TE OGH 1988/6/14 2Ob8/88

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Veröffentlicht am 14.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl Heinz P***, Speditionskaufmann, 4890 Frankenmarkt, Salzburgerstraße 4, vertreten durch Dr. Heinz Paradeiser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien

1.) Josef R***, Kfz-Mechaniker, 4891 Pöndorf,

Obermühlham 31, und 2.) I*** U***- UND

S*** AG, 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7, beide

vertreten durch Dr. Heinz Haas, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 429.929,32 und Feststellung (Streitwert S 50.000,--), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24. November 1987, GZ 4 R 110/87-28, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 11. Februar 1987, GZ 6 Cg 323/85-22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und gemäß § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst erkannt:

"Das Klagebegehren des Inhalts,

1) die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 429.929,32 samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagszustellung zu bezahlen,

2) es werde festgestellt, daß die beklagten Parteien, die zweitbeklagte Partei beschränkt mit der zum Schadenstag bestehenden Haftpflichtversicherungssumme, dem Kläger gegenüber für alle Folgeschäden aus dem Unfall vom 25. November 1982 auf der Bundesstraße 1, bei Straßenkilometer 262/855, schadenersatz- und genugtuungspflichtig seien,

3) die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Zwang zu Handen des Klagsvertreters zu ersetzen,

wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 39.258,45 (darin enthalten S 3.568,95 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Der Kläger ist weiters schuldig, den beklagten Parteien die mit S 18.721,12 (darin keine Barauslagen und S 1.701,92 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 26.837,75 (darin S 10.000,-- Barauslagen und S 1.530,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Lenker des PKWs Opel Kadett mit dem polizeilichen Kennzeichen O-333.459 verschuldete am 25. November 1982 gegen

3.30 Uhr auf der B 1 im Ortsgebiet von Schwaigern einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger und der Erstbeklagte schwer verletzt wurden. Das Auto geriet bei dichtem Nebel in einer Linkskurve von der Fahrbahn ab, stürzte über die etwa 4 m hohe Straßenböschung und überschlug sich mehrmals. Ein anderes Kraftfahrzeug war bei diesem Unfall nicht beteiligt. Der Kläger und der Erstbeklagte hatten sich vor dem Unfall einige Stunden in einem Lokal in Oberhofen aufgehalten und dann gemeinsam die Heimfahrt angetreten. Sie waren also beide Insassen des verunglückten PKWs, dessen Halter der Erstbeklagte und der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war.

Mit der Behauptung, der Erstbeklagte sei nicht nur Halter, sondern auch Lenker des PKWs gewesen, begehrte der Kläger von den Beklagten insgesamt S 429.929,32 Schadenersatz (darin u.a. S 350.000,-- Schmerzengeld und S 4.900,-- Kleiderschaden) und die Feststellung, daß sie ihm (die Zweitbeklagte bis zur Höhe der Haftpflichtversicherungssumme) auch für zukünftige Schäden zu haften hätten. Dabei behauptete der Kläger, daß er im Zeitpunkt des Unfalls angegurtet gewesen sei. Mittlerweile steht jedoch unangefochten fest, daß dies nicht richtig ist.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß zwar das Strafverfahren gegen den Kläger eingestellt worden sei, der behauptete Umstand, daß der Kläger Beifahrer und nicht Lenker gewesen sei, jedoch noch immer in Frage gestellt sei bzw. ausdrücklich bestritten werde. Der Erstbeklagte könne sich infolge seiner erlittenen Gehirnerschütterung an das Unfallgeschehen nicht mehr erinnern. Die Klagsforderungen seien durchwegs überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen noch von folgenden weiteren Feststellungen ausging:

Der Lenker, der die Herrschaft über den Wagen verlor, kam mit dem PKW derart von der Fahrbahn ab, daß das Fahrzeug über die linke vordere Ecke abrollte, wobei es sich zuerst aufstellte und sich dann nach rechts mehrmals überschlug. Am Fahrzeug entstand Totalschaden, wobei u.a. das Lenkrad deutlich nach oben gebogen wurde, und zwar durch das Aufstehen bzw. Hochgehen des Fahrers. Dadurch, daß der Beifahrer analog dem Bewegungsablauf des Fahrers zuerst geradeaus nach vorne geschleudert wurde, entstand auch eine massive Deformierung am Armaturenbrett im Bereich des Beifahrersitzes. Der Kläger wurde auf nicht feststellbare Weise aus dem Auto geschleudert, während der Erstbeklagte im Wageninneren verblieb. Die ca. 1 Stunde später durchgeführte Blutabnahme ergab beim Kläger 1,65 Promille, die dem Erstbeklagten abgenommene Blutprobe war nicht verwertbar. Der Kläger, der nicht angeschnallt war, erlitt bei dem Unfall eine fragliche Gehirnerschütterung mit einer Wunde am Kinn und Zahnverletzungen, eine linksseitige Brustkorbprellung sowie einen linksseitigen Verrenkungsbruch des Sprunggelenkes mit Außenknöchelbruch und außerdem einen Schock. Der Kläger war danach oftmals in stationärer Behandlung im Krankenhaus Vöcklabruck, wobei die Summe der Aufenthalte 54 Tage betrug. Zusammengefaßt hatte der Kläger 18 Tage starke Schmerzen, 6,5 Wochen mittelstarke Schmerzen und 1/2 Jahr leichte Schmerzen. Eine Beurteilung der Dauerinvalidität kann erst nach Beendigung der Behandlung gemacht werden. Der Erstbeklagte, der ebenfalls nicht angegurtet war, erlitt beim Unfall einen Schock, eine fragliche Gehirnerschütterung, eine Abschürfung im linken Darmbeinkamm und eine Bauchquetschung, eine Beckenprellung sowie linksseitige Querfortsatzabrißbrüche des 2. bis 4. Lendenwirbels. Der Erstbeklagte war 7 Tage in stationärer Behandlung im Krankenhaus Vöcklabruck. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Erstbeklagte der Lenker des PKWs (im Unfallszeitpunkt) war oder ob der Kläger den Wagen steuerte. Auch konnte nicht rekonstruiert werden, wie oft sich der Wagen nach dem Abkommen von der Fahrbahn überschlug, bis er auf dem Dach in der angrenzenden Wiese zum Stillstand kam. Nicht objektivierbar war auch die Wegstrecke, die das Fahrzeug vom Abrollen bis zur Endlage zurücklegte. Die Endlage des aus dem PKW geschleuderten Klägers sowie die des Erstbeklagten, der im PKW blieb, war ebenfalls nicht zu eruieren.

Infolge Berufung des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, insbesondere auch jene, daß nicht ermittelt werden konnte, ob der Kläger oder der Erstbeklagte im Unfallszeitpunkt den PKW gelenkt habe, als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.

Die Verneinung der Halterhaftung der Beklagten habe das Erstgericht damit begründet, daß dem Kläger der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen den Betriebsgefahren des PKWs und seinem Schaden nicht gelungen sei. Gemäß §§ 1, 5 EKHG greife jedoch die Halterhaftung schon dann ein, wenn durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Dies bedeute nicht mehr, als daß der Schaden auf eine adäquate Ursache zurückzuführen sein müsse, die ein im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeug gesetzt habe und die mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zusammenhänge. Im gegenständlichen Fall könne daher gar kein Zweifel daran bestehen, daß der Schaden des Klägers durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursacht wurde, dessen Halter der Erstbeklagte ist. Es bleibe zu untersuchen, ob den Beklagten eine Ausnahmebestimmung zugute komme. Konkret könnte sich eine Ausnahme von der Halterhaftung daraus ergeben, daß der Kläger als Beifahrer im verunglückten PKW befördert wurde (§ 3 Z 2 EKHG). Das würde jedoch voraussetzen, daß dies nur auf sein Ersuchen, in seinem ausschließlichen oder überwiegenden wirtschaftlichen Interesse und ohne ein dem Halter zufließendes, wenn auch unangemessenes Entgelt geschehen sei. Davon könne nach der Judikatur keine Rede sein, wenn Freunde einen gemeinsamen Ausflug unternehmen, ohne daß auf seiten eines der Teilnehmer ein wirtschaftlicher Zweck erkennbar wird. Im gegenständlichen Fall hätten der Kläger und der Erstbeklagte nach einem längeren Lokalbesuch gemeinsam die Heimfahrt angetreten. Schon dies reiche aus, um den Tatbestand des § 3 Z 2 EKHG auszuschalten. Der zweite denkbare Ausnahmetatbestand hätte zur Voraussetzung, daß der Kläger beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war (§ 3 Z 3 EKHG). Tatsächlich sei dies von Anfang an der Prozeßstandpunkt der Beklagten gewesen, doch sei ihre Behauptung unbewiesen geblieben. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes gehe dies zu ihren Lasten, weil immer derjenige die Behauptungs- und Beweislast trage, der sich auf einen Ausnahmetatbestand berufe. Gerade im EKHG finde sich klar ausgesprochen, daß die Haftung des Halters für die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges nur ausnahmsweise zu versagen sei. Demnach hätten sich die Beklagten nur noch durch den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses von der Halterhaftung befreien können. Auch darauf beziehe sich ihre Behauptung, daß der Kläger Lenker des PKWs gewesen sei, weil gemäß § 9 Abs 2 EKHG ein Ereignis insbesondere dann als unabwendbar gelte, wenn es auf das Verhalten des Geschädigten zurückzuführen sei. Unklarheiten darüber, ob ein gemäß § 9 EKHG zu berücksichtigender Umstand für die Entstehung des Unfalls ursächlich war, habe allerdings nach ständiger Judikatur wiederum der Halter zu vertreten. Es gehe daher auch hier zu Lasten der Beklagten, daß nicht geklärt werden konnte, wer Lenker des PKWs war. Damit stehe die Haftung der Beklagten für die Schadenersatzansprüche des Klägers dem Grunde nach fest. Einschränkungen ergäben sich nur hinsichtlich des Schmerzengeldes, weil der Kläger nicht angegurtet war, und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, das durch die Haftungshöchstbeträge nach dem EKHG begrenzt sei. Um die Sache entscheidungsreif zu machen, werde das Erstgericht allerdings gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO die noch ausstehenden Beweise über die Schadenshöhe aufzunehmen haben. Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung im Sinne der Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes aufzutragen.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Beklagten wenden sich in ihrem Rechtsmittel im wesentlichen gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, die Unklarheit, ob der Kläger im Unfallszeitpunkt Lenker des PKWs des Erstbeklagten gewesen sei, gehe zu Lasten der Beklagten.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Wie der Oberste Gerichtshof in der nicht veröffentlichten Entscheidung vom 8. Mai 1984, 2 Ob 28/84, der ein im wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalt zugrundelag, ausgesprochen hat, hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen. Es obliegt daher dem Kläger, jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen nach dem materiellen Recht sein Anspruch entstanden ist. Sache des Beklagten ist es, rechtsvernichtende Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (vgl. Fasching III 234). Im vorliegenden Fall müßte daher der Kläger bei einer Verschuldenshaftung ein Verschulden des Erstbeklagten beweisen, was ihm nicht gelungen ist, weil nicht feststeht, ob der Beklagte den PKW zur Zeit des Unfalles gelenkt hat. Es ist aber auch Sache des Klägers, die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des EKHG zu beweisen. Hiezu gehört nicht nur der Nachweis des Unfalles, des Schadens und des ursächlichen Zusammenhanges zwischen einem Betriebsvorgang und dem Schaden (ZVR 1975/273 u.a.), sondern auch, daß das EKHG überhaupt auf ihn anwendbar ist, das heißt, daß er zu dem durch dieses Gesetz geschützten Personenkreis gehört. Er muß also beweisen, daß er nicht im Sinne des § 3 Z 3 EKHG beim Betrieb des PKW tätig war, da dieses Gesetz sonst auf ihn überhaupt nicht anwendbar ist. Auch für die Anwendbarkeit des EKHG hinsichtlich des Sachschadens wäre gemäß § 4 Voraussetzung, daß der Kläger Fahrgast und nicht Lenker gewesen ist. Da die Möglichkeit besteht, daß der Kläger zur Zeit des Unfalles selbst der Lenker des Fahrzeuges war, hat er die Voraussetzungen für die Anwendung des EKHG nicht nachgewiesen, weshalb das Erstgericht das Klagebegehren mit Recht abgewiesen hat.

Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und gemäß § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14620

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00008.88.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19880614_OGH0002_0020OB00008_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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