TE OGH 1988/6/8 5Ob566/88

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Veröffentlicht am 08.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** FÜR O*** UND S***, Hauptplatz 10-11,

4020 Linz an der Donau, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei O*** D*** G*** MBH, 5110 Oberndorf, vertreten durch

Dr. Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen

S 227.150,-- s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. April 1987, GZ 2 R 311/86-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1. September 1986, GZ 10 Cg 485/85-11, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der beiden Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Heinrich H*** Gesellschaft mbH & Co KG bestellte bei der beklagten D*** die Herstellung von Katalogen und

vereinbarte mit dieser, daß die Kataloge bis zur vollständigen Zahlung des vereinbarten Preises im Eigentum der Herstellerin verbleiben. Die beklagte D*** lieferte vereinbarungsgemäß die Kataloge an die Bestellerin und legte - unter Abzug eines Skontos von 4 % - darüber Rechnung in Höhe von S 227.150,--. Die Bestellerin übermittelte hierauf der Beklagten ein von ihr, der Bestellerin, als Bezogene angenommenes Wechselakzept mit Ausstellungsdatum 3. August 1985 über den am 3. November 1985 fälligen und bei der Zweigstelle Hallein der nun klagenden Bank zahlbaren Betrag von S 227.150,--. Schon vor diesem Wechselakzept hatte die Bestellerin zur Begleichung anderer Forderungen der beklagten D*** zwei Wechselakzepte (vom 20. Mai 1985 und vom 19. Juni 1985) übermittelt und dabei so wie hier folgende Erklärung beigefügt: "Zum Ausgleich der nebenstehend angeführten Rechnungen erhalten Sie im Anhang ein Akzept. Nach der firmenmäßigen Unterzeichnung als Aussteller rechts unten und auf der Rückseite als Begünstigter senden Sie bitte den fertig ausgefüllten Wechsel an die B*** FÜR Ö*** UND S*** zum Diskont.

Dieses Institut wird Ihnen den Wechselbetrag in voller Höhe überweisen, da die Diskontspesen von uns getragen werden. Geben Sie bitte auf der am Wechsel hängenden Allonge das Konto an, auf welches die Zahlung gewünscht wird. Es ist nicht nötig, ein weiteres Begleitschreiben zu verfassen." Die Beklagte unterfertigte auch diesmal das ihr übermittelte Wechselakzept vom 3. August 1985 über S 227.150,-- als Aussteller und auf der Rückseite und schickte es dann der klagenden Bank mit dem Hinweis, daß die Diskontspesen mit der Wechselannehmerin zu verrechnen seien. Die klagende Bank zahlte der Beklagten die Wechselsumme in voller Höhe aus. Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 4. September 1985 wurde über das Vermögen der Heinrich H*** Gesellschaft mbH & Co KG und über jenes ihrer Komplementärin H*** H*** Gesellschaft mbH Konkurs eröffnet.

Die klagende Bank hat gegen die beklagte D***

als Wechselrückgriffsschuldnerin am 6. Dezember 1985 den Wechselzahlungsauftrag über S 227.150,-- samt 6 % Zinsen seit 4. November 1985, S 284,-- Wechselstempel und S 8.052,85 Kosten erwirkt.

Die Beklagte erhob folgende Einwendungen:

Die klagende Bank sei die Hausbank der nunmehrigen Gemeinschuldnerin und Wechselakzeptantin gewesen. Die dem Wechsel angeschlossene Widmungserklärung stamme von ihr und habe von der Beklagten so verstanden werden müssen, daß der Wechsel aufgrund eines zwischen der Akzeptantin und der klagenden Bank bestehenden Vertrages völlig gedeckt sei. Ohne diese Widmungserklärung hätte die Beklagte die Bestellung der Kataloge nicht übernommen. Der Klägerin sei bereits zum Zeitpunkt der Diskontierung der beiden Wechsel vom 20. Mai 1985 und vom 19. Juni 1985 die Zahlungsunfähigkeit der Wechselakzeptantin bekannt gewesen. Sie habe bereits im Mai 1985 in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit der Wechselakzeptantin Vorkehrungen getroffen, die darauf abgezielt hätten, ihre Forderungen gegen diese zu vermindern und die Beklagte zu schädigen; die Klägerin habe beim Erwerb des vorliegenden Wechsels bewußt zum Nachteil der Beklagten gehandelt.

Die Wechselforderung der Klägerin bestehe nicht zu Recht, weil der Beklagten ein Verwendungsanspruch zustehe. Der klagenden Bank seien aus den Katalogen, die zumindest bis zur widmungsmäßigen Verwendung im Eigentum der Beklagten gestanden seien, aufgrund der Zessionsvereinbarung mit der Gemeinschuldnerin Erlöse zugeflossen, welche die Forderung aus dem Wechsel überstiegen hätten. Diese Forderungen hätten nur unter Verwendung der von der Beklagten hergestellten Kataloge und deren Verteilung entstehen können; insofern sei von der Klägerin ohne Rechtsgrund Eigentum der Beklagten zu deren Nutzen verwendet worden, so daß es zu einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zugunsten der klagenden Bank gekommen sei.

Der klagenden Bank sei die insolvente Lage der Heinrich H*** Gesellschaft mbH & Co KG sowie der Umstand bekannt gewesen, daß deren Lieferanten keine Befriedigung würden erlangen können. Aufgrund der aus dem Wechseldiskontgeschäft bestehenden Sonderbeziehung zwischen den Streitteilen hätte die klagende Bank die Beklagte auf diese Situation aufmerksam machen müssen. Es werde deshalb, gestützt auf § 1295 Abs 2 ABGB, subsidiär auch ein Schadenersatzanspruch bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise geltend gemacht.

Das Erstgericht entschied, den Wechselzahlungsauftrag aufrecht zu erhalten, und führte dazu im wesentlichen an:

Es könne nicht festgestellt werden, daß der klagenden Bank zum Zeitpunkt der Diskontierung des Wechsels bereits die finanzielle Krise der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen ist. Es seien auch keinerlei Hinweise dafür hervorgekommen, daß die Klägerin in Kenntnis der finanziellen Lage der Gemeinschuldnerin gewesen sei und in bewußtem und gewollten Zusammenwirken mit dieser Wechsel weiterhin unter Verwendung der angeführten Widmungserklärung diskontiert habe, um im eigenen Interesse die bereits zu diesem Zeitpunkt bestandene Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin zu verschleiern. Die Einwendungen der Beklagten könnten den Wechselanspruch der Klägerin weder beseitigen noch schmälern. Der dem Wechsel beigefügt gewesenen Widmungserklärung könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, daß dadurch von der Klägerin die Deckung des Wechsels zugesagt worden wäre. Ein Verwendungsanspruch der Beklagten nach § 1041 ABGB werde schon durch die vertraglichen Beziehungen der Beklagten zur Gemeinschuldnerin einerseits und andererseits dadurch ausgeschlossen, daß die behauptete Vermögensverschiebung nicht ohne rechtliche Grundlage erfolgt sei. Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen an:

Die Beklagte habe die negativen Feststellungen des Erstgerichtes nicht bekämpft, denen zufolge der Klägerin nicht unterstellt werden kann, beim Erwerb des Wechsels bewußt zum Nachteil der Beklagten gehandelt zu haben; sie habe demnach die Berechtigung der eingeklagten Wechselforderung an sich nicht mehr in Frage gestellt, so daß nur mehr zu untersuchen bleibe, ob ihre aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung zu Recht bestehe oder nicht. Dem Bereicherungsanspruch der Beklagten sei entgegenzuhalten, daß die Klägerin aus der Weitergabe der Kataloge der Gemeinschuldnerin an ihre präsumptiven Kunden, wenn überhaupt, nur mittelbar dadurch Nutzen gezogen habe, daß die Kataloge allenfalls zu Geschäftsabschlüssen der Gemeinschuldnerin beigetragen haben und Zessionskredite der Klägerin dadurch abgedeckt werden konnten. Dieser Nutzen aus der Verwendung der Kataloge sei aber wohl kaum quantifizierbar. Selbst wenn man aber annehme, daß die Klägerin einen solchen Vorteil im Sinne des § 1041 ABGB erlangt hätte, sei - wie das Erstgericht richtig erkannt habe - eine solche Vermögensverschiebung aufgrund der vertraglichen Beziehungen der Gemeinschuldnerin zu den Streitteilen doch keineswegs ungerechtfertigt; sei doch die Gemeinschuldnerin insbesondere aufgrund ihrer Vereinbarung mit der Beklagten selbstredend berechtigt gewesen, diese Kataloge an ihre Kunden weiterzugeben. Ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB, der nach herrschender Auffassung nur ein subsidiärer Behelf ist (Klang IV/12 913 f; Koziol-Welser I6 314), könne daher der Beklagten nicht zustehen (vgl. SZ 23/53; SZ 25/13; SZ 37/169). Die österreichische Rechtsordnung kenne aber auch keinen allgemeinen Bereicherungsanspruch, sondern knüpfe Forderungen aus diesem Titel an besondere, im Gesetz (§§ 1041, 1431 ff ABGB) festgelegte Voraussetzungen. Die Beklagte weise darauf hin, daß sich aus Punkt 5 ihrer dem Geschäft mit der Gemeinschuldnerin zugrundeliegenden Liefer- und Zahlungsbedingungen (Beilagen ./2 und ./3) der verlängerte Eigentumsvorbehalt dergestalt ergebe, daß sämtliche Forderungen aus der Verwendung der Kataloge als an die Beklagte abgetreten zu gelten hätten. Demnach sei die Gemeinschuldnerin aber nicht mehr in der Lage gewesen, Forderungen gegenüber ihren Kunden an die Klägerin abzutreten. Die Vereinnahmung der Verkaufserlöse durch die Klägerin als Zweitzessionar rechtfertige dieser gegenüber einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB. Dieses Vorbringen der Beklagten sei zwar grundsätzlich geeignet, ihren behaupteten Verwendungsanspruch zu begründen; sei doch der Ansicht Rummels (in Rummel ABGB Rz 7 zu § 1041 ABGB) zu folgen, wonach dem Erstzessionar ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB gegen den Zweitzessionar zukommen könne. Ob aber die Beklagte tatsächlich als berechtigter Zessionar angesehen werden könne, müsse diesfalls nicht untersucht werden, da sie es im Verfahren erster Instanz unterlassen habe, auf den verlängerten Eigentumsvorbehalt hinzuweisen und die damit verbundenen, erst jetzt im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptungen vorzubringen. Diese Ausführungen der Beklagten stellten unzulässige Neuerungen dar, auf die nicht eingegangen werden könne. Insgesamt erweise sich der behauptete Verwendungsanspruch der Beklagten, mit dem sie die Wechselforderung der Klägerin ausgleichen möchte, nach Lage der Dinge als nicht berechtigt, so daß auch die gerügte Unterlassung der Feststellung darüber, daß der Klägerin aus der Verwendung der Bestellkataloge ein Vielfaches des Lieferwertes dieser Vorbehaltsware der Beklagten zugeflossen sei, unberechtigt sei.

Es bleibe noch zu untersuchen, ob der Beklagten die von ihr subsidiär herangezogene Schadenersatzforderung zustehe. Darauf sei die erstinstanzliche Entscheidung zwar nicht ausdrücklich eingegangen, doch habe sie sich insoferne damit auseinandergesetzt, als es die Behauptung der Beklagten, der Klägerin sei die schlechte wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen, als nicht erwiesen angenommen habe. Könne aber der Klägerin nicht unterstellt werden, von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gewußt zu haben, so könne ihr folglich auch nicht vorgeworfen werden, die Beklagte nicht über die prekäre finanzielle Lage der Gemeinschuldnerin informiert zu haben. Ein schuldhaftes, einen Schadenersatzanspruch der Beklagten begründendes Verhalten der Klägerin sei demnach nicht zu erkennen. Der rechtliche Schluß des Erstgerichtes, die Gegenforderung der Beklagten bestehe nicht zu Recht, schließe daher offensichtlich mit ein, daß das Erstgericht auch die Schadenersatzforderung als nicht berechtigt angesehen habe. Mit Rücksicht auf die Unterlassung eines förmlichen Ausspruches über den Nichtbestand der Gegenforderung sei mit einer entsprechenden Maßgabebestätigung vorzugehen gewesen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei, weil über die Einzelfallgerechtigkeit hinausgehende und daher erhebliche Rechtsfragen nicht zu beantworten gewesen seien und die geäußerten Rechtsansichten zu § 1041 ABGB im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur stünden.

Die Beklagte bekämpft das Berufungsurteil mit außerordentlicher Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO iVm § 503 Abs 1 Z 2 und Z 4 ZPO. Sie stellt den Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise begehrt sie, die angefochtene Entscheidung derart abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Die Klägerin begehrt in erster Linie die Zurückweisung und in zweiter Linie die Abweisung der außerordentlichen Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist insofern zulässig, als sie sich gegen die vom Berufungsgericht angenommene Verletzung des Neuerungsverbotes durch die Beklagte im Berufungsverfahren wendet und damit die Beantwortung der in ihrer Bedeutung und Tragweite über den zur Entscheidung stehenden Einzelfall hinausgehenden und daher auch erheblichen Frage verlangt, ob bei der rechtlichen Beurteilung der anspruchsbegründenden Sachverhaltsbehauptungen im Berufungsverfahren auch auf den weiteren, in erster Instanz nicht ausdrücklich vom Parteivorbringen erfaßten Inhalt eines den Eigentumsvorbehalt betreffenden Punktes von Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Warenlieferanten ohne Verletzung des Neuerungsverbotes aufgrund näherer Ausführungen des Berufungswerbers dazu einzugehen ist. Die Revision ist in diesem Punkte auch berechtigt.

Zur Begründung ihres Verwendungsanspruches, den sie der eingeklagten Wechselforderung zur prozessualen Aufrechnung entgegenstellte, hat sich die Beklagte bereits in ihren Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag auf den nach ihren Liefer- und Zahlungsbedingungen unter Punkt 5 vorgesehenen Eigentumsvorbehalt an den gelieferten Katalogen berufen; die dann zum Beweis dafür vorgelegten Auftragsbestätigungen Beilagen ./2 und ./3 wurden Gegenstand der Beweisaufnahme. Punkt 5 der Liefer- und Zahlungsbedingungen der Beklagten, der die Überschrift "Eigentumsvorbehalt" trägt, sieht aber auch den "erweiterten" (verlängerten) Eigentumsvorbehalt dergestalt vor, daß mit der Veräußerung der Vorbehaltsware durch den Besteller im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr an seine Kunden zugunsten des Warenlieferanten an die Stelle der Vorbehaltsware der Anspruch des Bestellers gegen seine Abnehmer bis zur Höhe der dem Lieferanten zustehenden Forderungen als an diesen abgetreten gilt. Hat sich aber die Beklagte auf diesen Vertragspunkt zum Beweis für den vereinbarten Eigentumsvorbehalt berufen, dann muß der gesamte Inhalt des auf den Eigentumsvorbehalt bezogenen Punktes der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Bestandteil des Parteivorbringens betrachtet und demgemäß auch bei der rechtlichen Beurteilung der Sache beachtet werden, soweit er sich auf den behaupteten Eigentumsvorbehalt erstreckt, also auch in Beziehung auf die dort vorgesehenen Sicherungssurrogate wie hier die anstelle des Eigentums an der gelieferten Ware getretene Forderung aus ihrer Veräußerung. Die Beklagte hat deshalb nicht gegen das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren (§ 482 ZPO) verstoßen, als sie sich zur Anspruchsbegründung auf den in Punkt 5 ihrer Liefer- und Zahlungsbedingungen auch vorgesehenen "verlängerten" Eigentumsvorbehalt berief. Damit erweist sich aber das Verfahren vor dem Berufungsgericht insofern als mangelhaft, als dadurch eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert wurde, so daß eine Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen dieses Mangels unumgänglich ist. Es hat aber bereits das Erstgericht, ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht, die Erörterung und ein Beweisverfahren darüber unterlassen, ob die Liefer- und Zahlungsbedingungen der Beklagten dem fraglichen Rechtsgeschäft mit der Gemeinschuldnerin zugrunde lagen. Dies könnte zwar im Berufungsverfahren nachgeholt werden (§ 496 Abs 3 ZPO). Sollte sich jedoch die Richtigkeit dieser Behauptung der Beklagten herausstellen, ist freilich noch aus anderen, im folgenden angeführten Gründen eine Erörterung der Sach- und Beweisfragen mit den Parteien erforderlich, die nur vor dem Erstgericht vorgenommen werden kann. Es muß deshalb unter Aufhebung auch der erstinstanzlichen Entscheidung die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Verlängerter Eigentumsvorbehalt bedeutet auch Veräußerungsermächtigung hinsichtlich der Vorbehaltssache unter der Bedingung einer zumindest gleichzeitigen Zession des Veräußerungserlöses bis zur Höhe des Kaufpreises im Vorbehaltskauf (vgl. schon SZ 13/250), weil sonst auch die Weiterveräußerung nicht als erlaubt angesehen werden kann. Der Zeitpunkt der Zession, der über den Forderungserwerb entscheidet, ist dabei zwischen konkurrierenden Zessionaren nach dem Zeitpunkt der Vereinbarung zu bestimmen (EvBl 1964/121). Eine unentgeltliche Weitergabe der Vorbehaltsware, von der das Berufungsgericht auszugehen scheint, war im Falle eines verlängerten Eigentumsvorbehalt nicht zulässig. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfolge, mit der die Klägerin angesichts der Üblichkeit des Eigentumsvorbehalts im Geschäftsverkehr rechnen mußte, vor allem wenn sie davon möglicherweise berührte Forderungen selbst durch Zession zu erwerben suchte, wie sie hier behauptet hat.

Da es sich diesfalls bei der Vorbehaltsware um Kataloge eines Versandhauses handelt, die üblicherweise und wie auch behauptet wurde, "unentgeltlich" abgegeben werden, ist die spezifisch daraus resultierende Rechtslage zu untersuchen. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Gemeinschuldnerin den Empfängern der Kataloge, die keine darin angepriesene Ware gekauft haben, den Katalog nicht verrechnet hat. Bei jenen Empfängern freilich, die darin verzeichnete Waren gekauft haben, wurde der Katalog auch nicht in Verrechnung gebracht, sondern offenbar, wie üblich, als Kostenfaktor in die Gesamtkalkulation der Versandware eingestellt. Damit ist aber ein zu ermittelnder Teil des eingegangenen Kaufpreises als Katalogentgelt anzusehen. Es trifft nicht zu, wie das Berufungsgericht meint, daß dieser Betrag nicht quantifizierbar sei; einmal könnte die konkrete Kalkulation der Gemeinschuldnerin erhoben werden, wozu keine der beiden Vorinstanzen Bemühungen aufwendete und zum andern könnte unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen für Versandhandel eine Musterkalkulation erstellt und diese als Grundlage für eine Betragsermittlung gemäß § 273 ZPO herangezogen werden.

Soll die Rechtssache, den Erweis des Zugrundelegens der Liefer- und Zahlungsbedingungen der Beklagten vorausgesetzt, spruchreif werden, bedarf es weiters der Feststellung der kollidierenden Zession der Verkaufspreisforderungen durch die Gemeinschuldnerin. Die Rechtsfolgen, nämlich das mögliche Bestehen eines Verwendungsanspruches daraus, hat das Berufungsgericht schon zutreffend dargestellt (S 123 der Akten = S 9 der Berufungsentscheidung), aber von der unrichtigen Annahme einer Verletzung des Neuerungsverbotes durch die Beklagte ausgehend, nicht weiter verfolgt.

Eine Bestätigung des angefochtenen Urteiles als Teilurteil in Ansehung des an sich gerechtfertigten Wechselzahlungsauftrages kommt wegen des rechtlichen Zusammenhanges mit der Gegenforderung gemäß § 391 Abs 3 ZPO nicht in Betracht.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E14431

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00566.88.0608.000

Dokumentnummer

JJT_19880608_OGH0002_0050OB00566_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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