TE OGH 1988/6/16 6Ob607/88

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Veröffentlicht am 16.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Wolfram Heimo P***, geboren am 30. Mai 1970, im Haushalt seiner Mutter Brigitte W***-C***, Sozialarbeiterin, Wien 22., Biberhaufenweg 78/1/4, wegen Änderung der Sorgerechtsausübung, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Heimo P***, Direktor, Spittal an der Drau, Ulrich von Cilli Straße 16, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 28. April 1988, GZ. 3 R 92/88-138, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 5. Januar 1988, GZ. P 27/77-135, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das pflegebefohlene Kind kam am 30. Mai 1970 zur Welt. Durch die ein Jahr später vollzogene Eheschließung seiner Eltern wurde es legitimiert. Im März 1976 verließ die Mutter die Ehewohnung. Seither leben beide Elternteile voneinander getrennt. Ihre Ehe wurde Mitte des Jahres 1977 geschieden.

Das Kind wuchs seit dem Sommer 1976 bei seinem Vater auf. Diesem wurden mit dem pflegschaftsgerichtlichen Beschluß vom 12. Oktober 1978 (ON 46) die Elternrechte zur alleinigen Ausübung zugewiesen. Der Vater hat sich im Oktober 1978 wieder verehelicht. Auch die Mutter ging eine weitere Ehe und nach deren Auflösung im Jahre 1982 eine dritte Ehe ein. Der persönliche Verkehr zwischen Mutter und Kind gestaltete sich durch die räumliche Entfernung der beiderseitigen ständigen Aufenthaltsorte, aber auch aus persönlichen Gründen nicht problemlos. Zu einem Antrag der Mutter auf Änderung der Besuchsregelung erklärte das Kind, das damals die zweite Klasse einer Handelsakademie besuchte, noch im April 1986, die Mutter sei ihm "doch fremd geworden", es empfinde kein Bedürfnis nach persönlichem Verkehr mit ihr, worauf die Mutter ihren Antrag auf Neuregelung des Besuchsrechtes zurückzog.

Am 21. März 1987 verließ der damals im 17. Lebensjahr stehende Minderjährige den Haushalt seines Vaters, der aus beruflichen Gründen sich die Arbeitswoche über in einem anderen Bundesland aufhält und nur zu den Wochenenden und Urlaubszeiten daheim weilt, und fand Aufnahme bei seiner Mutter.

Seither lebt der Minderjährige in deren Haushalt und erklärte wiederholt, nicht mehr zu seinem Vater zurückkehren zu wollen. Die Mutter stellte im Hinblick auf diese geänderte Haltung des Kindes den Antrag, in Abänderung der bestehenden Sorgerechtsregelung die elterlichen Rechte anstatt dem Vater ihr zur alleinigen Ausübung zuzuweisen (ON 110). Nach Aufhebung einer diesem Antrag stattgebenden pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung (ON 123) durch das Rekursgericht (ON 126) entschied das Pflegschaftsgericht im zweiten Rechtsgang neuerlich im Sinne des Antrages der Mutter. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Beide Vorinstanzen waren in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß bei dem in das 18.Lebensjahr getretenen Minderjährigen eine nicht bloß auf augenblicklicher Gemütslage, sondern auf einer allmählich entwickelten Grundeinstellung beruhende Abneigung gegen einen Verbleib im väterlichen Haushalt besteht und kein konkreter Umstand vorhanden ist, aus dem eine Gefährdung der weiteren Entwicklung des Minderjährigen in physischer, psychischer und charakterlicher Hinsicht bei einem Verbleib im mütterlichen Haushalt besorgt werden müßte. Vor allem mit Rücksicht auf das Alter des Minderjährigen, der inzwischen sein 18.Lebensjahr vollendete, erachteten es beide Vorinstanzen dem Erziehungsziel abträglich, den sich nun gegen eine Betreuung durch den Vater und dessen zweite Ehefrau ernstlich sträubenden Minderjährigen zu einer Rückkehr in den väterlichen Haushalt zwingen zu wollen. In der subjektiven Haltung des Vaters zu der geänderten familiären Lage und nicht zuletzt in dem dabei gegenüber seiner geschiedenen Frau gebrauchten Ton erblicken beide Vorinstanzen eine Einsichtslosigkeit, die eine beschlußmäßige Regelung im Sinne der tatsächlich geänderten Verhältnisse im Kindeswohl gelegen sein ließe.

Der Vater ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit einem auf Abweisung des Sorgerechtsantrages der Mutter zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an. Als Rekursgründe führt er vermeintliche Verfahrensmängel, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung aus.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16 Abs. 1 AußStrG findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz "nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt".

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die Erklärungen des Minderjährigen zum Besuchsregelungsantrag der Mutter wurden in Übereinstimmung mit dem protokollierten Inhalt zugrundegelegt. Der Schluß auf die Ernsthaftigkeit der ein Jahr später in drastischer Weise zum Ausdruck gebrachten Sinnesänderung des Minderjährigen ist eine Tatfrage, die Gewichtung dieser Sinnesänderung für die Aussichten einer künftigen Erziehung durch den einen oder anderen Elternteil eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Verfahrensmängel vermögen einen nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrund nur unter der Voraussetzung zu begründen, daß der Verstoß mit Nichtigkeit bedroht ist. Das ist beim Absehen von der Aufnahme der vom Rechtsmittelwerber angebotenen Beweise aus den vom Rekursgericht mit nachvollziehbarer Begründung gebilligten Erwägungen nicht der Fall.

Die Rüge unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist im Anwendungsfall des § 16 Abs. 1 AußStrG nur unter der Voraussetzung beachtlich, daß ein augenfälliger Verstoß gegen eine positive gesetzliche Regelung und deren nach anerkannten Auslegunsregeln einzig denkbaren Sinngehalt oder gegen Grundsätze der Rechtsordnung dargetan wurde. Zulässiger Anfechtungsgrund ist nämlich nur eine offenbare Gesetzwidrigkeit.

Bei der zu fällenden Entscheidung über eine Abänderung der seit Jahren aufrechten Sorgerechtsregelung waren sämtliche im § 178 a ABGB aufgezählten Umstände zu berücksichtigen. Die Vorinstanzen haben dies wohl beachtet, die gegeneinander abzuwägenden Umstände aber anders gewichtet, als es dem Rechtsmittelwerber geboten erschiene. Damit wird keine offenbare Gesetzwidrigkeit aufgezeigt.

Die vor allem zu berücksichtigende Persönlichkeit des Kindes erfordert bei einem richtigen Verständnis des Erziehungsgedankens eine Veranschlagung der vorhandenen und mit angemessenen Erziehungsmitteln erzielbaren Bereitschaft des Kindes, sich von der als Erziehungsberechtigten in Frage stehenden Person tatsächlich leiten zu lassen. Wenn die Vorinstanzen bei einem nunmehr 18 Jahre alten Sohn, der - aus welchen Gründen immer - nunmehr seinen Vater mit Entschiedenheit als Erziehungsperson ablehnt, die Wertung vorgenommen haben, eine weitere Hilfestellung für den Heranwachsenden in seiner charakterlichen, psychischen und physischen Entwicklung durch die Mutter sei trotz Abganges eines intensiven persönlichen Kontaktes während der gesamten bisherigen Schulzeit aussichtsreicher als eine solche durch den nun vom Minderjährigen abgelehnten Vater, kann das keinesfalls als offenbar gesetzwidrig bezeichnet werden. Kommt doch auch in der positiven gesetzlichen Regelung des § 29 Abs. 2 JWG zum Ausdruck, daß gewisse Maßnahmen der Erziehungshilfe (nämlich die Fürsorgeerziehung), wenn der Minderjährige das 18.Lebensjahr erreicht hat, im Regelfall nicht anzuwenden sind, mit anderen Worten, bei einem Alter des Minderjährigen von 18 Jahren auch von angemessenem Zwang in der Erziehung regelmäßig kein nachhaltiger Erfolg mehr erwartet werden dürfe.

Mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E14676

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00607.88.0616.000

Dokumentnummer

JJT_19880616_OGH0002_0060OB00607_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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