TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/27 2005/18/0140

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/18/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerden

1. der A, geboren 1970, und 2. des D, geboren 1973, beide in Wien, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Seifert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien je vom 21. März 2005, Zl. SD 267/05 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin; hg. Zl. 2005/18/0140) und Zl. SD 268/05 (betreffend den Zweitbeschwerdefrührer; hg. Zl. 2005/18/0141), je betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. März 2005 wurden die Beschwerdeführer, ein Ehepaar mit mazedonischer Staatsangehörigkeit, je gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführer seien am 30. Oktober 2001 illegal nach Österreich eingereist und hätten am 2. November 2001 Asylanträge gestellt, welche am 6. September 2002 und am 9. September 2002 rechtskräftig abgewiesen worden seien. Am 5. November 2002 habe die Erstbeschwerdeführerin, am 5. Februar 2003 der Zweitbeschwerdeführer einen weiteren Asylantrag eingebracht. Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin sei am 28. April 2004, jener des Zweitbeschwerdeführers am 11. Mai 2004 rechtskräftig abgewiesen worden. Während des Asylverfahrens hätten die Beschwerdeführer über vorläufige Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz verfügt. Den von beiden Beschwerdeführern eingebrachten Beschwerden gegen die Abweisung des zweiten Asylantrages sei vom Verwaltungsgerichtshof zunächst aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. In der Folge sei die Behandlung dieser beiden Beschwerden abgelehnt worden. Die Beschwerdeführer seien weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch sonst zum Aufenthalt berechtigt. Sie seien nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben und hielten sich sohin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 FrG seien somit erfüllt. Die Beschwerdeführer lebten seit etwa dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet und verfügten über familiäre Bindungen zu einander und zu ihren beiden Kindern. Die Ausweisung sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch dringend geboten. Die rechtswidrige Fortsetzung des inländischen Aufenthalts nach Abweisung der Asylanträge stelle einen gravierenden Verstoß gegen das große Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Die Bindung der Beschwerdeführer zu ihren im Inland lebenden Angehörigen werde in zweifacher Hinsicht relativiert. Zum einen hätten die Beschwerdeführer nicht damit rechnen dürfen, auf Grund der von ihnen eingebrachten Asylanträge gemeinsam mit dem Ehegatten und den Kindern auf Dauer in Österreich zu leben. Zum anderen sei jeweils auch der Ehegatte auf Grund des unrechtmäßigen Aufenthalts ausgewiesen worden.

Die vorgenannten Ausführungen finden sich in den insoweit im Wesentlichen gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide. Im die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid wird darüber hinaus Folgendes ausgeführt:

Die Erstbeschwerdeführerin habe vorgebracht, lärmempfindlich und psychisch äußerst labil zu sein. Überdies würde sie an einem Tumor in der Brust leiden. Die Behandelbarkeit ihrer Krankheiten wäre in Mazedonien nicht gesichert. Dazu sei auszuführen, dass bei der Beschwerdeführerin auf Grund der vorgelegten Befunde eine Belastungsreaktion mit Konversionssymptomatik, welche zufriedenstellend medikamentös eingestellt sei, bestehe. Aus psychopathologischer Sicht bestehe bei der Beschwerdeführerin ein Störbild mit hochgradiger Nervosität und Stressanfälligkeit, Kopf- und Augenschmerzen, innerer Unruhe, Druck auf die Brust, zeitweisen Schlafstörungen, fallweisen Albträumen, Mundtrockenheit und Appetitverlust. Außerdem leide die Beschwerdeführerin an einem gutartigen Gewächs im Bereich der Brust, welches grundsätzlich einer sonographischen Kontrolle unterzogen werden müsse, sowie an einer Zyste im Bereich des rechten Eierstocks.

Aus dieser Krankengeschichte lasse sich kein derart schweres Erkrankungsbild ableiten, das die Erforderlichkeit einer lebensnotwendigen Behandlung in Österreich nach sich ziehen würde. Auf Grund der bestehenden medizinischen Grundversorgung in Mazedonien könnten die Krankheiten der Beschwerdeführerin in Mazedonien behandelt werden, sodass keinesfalls die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung in Österreich bestehe. Zusammenfassend sei daher auszuführen, dass das derzeitige nicht lebensbedrohende Krankheitsbild der Beschwerdeführerin auch in Mazedonien behandelbar sei.

Weiters findet sich in der Begründung beider Bescheide der Hinweis, dass im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten der Beschwerdeführer sprechender Umstände der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführer auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden könne. Dies umso weniger, als die Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage seien, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, jeweils inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden mit den Begehren, den jeweils angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten der beiden Verwaltungsverfahren vor, sah jedoch von der Erstattung von Gegenschriften ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Die Beschwerdeführer haben unstrittig nie über einen Aufenthaltstitel verfügt; ihre Asylanträge sind rechtskräftig abgewiesen worden; der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen die Abweisung der Asylanträge gerichteten Beschwerden abgelehnt. Auf Grundlage dieses Sachverhalts begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts seit 30. Oktober 2001, also seit etwa drei Jahren und fünf Monaten, den Aufenthalt des jeweiligen Ehegatten und der beiden - laut Akteninhalt am 6. Mai 1998 und am 14. Mai 2000 geborenen - Kinder berücksichtigt. Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird dadurch entscheidend gemindert, dass der Aufenthalt nur auf Grund von Asylanträgen, die sich als unberechtigt erwiesen haben, vorläufig berechtigt war. Die Beziehung zum jeweiligen Ehegatten wird - was von der Behörde richtig erkannt wurde - dadurch relativiert, dass beide Ehegatten ausgewiesen wurden. Hinweise auf Umstände, die einer gemeinsamen Ausreise der Kinder mit ihren Eltern entgegen stünden, finden sich weder in der Beschwerde noch im sonstigen Akteninhalt; insbesondere stellt der vorgebrachte Besuch der ersten Klasse Volksschule durch das ältere Kind angesichts der insgesamt noch nicht langen Aufenthaltsdauer der gesamten Familie keinen solchen Umstand dar.

Die Beschwerdeführer haben trotz ausdrücklicher Frage der Erstbehörde (Blatt 112 im Akt betreffend die Erstbeschwerdeführerin; Blatt 103 im Akt betreffend den Zweitbeschwerdeführer) nach Namen, Anschrift, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit von Angehörigen in Österreich nicht vorgebracht, dass sich eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin im Inland befinde und bereits österreichische Staatsangehörige sei. Beim diesbezüglichen Beschwerdevorbringen handelt es sich somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Die Erstbeschwerdeführerin hat sich im Verfahren über ihren zweiten Asylantrag u.a. darauf gestützt, krank zu sein und bereits vor ihrer Einreise nach Österreich zweimal operiert worden zu sein. Dazu hat das Bundesasylamt in seinem diesen Asylantrag abweisenden Bescheid vom 18. März 2004 (Blatt 32 ff des die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Verwaltungsakts) festgestellt, dass laut der "ACCORD"-Mitteilung vom 16. Februar 2004 Brustoperationen mit Geschwulstentfernung bei ethnischen Albanern in mehreren namentlich genannten Krankenhäusern Mazedoniens theoretisch und praktisch möglich seien. Auch die postoperative Strahlen- bzw. Chemotherapie sei in Skopje möglich. Die weitere medizinische Behandlung der Erstbeschwerdeführerin in Mazedonien sei daher gewährleistet.

Die Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren mit Stellungnahme vom 21. Dezember 2004 ausgeführt, lärmempfindlich zu sein, extrem sensibel auf Konflikte mit ihrem Umfeld zu reagieren, eine mangelhafte Impulskontrolle zu haben und psychisch äußerst labil zu sein. Dazu hat sie sich auf ein psychiatrisches Gutachten berufen, das sie jedoch - entgegen ihrer Ankündigung - ihrer Stellungnahme nicht beigelegt hat. In dieser Stellungnahme hat sie weiters ausgeführt, dass die Behandlung ihrer psychischen und physischen Leiden in Mazedonien "alles andere als gesichert" sei, ohne dies in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Dieses Vorbringen hat sie in der Berufung vom 14. Februar 2005 wiederholt. Erst über Aufforderung durch die belangte Behörde vom 21. Februar 2005 hat die Erstbeschwerdeführerin ein Konvolut von Krankengeschichten und Befunden vorgelegt. Aus diesen Befunden ergibt sich unstrittig, das im angefochtenen Bescheid festgestellte - nicht lebensbedrohende - Krankheitsbild.

Die belangte Behörde vertrat - in Übereinstimmung mit der von ihr eingeholten chefärztlichen Stellungnahme (Blatt 155) - die Ansicht, dass die Krankheiten der Erstbeschwerdeführerin in Mazedonien behandelt werden könnten. Die Erstbeschwerdeführerin behauptet zwar, dass sie bei Bekanntgabe dieser Meinung durch die belangte Behörde im Verwaltungsverfahren "durch Vorlage entsprechender Berichte von Amnesty International und humanitären Hilfsorganisationen" hätte belegen können, dass eine medizinische Grundversorgung für heimkehrende Flüchtlinge in Mazedonien nicht gewährleistet sei. Sie bringt aber auch in der Beschwerde nicht vor, aus welchen konkreten Gründen ihre Krankheiten in Mazedonien nicht behandelt werden könnten und tut daher die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass - wie sich aus den bei den Verwaltungsakten erliegenden Auszügen aus dem "AIS" ergibt - vom unabhängigen Bundesasylsenat rechtskräftig festgestellt worden ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien zulässig ist.

Gegen die Feststellung der belangten Behörde betreffend die Behandelbarkeit der Krankheiten der Erstbeschwerdeführerin in Mazedonien bestehen nach dem Gesagten keine Bedenken.

Insgesamt kommt den privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet somit zwar ein beachtliches, aber doch kein sehr großes Gewicht zu.

Diesen persönlichen Interessen steht gegenüber, dass sich die Beschwerdeführer, die bereits illegal nach Österreich eingereist sind, jedenfalls seit Ablehnung ihrer gegen die abweisenden Asylbescheide gerichteten Beschwerden durch den Verwaltungsgerichtshof - welche nach dem Beschwerdevorbringen vor Erlassung der Bescheide erster Instanz vom 28. Jänner 2005 erfolgte - unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten. Dies stellt eine große Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, dar.

Unter gehöriger Abwägung der dargestellten Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und demnach im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Umstände, die eine Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen des der Behörde gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens geboten erscheinen ließen, sind weder aus den Beschwerden noch aus den Verwaltungsakten ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für Gründe, aus denen die Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 2 FrG zur Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom Inland aus berechtigt wären. Für die belangte Behörde bestand daher keine Veranlassung, vom genannten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführer Gebrauch zu machen.

4. Da sich die Beschwerden somit als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005180140.X00

Im RIS seit

24.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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