TE OGH 1988/6/7 15Os43/88

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Veröffentlicht am 07.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred H*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Manfred H*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11.Dezember 1987, GZ 10 Vr 3543/87-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Zessin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten H*** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 3 jedoch nur insoweit Manfred H*** schuldig erkannt wurde, auch Isabella M*** zu einer Kreditaufnahme genötigt zu haben, sowie im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB) aufgehoben; gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Manfred H*** wird von der Anklage, am 28.September 1984 in Graz die Isabella M*** durch Versetzen von Ohrfeigen, Androhung weiterer Mißhandlungen sowie Androhung der Behinderung ihrer Prostituiertentätigkeit zur Aufnahme eines Kredites von 120.000 S bei der S*** & Co B***, sohin mit Gewalt und durch

gefährliche Drohung zu Handlungen genötigt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Manfred H*** wird für die ihm weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB aF, die Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2, 1., 2. und 4. Deliktsfall StGB, der Nötigung (von bloß zwei Personen) nach § 105 Abs 1 StGB und der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB gemäß §§ 28 Abs 1, 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

drei Jahren

verurteilt.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird Manfred H*** auf diese Entscheidung verwiesen. Seiner Berufung gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred H*** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 12 (zweiter Fall) StGB (1. und 4.), sowie der Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2, 1., 2. und 4. Deliktsfall StGB (2.), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (3.), und der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach § 228 Abs 2 StGB (5.) schuldig erkannt. Der Angeklagte ficht die Schuldsprüche wegen Nötigung (3.) und wegen Betruges (4.) mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zum erstangefochtenen Schuldspruch liegt ihm das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB zur Last, weil er am 28. September 1984 in Graz die Isabella M***, die Ulrike Z*** und die Andrea R*** durch Versetzen von Ohrfeigen, Androhung weiterer Mißhandlungen sowie Androhung der Behinderung ihrer Prostituiertentätigkeit zur Aufnahme eines Kredites von 120.000 S bei der S*** & Co B*** bzw zur Übernahme der Bürgschaft hiefür genötigt hat.

Des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB wurde der Angeklagte unter anderem (zu 4.) deshalb schuldig erkannt, weil er durch die zu 3. angeführte Handlungsweise die dort genannten Frauen dazu bestimmt hat, am 28.September 1984 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten, ihn (Manfred H***) unrechtmäßig zu bereichern, Berechtigte der S*** & Co B*** durch die Vorgabe der Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Zuzählung eines Kredites von 120.000 S an Isabella M***, somit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung zu verleiten, die die genannte Bank am Vermögen in einem 100.000 S übersteigenden Betrag geschädigt hat.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) betreffend beide bekämpften Schuldsprüche hat das Erstgericht nicht nur eine Nötigung der Isabella M*** zur Kreditaufnahme festgestellt, sondern jeweils konform mit dem Spruch in den Urteilsgründen auch konstatiert, daß sowohl Ulrike Z*** (nunmehr E***) durch Drohung, sie werde sonst nirgends mehr (als Prostituierte) arbeiten können, als auch Andrea R*** durch Schläge und Androhung weiterer Schläge vom Angeklagten dazu gebracht wurden, Bürgschaftserklärungen abzugeben (US 5 f). Von den behaupteten Widersprüchen zwischen Tenor und Entscheidungsgründen über den (einheitlichen) Tathergang kann daher keine Rede sein.

Die diesbezügliche Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Faktum 3, welche sich auf das Fehlen einer Feststellung über die Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung durch den Angeklagten auch gegenüber Z*** und R*** stützt, ist dementsprechend auf das soeben Gesagte zu verweisen.

Soweit aber der Angeklagte in der Rechtsrüge (insoweit Z 10) davon ausgeht, daß er die Zeugin M*** nach den Urteilsfeststellungen wohl gefährlich bedroht (§ 107 StGB) und geschlagen, jedoch nicht dadurch vorsätzlich zur Kreditaufnahme genötigt (§ 105 StGB), sondern sie ohne jeden Zusammenhang damit zur "Darlehensaufnahme gebracht" habe, übergeht er die sehr wohl ausdrücklich dahingehende Konstatierung, daß er dieses Ziel durch jene Drohungen und Schläge gegen die sich ursprünglich weigernde Isabella M*** erreicht hat. Mit der Behauptung des Fehlens tatbestandsessentieller Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite des § 105 Abs 1 StGB entbehrt daher die Beschwerde abermals einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Es fehlt aber auch nicht an für den Betrug nach Punkt 4 nötigen Konstatierungen zum Vorsatz des Angeklagten. Ist doch dieser, abgesehen von seiner dem Gesetz folgenden Umschreibung im Urteilsspruch (US 2) auch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen zu entnehmen. Dort wird nämlich unmißverständlich klargestellt, daß die (zufolge Zwanges vorsatzlos handelnden) Frauen durch den Angeklagten als unmittelbaren Täter zur betrügerischen Kreditaufnahme bzw Bürgschaftserklärung gezwungen wurden, weil ihnen die (Rück-) Zahlungswilligkeit an die Bank fehlte, ja ihnen sogar der Angeklagte vortäuschte, daß er die Rückzahlungen übernehmen werde. Da, wie weiters festgestellt wurde, die Darlehensrückzahlung nicht - wie fälschlich zugesagt - erfolgte (US 4, 6) und die der Bank herausgelockte Valuta absprachegemäß dem Angeklagten zum Ankauf eines PKWs zukam (US 4 f), bedurfte es zur Schädigung der Bank und der demgemäß erfolgten unrechtmäßigen Bereicherung des Angeklagten und seines Vorsatzes, keiner weiteren Feststellungen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Den Ausführungen der Generalprokuratur, wonach zum Nachteil des Angeklagten der von ihm nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO vorliege, weil statt Betrug (4.) und Nötigung (3.) nur ein Schuldspruch wegen Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB erfolgen hätte dürfen, ist zu erwidern:

Ein Ausschluß des Betrugs-Tatbestandes wegen Vorliegens der Tatbestandsmerkmale der Erpressung (Tatbestandsexklusivität: "nötigen" schließt "verleiten" aus) im Fall eines Prävalierens des Nötigungselements gegenüber dem Täuschungselement in demselben Tatverhalten (Wiener Kommentar RN 38, Kienapfel BT II RN 103 f., Leukauf-Steininger2 RN 20 jeweils zu § 144 StGB) kommt nämlich nur im Fall einer Identität des Angriffsobjekts, also dann in Betracht, wenn sich das sowohl ein Nötigungs- als auch ein Täuschungselement enthaltende Tatverhalten des betreffenden (in der Regel jeweils unmittelbaren) Täters gegen eine und dieselbe Person richtet, welche die (sich selbst oder einen Dritten) schädigende Vermögensverfügung trifft.

Im Fall einer Bestimmung zum Betrug (=an einem Dritten) durch Nötigung des unmittelbar Ausführenden hingegen kann diese Nötigung - oder, falls auch der Genötigte selbst (und nicht nur der auf Grund der betreffenden Nötigung durch ihn Getäuschte) eine schädigende Vermögensverfügung trifft, die Erpressung - mit der Bestimmung zum Betrug sehr wohl tateinheitlich zusammentreffen (Wiener Kommentar RN 38, Kienapfel BT II RN 109, Leukauf-Steininger2 RN 24 jeweils zu § 144 StGB), und zwar eben deswegen, weil diesfalls die Angriffsobjekte eben nicht ident sind. Letzteres ist hier der Fall. Denn der Betrug (4.) geschah zum Nachteil der Bank, Opfer der Nötigung (3.) aber waren M***, Z*** und R***.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO war jedoch von Amts wegen eine andere vom Angeklagten nicht geltend gemachte, jedoch zu seinem Nachteil erfolgte Urteilsnichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) wahrzunehmen: Wurde doch der Angeklagte in der vorliegenden Strafsache aus der Bundesrepublik Deutschland nur wegen der im Steckbrief des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 17.Juli 1987 umschriebenen Straftaten (ON 7) ausgeliefert (S 63 in ON 10). Dort wird jedoch dem Angeklagten eine Nötigung der Isabella M*** wie im Spruch umschrieben, nicht vorgeworfen (s. B 1 des Steckbriefs). Die Nichtbeachtung dieses Verfolgungshindernisses belastet das Ersturteil mit dem genannten materiellen Nichtigkeitsgrund und führte nach diesbezüglicher Urteilsaufhebung zum sofortigen Freispruch.

Bei der demgemäß nach §§ 28, 147 Abs 3 StGB vorzunehmenden Straf(neu)bemessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art (zum Schuldspruch laut Punkt 1. hat der Angeklagte einen Videorekorder im Wert von 11.990 S erlistet, zu Punkt 2 hat er die Prostituierten M***, Z*** und R*** zugleich ausgenützt, ausgebeutet und eingeschüchtert, um sich eine fortlaufende Einnahme aus deren Schandlohn zu verschaffen, zu 5. hat er bewirkt, daß in einem Typenschein gutgläubig sein Name unrichtig beurkundet wurde), daß der Angeklagte schon wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verurteilt worden ist und daß er zwei Personen genötigt hat; mildernd war hingegen das teilweise Geständnis.

Die verhängte Freiheitsstrafe entsprach dem Tatunrecht - welches durch den Wegfall eines Schuldspruchs nicht signifikant vermindert wurde - und der kriminell stark geprägten Täterpersönlichkeit des Angeklagten.

Mit seiner Strafberufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß der Angeklagte in seiner Berufung keinerlei neue Umstände aufzuzeigen vermag, die bei der Strafzumessung bisher unberücksichtigt geblieben wären. Geradezu aktenwidrig ist angesichts der unbekämpften Feststellung im Ersturteil, wonach sich der Angeklagte nach Verübung der gegenständlichen Straftaten in die BRD begab, "wo er weiterhin in Zuhälter- und Prostituiertenkreisen verkehrte" (US 4 verso), sein - übrigens völlig unsubstantiierter - Hinweis auf das Vorliegen des Milderungsgrundes nach § 34 Z 18 StGB.

Angesichts des ausdrücklichen Anerkenntnisses der zuerkannten privatrechtlichen Ansprüche durch den Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 127) mußten seine nachträglichen Einwendungen gegen den Zuspruch im Berufungsverfahren ohne Berücksichtigung bleiben (Ö*** 1977/237), weshalb der Berufung gegen die privatrechtlichen Ansprüche ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

E14118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00043.88.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19880607_OGH0002_0150OS00043_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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