TE OGH 1988/6/14 4Ob35/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

WSV-W*** 1981, Linz, Hessenplatz 3, vertreten

durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Rudolf W*** Gesellschaft m.b.H., Linz, Urnenhainweg 4, vertreten durch Dr. Karl Puchmayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 330.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. Februar 1988, GZ 3 R 33/88-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. November 1987, GZ 7 Cg 112/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte verschickte Anfang 1987 in größerer Anzahl an Angehörige Verstorbener einen vierseitigen Faltprospekt, in dem sie (auf allen Seiten) eine "Winter Preis Aktion" für Grabsteine (Grabanlagen) ankündigte. Auf der ersten Seite des Prospektes ist blickfangartig das Wort "Gutschein" hervorgehoben. Darunter befindet sich nach dem Wort "für" ein freier Raum zum Einsetzen des Namens und der Anschrift des Adressaten. Dann folgt (in kleinerem Druck) der Text:

"Den Wert ihres Gutscheins

bestimmen Sie selbst!

Grab-Anlagen gibt es jetzt zu

Winter-Aktions-Preisen!

Die Preis-Ermäßigungen betragen je

nach Ausführung der Grab-Anlage

S 1.000,--

bis

S 7.000,--

und darüber

Einlösbar bis 31. März 1987 bei

.... (es folgt die Anschrift der Beklagten)".

Die beiden Innenseiten enthalten je drei detaillierte Preisbeispiele für Grabanlagen unter Gegenüberstellung des "Winter-Aktions-Preises", des Normalpreises und der dadurch erzielten Kostenersparnis. Darunter befindet sich wieder der Vermerk "Einlösbar bis 31. März 1987 bei......".

Die letzte Seite des Prospektes enthält ua. in sehr kleinem Druck (weiße Schrift auf dunkelblauem Hintergrund) den leicht zu übersehenden Hinweis:

"Umseitige Ermäßigungen gelten

bis 31. März 1987 generell und sind

nicht an den Besitz eines Gutscheines

gebunden"

und darunter etwas größer und deutlicher

"Während der Winter-Preis-Aktion

sind sämtliche Grab-Anlagen

und Materialien preisgünstiger!"

Der klagende Schutzverband (§ 14 UWG) beantragt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in der Werbung Prospekte und Drucksorten zu verwenden, die als Gutschein bezeichnet sind, wenn die angegebenen Preisermäßigungen unabhängig von der Einlösung des Gutscheines gewährt werden; außerdem stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren. Die Gesamtaufmachung der beanstandeten Ankündigungen erwecke die irrige Vorstellung, daß die angeführten Preisvorteile nur gegen Vorlage des "Gutscheines" gewährt würden. Die Beklagte verstoße damit gegen §§ 1 und 2 UWG.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da die Prospekte nur bis 31. März 1987 einlösbar gewesen seien, fehle der klagenden Partei das Rechtschutzinteresse. Es liege auch keine Angabe über "geschäftliche Verhältnisse" vor; die behaupteten Widersprüche beträfen nur "Modalitäten" der angeführten Aktion. Jeder Interessent habe unverzüglich feststellen können, daß die angekündigte Preisherabsetzung allgemein gewährt werde. "Gutschein" sei nicht der versendete Faltprospekt, sondern das "abstrakte Recht", Angebote zu bestimmten Bedingungen stellen zu dürfen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bejahte die Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte im Prozeß die Auffassung vertreten habe, zu der beanstandeten Ankündigung berechtigt gewesen zu sein. Diese sei aber mehrdeutig: Es sei zweifelhaft, ob die Preissenkungen von der Einlösung des Gutscheins abhängig waren oder ob bis 31. März 1987 eine allgemeine Preissenkung vorgenommen wurde. Die Beklagte müsse die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, die die Interessenten dem Prospekt entnehmen könnten. Die Werbung mit einem "Gutschein" erwecke beim angesprochenen Publikum die Erwartung, daß die Gewährung des Preisnachlasses von der Einlösung des Gutscheins (bis 31. März 1987) abhänge, während in Wahrheit jedermann die (befristete) Preisermäßigung in Anspruch nehmen könne. Auch das Veröffentlichungsbegehren sei gerechtfertigt. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es insgesamt entschieden habe, S 300.000,-- übersteige.

Die Überschrift "Gutschein für ......" (Angehörige eines Verstorbenen) erwecke in Verbindung mit den Worten "Einlösbar bis 31. März 1987" beim flüchtigen Leser den Eindruck einer Rabattgewährung für den Inhaber eines solchen "Gutscheins". Damit habe die Beklagte eine allgemeine Preissenkung in den Mantel einer verpönten Gutscheinaktion zu kleiden versucht; sie habe die Werbewirksamkeit ihrer grundsätzlich erlaubten, aber in verschwindend kleinem Druck angekündigten allgemeinen Preissenkung durch eine vorgetäuschte Gutscheinwerbung verstärkt. Die Beklagte erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin hält an der Auffassung fest, daß die beanstandete Ankündigung nicht zur Irreführung geeignet sei. Die Regelung des § 4 RabG zeige, daß der Begriff "Gutschein" mit einer allgemeinen Preisherabsetzung nicht unvereinbar sei. Der Konsument erwarte als selbstverständlich, daß jedermann einen Gutschein unter denselben Bedingungen erwerben könne. Das Publikum sehe in einem Gutschein kein Namens- oder Inhaberpapier, sondern die Aufforderung, ein Offert zu stellen; darin erschöpfe sich die Rechtsnatur von Werbegutscheinen. Der Hinweis auf die Einlösbarkeit bringe nur die zeitliche Begrenzung der Preissenkungsaktion zum Ausdruck. Im vorliegenden Fall dürfe nicht der flüchtige Eindruck, den der Durchschnittsleser von einer Werbebotschaft erhalte, zugrunde gelegt werden, weil die angesprochenen Verbraucherkreise eine sehr kleine Zielgruppe seien. Die behauptete Irreführung betreffe keine geschäftlichen Verhältnisse und insbesondere keine Preisbemessung; sie sei nicht geeignet, die Interessen von Mitbewerbern zu beeinträchtigen. Der Schutzzweck des UWG, Mitbewerber vor unlauteren Werbepraktiken zu schützen, sei durch die beanstandete Ankündigung nicht beeinträchtigt. Selbst wenn es zu Irrtümern der Verbraucher komme, seien diese nicht geeignet, den Kaufentschluß zu beeinflussen. Daß ein Interessent diesem Entschluß nur deshalb fasse, weil er sich gegenüber anderen durch den Besitz des Gutscheins im Vorteil fühle, sei äußerst unwahrscheinlich. Diese Rechtsausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Ob eine Werbebehauptung zur Irreführung geeignet ist, ist nicht nach abstrakten Maßstäben, also insbesondere nicht unter Heranziehung der für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen geltenden Regeln (§§ 914 f), sondern einzig und allein nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen; maßgebend ist der Eindruck, den der Durchschnittsinteressent bei flüchtiger Wahrnehmung der betreffenden Werbebotschaft gewinnt (stRsp, z.B. ÖBl 1981, 159; ÖBl 1984, 75; RdW 1985, 212). Ist die Angabe mehrdeutig, so verstößt sie schon dann gegen § 2 UWG, wenn sie auch nur bei einem nicht völlig unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise zu Irrtümern führen kann. Der Werbende muß dann die ungünstigste - noch von einem erheblichen Teil des Publikums vertretene - Auslegung gegen sich gelten lassen (stRsp, z.B. ÖBl 1983, 78; ÖBl 1986, 104 und 159).

Welche Rechtsnatur "Werbegutscheine" (vgl dazu Eccher, Zur Rechtsnatur der Gutscheine, ÖJZ 1974, 337 ff; SZ 53/50) haben, ist für die Beurteilung der Irreführungseignung der beanstandeten Ankündigung nicht wesentlich. Das blickfangartige Herausstellen des Wortes "Gutschein", die Widmung dieser Gutscheine an namentlich genannte Angehörige eines Verstorbenen ("für") und der mehrmaligen Hinweis auf die Begrenzung der Gültigkeit des Gutscheins ("Einlösbar bis 31. März 1987") waren - jedenfalls bei einem noch erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise - geeignet, den irreführenden Eindruck hervorzurufen, daß für die Inanspruchnahme der Preisermäßigungen der Besitz eines Gutscheins erforderlich ist und damit keine generelle Preissenkung vorliege, zumal bei einer solchen die Ausgabe von Gutscheinen überflüssig wäre. Die angesprochenen Verkehrskreise konnten daher in der Begrenzung der Einlösbarkeit des Gutscheins keinesfalls nur eine zeitliche Begrenzung einer allgemeinen Preissenkung sehen. Der gegenteilige Hinweis auf der letzten Seite des Prospektes, daß die Ermäßigung nicht an den Besitz eines Gutscheins gebunden ist, wurde so klein und undeutlich gedruckt, daß er bei flüchtiger Durchsicht leicht übersehen werden konnte. Es mag sein, daß das Publikum auf Grund zahlreicher ähnlicher Werbeaktionen die Erfahrung gemacht hat, daß Werbegutscheine im allgemeinen in großer Zahl verteilt werden und es daher für Interessenten nicht schwer ist, in deren Besitz zu gelangen. Das ändert aber nichts daran, daß eine Gutscheinaktion regelmäßig den Eindruck erweckt, daß zur Inanspruchnahme der Preisermäßigung eben doch ein, wenn auch leicht erhältlicher, Gutschein erforderlich ist und Interessenten, die ihn nicht besitzen, von diesen Vergünstigungen ausgeschlossen sind. Es kann auch zutreffen, daß der vorliegende Prospekt, der gezielt an Angehörige Verstorbener versendet wurde, mehr Aufmerksamkeit findet als das durchschnittliche Werbematerial, mit dem die Verbraucher tagtäglich überhäuft werden. Die Gefahr eines unrichtigen Eindruckes besteht aber bei einem noch erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise schon deshalb, weil der Hinweis, daß die Ermäßigung nicht an den Besitz eines Gutscheins gebunden ist, wegen des undeutlichen, äußerst kleinen Drucks von älteren, sehschwachen Personen nur sehr schwer entziffert werden kann. Es konnte daher auch bei Interessenten, die sich mit dem Angebot der Beklagten näher befaßten, zu Irrtümern über die Bedeutung des "Gutscheins" kommen. Aus der Regelung des § 4 Abs 1 RabG ist für die Beklagte nichts zu gewinnen. Die dort erwähnten Gutscheine dürfen anläßlich der Gewährung eines erlaubten (§ 2 RabG) individuellen Barzahlungsnachlasses anstelle des sofortigen Abzuges des Nachlaßbetrages vom Preis ausgegeben werden. "Werbegutscheine" sollen hingegen durch die Zusage eines Preisnachlasses einen künftigen Vertragsabschluß herbeiführen oder erleichtern (SZ 53/50). Aus § 4 RabG ist daher nicht abzuleiten, daß sich die Ausgabe von Werbegutscheinen mit generellen Preissenkungen vereinbaren läßt. Eine generelle Preisherabsetzung muß vielmehr deutlich als solche gekennzeichnet sein; sie darf nicht im Gewand individueller Preisnachlässe erscheinen, da dadurch der Verbraucher in seinem Kaufentschluß unsachlich beeinflußt wird (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1984 § 1 RabG Rz 18). Eine solche Beeinflussung wird aber durch die beanstandete Gutscheinwerbung hervorgerufen, weil die Umworbenen, die einen Gutschein erhalten haben, dem Irrtum unterliegen können, daß ihnen ein an den Besitz des Gutscheins gebundener individueller Preisnachlaß auf einen unverändert bleibenden höheren allgemeinen Preis gewährt wird. Bei einer allgemeinen Preissenkung darf aber nicht der Eindruck erweckt werden, eine Ware mit einem an sich höheren Preis werde ausnahmsweise zu einem ermäßigten Preis abgegeben (Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt 334 § 1 RabG Rz 31). Die Vorinstanzen haben daher die in Form einer Gutscheinwerbung gekleidete "Winter Preis Aktion" zutreffend als irreführend iS des § 2 UWG angesehen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin betrifft diese Irreführung auch geschäftliche Verhältnisse iS des § 2 UWG. Dazu zählt alles, was mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängt und die gewerbliche Tätigkeit fördern kann (ÖBl 1961, 70). Das trifft für die Vortäuschung eines individuellen Preisnachlasses zu. Ob solche Angaben zur "Preisbemessung" gehören, kann auf sich beruhen, weil die Aufzählung bestimmter Fälle geschäftlicher Verhältnisse in § 2 UWG nur eine beispielsweise ist. Die Ansicht der Revisionswerberin, die beanstandete Angabe beziehe sich auch nicht auf sonstige geschäftliche Verhältnisse ist ebenso verfehlt wie ihre Meinung, § 2 UWG bezwecke nur den Schutz der Mitbewerber, so daß es unschädlich sei, wenn ein Interessent den irrigen Eindruck gewinne, ohne Gutscheine könne er nicht in den Genuß der Vergünstigung kommen, und daher von einem Vertragsabschluß mit dem belangten Mitbewerber abstehe. Die UWG-Novelle 1971 hat klargestellt, daß in den Fällen des § 2 UWG neben den Interessen der Mitwerber auch Verbraucherinteressen Berücksichtigung finden

(RV 243 BlgNR 12. GP 2 f; auch ÖBl 1982, 13 = SZ 54/121). Richtig ist, daß der durch die Ankündigung hervorgerufene unrichtige Eindruck geeignet sein muß, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen, mit anderen Worten: Zwischen dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß ein Zusammenhang bestehen (stRsp, zB. ÖBl 1982, 37 = SZ 54/97; ÖBl 1987, 18). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist aber das Vortäuschen eines individuellen Preisnachlasses durch Ausgabe von Gutscheinen geeignet, den Entschluß der angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, zugunsten dieses Angebots zu beeinflußen. Die Lockwirkung eines (durch Ausgabe von Gutscheinen gewährten) individuellen Preisnachlasses ist nämlich in aller Regel stärker und attraktiver als die einer allgemeinen Preisherabsetzung (Baumbach-Hefermehl aaO 1990 § 1 RabG Rz 22), weil der Umworbene, der einen Gutschein in Händen hat, annehmen wird, daß der höhere allgemeine Preis der Ware aufrecht bleibt, und daher im Besitz des Gutscheins ein günstigeres Angebot erblicken wird. Dieser Lockwirkung hat sich die Beklagte dadurch bedient, daß sie die allgemeine Preisherabsetzung während der Wintermonate in die Form einer zur Irreführung geeigneten Gutscheinwerbung kleidete. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00035.88.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19880614_OGH0002_0040OB00035_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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