TE OGH 1988/6/15 9ObA35/88

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Veröffentlicht am 15.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Leo Samwald als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopold K***, Vertragsbediensteter, Graz,

Karlauergürtel 5/8/51, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und Dr. Klaus Kollmann, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei L*** S***, vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 126.210 sA (Revisionsstreitwert S 37.863 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.November 1987, GZ 7 Ra 1110/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27.August 1987, GZ 36 Cga 1114/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1.Dezember 1981 bei der beklagten Partei als Vertragsbediensteter auf der Schlaganfallstation des Landessonderkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Graz im Sanitätshilfsdienst beschäftigt. Er führt die Berufsbezeichnung Heilbademeister und Heilmasseur und ist auf Grund seiner Befähigungsnachweise berechtigt, Tätigkeiten, welche sich auf die Anwendung der Thermo-, Hydro- und Balneotherapie sowie Heilmassage im beschränkten Umfang erstrecken, auszuüben. Auf sein Arbeitsverhältnis findet das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (in der jeweiligen Fassung) und die Dienstordnung für die Bediensteten der Krankenanstalten des Landes Steiermark (kurz DO) Anwendung. Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger S 126.210 sA an ausstehender Entgeltnachzahlung. Er habe vom 1.Jänner 1983 bis 17. Februar 1986 nach entsprechender Ausbildung Spezialmassagen (Lymphdrainagen und Bindegewebsmassagen) durchgeführt, sei aber bis 30. September 1983 nur nach der Entlohnungsgruppe e und ab 1.Oktober 1983 nach der Entlohnungsgruppe d entlohnt worden, obwohl seine Tätigkeit b-wertig gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen. Nach der Gruppenaufteilung zum Entlohnungsschema I der DO, welche im wesentlichen dem § 44 des Krankenpflegegesetzes 1961 entspreche, sei der Kläger auf Grund seiner Ausbildung und Verwendung zutreffend ab 1. September 1983 in die Entlohnungsgruppe d (mittlerer Sanitätsdienst) überstellt worden. Er erfülle weder die formellen Voraussetzungen für eine Einstufung in die Entlohnungsgruppe b (gehobener medizinisch-technischer Dienst) noch habe er seiner Ausbildung entsprechend die der Entlohnungsgruppe b zugrundeliegenden Leistungen tatsächlich erbringen können. Soweit der Kläger Lymphdrainagen und Bindegewebsmassagen vorgenommen habe, habe diese Tätigkeit nur etwa 40 Stunden im Monat in Anspruch genommen. Seine übrige und überwiegende Tätigkeit habe seiner Qualfikation in der Entlohnungsgruppe d entsprochen. Im übrigen seien die länger als drei Jahre vor Klageeinbringung liegenden Forderungen verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Der Kläger absolvierte vom 6. bis 17.Dezember 1982 einen 80-stündigen Weiterbildungskurs für Lymphdrainage, vom 12. bis 29. April 1983 einen 130-stündigen Weiterbildungskurs für Bindegewebsmassage und vom 9. bis 14.Mai 1983 einen 40-stündigen Weiterbildungskurs für Unterwassermassage mit zum Teil ausgezeichnetem Erfolg. Die beklagte Partei überstellte ihn von der bisherigen Entlohnungsgruppe e ab 1.Oktober 1983 in die Entlohnungsgruppe d.

Der Kläger war hauptsächlich als Heilbademeister tätig; er verabreichte im wesentlichen Heilbäder und Paraffinpackungen. Außerdem hatte er mangels eines Sanitätshilfspersonals die Patienten vom Krankenbett auf die Behandlungsstation und wieder zurück zu bringen. In den Jahren 1983 bis Anfang 1986 führte er über ärztlichen Auftrag und unter ärztlicher Aufsicht auch Lymphdrainagen und Bindegewebsmassagen durch, die im Verhältnis zu seiner Heilbademeistertätigkeit etwa 30 % seiner Arbeitsleistung in Anspruch nahmen. Hätte der Kläger diese Spezialmassagen nicht erbracht, wären diese von der beklagten Partei nicht angeboten worden. Am 17.Februar 1986 wurde dem Kläger verboten, weiterhin Spezialmassagen zu verabreichen, weil diese Therapie nicht in den Kompetenzbereich des Sanitätshilfsdienstes falle, sondern dem physikotherapeutischen Dienst vorbehalten sei.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß für die Einstufung eines Vertragsbediensteten für den hier zutreffenden Fall des Fehlens genauer Bestimmungen über die Einstufung zwar die von ihm tatsächlich (überwiegend) geleisteten Dienste maßgeblich seien. Der Kläger sei aber nach dem Krankenpflegegesetz nicht befugt gewesen, Lymphdrainagen und Bindegewebsmassagen durchzuführen, so daß zufolge des Verstoßes gegen ein Schutzgesetz kein Vertragsteil berechtigt sei, auf einer (schlüssigen) Vertragsänderung zu bestehen. Der Kläger habe, da die Verrichtung einer höherwertigen Tätigkeit nicht gültig vereinbart werden konnte, infolge dieses gesetzwidrigen Zustandes keinen höheren Entlohnungsanspruch. Überdies habe die vom Kläger erbrachte b-wertige Leistung mit lediglich 30 % seine sonstige Tätigkeit nicht überwogen. Die beklagte Partei habe sich durch die Tätigkeit des Klägers auch keine andere Arbeitskraft erspart, weil sie derartige Spezialmassagen sonst nicht angeboten hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und vertrat die Rechtsauffassung, daß sich aus dem Zweck des Verbotes nach § 60 Krankenpflegegesetz ergebe, daß eine Behandlung von Menschen durch Personen, welche die im Gesetz geforderte Ausbildung nicht genossen hätten, unter allen Umständen zu vermeiden sei. Aus diesem Grunde sei jede ausdrückliche oder stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrages, die diesem Verbot widerspreche, mit Nichtigkeit behaftet. Habe der Arbeitgeber aber trotz der mangelnden Berufsberechtigung des Arbeitnehmers höherwertige Arbeitsleistungen entgegengenommen, müsse er diese gemäß § 877 ABGB in Geld ersetzen. Es gebühre dem Arbeitnehmer dabei nicht nur ein "dem" verschafften Nutzen angemessener Lohn" (§ 1431 ABGB), sondern unabhängig vom Eintritt eines vermögensmäßig erfaßten Nutzens ein angemessenes Entgelt; dies allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer zumindest überwiegend zu der höherwertigen Tätigkeit herangezogen worden sei oder wenn die b-wertige Arbeit des Arbeitnehmers von überragender Bedeutung und Wichtigkeit für die beklagte Partei gewesen wäre. Einer solchen Annahme zugunsten des Klägers stehe aber schon die Feststellung entgegen, daß die Spezialmassagen von der beklagten Partei gar nicht angeboten worden wären, hätte sie der Kläger nicht verabreicht.

Dazu komme, daß nach Anlage 1 der DO die maßgebenden Qualifikationsmerkmale für die Einstufung in die Entlohnungsgruppe I e bis b hinreichend genau umschrieben seien, so daß die tatsächlich geleisteten Arbeiten in den Hintergrund treten müßten und für das Überwiegenheitsprinzip kein Raum mehr sei. Wollte man schließlich die Ansprüche des Klägers zufolge Fehlens eines gültigen Arbeitsvertrages auf rein bereicherungsrechtliche Bestimmungen (zweckverfehlende Arbeitsleistung) abstellen, würde dies zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, daß demjenigen, der ohne Vertragsgrundlage eine höherwertige, aber nicht überwiegende Leistung erbringe, der jeweils verschaffte Nutzen gebühre, derjenige aber, der die höherwertige Leistung auf Grund eines Vertrages erbringe, nur dann eine höhere Entlohnung fordern könne, wenn diese Tätigkeit überwiege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und einer daraus resultierenden Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß der Klage mit einem Betrag von S 37.863 sA stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß der Kläger als befugter Heilbademeister und Heilmasseur (§ 51 lit.h KrPflG 1961 idF BGBl.1969/95) auch in der Zeit vom 1.Jänner 1983 bis 17.Februar 1986 im Sinne des § 44 lit.h KrPflG zu 70 % Sanitätshilfsdienste verrichtete, die seiner Befähigung und tatsächlichen Einstufung in die Entlohnungsgruppe d des Entlohnungsschemas I der Anlage 1 zur DO entsprachen. Eine allenfalls verspätete Überstellung von der Entlohnungsgruppe e in die Entlohnungsgruppe d wurde nicht behauptet. Es ist weiters unbestritten, daß sich die physikotherapeutische Tätigkeit des Klägers im Sinne des § 26 Abs.1 KrPflG (§ 25 lit.a leg cit), die nach der Anlage 1 zur DO in die Entlohnungsgruppe I b fällt, auf etwa 30 % seiner Arbeitsleistung beschränkte. Insoferne bedarf es entgegen der Mängelrüge des Klägers keiner ergänzenden Feststellungen über die Art der Tätigkeiten. Der Revisionswerber bezweifelt auch nicht, daß eine solche Tätigkeit unter der Sanktion des § 60 KrPflG gemäß den §§ 1, 2 leg cit nur nach Maßgabe dieses Gesetzes und nur unter den darin festgelegten Voraussetzungen ausgeübt werden darf, und daß sich dieses Verbot sowohl an denjenigen wendet, der die Tätigkeit ausübt, als auch an denjenigen, der sie anordnet, duldet oder entgegennimmt. Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, steht der dadurch von beiden Parteien geschaffene rechtswidrige Zustand einer schlüssigen Änderung des Arbeitsvertrages im Umfang der vom Verbot betroffenen Arbeitsleistungen entgegen (Arb.9.401 = ZAS 1976/11 mit Besprechung von Stifter).

Der Revisionswerber macht aber in seiner Rechtsrüge im wesentlichen geltend, daß die beklagte Partei seine b-wertige Tätigkeit bewußt entgegengenommen habe und ihm daher auf Grund der rechtsgrundlos erbrachten Leistungen jedenfalls ein Kondiktionsanspruch im Sinne der §§ 1431 ff, 1152 ABGB in Höhe von 30 % der Entgeltdifferenz bezüglich der tatsächlichen Einstufung zur Entlohnungsgruppe b zustehe.

Richtig ist, daß bei Nichtigkeit eines Arbeitsverhältnisses die schon erbrachten, ihrer Natur nach nicht mehr rückstellbaren Arbeitsleistungen nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 877, 1431 ff ABGB) zu vergüten sind. Der Arbeitnehmer kann dabei nicht nur einen dem verschafften Nutzen angemessenen Lohn (§ 1431 ABGB), sondern - unabhängig vom Eintritt eines vermögensmäßig erfaßten Nutzens - ein angemessenes Entgelt verlangen (vgl. Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht2 I 73;

Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 165 ff; Bydlinski, FS Wilburg I 72 ff; Krejci in Rummel ABGB § 1152 Rz 5; Arb.10.534; ZAS 1985/18 mwH !P. Bydlinski = Arb.10.374 = DRdA 1987/5 !Spielbüchler ; infas 1987 A 11 ua), dessen Ermittlung sich im Bereich des Vertragsbedienstetengesetzes nach Entlohnungsschema, Entlohnungsgruppe und Entlohnungsstufe richtet (Stifter in ZAS 1976, 103). Diese Grundsätze können auf den vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht übertragen werden, weil der Arbeitsvertrag des Klägers auch im gegenständlichen Zeitraum nicht schlechthin nichtig war, zumal der Kläger nur einen geringen Teil seiner Arbeitsleistung verbotswidrig erbrachte, und er auch für den Fall einer gültigen und wirksamen Erweiterung seines Tätigkeitsbereiches keinen Anspruch auf ein höheres Entgelt gehabt hätte. Das "angemessene Entgelt" entsprach auch bei einer Teilnichtigkeit des Arbeitsvertrages stets seiner tatsächlichen Einstufung, so daß der Wert seiner Leistung unverändert geblieben ist (vgl. Spielbüchler, DRdA 1987, 123). Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Einstufung eines Vertragsbediensteten in eine bestimmte Entlohnungsgruppe nicht auf den Dienstvertrag, sondern auf die von ihm überwiegend ausgeübte Tätigkeit an (Arb.7.374, 7.632, 8.046, 8.069, 8.495, 9.062, 9.401, 10.374 ua). Darauf, daß die Verabreichung von Spezialmassagen nicht von überragender Bedeutung und Wichtigkeit für die beklagte Partei war (Arb 9.233), haben bereits die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen. Hätte der Kläger diese Leistungen nicht erbracht, wäre diese Art der Behandlung eben nicht angeboten worden. Der Kläger übte somit nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich weitaus überwiegend eine d-wertige Tätigkeit aus, für die er im Rahmen eines gültigen Arbeitsvertrages angemessen entlohnt wurde. Das Krankenpflegegesetz regelt nur die Berechtigung zur berufsmäßigen Ausübung der Krnakenpflegefachdienste und gibt für die Entlohnung von Arbeitnehmern - ebenso wie das im § 10 VBG geregelte Entlohnungsschema I - keinen unmittelbaren Anspruch, sondern nur wichtige Hinweise. Gleichgültig, ob man - wie der Revisionswerber - davon ausgeht, daß die Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes im Zusammenhalt mit der DO Einstufungsrichtlinien vorsehen (Arb.8.185, 8.189, 8.252), oder zugrundelegt, daß es für die Einstufung des Klägers nur auf die tatsächlich geleisteten Dienste ankommt (Arb.10.313; 4 Ob 141/85), bleibt es bei Verrichtung verschiedenwertiger Arbeiten maßgebend, welche Dienste überwiegen. Hätte der Kläger seine höherwertige nicht überwiegende Teiltätigkeit etwa auf dem Gebiet des einschlägigen Kurs- oder Schulungswesens, auf welches das Krankenpflegesetz nicht anzuwenden ist (vgl. Arb.9.240), erbracht, wäre ihm daraus noch kein Anspruch auf eine höhere Entlohnung entstanden. Wenn aber selbst eine zulässige höherwertige Teiltätigkeit keinen höheren Entgeltanspruch des Klägers begründen hätte können, durfte der Kläger aus der Erbringung einer nicht überwiegenden, verbotenen Teiltätigkeit gar keine gesonderte Entlohnung erwarten und die beklagte Partei mußte andererseits nicht mit einer zusätzlichen Erstattungspflicht rechnen (F. Bydlinski aaO 72, 78 f; P. Bydlinksi, ZAS 1985, 155).

Über das bloß auf angemessene Vergütung der höherwertigen Arbeiten gerichtete Begehren hinausgehende Schadenersatzansprüche wurden nicht geltend gemacht (P.Bydlinski aaO 155). Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E14734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00035.88.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19880615_OGH0002_009OBA00035_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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