TE OGH 1988/5/31 10ObS84/88

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Veröffentlicht am 31.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka (AG) und Wilhelm Hackl (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Emilie M***, Burgfried 19, 9900 Leisach, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, (Landesstelle Salzburg) Faberstraße 20, 5021 Salzburg), vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 20. Jänner 1988, GZ 5 Rs 1151/87-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. August 1987, GZ 43 Cgs 1084/87-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 24. Mai 1985 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Invalidiätspension ab. Mit Urteil vom 27. Feber 1986, 7 C V 154/85 wies das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol die dagegen erhobene Klage ab. Es ging damals von folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin aus: Diabetische Stoffwechsellage bei Übergewicht, Verwachsungen im rechten Unterbauch, Rezidivharninkontinenz bei einem Zustand nach vaginaler Gebärmutterentfernung 1981, Verdacht auf beginnende Polyneuropathie und leichte deformierende Spondylose und geringe rechtskonvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule mit chronischen Kreuzschmerzen, Nackenschmerzen, Heberdenarthrosen an beiden Händen, Cervicalsyndrom. Internistisch konnte eine Neigung zu orthostatischem Schwindel nicht ausgeschlossen werden. Die Magen-Darm-Passage ergab im rechten Unterbauch Verwachsungen nach Appendektomie, welche Verwachsungsbeschwerden verursachen können, obwohl auch gynäkologisch eine Ursache für die Beschwerden gefunden wurde. Es liegt eine Rezidivinkontinenz vor. Ein Senkungszustand bewirkt einen Harnverlust beim Husten, Nießen und beim Tragen schwerer Gegenstände. Eine Operation war angezeigt. Die Klägerin werde aber auch nach der durchgeführten Operation nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten können. Gynäkologisch konnte die Klägerin damals leichte und mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten verrichten. Eine neuerliche Schlingenoperation ändere an diesem Leistungskalkül nichts. Neurologisch bestand der Verdacht auf eine beginnende Polyneuropathie der Beine, weswegen schwere körperliche Arbeiten, Kälte und Nässe zu vermeiden waren. Orthopädisch bestanden chronische Nacken- und Kreuzschmerzen bei leichten degenerativen Veränderungen, weiters ein Cervicalsyndrom und Heberdenarthrosen an beiden Händen. Die Klägerin konnte auch aus neurologischer Sicht leichte und mittelschwere Arbeiten ganztägig leisten. Das Oberlandesgericht Wien gab der gegen dieses klagsabweisende Urteil erhobenen Berufung der Klägerin mit Urteil vom 14. Juli 1986 33 R 193/86 keine Folge.

Am 27. Oktober 1986 stellte die Klägerin bei der beklagten Partei neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension, welchen die beklagte Partei mit Bescheid vom 23. Feber 1987 gemäß § 362 Abs. 2 ASVG zurückgewiesen hat. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin festzustellen, daß eine wesentliche Verschlimmerung gegenüber dem zuletzt festgestellten Gesundheitszustand im Sinne des § 68 ASGG wahrscheinlich sei und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Invaliditätspension ab dem Stichtag in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die im Anstaltsverfahren durchgeführten Begutachtungen auf neurologischem, orthopädischem und internistischem Gebiet hätten zwar keine wesentliche Verschlimmerung gegenüber dem Stand im schiedsgerichtlichen Verfahren ergeben, diese Anstaltsgutachten seien jedoch unrichtig, weil bei der Klägerin insbesondere auch auf urologischem und gynäkologischem Gebiet eine Verschlimmerung eingetreten bzw. ein neu hinzugekommenes Leiden aufgetreten sei. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurde eine Bestätigung des Hausarztes, des praktischen Arztes Dr. Rudolf U***, vom 2. März 1987 vorgelegt, nach welcher die Klägerin 1981 histerektomiert wurde und 1986 eine Vesikourethropexie durchgeführt wurde. Es besteht ferner eine Polyneuropathie, ein Cervicalsyndrom, ein Schulter-Arm-Syndrom, Coxarthrose beidseits und hypotone Kreislaufstörung. Infolge der Bauchoperationen treten fallweise heftige Bauchschmerzen durch Verwachsungsbeschwerden auf. Bei Erschütterung (zum Beispiel durch Autofahren) bzw. bei Belastung der Arme durch Arbeit werden starke Schulterschmerzen angegeben. Eine Harninkontinenz wurde durch einen operativen Eingriff nur kurzfristig gebessert. Seit 3 Monaten vermehrtes Harnträufeln, welches beim Heben von Lasten sehr ausgeprägt ist. Dadurch muß die Patientin ständig Einlagen tragen. Durch die hypotone Kreislaufstörung treten gelegentlich Kollapszustände auf. Es wird bezweifelt, daß der Klägerin auf Grund der Krankheitserscheinungen auch leichte Arbeiten zumutbar sind.

Die beklagte Partei beantragte primär die Zurückweisung der eingebrachten Klage, in eventu die Abweisung des Klagebegehrens, weil sich aus der vorgelegten ärztlichen Bestätigung keine Verschlimmerung ergebe.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges gemäß §§ 68, 73 ASGG zurück. Eine Verschlimmerung bzw. ein neu hinzugekommenes Leiden seien nicht gegeben. Die in der ärztlichen Bestätigung angegebenen Leiden seien bereits im schiedsgerichtlichen Verfahren festgestellt und berücksichtigt worden.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin keine Folge. Der Versicherte habe entgegen der sonst im Verfahren über Sozialrechtssachen bestehenden Amtswegigkeit im Falle der Anfechtung eines Zurückweisungsbescheides gemäß § 362 ASVG die wesentliche Änderung seines Gesundheitszustandes zu bescheinigen. Einzuholende medizinische Sachverständigengutachten kämen hiefür als nicht parate Bescheinigungsmittel nicht in Betracht. Aus dem vorgelegten ärztlichen Attest sei keine nachvollziehbare Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin gegenüber den Ergebnissen im schiedsgerichtlichen Verfahren erkennbar.

Diesen Beschluß bekämpft die Klägerin mit Revisionsrekurs und beantragt, ihn aufzuheben, die Klagsführung "für zulässig zu erklären" und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Hat der Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG den Antrag zurückgewiesen, so obliegt es nach § 68 ASGG dem Versicherten, dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen. Es muß sich das festgestellte Leiden entweder verschlechtert haben oder ein neues Leiden hinzugetreten sein (Kuderna ASGG Anm. 2 zu § 68). Wenn auch keine allzu hohen Anforderungen an die Bescheinigung einer Verschlechterung des Leidens oder des Hinzutretens eines neuen Leidens gestellt werden sollen, so müssen die Bescheinigungsmittel doch geeignet sein, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache zu verschaffen. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß das ärztliche Attest diesen Anforderungen nicht genügt, weil die glaubhafte Bescheinigung einer wesentlichen Änderung der zuletzt festgestellten gesundheitlichen Verhältnisse im Sinne des § 362 ASVG nicht nur eine Diagnose, sondern auch einen Befund dahin zu enthalten hat, daß sich das festgestellte Leiden verschlechtert hat oder ein neues Leiden hinzugetreten ist (Kuderna aaO; German-Rudolf-Teschner-Fürböck ASVG 46.Erglfg. S 1669 Anm. 1 a). Beides haben die Vorinstanzen als nicht bescheinigt erachtet. Der dabei zugrundegelegte Sachverhalt und die Beweiswürdigung können mit Revisionsrekurs nicht bekämpft werden, die Rechtsfrage, ob eine wesentliche Verschlechterung des Zustandes eingetreten ist aber wurde richtig gelöst. In dem Umstand, daß im schiedsgerichtlichen Verfahren nur der Verdacht einer beginnenden Polyneuropathie festgestellt wurde, während in dem vorgelegten Attest vom 2. März 1987 die Diagnose "Polyneuropathie" lautet - ein Befund ist hiezu überhaupt nicht enthalten - die Auswirkungen und Schmerzzustände aber ident geschildert sind, kann jedenfalls noch keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes erblickt werden. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde überhaupt nicht ausgeführt, welches Leiden neu hinzugekommen sei. Es wurde vielmehr nur auf eine Verschlimmerung auf urologischem und gynäkologischem Gebiet "bzw. ein neu hinzugekommenes Leiden" hingewiesen. Auf die Coxarthrose, wurde bereits in der Klage zu 7 C V 154/85 des Schiedsgerichtes für Tirol Bezug genommen. Sie wurde bereits im chirurgischen Anstaltsgutachten vom 16. April 1985 diagnostiziert und ist in der Anamnese des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens im Schiedsgerichtsverfahren (ON 6) enthalten, so daß deren Schmerzauswirkungen bei der Gutachtenserstellung mitberücksichtigt wurden.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 68 ASGG haben die Vorinstanzen das Klagebegehren gem. § 73 ASGG daher mit Recht zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Revisionsrekurskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E14767

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00084.88.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19880531_OGH0002_010OBS00084_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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