Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K*** S***, Schweiz, vertreten durch Dr. Kurt Görling ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Sidonie S***, Angestellte, Wien 3., Fasangasse 7/2/26, jetzt: Mauerbach, Hauptstraße 61 b/3, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 50.000 sfr s.A, infolge der Revisionsrekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 20. Jänner 1988, GZ 17 R 10/88-4 a und 17 R 289/87-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20.November 1987, GZ 50 a Nc 318/87-3, abgeändert und der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 2.Oktober 1987, GZ 50 a Nc 318/87-1, bestätigt wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Die Revisionsrekursbeantwortungen der betreibenden Partei werden zurückgewiesen.
2.) Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben. Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekurse selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die betreibende Partei beantragte, ihr auf Grund eines rechtskräftigen Beschlusses des Kantongerichtes Schaffhausen vom 27. April 1982, Nr 6/1982/rs, und der Beschlüsse des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7.Oktober 1986, 50 Nc 314/86, und vom 26. November 1986, 50 Nc 380/86, zur Hereinbringung von 50.000 Sfr und der Kosten von 11.385,43 S und 11.385,43 S die Lohnpfändungsexekution zu bewilligen.
Das Erstgericht bewilligte die Pfändung mit Beschluß vom 2. Oktober 1987 antragsgemäß (ON 1).
Die Überweisung wurde mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 13.Oktober 1987, 1 E 12.873/87, bewilligt, dem Drittschuldner wurde das Zahlungsverbot am 15.Oktober 1987 zugestellt. Die Verpflichtete erhob gegen die Exekutionsbewilligung Rekurs und Widerspruch und stellte einen Aufschiebungsantrag. Das Erstgericht, nämlich das Exekutionsbewilligungsgericht, bewilligte die Aufschiebung der Exekution mit Beschluß vom 20. November 1987 (ON 3).
Die betreibende Partei bekämpfte diesen Beschluß mit Rekurs. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Exekutionsbewilligungsbeschluß (Beschluß ON 5) und änderte den Beschluß auf Bewilligung der Aufschiebung des Exekutionsverfahrens dahin ab, daß der Aufschiebungsantrag abgewiesen wurde (Beschluß ON 4 a).
Selbst wenn das Rekursvorbringen der verpflichteten Partei keine unzulässigen Neuerungen darstelle, weil man allenfalls die Publizität des geltend gemachten Konkursverfahrens und die Kenntnis der betreibenden Partei von demselben voraussetzen könne, sei der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung unberechtigt. Da die Vollstreckbarkeitsbescheinigung am 9.Dezember 1987 ausgestellt worden sei, also nach der behaupteten Konkurseröffnung und der von der verpflichteten Partei vorgelegten Abrechnung und Verteilung im Konkurs, sei die Rechtskraft des Exekutionstitels durch das Konkursverfahren nicht aufgehoben worden. Die Ausstellung eines Verlustscheines im Sinne des Art 265 SchKG (Schweizerisches Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11.4.1889) habe den früheren Exekutionstitel nicht beseitigt. Der Einwand nach Art 265 SchKG, die verpflichtete Partei sei in der Zwischenzeit nicht zu neuem Vermögen gekommen, könne gemäß § 85 EO in dem nach österreichischem Recht durchzuführenden Exekutionsverfahren nicht berücksichtigt werden.
Der Aufschiebungsantrag der verpflichteten Partei sei unberechtigt, weil die verpflichtete Partei nicht glaubhaft gemacht habe, daß ihr wegen der Uneinbringlichkeit eines Rückforderungsanspruches ein unwiederbringlicher Schade drohe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse der verpflichteten Partei sind berechtigt.
1.) Zur Entscheidung über den Aufschiebungsantrag:
Auch beim Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 7 EO hat die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung gemäß § 44 Abs 1 EO zu unterbleiben, wenn die Exekution begonnen oder fortgesetzt werden kann, ohne daß dies für die antragstellende Partei mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles verbunden wäre. Anders als bei einer Fahrnisexekution (Verkauf von beweglichen Sachen unter ihrem Wert) ist diese Gefahr von Vermögensnachteilen bei einer Forderungsexekution nicht offenkundig. Die verpflichtete Partei hätte daher konkret behaupten und bescheinigen müssen, weshalb bei Fortsetzung der Exekution Vermögensnachteile drohen; die schlichte Behauptung, es drohe ein Nachteil, reicht nicht aus. Diese Gefahr liegt im allgemeinen nur dann vor, wenn im Falle einer erfolgreichen Bekämpfung der Exekutionsbewilligung der Rückforderungsanspruch der verpflichteten Partei gegen die betreibende Partei nicht oder nur schwer einbringlich wäre, wofür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gegeben sind. Der Hinweis, dem Verpflichteten würden Mittel zur Erfüllung von Unterhaltspflichten entzogen, geht fehl, weil gemäß § 43 Abs 2 EO selbst bei Bewilligung einer Aufschiebung ohne volle Sicherheitsleistung keine Aufhebung der schon vollzogenen Pfändung in Frage käme, sodaß die gepfändete Forderung der Verfügung der verpflichteten Partei auf jeden Fall entzogen wäre. Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ist damit zutreffend (Heller-Berger-Stix 547; EvBl 1966/170; EvBl 1975/190; SZ 49/161; MietSlg 30.816).
2.) Zur Entscheidung über die Exekutionsbewilligung:
Im Rekursverfahren gilt das Neuerungsverbot (Heller-Berger-Stix 649; SZ 55/33). Dies trifft auch auf einen Rekurs zu, mit dem die auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels erteilte Exekutionsbewilligung bekämpft wird, wobei das Gesetz hier allerdings für die Geltendmachung von Neuerungen in gewissen Fällen das Recht des Widerspruchs einräumt (Heller-Berger-Stix 650; 3 Ob 72/86).
Alle von der verpflichteten Partei erhobenen Rekursgründe beruhen aber auf unzulässigen Neuerungen.
Die Nichtbeachtung eines im Zeitpunkt der Entscheidung über die Exekutionsbewilligung schon eröffneten inländischen Konkurses kann zwar im allgemeinen ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot auch mit Rekurs geltend gemacht werden, weil die mit dem Anschlag des Konkursediktes an der Gerichtstafel des Rekursgerichtes eintretende Wirksamkeit eine von diesem Zeitpunkt an gerichtsbekannte Tatsache darstellt (Heller-Berger-Stix 114). Die Eröffnung eines ausländischen Konkursverfahrens ist jedoch im Inlande nicht gerichtsbekannt.
Erst recht stellen aber die Behauptungen, es sei ein Konkursverlustschein ausgestellt worden und der Verpflichtete sei bisher nicht zu neuem Vermögen gekommen, eine im Rekursverfahren unzulässige Neuerung dar.
Es ist daher nicht zu untersuchen, inwieweit nach schweizerischem Recht die Eröffnung eines Konkurses die Wirksamkeit, Rechtskraft oder Vollstreckbarkeit eines vor Konkurseröffnung entstandenen Exekutionstitels beeinflußt. Die Exekution war vielmehr ausschließlich unter Beachtung des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages BGBl 1962/125 zu bewilligen. Gemäß Art 6 Abs 1 dieses Vertrages hat die betreibende Partei
1) eine Ausfertigung oder Abschrift der zu vollstreckenden Entscheidung und 2) eine Bescheinigung über die Rechtskraft und gegebenenfalls über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung vorzulegen. Gemäß Art 7 Abs 1 und 2 des Vertrages sind auch gerichtliche Vergleiche vollstreckbar, wenn sie ua den Vorschriften des Art 6 genügen, soweit diese Anwendung finden können. Im vorliegenden Fall haben die Streitteile in einem Rechtsstreit über eine Arrestaufhebungsklage (vergleichbar dem Verfahren auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach österr. Recht) einen Vergleich abgeschlossen, nach welchem die Verpflichtete anerkannte, der betreibenden Partei 863.356,10 sfr samt 5 % Zinsen seit 8.1.1982 zu schulden, und der sofortigen Pfändung und Verwertung der vom
Arrest (= Beschlagnahme zu Sicherungszwecken) betroffenen
Gegenstände, ausgenommen gewisse Kompetenzstücke (= unpfändbare
Gegenstände), zustimmte. Dieser Vergleich wurde i.S. des im K*** S*** geltenden Prozeßrechtes (vgl dazu die Darstellung bei Guldener, Schweiz, Zivilprozeßrecht3, 397 Anm 25, oder Vogel, Grundriß des Zivilprozeßrechtes 142 und 168) mit dem eingangs angeführten Beschluß vorgemerkt.
Der Umstand, daß im gerichtlichen Vergleich die nach österreichischer Auffassung nötige Verpflichtungserklärung fehlt, kann nicht schaden. Gemäß Art 80 Abs 2 SchKG sind auch gerichtliche Schuldanerkennungen einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil gleichgestellt. Nach dem Sinn des Art 7 Abs 2 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages muß daher auch der vorliegende gerichtliche Vergleich in Verbindung mit dem Vormerkungsbeschluß als ein in Österreich vollstreckbarer Exekutionstitel anerkannt werden (ähnlich für Art 8 des deutsch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 201).
Die jetzt im Akt befindliche Ausfertigung des Exekutionstitels, welche die betreibende Partei erst anläßlich einer Rekurserhebung vorlegte, enthält zwar eine Bescheinigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit mit einem Datum, das zeitlich nach der Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes liegt. Welche Bescheinigung der ursprünglich vorgelegte Exekutionstitel aufwies, muß aber nicht untersucht werden, weil für den Fall, als hier ein Mangel bestanden haben sollte, dieser schon vor Einleitung eines hier zulässigen Verbesserungsverfahrens (vgl SZ 38/199, SZ 52/160) von der betreibenden Partei behoben wurde. Da jetzt sowohl die Rechtskraft als auch die Vollstreckbarkeit bestätigt wurden, muß nicht zur Frage Stellung genommen werden, ob beide Bescheinigungen bei einem gerichtlichen Vergleich und Vormerkungsbeschluß der vorliegenden Art erforderlich sind. Die von der schweizerischen Behörde nach der behaupteten Durchführung des Konkursverfahrens erteilte Bescheinigung war vom Exekutionsgericht nicht auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Es ist auch nicht dazu Stellung zu nehmen, ob durch die Ausstellung eines Konkursverlustscheins ein vorher ergangener Exekutionstitel berührt wird.
Gleichfalls muß nicht erörtert werden, ob die in Art 265 Abs 2 und 3 SchKG geregelte Einrede eine rein vollstreckungsrechtliche Bestimmung ist, die gemäß § 85 EO und Art 11 des zitierten Vollstreckungsvertrages in einem in Östereich stattfindenden Exekutionsverfahren unanwendbar ist, oder ob sie materiellrechtlicher Natur ist und daher zB mit einer Klage nach den §§ 35 ff EO auch in einem auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels eingeleiteten inländischen Exekutionsverfahren geltend gemacht werden könnte.
Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Beschränkung der Rechtsverteidigung ist nicht erkennbar. Der Ablauf des schweizerischen Vollstreckungsverfahrens unterscheidet sich wesentlich vom Gang eines österreichischen Exekutionsverfahrens. Nach österreichischem Recht wird auf Grund eines Exekutionstitels sofort ohne Vernehmung des Schuldners die Exekution bewilligt. Es obliegt dann dem Schuldner, im Wege eines Einstellungsantrages nach den §§ 39, 40 EO oder einer Klage nach den §§ 35 ff EO seine Rechte durchzusetzen. Nach schweizerischem Recht wird auf Grund des Betreibungsbegehrens zunächst ein Zahlungsbefehl erlassen (eine Art vorläufiger Bewilligung der Exekution), gegen den der Schuldner einen sogenannten Rechtsvorschlag erheben kann. Da die betreibende Partei nach schweizerischem Recht noch gar nicht im Besitz eines Exekutionstitels sein muß, kann der Schuldner in diesem Rechtsvorschlag insbesondere auch geltend machen, die betriebene Forderung bestehe überhaupt nicht zu Recht. Die Erhebung eines solchen Rechtsvorschlages führt zum sogenannten Rechtsöffnungsverfahren, einem summarischen Urkundenverfahren, in dem dem betreibenden Gläubiger die definitive oder provisorische Rechtsöffnung bewilligt werden kann, gegen die dem Schuldner nur mehr die Aberkennungsklage nach Art 83 SchKG (vergleichbar einer Klage nach § 35 EO) offensteht (vgl dazu die Hinweise in JABl 1929, 20 und von Amann in Anwaltsblatt 1972, 342 sowie Fritsche/Walder3, Schuldbetreibung und Konkurs Bd I). Wenn ein Schuldner in einem schweizerischen Vollstreckungsverfahren die allenfalls rechtshemmenden Wirkungen des Art 265 Abs 2 SchKG, wonach nach Ausstellung des Konkursverlustscheines eine neue Betreibung nur angehoben werden kann, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen gekommen ist, im Rechtsvorschlag geltend machen kann, wie dies im Revisionsrekurs unterstellt wird, kann daraus nicht abgeleitet werden, daß nun auch in einem österreichischen Exekutionsverfahren ein solcher Rechtsvorschlag stattfinden könnte. In einem österreichischen Exekutionsverfahren kann dies allenfalls nur im Wege einer Klage nach §§ 35 ff EO oder mit einem Einstellungsantrag nach § 39 EO geltend gemacht werden, was im Ergebnis den gleichen Rechtsschutz bedeutet, mag er auch in einer anderen Verfahrensart gewährt werden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78 EO, 40 und 50 ZPO.
Die beiden, überdies entgegen § 22 RATV am gleichen Tag getrennt eingebrachten Revisionsrekursbeantwortungen der betreibenden Partei waren zurückzuweisen, weil kein Fall eines zweiseitigen Rekursverfahrens nach § 402 Abs 1 EO oder § 521 a ZPO vorliegt. Für eine analoge Anwendung der letztgenannten Bestimmung auf den vorliegenden Fall besteht schon deshalb kein Anlaß, weil kein dem Besitzstörungsverfahren vergleichbares streitiges Verfahren vorliegt, es sich nicht um einen Aufhebungsbeschluß handelt und auch kein Antrag zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung eines Antrages verworfen wurde.
Anmerkung
E14637European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00051.88.0622.000Dokumentnummer
JJT_19880622_OGH0002_0030OB00051_8800000_000