Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Wilhelm N***, Rechtsanwalt, Hernalser Hauptstraße 116, 1170 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Felicia H***, Private, Theresianumgasse 3/31, 1040 Wien, und 2.) Helmut N***, Journalist, Stuckgasse 13/9, 1070 Wien, vertreten durch Dr. Wilhelm Noverka und Dr. Elisabeth Stanek-Noverka, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Eva F***, Angestellte,
Seuttergasse 52/3/10, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Otto Köhler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert S 950.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Juli 1987, GZ 4 R 118/87-38, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. März 1987, GZ 8 Cg 230/84-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am 11. Mai 1982 schlossen Felicia H*** und der Zweitkläger Helmut N*** als Verkäufer und die Beklagte als Käuferin einen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 1614 KG Rudolfsheim, Haus Schwendergasse 61, Winckelmannstraße 38 um den Kaufpreis von S 950.000,-- (S 650.000,-- Kaufpreisanteil für H***, S 300.000,-- für den Zweitkläger) ab. Im Pkt. IV dieses Kaufvertrages (Beil./B) wurde vereinbart, daß die Verkäufer für die Lastenfreiheit des Vertragsgegenstandes haften. Die Verkäufer erklärten und übernahmen Gewähr dafür, daß der Vertragsgegenstand frei von baubehördlichen Bauaufträgen ist. Weiters schlossen die Vertragsteile als Treugeber und RA Dr. Manfred P*** als Treuhänder am 11. Mai 1982 zu dem Kaufvertrag eine Treuhandvereinbarung (Beil./A) ab. Die Punkte II. und III. dieser Vereinbarung lauten:
"Die Treugeber vereinbaren einvernehmlich den Gesamtkaufpreis von S 950.000,-- zu treuen Handen beim Vertragserrichter und Treuhänder Dr. Manfred P*** zu erlegen und nehmen unter einem den Erlag vor. Der Treuhänder bestätigt per contractum den Erhalt des gesamten Treuhanderlages von S 950.000,--. Die Treugeber beauftragten den Treuhänder unwiderruflich, aus dem Treuhanderlag an die Verkäufer die ihnen zustehenden Kaufpreissummen, zuzüglich anteilsmäßigen Zinsen, auszuzahlen und zu überweisen, wenn nachstehend angeführte Bedingungen erfüllt und eingetreten sind:
1.) Übergabe des Originalrangordnungsbescheides TZ 1133/81 des BG Fünfhaus an den Treuhänder.
2.) Vorliegen eines Rangordnungsbescheides für die beabsichtigte Veräußerung hinsichtlich der Anteile Helmut N***,
3.) Lastenfreiheit der Liegenschaft TZ 1614 des Grundbuchs der KG Rudolfsheim, wobei insbesondere die Rechtskraft der Löschungen sämtlicher Zwischeneintragungen im Lastenblatt, die im Range der vorangeführten Rangordnung TZ 1133/81 nachgehen, eingetreten sein muß,
4.) Nachweis der Freiheit des Vertragsgegenstandes von baubehördlichen Bauaufträgen,
5.) ordnungsgemäße Übergabe sämtlicher Hausverwaltungsunterlagen an die Käuferin und Nachweis der Zahlung sämtlicher Verbindlichkeiten aus der Betriebskostenverrechnung des vertragsgegenständlichen Hauses bis zum Verrechnungsstichtag 11. Mai 1982.
III.
Der Treuhänder ist verpflichtet, den Treuhanderlag auf einem ÖCI Sparbuch zum Zinssatz für täglich fällige Sparanlagen (derzeit 10 % p.a.) zu veranlagen. Die anreifenden Zinsen gebühren den Verkäufern und zwar im Verhältnis ihrer zustehenden Kaufpreissummen. Der Treuhänder ist somit unwiderruflich beauftragt, nach Eintritt der vorangeführten Bedingungen die Kaufpreissumme von S 650.000,-- zuzüglich anteiligen Zinsen für Felicia H*** auf das Kto. Nr. 227 105 761 beim Bankinstitut Österr. Länderbank, lautend auf Susanne T*** und die Kaufpreissumme im Betrage von S 300.000,-- zuzüglich anteiligen Zinsen für Helmut N*** auf das Konto 6300 49734 beim Bankinstitut Erste Österr. Spar-Casse zu überweisen."
Diesen schriftlichen Verträgen waren zwischen dem Rechtsvertreter der Verkäuferseite Dr. Georg K*** und dem Rechtsvertreter der Käuferin Dr. P*** mündliche Vertragsverhandlungen vorausgegangen.
Mit rechtskräftigem Bescheid der Baupolizei vom 14. Februar 1982 (richtig: 1980 vgl. Beil./1) wurde den Liegenschaftseigentümern aufgetragen, die teilweise schadhaften gassenseitigen Fensterflügel und Fensterstöcke an den Fronten der Schwendergasse und Winckelmannstraße instandsetzen zu lassen. Nach dem rechtskräftigen Bescheid vom 6. Oktober 1980 war das schadhafte Sandsteinmauerwerk des gassenseitigen Hauptgesims im Eckbereich
Schwendergasse - Winckelmannstraße instandsetzen zu lassen (Beil./2 und Bauakte).
Über das Vermögen der Verkäuferin Felicia H*** wurde am 1. Juni 1982 der Konkurs eröffnet und RA Dr. Wilhelm N*** zum Masseverwalter bestellt (Beil./D). Dr. Manfred P*** als Treuhänder der Streitteile weigerte sich, die bei ihm erlegte Kaufpreissumme an die Verkäufer auszuzahlen, weil die Bedingungen des Kaufvertrages, nämlich die Freiheit von Bauaufträgen und die ordnungsgemäße Übergabe der Hausverwaltungsunterlagen nicht erfüllt worden seien (Schreiben Beil./5). Mit Schreiben vom 6. Juli 1983 (Beil./G) unterbreitete Dr. P*** namens seiner Mandantin, der nunmehrigen Beklagten, ein Anbot zur außergerichtlichen Erledigung des auf Grund des Kaufvertrages vom 11. Mai 1982 erliegenden Treuhanderlages von S 950.000,--. Danach wäre die Beklagte bereit, einer Auszahlung eines Betrages von S 300.000,-- zuzustimmen. Weiters würde die Beklagte der Auszahlung eines weiteren Betrages von S 100.000,-- unter der Bedingung zustimmen, daß sämtliche Hausverwaltungsunterlagen bis zum 31. Dezember 1983 übergeben werden. Auf Grund des abgeschlossenen Kaufvertrages wurde die Beklagte bücherliche Eigentümerin der klagsgegenständlichen Liegenschaft.
Mit der am 9. Juli 1984 erhobenen Klage begehrten Dr. Wilhelm N*** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Felicia H*** und Helmut N*** die Beklagte schuldig zu erkennen, der Ausfolgung des Treuhanderlages durch Dr. Manfred P*** an die klagenden Parteien, und zwar des Betrages von S 650.000,-- samt angereiften Zinsen an den Erstkläger sowie des Betrages von S 300.000,-- samt angereiften Zinsen an den Zweitkläger zuzustimmen. Felicia H*** und der Zweitkläger hätten Dr. P*** als Treuhänder unwiderruflich beauftragt, die Kaufpreissumme an die klagenden Parteien bei Erfüllung der nachstehenden Bedingungen auszuzahlen: Übergabe des Rangordnungsbescheides an den Treuhänder, Lastenfreiheit der Liegenschaft, Nachweis der Freiheit von baubehördlichen Bauaufträgen und ordnungsgemäße Übergabe sämtlicher Hausverwaltungsunterlagen und Nachweise der Zahlung der Verbindlichkeiten aus der Betriebskostenverrechnung. Sämtliche Bedingungen mit Ausnahme des Nachweises der Freiheit von baubehördlichen Bauaufträgen seien erfüllt worden. Da allen Vertragsparteien bei Abschluß des Kaufvertrages bekannt gewesen sei, daß solche Bauaufträge vorhanden seien, sei bezüglich dieses Vertragspunktes wegen tatsächlicher Unmöglichkeit Teilnichtigkeit eingetreten; allenfalls stünde der Beklagten gegen die Kläger ein Gewährleistungsanspruch zu. Die notwendigen Reparaturkosten über die von der Magistratsabteilung 37 am 14. Februar 1980 und 6. Oktober 1980 rechtskräftig erlassenen Bauaufträge hinaus betrügen ohne Umsatzsteuer S 376.368,--. Hievon seien die Zeitschäden abzuziehen, sodaß die nach den Bauaufträgen durchzuführenden Arbeiten einen Betrag von S 95.754,-- erforderten. Der Treuhänder, der auch Rechtsbeistand der Beklagten gewesen sei, weigere sich wegen Nichteintrittes der Bedingungen den Treuhanderlag auszufolgen. Da eine allen Vertragsparteien bekannte Unmöglichkeit einer Leistung gegeben gewesen sei und die vorhandenen Bauaufträge keinesfalls den Wert der klagsgegenständlichen Liegenschaft geschmälert hätten, müßte ihnen der gesamte Treuhanderlag samt angereiften Zinsen zukommen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kaufvertragsvereinbarungen seien über die Rechtsvertreter der Streitteile nach zahlreichen Besprechungen vereinbart worden. Erst nach der Verbücherung des Kaufvertrages habe sie von den beiden rechtskräftigen Bauaufträgen Kenntnis erlangt. Die Bedingung laut Punkt II. 4.) des Treuhandvertrages sei daher nicht eingetreten. Da auch eine ordnungsgemäße Übergabe der Hausverwaltungsunterlagen nicht erfolgt sei, sei auch Punkt II. 5.) der Treuhandvereinbarung nicht erfüllt. Eine Unmöglichkeit bzw. Teilnichtigkeit der mit den Klägern geschlossenen Vereinbarung liege nicht vor. Der Nachweis der Freiheit des Vertragsgegenstandes von baubehördlichen Aufträgen könne ganz einfach durch Erfüllung der Aufträge erbracht werden. Im Umfang der Kosten der Instandsetzungsarbeiten zur Erfüllung der Bauaufträge machte die Beklagte eine Gegenforderung von S 639.512,80 geltend. Weiters führte die Beklagte aus, daß ihre Zustimmung zur Ausfolgung aus dem Treuhanderlag nicht erforderlich sei, es sei daher die Passivlegitimation nicht gegeben.
Im Hinblick auf das Ableben des Treuhänders Dr. P*** modifizierte die klagende Partei im Zuge des Verfahrens das Klagebegehren dahin, daß die beklagte Partei schuldig sei, der Ausfolgung des Treuhanderlages durch die Verlassenschaft nach Dr. Manfred P*** bzw. vertretungsberechtigte Personen zuzustimmen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß eine echte Treuhandvereinbarung vorliege. Dr. P*** habe als Treuhänder und Vertreter der Beklagten eine Doppelstellung gehabt. Dispositionen lediglich eines Treugebers, die dem anderen offenbar zum Nachteil gereichten, habe er nicht berücksichtigen dürfen. Auf Grund der Treuhandvereinbarung habe Dr. P*** zu prüfen gehabt, ob die Bedingungen für die Auszahlung des Kaufpreises eingetreten seien. Die Kläger hätten sich daher wegen der Herausgabe des Treuhanderlages an den Treuhänder bzw. dessen Rechtsnachfolger wenden müssen, sie könnten aber nicht von der Beklagten die Zustimmung zur Ausfolgung verlangen. Die Beklagte habe dem Treuhänder bereits einen entsprechenden unwiderruflichen Auftrag erteilt; sie sei ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen und habe den Kaufpreis beim Treugeber erlegt. Die von der Beklagten geforderte Zustimmung würde einer Vertragsänderung und einem Verzicht auf die Geltendmachung der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages gleichkommen. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der klagenden Parteien nicht Folge, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, insgesamt S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der in der Berufung geltend gemachten Aktenwidrigkeit und Verfahrensmängel und legte die vom Erstgericht getroffenen und nach Ansicht des Berufungsgerichtes für die rechtliche Beurteilung auch ausreichenden Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde. In Erledigung der Rechtsrüge der Berufungswerber pflichtete das Berufungsgericht vorerst den klagenden Parteien insofern bei, als der von der Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Passivlegitimation nicht berechtigt sei. Bei dem zwischen den Streitteilen und Dr. P*** abgeschlossenen Vertrag handle es sich um ein mehrseitiges Treuhandverhältnis, bei dem die Streitteile als Treugeber Rechtsanwalt Dr. P*** als Treuhänder gegenüberstünden. Im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder gelte Auftragsrecht mit den aus dem Wesen des jeweils im Anlaßfall konkret gegebenen Treuhandverhältnissen entspringenden Besonderheiten. Dies bedeute, daß bei mehrseitiger Treuhand der Widerruf von Seiten eines Treugebers nicht möglich sei, daß die Befolgung der Weisungen eines Treugebers nur unter Wahrung der Interessen des anderen erfolgen dürfe (Strasser in Rummel, ABGB, Rdz 42 zu § 1002). Daraus ergäbe sich für den vorliegenden Fall, daß wohl keine der Parteien an den Treuhänder eine Weisung erteilen könne, die die Interessen der anderen Partei verletze, daß aber der Treuhänder auch nicht gegen den Auftrag einer der Parteien über den treuhändig erlegten Betrag verfügen könne. Es dürfe allerdings nicht übersehen werden, daß im vorliegenden Fall die Treugeber den Treuhänder "unwiderruflich" beauftragt hätten, bei Vorliegen der schon zitierten Voraussetzungen den Kaufpreis auszuzahlen. Diese Vereinbarung schließe aber die Erteilung von Weisungen nicht aus. Es sei nämlich die Frage des Widerrufes eines Auftrages (§ 1020 ABGB) von jener der Erteilung von Weisungen zu trennen. Überdies wäre ein derartiger genereller Widerrufsverzicht nicht gültig (Strasser, aaO Rdz 4 zu §§ 1020 bis 1026). Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Ansicht sei die Zustimmung der Beklagten zur bzw. deren Widerspruch gegen die Ausfolgung des Treuhandbetrages daher von Relevanz. Die vom Erstgericht getroffene Lösung würde dazu führen, daß der Treuhänder gezwungen wäre, auf sein Prozeß- und Kostenrisiko einen Rechtsstreit darüber zu führen, ob die vereinbarten Bedingungen erfüllt sind, wobei er auf die (widerstreitenden) Angaben der Treugeber angewiesen wäre. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hätten daher die Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zur Ausfolgung des erlegten Betrages, falls die vereinbarten Bedingungen erfüllt seien. Die Prüfung der Frage, ob die vereinbarten Bedingungen erfüllt sind, ergäbe, daß die von den Klägern vertretene Rechtsansicht, die Erfüllung des Punktes (richtig: II. 4.) des Treuhandvertrages sei unmöglich, es sei daher Teilnichtigkeit gegeben, unrichtig sei. Auch wenn man davon ausginge, daß den Streitteilen die Bauaufträge bekannt gewesen seien, so bewirke dies keinesfalls Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung. Geschuldet sei die genannte Liegenschaft frei von baubehördlichen Aufträgen gewesen. Die Herbeiführung dieses Zustandes sei, wie die Beklagte zutreffend ausführe, durch Erfüllung dieser Aufträge auch möglich. Unmöglichkeit im Sinne des § 878 ABGB sei ja nur dann gegeben, wenn die geschuldete Leistung rechtlich unmöglich oder faktisch absurd sei (Koziol-Welser I7, 128). Sei die Leistung aber sonst unmöglich, so komme das Geschäft gültig zustande, der Schuldner müsse versuchen, den geschuldeten Erfolg herbeizuführen (Koziol-Welser, aaO, 129). Welche Rechtsfolgen einträten, wenn der Schuldner die Leistung endgültig nicht erbringen könne, also schlichte Unmöglichkeit vorliege, brauche hier nicht weiter geprüft zu werden, da diesbezügliche Behauptungen nicht aufgestellt worden seien. Die Kläger hätten zwar Unmöglichkeit geltend gemacht, aber nicht darzulegen vermocht, weshalb die Erfüllung der Bauaufträge nicht möglich wäre. An sich wäre die Beklagte nach Übergabe des Kaufgegenstandes auf die Gewährleistungsansprüche beschränkt (Koziol-Welser, aaO, 242). Im vorliegenden Fall sei allerdings im Treuhandvertrag (auch zwischen den Parteien) festgelegt worden, daß der Kaufpreis den Verkäufern erst bei Erfüllung der festgelegten Bedingungen zukommen solle. Unstrittig sei nun, daß Punkt II. 4.) der Bedingungen nicht erfüllt sei, sodaß das Erstgericht im Ergebnis zu Recht mit Klagsabweisung vorgegangen sei.
Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen des Ausspruches über den Wert des Streitgegenstandes zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Bei der im Hinblick auf die in der Revision gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge nach allen Richtungen hin vorzunehmenden Überprüfung der rechtlichen Beurteilung der Rechtssache durch die Vorinstanzen ist vorerst davon auszugehen, daß der von den Streitteilen mit Dr. P*** abgeschlosssene Treuhandvertrag nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern im Zusammenhang mit dem ihm zugrundeliegenden Kaufvertrag beurteilt werden muß. Der Dr. P*** von der Beklagten treuhändig übergebene Geldbetrag stellte den Kaufpreis für die der Beklagten übertragene Liegenschaft dar. Der vorliegenden Klage kommt daher im Grunde genommen die Funktion einer Kaufpreisklage zu, denn die Kläger verfolgen damit die Absicht, in den Genuß des Kaufpreises zu kommen. Da die Beklagte den Kaufpreis bereits dem Treuhänder übergeben hat, können die klagenden Parteien von ihr die Bezahlung des Kaufpreises nicht mehr verlangen, sie sind vielmehr auf die Ausfolgung des Treuhanderlages beschränkt. Ergeben sich im Zusammenhang mit der Ausfolgung des Kaufpreises durch den Treuhänder Streitigkeiten, die ihre Wurzel im Kaufvertrag haben, so besteht für die Kläger als Verkäufer nur die Möglichkeit, sich an die Beklagte zu wenden und von ihr die Zustimmung zur Ausfolgung des Kaufpreises zu verlangen. Insoweit ist dem Berufungsgericht beizupflichten.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Klagebegehren u.a. den Einwand entgegengesetzt, daß die Verkäufer ihre im Kaufvertrag gemachte Zusage, der Kaufgegenstand sei frei von baubehördlichen Bauaufträgen, nicht erfüllt hätten, und daher der Kaufpreis vom Treuhänder den Klägern nicht ausgefolgt werden dürfe. Die Beklagte brachte dazu vor, daß die Erfüllung der Bauaufträge Kosten von insgesamt zumindest S 639.512,80 erfordere, und erklärte, diese Kosten dem Ausfolgungsanspruch "compensando" entgegenzusetzen. Die Beklagte machte damit Gewährleistung geltend, und zwar für einen Rechtsmangel (Nichtverschaffung der zugesagten rechtlichen Position der Freiheit von Bauaufträgen) in Form des Preisminderungsanspruches, im Sinne des Begehrens auf Herabsetzung des Kaufpreises (vgl. Koziol-Welser8 I 246) jedenfalls um S 639.512,80 (auf S 320.487,20). Unter Bedachtnahme auf den Treuhandvertrag bedeutet dies, daß die Beklagte das Recht in Anspruch nimmt, der Ausfolgung jenes Teiles des erlegten Geldbetrages ihre Zustimmung zu versagen, der dem Herabsetzungsbetrag entspricht. Damit hat sich die Beklagte entschlossen, weder Wandelung noch Verbesserung (in Form der Beseitigung der Folgen der Bauaufträge) zu begehren. Da das Recht auf Minderung sowohl bei behebbaren als auch unbehebbaren Mängeln zusteht und Minderung statt Wandlung auch dann begehrt werden kann, wenn die versprochene Eigenschaft nur für den Erwerber wesentlich war (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 932 samt Rechtsprechungsnachweis), erübrigt es sich auf die Frage der Behebbarkeit des hier bestehenden Mangels näher einzugehen. Preisminderung hat nach nunmehr herrschender Meinung nach der relativen Berechnungsmethode zu erfolgen (Koziol-Welser, aaO, 246 samt Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung). Um die beim Vertragsabschluß zugrunde gelegten Wertrelationen zwischen Leistung und Gegenleistung aufrecht zu erhalten, hat sich der vereinbarte Preis zum geminderten Preis so zu verhalten, wie der objektive Wert der Sache ohne Mangel zum objektiven Wert der Sache mit Mangel. Aus dem Kaufvertrag (Beilage/B) ergibt sich, daß die Vertragsteile den Kaufpreis von S 950.000,-- als "angemessen" erachtet haben (Punkt II.) und die Übergabe bzw. Übernahme des Vertragsgegenstandes in den physischen Besitz und Genuß der Käuferin "mit dem Tag der Vertragunterfertigung" erfolgte (Punkt V.). Wurde von den Parteien der Kaufpreis als angemessen erachtet, so ist davon auszugehen, daß der Bauzustand des Hauses bei der Einigung über den Kaufpreis wohl berücksichtigt worden ist. Das Interesse der Käuferin am Freisein der Liegenschaft von baubehördlichen Bauaufträgen kann daher nicht von vornherein mit dem Erfordernis für die Beseitigung der den Bauaufträgen zugrunde liegenden Baumängel gleichgesetzt werden. Da die Vorinstanzen - von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend - sich mit der Frage nicht befaßt haben, von welchen Erwägungen die Vertragsteile bei der Vereinbarung dieser besonderen Zusage ausgegangen sind, ist die Rechtssache noch nicht spruchreif, und die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen daher unvermeidlich.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben, welche Überlegungen der Vertragsteile dieser Vereinbarung zugrunde lagen und was die Käufer mit diesem Vertragspunkt erreichen wollten. Da für Schäden an der Bausubstanz, die in die Augen fallen, also bei normaler Sorgfalt besonders leicht erkennbar sind (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 928) keine Gewährleistung stattfindet (§ 928 ABGB), die mit in die Augen fallenden Bauschäden verbundene Wertminderung bei Feststellung des Preisminderungsanspruches somit außer Betracht zu bleiben hat, könnte es von Bedeutung sein, ob am Immobilienmarkt eine in einem bestimmten, bei Besichtigung erkennbaren Bauzustand befindliche Liegenschaft bei Vorliegen eines baubehördlichen Bauauftrages einen geringeren Wert repräsentiert als diesselbe Liegenschaft bei Fehlen des Bauauftrages. Das Erstgericht wird daher mit den Parteien das Verfahren auch in dieser Richtung zu ergänzen haben. Erst dann wird eine abschließende Beurteilung des hier geltend gemachten Preisminderungsanspruches und damit der Frage möglich sein, ob und bejahendenfalls in Ansehung welchen Geldbetrages die Beklagte berechtigt ist, der Ausfolgung des treuhändig erlegten Kaufpreises samt Zinsen an die klagenden Parteien aus dem Titel der Gewährleistung laut Punkt IV. des Kaufvertrages Beilage/B ihre Zustimmung zu versagen.
Es wird weiters aber auch noch notwendig sein, zu der im Verfahren strittig geliebenen Frage (vgl. letztlich Aktenseite 83) Stellung zu nehmen, ob die klagenden Parteien ihrer im Punkt II. 5.) des Treuhandvertrages (Beilage/A) übernommenen Verpflichtung zur Übergabe sämtlicher Hausverwaltungsunterlagen sowie des Nachweises der Zahlung sämtlicher Verbindlichkeiten aus der Betriebskostenverrechnung entsprochen haben (vgl. dazu auch das Vorbringen der Beklagten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Februar 1987, ON 32 dA). Schließlich wird das Erstgericht noch zu klären haben, wie die Beklagte die "compensandoweise eingewendete" Vorschreibung der noch nicht bezahlten Wasser- und Abwassergebühren aus der Zeit vor dem Kaufvertrag verstanden wissen will, etwa dahin, daß sie damit nicht der Ausfolgung des Treuhanderlages an sich die Zustimmung verweigern möchte, sondern nur im Ausmaß der behaupteten Gegenforderung. Mangels Spruchreife war daher im Sinne des subsidiär gestellten Aufhebungsantrages die Rechtssache nach Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E14429European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00588.87.0621.000Dokumentnummer
JJT_19880621_OGH0002_0050OB00588_8700000_000