konnte. Als die Antragstellerin volljährig wurde (1976), schenkte ihr der Antragsgegner eine rund 100 m2 große Eigentumswohnung in Graz, in die er mindestens 100.000 S investierte, indem er zwei Betten, zwei Einbauschränke, eine Ikea-Sitzgarnitur und einen Eßtisch kaufte und drei Wohnräume tapezieren ließ. Diese Wohnung ist laut Angabe der Antragstellerin mindestens 1 Mill. S wert. Der Einheitswertanteil per 1.Jänner 1986 betrug 219.803 S. Bis zur Eheschließung zahlte der Antragsgegner der Antragstellerin einen monatlichen Zuschuß von 5.500 S sowie sämtliche Kosten der Eigentumswohnung. Die Antragstellerin studierte Betriebswissenschaften, hat jedoch ihr Studium nicht beendet. Bis Jänner 1985 lebten die Antragstellerin und ihr Gatte in dieser Wohnung. Von Februar 1985 bis Februar 1987 wurde diese Wohnung um 2.000 S monatlich vermietet. Ab März 1987 wohnt in dieser Wohnung eine Freundin der Antragstellerin, die lediglich die Betriebskosten zahlt. Seit Februar 1985 wohnt die Antragstellerin mit ihrem Mann, der über ein durchschnittliches Monatseinkommen von 50.000 bis 60.000 S verfügt, in einem gemieteten Haus. 1985 schenkte der Antragsgegner der Antragstellerin einen Orientteppich im Wert von 45.000 S. Der Antragsgegner verfügt über ein erhebliches Grund- und Betriebsvermögen. Er ist Eigentümer mehrerer Liegenschaften, er ist an mehreren Gesellschaften beteiligt und auch Inhaber eines Ingenieurbüros.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:
Die Gewährung der Ausstattung diene der Starthilfe zur Gründung einer eigenen Familie. Sie könne in Geld oder Naturalien erfolgen. Voraussetzung des Anspruchs auf ein Ausstattungsvermögen sei jedoch, daß die Antragstellerin kein eigenes Vermögen besitze, welches als angemessene Starthilfe zur Gründung einer eigenen Familie herangezogen werden könne. Die Verpflichtung zur Bestellung einer Ausstattung entfalle daher, wenn der Ausstattungsberechtigte eigenes Vermögen habe (EFSlg 41.040, 46.068). Da die Antragstellerin zur Zeit der Eheschließung über hinlängliches Vermögen in beträchtlichem Umfang verfügt habe, habe daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen im abweislichem Sinne entschieden werden müssen, zumal das durchgeführte Verfahren überdies ergeben habe, daß die Antragstellerin die möblierte Eigentumswohnung nicht einmal zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses benötige. Es habe sich deshalb auch ein näheres Eingehen auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners, welcher nach seinen Angaben über ein Gesamtvermögen von rund 6 Mill. S verfüge, erübrigt. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus:
Der dem Stand und dem Vermögen der zunächst leistungspflichtigen Eltern angemessene Heiratsausstattungsanspruch der Braut sei davon abhängig und insoweit begrenzt, als diese über ein hinreichendes eigenes Vermögen verfüge (§ 1220 ABGB). Der Zweck des Anspruches sei eine den Lebensverhältnissen der Eltern angemessene Starthilfe für das ausstattungsberechtigte Kind bei der Gründung einer eigenen Familie (SZ 53/110). Um beurteilen zu können, ob und inwieweit die Dotationsberechtigte aufgrund ihrer Vermögenslage imstande sei, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Heiratsausstattung aus eigenem zu bestreiten, bedürfe es zunächst der Feststellung der Lebensverhältnisse beider Elternteile, von denen der Gesamtbedarf des Kindes abhänge. Erst danach werde gesagt werden können, welcher Anteil, der jeweiligen Leistungsfähigkeit entsprechend, auf den allein in Anspruch genommenen Vater entfalle und in welchem Umfang dem Kind dessen Bestreitung aus eigenem Vermögen zuzumuten sei (SZ 53/87). Für letztere Frage sei - in Anlehnung an die Beurteilungskriterien der Leistungsfähigkeit der Dotationspflichtigen - die Leistungsfähigkeit der Dotationsberechtigten zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung maßgebend. Die Leistungsfähigkeit sei allerdings kein statischer Begriff, der nur auf einen bestimmten Stichtag abstelle (SZ 53/87); in ihre Beurteilung sei vielmehr auch die zum Zeitpunkt der Eheschließung leicht überschaubare vergangene und zukünftige Entwicklung der Einkommens- und Vermögenssituation der Berechtigten einzubeziehen. In diesem Zusammenhang sei aber auch zu berücksichtigen, daß sich das ausstattungsberechtigte Kind gegenüber seinen Eltern eigenes Vermögen nur in dem Verhältnis anrechnen lassen müsse, in dem die Eltern ihr Vermögen - bei Fehlen eines solchen ein fiktives Vermögen in Höhe des Kindesvermögens - hätten angreifen müssen. Auf die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens sei die Braut nur gegenüber ausstattungspflichtigen Großeltern zu verweisen (§ 141 ABGB). Eigenes Arbeitseinkommen müsse sich die Ausstattungsberechtigte unter denselben Voraussetzungen anrechnen lassen, unter denen es auch beim Ausstattungspflichtigen als Grundlage der Ausstattungsbemessung heranzuziehen sei. Einkünfte aus Vermögen seien immer anzurechnen (vgl. Ostheim, Familienrechtsreform und Ausstattungsanspruch, ÖJZ 1978, 512).
Wende man die genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, erweise sich das Verfahren als noch nicht spruchreif, weil die Lebensumstände der Mutter der Antragstellerin bisher ungeklärt geblieben seien. Es fehlten daher die für die Beurteilung des Umfanges des Ausstattungsanspruches erforderlichen Entscheidungsgrundlagen, aber auch zunächst jene, die verläßlich auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin schließen ließen. Aus obigen Gründen könne dem Erstgericht nämlich nicht beigepflichtet werden, daß das eigene Vermögen der Antragstellerin ihren Anspruch jedenfalls vernichten würde. Wenngleich dieses Vermögen ungeachtet des Umstandes, daß die Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der Eheschließung der Antragstellerin deren Wohnversorgung diente, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben könne, werde es unter Bedachtnahme auf dessen Verwertung durch die Antragstellerin kurz nach der Eheschließung nur in dem Umfange eine Verminderung des Ausstattungsanspruches bewirken, als die erzielbaren Einkünfte die Anschaffung einer Heiratsausstattung ermöglicht hätten. Das Erstgericht werde daher - vorerst ohne strenge Erforschung des Vermögensstandes - die den Lebensumständen der Eltern der Antragstellerin angemessene Höhe des Ausstattungsanspruches, dessen Minderung durch erzielbare Eigeneinkünfte der Antragstellerin, den Umfang der Leistungsfähigkeit des Vaters und schließlich den auf ihn entfallenden Anteil der Dotierungspflicht festzustellen haben. Hiebei werde zu beachten sein, daß die von der Rechtsprechung bisher anerkannten Grundsätze für die ziffernmäßige Bemessung des Ausstattungsanspruches - wie das Abstellen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Heranziehung des Nettoeinkommens unter Berücksichtigung der eigenen Bedürfnisse und der Bedürfnisse von sonst Unterhaltsberechtigten und die gegenüber dem Kindesunterhalt großzügigere Berücksichtigung von die Leistungsfähigkeit tatsächlich beeinträchtigenden Schulden, nicht aber von (scheinbaren) Vermögens- und Einkommensverminderungen, die nur aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften entstünden - weiterhin anzuwenden seien. Auch eine Richtgröße von 25 bis 30 % des heranziehbaren Jahresnettoeinkommens des Ausstattungspflichtigen werde man weiterhin für die Bemessung der Ausstattung zugrundelegen können (SZ 53/110; Ostheim aaO).
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise wird beantragt, dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Zugrundelegung der Rechtsansichten des Antragsgegners aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
In erster Linie wendet sich der Antragsgegner gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, daß das eigene Vermögen der Antragstellerin deren Ausstattungsanspruch nicht vernichte; er hält seinen Standpunkt aufrecht, daß die Antragstellerin aufgrund der von ihm an sie bereits erbrachten Leistungen über ein zur Gründung einer eigenen Familie hinreichendes eigenes Vermögen verfüge, weshalb sie keinen weiteren Anspruch auf Gewährung einer Ausstattung habe; die Ansicht des Rekursgerichtes, das Vermögen der Antragstellerin könne nur in dem Umfang eine Verminderung des Ausstattungsanspruches bewirken, als die erzielbaren Einkünfte aus diesem Vermögen die Anschaffung einer Heiratsausstattung ermöglicht hätten, sei verfehlt. Hilfsweise rügt der Antragsgegner, daß das Rekursgericht auf seine Sorgepflichten für die Mutter der Antragstellerin und seine beiden Kinder aus der zweiten Ehe, auf seinen infolge eingetretener Berufsunfähigkeit entstehenden Mehraufwand sowie auf seinen enormen Beitrag zum Studium und zur Berufsausbildung der Antragstellerin (von dieser aus deren Verschulden nicht positiv abgeschlossen) nicht eingegangen sei; schließlich weist der Antragsgegner darauf hin, daß die Antragstellerin wohl bezüglich seines Privatvermögens, nicht aber hinsichtlich seines Firmenvermögens auf ihre Erbansprüche verzichtet habe. Diesen Ausführungen ist nachstehendes zu erwidern:
Das Rekursgericht hat die Voraussetzungen des Heiratsausstattungsanspruches (insbesondere die Negativvoraussetzung des Fehlens eines hinreichenden eigenen Vermögens der Tochter) und die Grundsätze, die bei dessen Bemessung zu beachten sind, in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Wenn es - davon ausgehend - den Sachverhalt für noch nicht genügend geklärt erachtete, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nur Rechtsinstanz ist, nicht entgegentreten. Im einzelnen ist zu bemerken:
Nach der neuen Rechtslage ist auch die Heiratsausstattung der Töchter als den Lebensverhältnissen der Eltern angemessene und daher allenfalls auch erhebliche (EFSlg 36.117, 43.496, 46.056, 48.596 ua) Starthilfe zur ersten Gründung einer eigenen Familie zu verstehen (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1220 mwN; KoziolWelser7 II 228 f; 7 Ob 630/87). Voraussetzung des Ausstattungsanspruches ist, daß die Braut oder Ehefrau im Zeitpunkt der Eheschließung kein eigenes Vermögen besitzt, das zu dem angeführten Zweck hinreichende Ersparnisse ermöglicht (Petrasch aaO Rz 2 mwN; EFSlg 41.040, 46.035 bis 46.037 ua; vgl. ferner EFSlg 48.597 bis 48.599, 48.603, 48.604); eigenes Vermögen des Ausstattungsberechtigten kann auch zu einer Minderung des Ausstattungsanspruches führen (EFSlg 46.068). Erhaltene Unterhaltsleistungen muß sich der Ausstattungsberechtigte auf seinen Ausstattungsanspruch nicht anrechnen lassen (EFSlg 20.192, 46.073 ua), wohl aber vom Ausstattungspflichtigen bereits freiwillig zum ehelichen Haushalt erbrachte Leistungen, ebenso im Zeifel Geschenke anläßlich der Eheschließung (Petrasch aaO Rz 3 mwN; EFSlg 11.719, 41.047 ua; vgl. ferner EFSlg 48.606, 48.607). Daß bei der Bemessung des Ausstattungsanspruches unter anderem auch auf die Bedürfnisse des Ausstattungspflichtigen sowie auf die Bedürfnisse der diesem gegenüber Unterhaltsberechtigten Bedacht zu nehmen ist, hat das Rekursgericht ohnehin hervorgehoben (vgl. aus letzter Zeit etwa EFSlg 51.468). Beizufügen ist, daß die Heiratsausstattung nicht nach starren Regeln, sondern unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalles zu bemessen ist, die Leistungsfähigkeit des Ausstattungspflichtigen im Zeitpunkt der Geltendmachung des Ausstattungsanspruches maßgebend ist, wenn sie geringer ist als zur Zeit der Eheschließung, und weitere Sorgepflichten, nicht aber weitere noch nicht konkret in absehbarer Zeit eintretende Dotationspflichten zu berücksichtigen sind (EFSlg 48.588, 48.591, 51.465, 51.466, 51.470, 7 Ob 630/87 ua). Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E14437European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00553.88.0531.000Dokumentnummer
JJT_19880531_OGH0002_0050OB00553_8800000_000