TE OGH 1988/6/14 2Ob34/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Verlassenschaft nach Adalbert L*** sen., Pensionist, Steyr/Gleink, Stadlkirchen 22,

2.

Adalbert L*** jun., Arbeitnehmer, Steyr/Gleink, Stadlkirchen 22,

3.

Hermann L***, Arbeitnehmer, Steyr, Taschelried 4, 4. Herta B***, Hausfrau, Steyr/Gleink, Stadlkirchen 24, alle vertreten durch Dr. Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien 1. Johann S***, Kfm. Angestellter, Schärding, Wallensham 10, 2. Firma M. B*** Nachfolger, Schärding, Dobl 22,

              3.              O*** W*** V***, Linz,

Gruberstraße 32, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 353.187,80 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. Juni 1986, GZ 6 R 36/86-49, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 30. Dezember 1985, GZ 3 Cg 464/81-40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Der Revision des Erstbeklagten wird nicht Folge gegeben. Die beklagten Parteien haben den Klägern zur ungeteilten Hand die mit S 12.004,61 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.004,06 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 18. Juli 1979 gegen 17 Uhr 35 wurde der mit seinem Moped auf der Bundesstraße 337 in Dietach fahrende und nach links in die Harr-Bezirksstraße einbiegende Franz L*** von einem vom Erstbeklagten gelenkten, von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW erfaßt und zu Boden gestoßen, wodurch er schwere Verletzungen erlitt, in deren Folge er am 5. Dezember 1980 starb.

Mit der vorliegenden, am 20. Oktober 1981 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrten die Erben des Franz L***, und zwar der Erstkläger Albert L*** sen. als dessen Vater und die Zweit-, Dritt- und Viertkläger als dessen Geschwister, den Ersatz der unfallsbedingten Sachschäden, der Begräbniskosten und der Kosten von Trauerkleidung im Gesamtbetrage von S 53.187,80 sowie die Zahlung eines Schmerzengeldes in der Höhe von S 300.000,-, somit die Zahlung eines Gesamtbetrages von S 353.187,80 s.A. Während des Verfahrens ist der Erstkläger gestorben, an seine Stelle trat seine Verlassenschaft. In eventu stellten die Kläger sodann den Klagsantrag, ihnen die Klagsforderung entsprechend ihren Erbquoten anteilig zuzusprechen.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung und erhoben die in den vorinstanzlichen Urteilen im einzelnen angeführten Einwendungen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und sprach den Klägern in Stattgebung des Eventualbegehrens auf der Grundlage eines 50 %igen Mitverschuldens des Franz L*** am Unfall die im einzelnen genannten Beträge zu, wobei es die Haftung des Erstbeklagten für die Schmerzengeldforderung verneinte; das jeweilige Mehrbegehren wies es ab.

Das von allen Streitteilen angerufene Berufungsgericht hielt die Berufungen teilweise für gerechtfertigt. Es ging ebenfalls von einer Verschuldensteilung von 1 : 1 aus, bejahte jedoch die Haftung auch des Erstbeklagten für die erhobene Schmerzengeldforderung und sprach den Klägern die im einzelnen genannten Beträge unter Abweisung des jeweiligen Mehrbegehrens zu.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhoben die beklagten Parteien eine auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung dahin, daß den Klägern ausgehend von einer Verschuldensteilung von 1 : 3 zu Lasten des Franz L*** und einer mangelnden Haftung des Erstbeklagten für die Schmerzengeldforderung lediglich die im einzelnen genannten Beträge unter Abweisung des Mehrbegehrens zugesprochen werden.

Die Kläger beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision im Sinne der Bewertungsvorschriften des § 500 Abs 2 ZPO zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben. Der Oberste Gerichtshof trug dem Berufungsgericht auf, in sein Urteil Aussprüche dahin aufzunehmen, ob die Revision einerseits hinsichtlich des teilweise bestätigenden berufungsgerichtlichen Urteilspruches, soweit er einen S 60.000,-, nicht aber S 300.000,-

übersteigenden Streitwert betrifft, und andererseits hinsichtlich des teilweise abändernden Urteilspruches, soweit er einen S 15.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteigenden Streitwert betrifft, gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht ergänzte seinen Urteilspruch dahin, daß die Revision im Hinblick auf die entscheidungserheblichen Fragen der Vererblichkeit des Schmerzengeldes und des Rechtswidrigkeitszusammenhanges beim Überfahren einer Sperrlinie sowohl hinsichtlich des bestätigenden als auch hinsichtlich des abändernden Teiles seiner Entscheidung gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Die Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien ist entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 a Abs 1 ZPO) Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vorliegen:

Die Vorinstanzen erblickten das Mitverschulden des Erstbeklagten am Unfall in seiner Übertretung der Schutzvorschrift des § 9 Abs 1 StVO. Zur Frage, ob diese Norm betreffend das Verbot des Überfahrens von Sperrlinien auch den Schutz desjenigen bezweckt, der vor einem überholenden und dabei die Sperrlinie überfahrenden Kraftfahrzeug nach links abbiegt, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach, nämlich in den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen ZVR 1974/267 und ZVR 1983/233 sowie auch in der Entscheidung 2 Ob 132/81 Stellung genommen und sie ausdrücklich bejaht. Diese Auslegung wird auch in der Revision nicht bezweifelt. Die Revisionswerber sind nur der Ansicht, daß das in der durch den Erstbeklagten im oben dargestellten Sinne begangenen Übertretung des § 9 Abs 1 StVO gelegene Verschulden gegenüber jenem des Linksabbiegers Franz L*** wesentlich geringer wiege und daher nicht die vorinstanzliche Verschuldensteilung von 1 : 1, sondern eine solche von 3 : 1 zu Lasten des Franz L*** rechtfertige. Bei dieser Frage der Verschuldensteilung handelt es sich um eine solche des Einzelfalles. Die Entscheidung ist somit nicht von der Lösung einer qualifizierten Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO abhängig. Demgemäß war die Revision, soweit sie von den zweit- und drittbeklagten Parteien erhoben wurde, als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Erstbeklagten ist wegen der Rechtsfrage der Vererblichkeit des Schmerzengeldes im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig; sie ist aber nicht gerechtfertigt.

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen erlitt Franz L*** beim Unfall Schädelbrüche mit Hirnverletzungen und mehrfache weitere Knochenbrüche. Nach Aufenthalten in verschiedenen Krankenhäusern, zahlreichen Komplikationen und mehrfachen Operationen, zuletzt am 10. November 1980 wegen einer Hirnblutung, ist Franz L*** am 5. Dezember 1980 zufolge Auftretens von Nachblutungen und einer Lungenentzündung gestorben, wobei der Tod eine sekundäre Unfallsfolge darstellte.

Das Erstgericht stellte fest, daß Franz L*** seine Schadenersatzansprüche als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten am 19. Oktober 1979 ohne Aufschlüsselung und Bezifferung angemeldet hat. Das Verfahren endete mit Freispruch, der Privatbeteiligte Franz L*** wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Erstgericht das in der Klage geforderte Schmerzengeld von S 300.000,- der Höhe nach für angemessen. Es vertrat die Ansicht, daß mangels eines Anerkenntnisses durch die beklagten Parteien und mangels einer gerichtlichen Geltendmachung durch Franz L*** eine Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruches nach § 1325 ABGB nicht eingetreten sei. Wohl sei die Vererblichkeit gemäß § 12 Abs 1 Z 4 EKHG gegenüber der zweitbeklagten Partei als Halter und der drittbeklagten Partei als Versicherer gegeben und der Zuspruch daher insoweit begründet. Der Erstbeklagte als Lenker hafte jedoch nicht nach den Bestimmungen des EKHG. Die ihm gegenüber auf § 1325 ABGB gegründete Schmerzengeldforderung sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht hielt die Verfahrensrüge der Kläger für gerechtfertigt. In dieser brachten sie vor, das Erstgericht habe den Inhalt des Strafaktes über die Privatbeteiligung des Franz L*** nicht dargetan und die Anleitungs- und Aufklärungspflicht des § 182 ZPO verletzt, weil es das Vorbringen der Kläger über den Anschluß des Franz L*** im Strafverfahren als Privatbeteiligter für eine Beurteilung der Schmerzengeldforderung im Sinne des § 1325 ABGB nicht als hinreichend erachtet und sie mit seiner Rechtsansicht, der Schmerzengeldanspruch sei mangels gerichtlicher Geltendmachung nicht vererblich, überrascht habe. Tatsächlich sei vom Vertreter des Franz L*** im Strafverfahren in jener Verhandlung, über welche sich nur ein Protokolls- und Urteilsvermerk im Akt befinde, nachweislich ein Schmerzengeld von S 400.000,- geltend gemacht worden. Unter Hinweis auf die Klagsbehauptungen, wonach sich Franz L*** mit seinen Schadenersatzansprüchen im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten als Privatbeteiligter angeschlossen habe und mit diesen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sei, vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, das Erstgericht hätte im Sinne der materiellen Prozeßleitungspflicht die Kläger darauf hinweisen müssen, daß nach seiner Auffassung das undifferenzierte Anmelden im Strafverfahren, wie es sich aus dem Strafakt ergebe, für die Vererblichkeit des Schadenersatzanspruches nach § 1325 ABGB nicht hinreiche. Das zur Dartuung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens in der Berufung erstattete Vorbringen und Beweisanbot führe dazu, daß aus dem Inhalt des Strafaktes in Zusammenhalt mit den Beilagen ./H, ./G und ./I vom Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen getroffen werden könnten. Danach werde festgestellt, daß Franz L*** im Strafverfahren seinen Schmerzengeldanspruch zumindest dem Grunde nach geltend gemacht hat, nachdem er schon vorher gegenüber der drittbeklagten Partei einen solchen von S 250.000,- erhob und ihm diese die Erledigung nach Beendigung des Strafverfahrens zusagte. Aus seinen Feststellungen folgerte das Berufungsgericht auf Grund der Rechtsrüge der Kläger, daß ihnen auch der Erstbeklagte für die Schmerzengeldforderung von S 300.000,- hafte. Im einzelnen führte es hiezu aus, der Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren gemäß § 47 StPO sei nach dem Jud. 204 der gerichtlichen Geltendmachung des zivilrechtlichen Anspruches gleichzuhalten. Im Sinne der Entscheidung EvBl 1985/124 komme bei sinnvoller Auslegung des in § 1325 ABGB enthaltenen Ausdruckes "auf Verlangen" der bloß förmlichen ziffernmäßigen Festsetzung eines Schmerzengeldes hinsichtlich der Vererblichkeit nicht mehr entscheidende Bedeutung zu. Unter "Verlangen" im Sinne dieser Gesetzesstelle könne nach der genannten Entscheidung auch eine teilweise Geltendmachung bloß dem Grunde nach verstanden werden. Somit sei das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Abweisung der Scherzengeldforderung gegenüber dem Erstbeklagten im Sinne der Klagsstattgebung nach Maßgabe der Verschuldensteilung abzuändern. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Erstbeklagte geltend, im Rahmen der materiellen Prozeßleitungspflicht des Erstgerichtes dürften Behauptungsmängel und Mängel in der Vorlage von Urkunden nicht saniert werden. Der Mangel einer wirksamen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Strafverfahren sei offenkundig gewesen, sodaß die Annahme der erst mit der Berufung vorgelegten Urkunden durch das Berufungsgericht nicht hätte erfolgen dürfen. Weiters verweist der Erstbeklagte in bereits der Rechtsrüge zuzuordnenden Ausführungen auf die Judikatur, die in der Frage der Vererblichkeit des Schmerzengeldes den Argumenten der Lehre nicht gefolgt sei, wie dies auch aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung hervorgehe.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben.

Im Klagsvorbringen, Franz L*** sei im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten mit seinen - der nunmehrigen Klagsführung zugrundeliegenden - Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden, liegt die Behauptung, Franz L*** habe in jenem Verfahren auch ein "Verlangen" nach Zahlung eines Schmerzengeldes gestellt und diesen Anspruch solcherart als Privatbeteiligter gemäß § 47 StPO wirksam (Jud. 204) gerichtlich geltend gemacht. Da es dem Privatbeteiligten freisteht, seine Ansprüche erst im Schlußvortrag im einzelnen auszuführen und zu begründen (SSt 55/77), im Strafakt vorliegendenfalls jedoch lediglich ein Protokolls- und Urteilsvermerk erlag, in welchem allerdings die Verweisung des Privatbeteiligten Franz L*** auf den Zivilrechtsweg festgehalten war, durfte das Erstgericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, Franz L*** habe seinen Schmerzengeldanspruch im Strafverfahren nicht in wirksamer Weise geltend gemacht. Vielmehr hätte es mangels eines Anhaltspunktes im Protokolls- und Urteilsvermerk dafür, mit welchen Ansprüchen Franz L*** auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden war, diese Frage als für die Entscheidung erheblich zur Erörterung stellen müssen. Keinesfalls durfte es die Kläger mit seiner Rechtsansicht, im Anschluß des Franz L*** im Strafverfahren als Privatbeteiligter liege vorliegendenfalls keine gerichtliche Geltendmachung des Schmerzengeldanspruches, überraschen. Aus der Inanspruchnahme des Erstbeklagten durch die Kläger auch für die Schmerzengeldforderung ging auch von vornherein hervor, daß sie der Ansicht waren, im Erbwege diese Forderung ihm gegenüber erworben zu haben. Hielt das Erstgericht die Klage insoweit nicht für schlüssig, weil die rechtserzeugenden Tatsachen für den erhobenen Anspruch nicht vollständig angegeben wurden, so war eine entsprechende richterliche Anleitung erforderlich. In der Unterlassung dieser Anleitung im Sinne des § 182 ZPO lag somit ein Verfahrensmangel, dessen Behebung durch das Berufungsgericht im Rahmen des § 482 Abs 2 ZPO erfolgen konnte.

Entgegen der Ansicht des Erstbeklagten ist der Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO daher nicht gegeben.

In der Frage der Vererbbarkeit des gemäß § 1325 ABGB gestellten Schmerzengeldanspruches verweist der Erstbeklagte in seiner Rechtsrüge zwar zutreffend darauf, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Lehre insoweit nicht gefolgt ist, als diese die Vererblichkeit jedenfalls bejaht, wenn der Verletzte eine eindeutige, auf Schmerzengeld gerichtete Willenserklärung gegenüber dem Schädiger abgegeben hat, und darüber hinaus aus dem Grunde der wertungsmäßigen Einheit mit dem § 12 Abs 1 Z 4 EKHG von der Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruches überhaupt, also unabhängig von jeder Willenserklärung des Verletzten, ausgeht (Reischauer in Rummel ABGB Rz 51 zu § 1325 mit Literatur- und Judikaturzitaten). Demgegenüber hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ 54/25 und ZVR 1983/327 darauf verwiesen, daß der Gesetzgeber nach dem Inhalt der Gesetzesmaterialien zum EKHG in diesem Gesetz bewußt eine vom ABGB abweichende Regelung hinsichtlich der Entstehung und Vererblichkeit des Schmerzengeldes getroffen hat. In der Lehre werden allerdings auch andere neue gesetzliche Regelungen ins Treffen geführt, so die §§ 12, 13 des Atomhaftpflichtgesetzes und die dem EKHG angepaßten Bestimmungen des § 10 Abs 2 RohrleitungsG und des § 186 BergG 1975 (siehe Reischauer aaO; Koziol2 II 142; Moser in ZVR 1977, 210) und es wird zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit diesen übereinstimmenden neuen Gesetzen eine geänderte Auslegung des § 1325 ABGB, für welche auch seine Entstehungsgeschichte selbst spräche (vgl. Jelinek, JBl. 1977, 1; Koziol aaO), gefordert.

Auf diese gewichtigen Argumente der Lehre muß indes vorliegendenfalls nicht eingegangen werden, weil das Berufungsgericht nach seinen auf den Strafakt und die im einzelnen genannten Urkunden gegründeten Feststellungen ohnehin von der wirksamen gerichtlichen Geltendmachung des Schmerzengeldanspruches des Franz L*** und damit seiner Vererblichkeit zugunsten der Kläger ausgegangen ist.

Für die Vererblichkeit des nach § 1325 ABGB vom Schädiger "auf Verlangen" zu leistenden Schmerzengeldes wird im Sinne der dem Jud. 204 folgenden Rechtsprechung ein Anerkenntnis des Schädigers oder die gerichtliche Geltendmachung durch den Verletzten gefordert. Eine solche gerichtliche Geltendmachung liegt gemäß dem letzten Absatz des Jud. 204 auch im Anschluß des Verletzten als Privatbeteiligter (§ 47 StPO) in dem gegen den Schädiger geführten Strafverfahren.

Vorliegendenfalls stellte das Berufungsgericht fest, daß sich Franz L*** mit seinem Schmerzengeldanspruch im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten zumindest dem Grunde nach als Privatbeteiligter angeschlossen hat und unabhängig davon seine Schmerzengeldforderung gegenüber dem Versicherer des Erstbeklagten auch ziffernmäßig bekanntgab. Damit muß aber die Voraussetzung eines von Franz L*** noch selbst gerichtlich gestellten "Verlangens" nach Schmerzengeld im Sinne des § 1325 ABGB bereits als erfüllt angesehen werden (vgl. SSt 55/77; RZ 1962, 222 ff). Für eine strengere Auslegung dieser Gesetzesbestimmung besteht weder ihrem Wortlaut noch ihrer Entstehungsgeschichte nach (siehe hiezu Jelinek aaO) Anlaß. Somit ist aber auch die Haftung des Erstbeklagten für die klagsgegenständliche Schmerzengeldforderung zu bejahen. Wie bei Erledigung der Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien ausgeführt wurde, liegt im Zusammenhang mit der von ihnen und ebenso vom Erstbeklagten in der Rechtsrüge bekämpften Verschuldensteilung keine qualifizierte Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor. Da wegen einer "einfachen" Rechtsfrage nach § 503 Abs 2 ZPO die Revision nicht begehrt werden kann, ist die diesbezügliche Ansicht des Berufungsgerichtes vom Obersten Gerichtshof auch nicht im Rahmen der Revision des Erstbeklagten zu überprüfen.

Der insgesamt ungerechtfertigten Revision des Erstbeklagten war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14388

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00034.87.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19880614_OGH0002_0020OB00034_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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