Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Angst, Dr. Petrag und Dr. Kellner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Gottfried M***, geboren am 30. September 1976 und Emanuel M***, geboren am 14. Oktober 1977, wohnhaft bei der Mutter und gesetzlichen Vertreterin Veronika H***, 1150 Wien, Hollochergasse 34/3, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gottfried M***, Adamsgasse 3 a/II/4, 1030 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10. September 1987, GZ 47 R 549/87-112, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 8. Mai 1987, GZ 1 P 9/86-97, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern Gottfried und Veronika M*** wurde am 28. Oktober 1980 geschieden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 23. Dezember 1980 wurden Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung der Minderjährigen der Mutter übertragen. Am 20. Mai 1983 schloß Veronika M*** mit Gerald H*** die Ehe. Dieser beantragte, die verweigerte Zustimmung des Vaters zur Adoption der beiden Minderjährigen durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen.
Die beiden Minderjährigen haben mit ihrem leiblichen Vater seit der Scheidung der Eltern keinen Kontakt mehr. Aus dem Bericht des Bezirksjugendamtes für den 15. Bezirk vom 12. März 1987 ergibt sich, daß die Kinder beim Hausbesuch spontan erklärten, sie wollten keinen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater, da sie ihn nicht kennen und nicht wüßten, warum sie jetzt zu ihm gehen sollten. Das psychologische Gutachten der MA 11 vom 23. Februar 1987 ergab, daß die Gewährung eines Besuchsrechtes für den Vater derzeit nicht befürwortet werden könne, da die beiden Minderjährigen in ihrer derzeitigen Familie Sicherheit und Geborgenheit erleben, eine intensive emotional positive Beziehung zum Stiefvater aufgebaut haben und die Kontaktaufnahme zu dem für sie fremd gewordenen leiblichen Vater Ängste, Unsicherheit und Verständnislosigkeit auslöse. Dazu komme, daß die Kinder für das Krankheitsbild des Vaters altersbedingt noch kein Verständnis aufbringen könnten.
Der Vater geht seit vielen Jahren keiner Beschäftigung nach und bezieht Sozialhilfe. Aus einem im Verfahren 19 U 465/81 des Jugendgerichtshofes Wien erstatteten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. S*** vom April 1982 ergibt sich, daß beim Vater eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung vorliegt, die zu Verhaltens- und Persönlichkeitssonderheiten geführt habe. Dadurch sei er auf dem Arbeitsmarkt minder konkurrenzfähig. Die Minderung seiner Arbeitsfähigkeit sei mit 30 % einzuschätzen. Einem Bericht der Psychosozialen Station Hainburger Straße vom 10. November 1986 zufolge leidet der Vater sogar an einer psychischen Erkrankung des schitzophrenen Formenkreises, sei durch die gegenständliche Angelegenheit belastet und wäre durch den Ersatz der Zustimmung zur Adoption gekränkt.
Im Hinblick auf das Krankheitsbild wurde der Vater mit Beschluß des Bezirksgerichtes Langenlois vom 1. Februar 1983 ab 1. März 1982 von seiner Unterhaltsverpflichtung für die beiden Minderjährigen enthoben.
Gerald H*** beabsichtigt, die beiden Minderjährigen an Kindes Statt anzunehmen. Er ist österreichischer Staatsbürger, Zollwachebeamter und weiters sorgepflichtig für den am 13. Februar 1977 geborenen Jürgen O***, für welchen er derzeit monatlich S 3.000,-- an Unterhalt bezahlt. Sein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen beträgt ca. S 15.000,--. Die Berichte des Jugendamtes vom 3. Oktober 1985 und 21. Juli 1986 befürworten die Adoption und den Ersatz der Zustimmung des Vaters.
Die Mutter Veronika H*** hat als gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder den Adoptionsvertrag geschlossen.
Das Erstgericht ersetzte die Zustimmung des Vaters zur Adoption der beiden Minderjährigen. In erster Linie sei das Wohl der Kinder maßgebend, die zu ihrem Stiefvater eine emotional gefestigte Beziehung hätten, während zum leiblichen Vater überhaupt keine Beziehung bestehe und es auch derzeit keine Möglichkeit gebe, eine solche in einer für die Kinder vorteilhaften Weise aufzubauen. Die Weigerung des Vaters sei, weil sie dem Wohl der Kinder nicht entspreche, nicht gerechtfertigt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters keine Folge. Dieser habe seine Weigerung nur darauf gegründet, daß durch die Adoption ein Kontakt mit den Kindern unterbunden werde. Wenn aber die Kontaktaufnahme, die der Vater bisher nie betrieben habe, und die Auswirkungen seiner Krankheit schädlich für das Wohl der Kinder wären, könne die Weigerung der Zustimmung zur Adoption, die dem Wohl der Kinder hier in einem so hohen Ausmaß entspreche, nicht mehr als sittlich gerechtfertigt angesehen werden, wenn man auch noch berücksichtige, daß die Kinder keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen haben, während ihr Stiefvater Gerald H*** in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebe. Auf Grund der vorhandenen Krankheit könne auch das Auftreten von abnormen Verhaltensweisen des Vaters, wie sie schon in der Vergangenheit vorgekommen seien, nicht ausgeschlossen werden.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese bestätigende Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften im Gewicht einer Nullität.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Es bildet daher noch nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (MGA 30 Verfahren außer Streitsachen2 E 19 zu § 16 und die dort zitierte Judikatur).
Nach § 181 Abs. 3 ABGB hat das Gericht die Verweigerung der Zustimmung auf Antrag eines Vertragsteiles zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. Welche konkreten tatsächlichen Umstände im Einzelfall die Ersetzung der verweigerten Zustimmung durch das Gericht rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Das Gericht hat daher auf Grund der Verfahrensergebnisse nach freiem, pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein gerechtfertigter Grund für die Weigerung vorliegt. Das Rekursgericht hat in seiner Entscheidungsbegründung unter Berücksichtigung aller Verfahrensergebnisse ausführlich dargelegt, warum es die Weigerung der Zustimmung des Vaters zur Adoption nicht für gerechtfertigt hielt. Von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit oder einer willkürlichen, nicht im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens gefällten Entscheidung, die nicht die berechtigten Interessen sowohl der Kinder als auch des Vaters berücksichtigt, kann daher keine Rede sein.
Auf den Begriff der Nullität im § 16 Abs. 1 AußStrG sind im allgemeinen die hiezu in der ZPO entwickelten Grundsätze unter Berücksichtigung der Besonderheiten des außerstreitigen Verfahrens sinngemäß anzuwenden (SZ 44/180 ua). Mit seinem Vorbringen, aus dem psychiatrischen Gutachten sei für das Gericht eindeutig erkennbar, daß der Revisionsrekurswerber außerstande gewesen sei, seinen Standpunkt selbst geltend zu machen, es hätte von Amts wegen für ihn ein Sachwalter bestellt und der Mangel der Prozeßfähigkeit berücksichtigt werden müssen, bezieht sich der Rekurswerber offenbar auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 5 ZPO. Dieser liegt hier nicht vor. Ausreichende Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Das Erstgericht konnte sich von der Persönlichkeit des Revisionsrekurswerbers in zwei Einvernahmen selbst einen Eindruck verschaffen, in der Eingabe der Psychosozialen Station Hainburgerstraße wird von seiner behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Revisionsrekurswerber keines Sachwalters bedürfe.
Gemäß § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG sind die Gerichte im außerstreitigen Verfahren verpflichtet, alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen. Die behauptete "Verletzung der Prozeßleitungspflicht gemäß § 182 ZPO" durch mangelnde Anleitung zu weiterem Vorbringen und die Unterlassung ausführlicher Belehrung könnte allenfalls als Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG einen Verfahrensmangel begründen, dem aber keinesfalls das Gewicht einer Nullität zukäme.
Daß die Kinder bisher noch nicht gehört wurden, bildet keinen Verfahrensmangel, weil bisher der Adoptionsvertrag noch nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt sondern nur über die Ersetzung der Zustimmung des Vaters zum Adoptionsvertrag entschieden wurde. Hiezu ist aber eine Anhörung der Kinder im Gesetz nicht vorgesehen. Das Anhörungsrecht der Mutter kann nach § 181 a Abs. 2 ABGB überdies gänzlich entfallen, weil sie als gesetzliche Vertreterin der anzunehmenden Wahlkinder den Annahmevertrag geschlossen hat. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E14747European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0100OB00504.88.0614.000Dokumentnummer
JJT_19880614_OGH0002_0100OB00504_8800000_000