Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*** sen., Land- und Gastwirt,
6281 Gerlos-Gmünd 78, vertreten durch Dr. Anton Schiessling, Rechtsanwalt in Rattenberg, wider die beklagte Partei Thomas H***, Landwirt, 6281 Gerlos-Gmünd 80, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 10. November 1987, GZ 1 a R 457/87-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 30. Mai 1987, GZ C 297/86-9, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß mit der Maßgabe folgenden Wortlautes wieder hergestellt wird:
"Das Verfahren wird ab Klagszustellung als nichtig aufgehoben. Die Klage wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten die mit 12.684 S bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 1.144 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
Der Kläger hat dem Beklagten weiters die Kosten des Rekursverfahrens von 2.357,85 S (214,35 S Umsatzsteuer) sowie die mit 4.329,75 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 257,25 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger stellte das Urteilsbegehren, der Beklagte sei schuldig, unverzüglich die Grundparzelle 417/1 der KG Gerlos von sämtlichen Fahrnissen zu räumen und ihm, dem Kläger, geräumt zu übergeben. Zur Begründung brachte er vor, es sei ihm im Rahmen eines Wald- und Weidetrennungsverfahrens durch Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung ein Teil der genannten Grundparzelle ins Eigentum und zur alleinigen Benützung übertragen worden, der Beklagte lagere jedoch trotz Kenntnis dieser rechtlichen Verhältnisse weiterhin Fahrnisse wie Holz und Baumaterialien auf der Parzelle und in einer auf dieser befindlichen Holzbaracke und weigere sich, diese Fahrnisse zu entfernen, bzw. künftige derartige Ablagerungen zu unterlassen.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Der vom Kläger genannte Bescheid sei im Rechtsmittelweg behoben worden, so daß sich der Kläger auf diesen nicht berufen könne. Mit einem anderen Bescheid seien Weiderechte des Klägers abgelöst und ihm dafür ein Teil der im Eigentum der Bundesforste stehenden Grundparzelle 417/1 KG Gerlos abgetreten worden. Dieser Bescheid habe jedoch zufolge gewichtiger Mängel nicht verbüchert werden können und der Kläger sei daher nicht Eigentümer dieser Parzelle geworden. Da die Bundesforste weiterhin Grundeigentümer der Parzelle seien, erscheine der Kläger zur Klageführung nicht legitimiert. Davon abgesehen stehe dem Beklagten auch ein schon durch dessen Rechtsvorgänger ersessenes, dem Kläger bekanntes Recht zur Ablagerung von Holz und Baumaterialien auf der Parzelle zu. Im übrigen sei das gegenständliche Regulierungsverfahren noch nicht abgeschlossen, so daß für sämtliche Verhandlungen und Entscheidungen die Agrarbehörde zuständig und für Streitigkeiten der Rechtsweg ausgeschlossen sei.
Der Kläger entgegnete, die Bundesforste hätten ihm die Grundparzelle 417/1 ins Eigentum übertragen und er sei deren außerbücherlicher Eigentümer mit dem alleinigen Nutzungsrecht, zumal an Weidegrundstücken eine Ersitzung von Holzablagerungsrechten gar nicht möglich sei.
Nachdem das Erstgericht das Verfahren auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges "eingeschränkt" und die Verhandlung geschlossen hatte, brachte der Kläger mit Schriftsatz noch vor, der Servitutenablösungs- und Regulierungsplan, mit welchem die Ablösungsgrundstücke völlig lastenfrei an die Berechtigten ins Eigentum übertragen worden seien, sei am 13. März 1981 rechtskräftig geworden. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die konstitutive Wirkung der Eigentumsübertragung mit diesem Zeitpunkt eingetreten und der Grundbuchseintragung komme nur deklarative Wirkung zu. Somit sei der Kläger zur Durchsetzung des Räumungsanspruches legitimiert.
Dem entgegnete der Beklagte, das Weideregulierungsverfahren sei dennoch weiterhin aufrecht, weil erst nach Richtigstellung des Grundbuches von der Agrarbehörde im Sinne des § 46 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes LGBl. 1952/21 (= WWSG), ausgesprochen werden könne, daß das Verfahren abgeschlossen sei. Mit Beschluß ON 9 wies das Erstgericht die Klage mangels Zulässigkeit des Rechtsweges zurück. Zur Begründung führte es aus:
Die im Eigentum der Bundesforste gestandene Grundparzelle 417/1 sei - mit Ausnahme eines hier nicht relevanten Teiles - im Zuge der Ablösung von Weiderechten mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 14. November 1979 gemäß § 41 des Tiroler WWSG an den Kläger lastenfrei abgetreten worden. Die vom Grundbuchsgericht beschlossene amtswegige Verbücherung sei sodann vom Rekursgericht jedoch abgelehnt worden, weil die hiezu vorgelegten Urkunden nur die Anordnung der Ablöse von Weidedienstbarkeiten, nicht jedoch der anderen Nutzungsrechte enthalten hätten. Mangels seitheriger Vorlage der zur amtswegigen Verbücherung erforderlichen Unterlagen seien weiterhin die Bundesforste bücherlicher Eigentümer der Grundparzelle und das Verfahren bei der Agrarbehörde sei trotz Rechtskraft des maßgeblichen Bescheides noch nicht abgeschlossen. Für die Dauer des Regulierungsverfahrens sei die Agrarbehörde aber unter Ausschluß auch der Gerichte für Streitigkeiten wegen Bestehens von Dienstbarkeiten, wie sie hier der Beklagte behaupte, zuständig. Beim vorliegenden Klagebegehren handle es sich zwar um eine privatrechtliche Rechtssache im Sinne des § 1 JN. Aus der Bestimmung des § 38 Abs 2 Tiroler WWSG folge aber klar, daß die Angelegenheit dennoch in die ausschließliche Kompetenz der Agrarbehörde falle. Somit komme es auf die Anhängigkeit des Regulierungsverfahrens gar nicht mehr an.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und wies das Erstgericht an, das Verfahren unter Abstandnahme vom angeführten Zurückweisungsgrund fortzusetzen. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 15.000 S, nicht jedoch jenen von 300.000 S übersteige und daß der Rekurs nach den §§ 528 Abs 2 und 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Das Rekursgericht führte zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zu § 1 JN aus, hiefür sei in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der in der Klage behauptete Sachverhalt maßgebend. Dabei komme es auf die privatrechtliche Natur des erhobenen Anspruches an. Ohne Bedeutung sei, mit welchen Einwendungen sich der Beklagte zur Wehr setze und ob der behauptete Anspruch begründet sei. Entscheidend erscheine lediglich, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben werde, über den die Gerichte zu entscheiden haben. Nach § 38 Abs 2 Tiroler WWSG hätten die Agrarbehörden darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine Ablösung oder Regulierung stattfinde und weiters auch außerhalb eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens über den Bestand, Umfang und die Ausübung von Nutzungsrechten. Gemäß Abs 5 leg.cit. seien von der Zuständigkeit der Agrarbehörde u.a. ausgeschlossen alle Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten oder verpflichteten Gütern. Demgemäß habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 619/87 ausgesprochen, daß § 38 Tiroler WWSG keine Zuständigkeit der Agrarbehörde für Eigentumfreiheitsklagen begründe, was auch für eine Räumungsklage gelten müsse. Der Bestand von Nutzungsrechten sei als Vorfrage zu beurteilen und nur dort, wo das Gesetz ausdrücklich die Entscheidung über eine solche Vorfrage verlange, müsse die Entscheidung der zuständigen Behörde eingeholt oder abgewartet und das Verfahren zu diesem Zweck allenfalls gemäß § 190 Abs 1 ZPO unterbrochen werden, ohne daß sich deswegen aber an der Zulässigkeit des Rechtsweges etwas ändere.
Das Rekursgericht hielt den Rekurs gegen seine Entscheidung für zulässig, weil über die Zulässigkeit eines Räumungsbegehrens im Zusammenhang mit dem Bestand von Wald- und Weidedienstbarkeiten und Nutzungsrechten eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhob der Beklagte durch seine bevollmächtigten Vertreter Rechtsanwalt Dr. G*** und Rechtsanwalt Dr. U*** jeweils das Rechtsmittel des Rekurses, wobei beide Schriftsätze innerhalb offener Frist am 7. März 1988 zur Post gegeben wurden und am 8. März 1988 beim Erstgericht einlangten. In der Folge zog Rechtsanwalt Dr. U*** den von ihm eingebrachten Rekurs zurück (ON 21).
Rechtliche Beurteilung
Nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zu, und zwar auch dann, wenn sie durch mehrere Anwälte vertreten ist (1 Ob 715/54, 2 Ob 182/67 ua). Damit wird in erster Linie die Vermeidung von Unklarheiten über Umfang, Ziel und Begründung der Anfechtung bezweckt (2 Ob 98/80, 1 Ob 34/80 ua). Vorliegendenfalls besteht, da einer der beiden gleichzeitig eingebrachten und beim Gericht eingelangten Rekurse des Beklagten in der Folge zurückgezogen wurde, die Gefahr derartiger Unklarheiten nicht. Der aufrechterhaltene Rekurs ist daher entgegen der in der Rekursbeantwortung des Klägers vertretenen Auffassung nicht wegen Verstoßes gegen die Einmaligkeit des Rechtsmittels unzulässig.
Der Rekurswerber macht die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hiezu bringt er vor, gemäß § 33 Abs 2 des Grundsatzgesetzes BGBl. 1951/103 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sei die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges zur Entscheidung über den Bestand von Nutzungsrechten und darüber befugt, welche Liegenschaft berechtigt und verpflichtet erscheine. Gemäß § 34 Abs 2 leg. cit. erstrecke sich diese Zuständigkeit von der Einleitung bis zum Abschluß des agrarbehördlichen Verfahrens. Lediglich Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten oder verpflichteten Gütern seien gemäß § 34 Abs 4 leg.cit. ausgenommen. Vorliegendenfalls handle es sich um eine Ablösung von Nutzungsrechten und damit sei die Zuständigkeit der Agrarbehörde gemäß § 38 Abs 2 Tiroler WWSG gegeben. Im Sinne der zu berücksichtigenden Einwendungen des Beklagten müsse somit davon ausgegangen werden, daß diese Rechtssache zufolge besonderer Gesetzesbestimmung vor eine andere Behörde verwiesen sei und nicht gemäß § 1 JN in die Zuständigkeit der Gerichte falle. Das Ablösungsverfahren sei mangels bücherlicher Durchführung und Abschlußkundmachung noch nicht im Sinne des § 46 Tiroler WWSG abgeschlossen, so daß die Zuständigkeit der Agrarbehörden gemäß § 38 Abs 3 leg.cit. weiterhin gegeben sei. Bei der vom Beklagten zu räumenden Grundfläche handle es sich um ein Ablösungsgrundstück, das weder zu den berechtigten noch zu den verpflichteten Gütern gezählt werden könne. Es liege also keine Streitigkeit über Eigentum und Besitz vor, welche von der Zuständigkeit der Agrarbehörde gemäß § 38 Abs 5 leg.cit. ausgeschlossen wäre. Da für die Übergabe von Ablösungsflächen an den Eigentümer ebenfalls die Agrarbehörde zuständig sei, habe diese zu entscheiden, ob die Ablösungsfläche geräumt oder nicht geräumt zu übergeben sei. Im übrigen sei der Bescheid über den Ablösungsplan vor dem Obersten Agrarsenat bzw. vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten worden. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beklagte, er habe sich zum Beweise seines Vorbringens auf den gesamten Akt der Verwaltungsbehörde über das Regulierungsverfahren bezogen, doch sei dieser nicht beigeschafft worden.
Den Rechtsausführungen des Rekurswerbers ist grundsätzlich Berechtigung zuzuerkennen.
Gemäß § 1 JN wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit diese nicht durch besonderes Gesetz vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt. Ob eine Rechtssache, die einen privatrechtlichen Anspruch betrifft, mangels gegenteiliger Anordnung in einem besonderen Gesetz vor die ordentlichen Gerichte gehört, ist nach der von dem Rekursgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung auf Grund der Klagebehauptungen und des Klagebegehrens zu prüfen (SZ 44/64, SZ 44/138, SZ 44/165, SZ 47/108, SZ 51/159; JBl 1986, 803; ZVR 1987/42 uva). Der Umstand, daß einem solchen Anspruch Einwendungen aus einem angeblichen öffentlich-rechtlichen Titel entgegengehalten werden, ist für die Zuständigkeitsfrage ohne Belang. Wenn sich aus den Klagebehauptungen die Natur des Anspruches als eines privatrechtlichen nicht eindeutig erschließen läßt, kann allerdings auch das Einwendungsvorbringen des Beklagten bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges mitberücksichtigt werden. Das Beklagtenvorbringen kann also der Verdeutlichung des Klagevorbringens dienen (EvBl 1976/80; SZ 51/159, 7 Ob 668/86 ua).
Vorliegendenfalls leitet der Kläger sein Räumungsbegehren gegenüber dem Beklagten daraus ab, daß ihm im Rahmen eines Verfahrens nach dem Tiroler WWSG durch rechtskräftigen Bescheid der zuständigen Agrarbehörde eine Grundparzelle ins Eigentum und zur alleinigen Benützung übertragen worden und er daher außerbücherlicher Eigentümer sei und daß der Beklagte dennoch auf dieser Parzelle verschiedene Fahrnisse lagere. Der Servitutenablösungs- und Regulierungsplan, mit welchem die Ablösungsgrundstücke lastenfrei an die Berechtigten ins Eigentum übertragen worden seien, sei in Rechtskraft erwachsen. Auf Grund dieser Behauptungen des Klägers ist somit bei Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges davon auszugehen, daß ihm in dem nach dem Tiroler WWSG geführten agrarbehördlichen Regulierungs- und Ablösungsverfahren die Grundparzelle 417/1 KG Gerlos, auf die sich der Klageanspruch bezieht, durch rechtskräftigen Bescheid als Ablösungsgrundstück ins Eigentum zugewiesen worden sei. Es ist daher zu prüfen, ob und wie lange den Agrarbehörden hinsichtlich von ihnen bereits ins Eigentum zugewiesener Ablösungsgrundstücke eine Zuständigkeit auch für die Entscheidung diese betreffender privatrechtlicher Ansprüche im Sinne des § 1 JN zukommt.
Nach der Regelung des § 34 Abs 2 des Gesetzes betreffend Grundsätze der Wald- und Weidenutzungsrechte BGBl. 1951/103 und der damit übereinstimmenden Regelung des § 38 Abs 3 des Tiroler WWSG LGBl. 1952/21 als Ausführungsgesetz erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden von der Einleitung bis zum Abschluß des Verfahrens, abgesehen von den im § 34 Abs 4 des Grundsatzgesetzes aufgezählten Fällen, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung einer Regulierung oder Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit jener Behörde ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis diese Angelegenheit sonst gehört. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind gemäß § 34 Abs 3 des Grundsatzgesetzes und § 38 Abs 4 des Ausführungsgesetzes von den Agrarbehörden die Normen, die sonst für diese Angelegenheiten gelten, zB die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, anzuwenden. Nach § 34 Abs 4 des Grundsatzgesetzes und gemäß § 38 Abs 5 des Ausführungsgesetzes sind von der Zuständigkeit der Agrarbehörden ausgeschlossen
a) Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten Gütern oder verpflichteten Grundstücken und b) die Angelegenheiten der Eisenbahn, der Bundesstraßen, der Luftfahrt und des Forstwesens. Die Bestimmung des § 45 des Ausführungsgesetzes ordnet an, daß die rechtskräftigen Ergebnisse eines Servitutenverfahrens in einer Servitutenurkunde niederzulegen sind. Wurde ein Servitutenregulierungs- oder Ablösungsplan unverändert rechtskräftig, so gilt er als Servitutenurkunde. Schließlich ist im Sinne des mit "Abschlußkundmachung" überschriebenen § 46 des Ausführungsgesetzes nach Richtigstellung des Grundbuches mit Bescheid auszusprechen, daß das Verfahren abgeschlossen wird. Da sich vorliegendenfalls der Kläger selbst als außerbücherlicher Eigentümer des Ablösungsgrundstückes bezeichnet und eine bereits erfolgte grundbücherliche Durchführung der Servitutenregulierung und Ablösung auch nicht behauptet, ist hier zugrundezulegen, daß das agrarbehördliche Verfahren zumindest mangels Richtigstellung des Grundbuches noch nicht durch Bescheid im Sinne des § 46 des Ausführungsgesetzes (Abschlußkundmachung) abgeschlossen worden ist. Daraus folgt, daß gemäß § 34 Abs 2 des Grundsatzgesetzes bzw. § 38 Abs 3 des Ausführungsgesetzes die Zuständigkeit der Agrarbehörde weiterhin für die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Regulierung und Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen, mit Ausnahme der in § 34 Abs 4 des Grundsatzgesetzes bzw. § 38 Abs 5 des Ausführungsgesetzes aufgezählten Fälle, gegeben ist.
Der Ausnahmefall einer Streitigkeit über Eigentum und Besitz an einem berechtigten Gut oder verpflichteten Grundstück liegt hier nicht vor, weil sich der Klageanspruch auf ein dem Kläger erst im agrarbehördlichen Verfahren zur Ablösung seiner früheren Weiderechte lastenfrei ins Eigentum zugewiesenes Ablösungsgrundstück bezieht. Ein solches Ablösungsgrundstück stellt weder ein berechtigtes Gut noch ein verpflichtetes Grundstück im Sinne der vorgenannten Gesetzesstellen dar, sondern geht, wie auch hier, im Verfahren durch Lastenfreistellung aus einem seinerzeit verpflichteten Grundstück hervor und wird im Verfahren zum Ablösungsgrundstück bestimmt. Der Rechtsstreit bezieht sich nach den Klageangaben auch nicht, wie in lit a des § 34 Abs 4 des Grundsatzgesetzes bzw. des § 38 Abs 5 des Ausführungsgesetzes jedenfalls vorausgesetzt wäre, darauf, ob dem Kläger oder dem Beklagten das Eigentum oder der Besitz am Grundstück zukommt, sondern lediglich darauf, daß der Beklagte seiner angeblichen Pflicht zur Räumung des Ablösungsgrundstückes von Fahrnissen nicht nachkommt. Ein Ausnahmefall der lit a der beiden vorgenannten Gesetzesstellen liegt somit nicht vor; ein solcher nach lit b dieser Gesetzesbestimmungen kommt hier von vornherein nicht in Betracht.
Mangels bisherigen Abschlusses des agrarbehördlichen Verfahrens im Sinne des § 46 des Ausführungsgesetzes und einer Ausnahme im Sinne des § 34 Abs 4 des Grundsatzgesetzes bzw. des § 38 Abs 5 des Ausführungsgesetzes ist somit nach der Bestimmung des § 34 Abs 2 des Grundsatzgesetzes bzw. des § 38 Abs 3 des Ausführungsgesetzes die Agrarbehörde berufen, über die Frage der Räumungspflicht des Beklagten zu entscheiden. Der Räumungsanspruch desjenigen, dem im agrarbehördlichen Verfahren ein Ablösungsgrundstück zugewiesen wurde, betrifft ein aus der Durchführung der Regulierung und Ablösung hervorgehendes rechtliches Verhältnis. Über ein solches kann während der Anhängigkeit des Verfahrens nur von der Agrarbehörde verhandelt und entschieden werden.
Die Bestimmung des § 38 Abs 3 Tiroler WWSG stellt somit als Ausführungsgesetz im Zusammenhalt mit § 34 Abs 2 des Grundsatzgesetzes ein besonderes Gesetz im Sinne des § 1 JN dar, durch welches die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen privatrechtlichen Anspruch wie den vorliegenden in klarer und unzweideutiger Weise vor eine andere Behörde, nämlich die Agrarbehörde, verwiesen wurde. Für diese Rechtssache ist daher der Rechtsweg unzulässig.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E14911European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00555.88.0623.000Dokumentnummer
JJT_19880623_OGH0002_0080OB00555_8800000_000