TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/27 2003/01/0019

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §6 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der C C A in W, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 5-7, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. September 2002, Zl. 221.541/2-XI/38/01, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Spruchpunkt wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Kamerun, reiste am 9. Juni 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 25. Jänner 2001 die Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Z 1 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kamerun gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2001 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 32 Abs. 2 AsylG statt, behob den Erstbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Mit Bescheid vom 23. August 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kamerun gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

Mit Bescheid vom 6. September 2002 wies die belangte Behörde mit Spruchpunkt I. die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes (vom 23. August 2001) gemäß § 7 AsylG ab, stellte mit Spruchpunkt II. gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kamerun nicht zulässig sei und erteilte mit Spruchpunkt III. gemäß § 15 AsylG der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, sie habe am 7. August 2002 im Beisein der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Entscheidung werde folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

"Die Berufungswerberin ist Staatsangehörige von Kamerun und wurde am 2.11.1963 in Yaounde geboren.

Sie reiste am 9.6.2000 von Kamerun über Brüssel kommend, über den Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein. Sie war zum damaligen Zeitpunkt im Besitz eines Reisepasses der Republik Kamerun Nr. 97/323168, ausgestellt am 8.4.1997 in Yaounde, gültig bis 8.8.2002, in welchem sich ein Schengen-Visum Nr. BNL 4341366, ausgestellt von der belgischen Botschaft Yaounde am 9.3.2000, gültig bis 9.6.2000, befand.

Die Berufungswerberin hielt sich in weiterer Folge bei ihrer in Wien lebenden Schwester auf, bevor sie sich entschloss, nach Frankreich zu reisen. Beim Versuch, das österreichische Bundesgebiet per Zug über die Bundesrepublik Deutschland nach Frankreich zu verlassen, wurde die Berufungswerberin im Zuge einer Personenkontrolle am 23.12.2000 am Hauptbahnhof Salzburg aufgegriffen. Die Berufungswerberin hatte ursprünglich nicht vor, dauerhaft in Österreich zu bleiben. Sie hatte die Absicht, für einige Zeit bei ihrer in Österreich lebenden Schwester Aufenthalt zu nehmen und in der Folge nach Frankreich weiterzureisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen und um Asyl anzusuchen. Deshalb stellte sie erst nach ihrer Aufgreifung im Zuge der Zugreise nach Frankreich in Österreich einen Asylantrag.

Die Berufungswerberin arbeitete seit dem Jahr 1985 für den staatlichen Betrieb SNEC (Societe National des Eaux du Cameroun) in Yaounde, einem Betrieb, der für die Aufbereitung und Verteilung des Wassers in Kamerun zuständig ist. Sie war dort als Kontrollorin beispielsweise in der Buchhaltung, Fakturierung, Kassenprüfung und Lagerkontrolle tätig, dies nicht nur in ihrer Filiale in Yaounde, sondern auch in anderen Filialen der SNEC. Von 1987 bis 1997 war sie überdies in dieser Firma Personalvertreterin, wobei sie in dieser Funktion im Juni 1992 für fünf Jahre wiedergewählt wurde. Die Berufungswerberin wurde jeweils in Kontrollbereichen eingesetzt, in welchen ein Mitarbeiter ausfiel. Bereits in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1992 wurden seitens der Polizei Unterschlagungen von Firmengeldern aufgedeckt. Ebenso wie andere Mitarbeiter der Firma wurde auch die Berufungswerberin im Zuge der polizeilichen Untersuchungen von der Polizei festgenommen und über die Finanzgebarung in der SNEC verhört. Im Zuge dieser Verhöre tätigte die Berufungswerberin Aussagen, die in der Folge zur Verhaftung und Entlassung von Kollegen führten. Die Berufungswerberin hingegen konnte sich entlasten. In der Folge wurde sie von Mitarbeitern schikaniert und "gemobbt", da man der Meinung war, dass sie als Personalvertreterin ihre Kollegen nicht zu verraten hätte.

Im Jahr 1996 entdeckte die Berufungswerberin im Zuge ihrer Kontrolltätigkeit, dass ein Produkt, welches für die Wasseraufbereitung erforderlich ist, im Lager der SNEC in Yaounde fehlte und mangels Zugabe dieses Produktes die Wasserqualität nach Ansicht der Berufungswerberin als nicht ausreichend anzusehen war. Aus diesem Grund sah sich die Berufungswerberin veranlasst, den Generaldirektor der SNEC in Douala diesbezüglich auf dem Schriftweg davon in Kenntnis zu setzen. Da sie den Eindruck hatte, dass dieses Schreiben dem Generaldirektor nicht zugegangen war, begab sie sich persönlich nach Douala, um den Generaldirektor zu sehen, wurde jedoch von dessen Sekretärin daran gehindert. In der Folge kehrte sie nach Yaounde zurück und schrieb noch im Jahr 1996 einen Brief mit dem Inhalt, dass das Wasser nicht ordnungsgemäß aufbereitet werde, an den Präsidenten von Kamerun, weil sie der Ansicht war, dass, wenn der Präsident Kameruns über das Problem Bescheid wüsste, er den Brief an den Generaldirektor weiterleiten und entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten würde. In der Folge wurde die Berufungswerberin zu ihrem Abteilungsleiter gerufen und befragt, warum sie einen Brief an den Präsidenten geschrieben habe, ohne ihm dies vorher mitzuteilen. Sie teilte ihrem Vorgesetzten mit, dass die Berichte, die sie gemacht habe, immer in Yaounde hängen geblieben und nie bis Douala gelangt seien. Seit diesem Zeitpunkt war innerhalb der SNEC bekannt, dass die Berufungswerberin einen Brief an den Präsidenten von Kamerun geschrieben hatte.

Im Februar 1996 wurden in der Öffentlichkeit Pläne über eine Privatisierung von Teilen der SNEC bekannt; in diesem Zusammenhang wurde die ganze Vertriebsabteilung, welche auch für die Aufbereitung des Wassers zuständig war, geschlossen. Diese sollte privatisiert werden, damit künftig die Arbeit verbessert werde. Im Zuge dieser Ausgliederung der für die Aufbereitung des Wassers zuständigen Abteilung der SNEC wurden die in dieser Abteilung Beschäftigten - trotz gegenteiliger Zusicherung des Generaldirektors, sie würden von einer anderen Firma übernommen - arbeitslos. Der Berufungswerberin wurde von ihren ehemaligen Kollegen nunmehr vorgeworfen, dass sie mit ihrem Brief an den Präsidenten das Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht habe und ihr eine Mitschuld an den Kündigungen gegeben.

Im Zuge der Privatisierung eines Teiles der SNEC geriet auch der Generaldirektor der SNEC unter Druck der Öffentlichkeit, da er den ehemaligen Mitarbeitern zugesagte hatte, sie würden von einer anderen Firma übernommen werden, diese Zusage jedoch nicht eingehalten wurde. Auch der Präsident von Kamerun wurde in diesem Zusammenhang öffentlich kritisiert, weil er den Generaldirektor der SNEC, welcher - ebenso wie der Präsident selbst - der RDPC (Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais), der Regierungspartei Kameruns, angehört, trotz immer wieder auftretender Vorwürfe über unzureichende Wasserzufuhr und trotz der Pläne über eine Privatisierung der SNEC im Amt beließ.

Auf Grund der der Berufungswerberin unterstellten Mitverantwortung für die Kündigung von SNEC-Mitarbeitern, welche entgegen der Zusage, sie in einer anderen Firma wieder einzustellen, ein Jahr ohne Arbeit waren, war die Berufungswerberin im Jahr 1997 oftmals Racheakten und Übergriffen von ehemaligen SNEC-Mitarbeitern ausgesetzt. So wurde sie des öfteren von ehemaligen Arbeitern der SNEC auf der Straße auf dem Weg zur oder von der Arbeit geschlagen und misshandelt. Dies ging soweit, dass in ihrer Abwesenheit, jedoch in Anwesenheit ihrer Kinder, ihr ganzes Haus ausgeräumt und ihre komplette Einrichtung entfernt wurde, dies unter Hinterlassung einer Notiz, dass 'es noch nicht beendet sei'. Als die Beschwerdeführerin sich an die Polizei wandte, erklärte ihr diese, dass sie keinen Schutz gewähren könne, da nicht genau bekannt sei, wer die Berufungswerberin verfolge. Die Polizei riet der Berufungswerberin, aus ihrem Haus auszuziehen oder einen Wächter einzustellen. Trotz Einstellung eines Wächters wurde das Haus der Berufungswerberin niedergebrannt.

Im Jahre 1998 schrieb die Berufungswerberin einen zweiten Brief an den Präsidenten von Kamerun, welcher denselben Inhalt aufwies wie der erste Brief. In der Folge wurde die Berufungswerberin auf dem Weg nach Hause von Personen in Zivilkleidung, welche ihr aber eine Polizeimarke vorwiesen, gezwungen, mit diesen in ein Auto zu steigen. An einem ihr unbekannten Ort wurde die Berufungswerberin über die SNEC verhört. Ihr wurde untersagt, über das verunreinigte Wasser zu sprechen, damit es nicht zu Unruhen unter der Bevölkerung komme und die Medien nicht darüber berichten würden. Unter der Drohung und Einschüchterung, dass sie fortan diesbezüglich zu schweigen habe, da ihr ansonsten etwas zustoßen würde, wurde die Berufungswerberin wieder freigelassen. Entsprechend der Vermutung der Berufungswerberin hätte es politische Konsequenzen haben können, wenn über das nicht ausreichend aufbereitete Wasser in der Öffentlichkeit berichtet worden wäre, weil es ohnedies schon Unzufriedenheit in der Bevölkerung Kameruns mit der Wasserversorgung und der geplanten Privatisierung des SNEC gab und es überdies im Jahr 1996 eine Typhusepidemie gegeben hatte, welche die Berufungswerberin auf das nicht ausreichend aufbereitete Wasser zurückführte. Dies hätte nach Ansicht der Berufungswerberin auch den Präsidenten von Kamerun in politische Bedrängnis bringen können, da dieser trotz der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Generaldirektor der SNEC, welcher ein einflussreiches Mitglied der RDPC ist, festhielt.

Im Jahr 1996 war die Berufungswerberin überdies an Typhus erkrankt; diese Erkrankung war aber mangelhaft behandelt worden, weshalb die Berufungswerberin bis 1999 an dieser Erkrankung laborierte. Aus diesem Grund sowie auf Grund der ständigen Übergriffe von Kollegen und ehemaligen Arbeitskollegen der SNEC sowie auf Grund der im Zuge ihrer Festnahme durch die Polizei ausgesprochenen Drohungen verließ die Berufungswerberin im Dezember 1998 ihre Arbeit. Sie hielt sich in der Folge bei einer Freundin und danach bei den Eltern dieser Freundin in einem nahe gelegenen Dorf auf. Da sie allerdings auf eine medizinische Behandlung angewiesen war und außerdem befürchtete, nicht von gegenwärtigen oder ehemaligen Mitarbeitern der SNEC unentdeckt leben zu können, entschied sie sich zum Verlassen ihres Heimatlandes.

Festgestellt wird weiters, dass die Berufungswerberin auf Grund ihrer Erlebnisse in ihrem Heimatstaat unter einer chronisch abnormen Belastungsreaktion mit Zügen der PTSD sowie unter einer somatisierenden agitierten Depression und damit verbunden physischen Beschwerden leidet und auf Grund ihrer speziellen seelischen Belastungssituation, welche ihre Ursache in ihren Erlebnissen in Kamerun hat, einer Psychotherapie in Österreich bedarf."

Begründend führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht zu Spruchpunkt I. ihrer Entscheidung aus, die Beschwerdeführerin sei einerseits Übergriffen und Gehässigkeiten von Kollegen bzw. ehemaligen Arbeitskollegen ausgesetzt gewesen, andererseits sei sie von der Polizei Kameruns bedroht worden. Die massiven Übergriffe ehemaliger Arbeitskollegen seien von Privatpersonen ausgehende Verfolgungshandlungen, deren Motivation in der Racheausübung für den Verlust des Arbeitsplatzes, für den die Beschwerdeführerin verantwortlich gemacht worden sei, zu sehen seien; ein Bezug dieser Verfolgung zu einem Konventionsgrund fehle.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ihre Verhaftung und Einschüchterung durch die Polizei im Jahr 1998, wobei man ihr nahegelegt habe, sich nicht wieder über das verschmutzte Wasser in Kamerun zu äußern, da ihr ansonsten etwas zustoßen würde, sei zunächst auszuführen, dass dieser Verfolgung - abgesehen von der Aktualität - noch keine einen Asylgrund erreichende Intensität zukomme. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0078, sei der Begriff der "politischen Gesinnung (oder Anschauung)" ausgelegt und danach ausgeführt worden, dass kriminelle Machenschaften von Politikern, die sich nicht mehr an der Macht befänden, die darauf abzielen würden, die Mitwisser früherer wirtschaftskrimineller Taten dazu zu bringen, ihr Wissen nicht preiszugeben, nicht als Verfolgung wegen (allenfalls auch unterstellter) politischer Gesinnung angesehen werden könnten, weil Kriminalität und Folgehandlungen zu deren Vertuschung nicht der Erhaltung der Ordnung und des Zusammenlebens dienlich seien. Die Beschwerdeführerin sei von der Polizei verhaftet, eingeschüchtert und für den Fall, dass sie nicht schweigen werde, mit Konsequenzen bedroht worden; dies sei - entsprechend den Vermutungen der Beschwerdeführerin - zum Zwecke der Vertuschung eines befürchteten Skandals um nicht ausreichend aufbereitetes Trinkwasser erfolgt. Ein Skandal wegen des von der Beschwerdeführerin vermuteten gesundheitsschädlichen Trinkwassers hätte nämlich den Generaldirektor der ehemals staatlichen und nunmehr teilweise privatisierten Firma SNEC, der ein Mitglied der Regierungspartei sei, und auch des Präsidenten von Kamerun in politische Bedrängnis bringen können. Der Versuch der Vertuschung eines Skandals um eventuell gesundheitsschädliches Trinkwasser sei auch vor dem Hintergrund seiner möglichen politischen Konsequenzen für mitverantwortliche Mitglieder einer Regierungspartei und das Staatsoberhaupt nicht als der Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des Zusammenlebens der Individuen in der Gemeinschaft dienlich anzusehen. Eine infolge des Genusses von verunreinigtem Trinkwasser auftretende Typhusepidemie sei nicht dem Gemeinwohl dienlich. Eine nicht ausreichende Trinkwasseraufbereitung und damit zusammenhängende Handlungen zu deren Vertuschung wie die Verhaftung, Einschüchterung und Bedrohung von Mitwissern auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Verantwortlichen sich noch an der Macht befinden, seien als kriminelle Machenschaften anzusehen, weshalb der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abzuweisen sei, weil keine Verfolgung der Beschwerdeführerin aus Gründen der politischen Gesinnung und auch aus keinem anderen Konventionsgrund drohe.

Über die ausschließlich gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend in ihrer Beschwerde darlegt, kann die belangte Behörde ihre rechtliche Beurteilung (zu Spruchpunkt I. ihrer Entscheidung) auf das hg. Erkenntnis (vom 16. September 1999) zu Zl. 99/01/0078 schon deshalb nicht stützen, weil ein Sachverhalt, wie er dieser Entscheidung zu Grunde lag, im vorliegenden Beschwerdefall nicht vorliegt.

Die belangte Behörde hat die politische Dimension der geltend gemachten Verfolgung ausschließlich aufgrund dieses Erkenntnisses beurteilt. Sie hätte im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall auch die danach ergangene Judikatur (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. November 2001, Zl. 2000/01/0098, vom 12. September 2002, Zl. 2001/20/0310, und vom 30. September 2004, Zl. 2002/20/0293) in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Im Erkenntnis Zl. 2002/20/0293 wurden nämlich - unter Verweis auf das Erkenntnis Zl. 2000/01/0098 - folgende (auch vorliegend zu berücksichtigende) Erwägungen dargestellt:

"Zwar wird man im Allgemeinen nicht schon die Verbrechensbekämpfung oder - allgemeiner - eine ablehnende Einstellung gegenüber Kriminellen und deren Handlungen an sich als Ausdruck einer politischen Meinung ansehen können. Ausgehend von dem im - für den vorliegenden Fall nicht einschlägigen - hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0078, wiedergegebenen Verständnis des 'Politischen' fehlt einer derartigen Einstellung in aller Regel der 'Staatenbezug'; es lässt sich - im Sinn der im eben erwähnten Erkenntnis (nähere Nachweise dort) wiedergegebenen Definition Kälins - nicht sagen, dass es sich dabei um etwas handle, was 'der Staat gegen sich, seine Ordnung, seinen Bestand, eventuell seine Legitimität gerichtet erachtet'. Wären allerdings, wie hier vom Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren behauptet, die staatlichen Behörden vom 'organisierten Verbrechen' unterwandert bzw. mit 'der Mafia verflochten', so bekäme ein spezifisch dagegen gerichtetes Vorgehen insoweit eine politische Komponente, als es sich nicht mehr schlichtweg auf Kriminalitätsbekämpfung reduzieren ließe, sondern gleichzeitig die konkrete 'staatliche Ordnung' (und zwar in ihrer Ausprägung als von Kriminellen beherrschte Gesellschaft) in Frage stellte. Damit wird (was der eingangs dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs widerspräche) nicht jeder zum Flüchtling, der in so strukturierten Staaten Verbrechen zum Opfer fällt oder in der Zukunft kriminelle Handlungen zu seinem Nachteil zu befürchten hat. Entscheidend ist, dass der Betreffende ein Verhalten gesetzt oder eine Äußerung abgegeben hat, welche(s) als Widerstand gegen die besagte 'staatliche Ordnung' verstanden werden kann und er auch deshalb - und nicht etwa allein aus dem Grund, weil der Verübung von Verbrechen nichts 'in den Weg gelegt' werden soll - mit dem Unterbleiben staatlichen Schutzes gegenüber Verfolgungshandlungen in asylrelevanter Intensität rechnen muss."

Nach den getroffenen Feststellungen hat die Beschwerdeführerin ihre Wahrnehmungen über die Wasserversorgung in Kamerun in Briefen an den Generaldirektor und an den Präsidenten von Kamerun dargestellt. Die danach erfolgte, im angefochtenen Bescheid festgestellte Reaktion staatlicher Organe zeigt aber, dass die Kritik der Beschwerdeführerin offenbar als Widerstand gegen die konkrete staatliche Ordnung (in Kamerun) verstanden wurde.

Die Argumentation der belangten Behörde, es würden bloß "kriminelle Machenschaften" vorliegen, greift demnach bei der Beurteilung der Natur der der Beschwerdeführerin drohenden Verfolgung zu kurz. Das festgestellte Vorgehen gegen die Beschwerdeführerin durch staatliche Organe muss vielmehr vor seinem festgestellten Hintergrund bei objektiver Betrachtungsweise aus Perspektive des Verfolgerstaates als politisch motiviert gewertet werden.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Spruchpunkt gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010019.X00

Im RIS seit

28.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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