Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Dorothea S***, Hausfrau, Zirl, Mühlgasse 19, wider die Antragsgegnerin G*** Z***, Zirl, vertreten durch Dr. Hermann Graus, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge Revisionsrekurses des Alois R***, Kaufmann, Telfs, Weißenbachgasse 2, vertreten durch Dr. Hermann Plochberger, Rechtsanwalt in Telfs, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 26. Februar 1988, GZ 3 b R 14/88-77, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 17. Dezember 1987, GZ 1 Nc 11/86-72, teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und der Rekurs der G*** Z*** gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 17. Dezember 1987 (ON 72) zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Bürgermeister der G*** Z*** sprach mit Bescheid vom 4. Juni 1981, Zl. 612-1/1-1981, aus, daß für die Ausführung des bewilligten Straßenbauprojekts "Zirl-Fragensteinweg" gemäß § 54 Abs1 Tiroler Straßengesetz idF LGBl. 1970/10 und gemäß § 18 der Tiroler Bauordnung idF LGBl. 1978/43 im Bescheid näher bestimmte Teilflächen aus dem Gutsbestand der im Eigentum der Dorothea S*** stehenden Grundstücke 216/4, 215/3 und 216/2, sämtliche der EZ 1319 II KG Zirl, lastenfrei enteignet werden. Der hiefür von der G*** Z*** durch Hinterlegung beim Bezirksgericht Telfs zu leistende Entschädigungsbetrag wurde mit S 26.745,-
festgesetzt.
Mit dem am 7. September 1981 beim Bezirksgericht Telfs eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages. Mit Beschluß vom 27. Oktober 1986 (ON 57) setzte das Erstgericht die zu leistende Entschädigung mit S 291.224,44 fest. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen.
Nach gerichtlichem Erlag des Betrages von S 29.628,- durch die G*** Z*** beraumte das Erstgericht mit Beschluß vom 15. Juli 1987 (ON 58) die Tagsatzung zur Verteilung der Enteignungsentschädigung für den 11. September 1987 an. Der Rechtsmittelwerber meldete im Rang des Zwangspfandrechtes COZ 196 seine vollstreckbare Forderung von S 500.000,- samt Zinsen und Kosten, insgesamt einen Betrag von S 824.317,08, zur Befriedigung an (ON 59). Die Antragsgegnerin erklärte im Schriftsatz vom 1. September 1987 (ON 66), mit Gegenforderung gegen die Antragstellerin aufzurechnen, weil weder die Tiroler Bauordnung noch das Tiroler Straßengesetz eine Bestimmung enthalte, wonach die Entschädigungssumme zur Befriedigung pfandrechtlicher sichergestellter Gläubiger zu verwenden sei. Die Bestimmung des § 34 EisbEG sei nicht anzuwenden.
Mit Beschluß vom 17. Dezember 1987 (ON 72) sprach das Erstgericht aus, daß der Entschädigungsbetrag von S 291.224,44 zuzüglich Zinsen gemäß § 34 EisbEG iVm § 216 EO dem Rechtsmittelwerber (Alois R***) zur teilweisen Berichtigung seiner pfandrechtlich sichergestellten Forderung zugewiesen wird. Der in der Verteilungstagsatzung vom 11. September 1987 von der G*** Z*** gegen die Berücksichtigung der Forderung des Alois R*** erhobene Widerspruch wurde abgewiesen.
Das Rekursgericht gab dem gegen den Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin Folge und hob den angefochtenen Beschluß, der in Ansehung der Zuweisung des Betrages von S 29.628,- zuzüglich Zinsen als nicht bekämpft in Rechtskraft erwachsen war, im übrigen ersatzlos auf. Gemäß § 34 EisbEG werde die Entschädigung auch außer den im § 1425 ABGB bezeichneten Fällen durch Gerichtserlag geleistet, wenn und insoweit der Entschädigungsbetrag zur Befriedigung dinglich Berechtigter zu dienen hat. Die Ansprüche dieser Personen seien nach den Bestimmungen über die Verteilung des bei einer zwangsweisen Versteigerung erzielten Meistbots zu befriedigen. Unabhängig davon, ob in Enteignungsfällen nach § 18 Tiroler Bauordnung bzw. §§ 51 ff Tiroler Straßengesetz trotz des Fehlens einer einschlägigen Verweisungsnorm in den betreffenden Landesgesetzen sinngemäß das Eisenbahnenteignungsgesetz anzuwenden sei, sei doch nur der von der G*** Z*** erlegte Entschädigungsbetrag von S 29.628,- zuzüglich Fruktifikationszinsen zu verteilen. Ein nicht hinterlegter Entschädigungsbetrag sei vom Gericht nicht zu verteilen. Demzufolge sei der angefochtene Beschluß insoweit, als eine Verteilungsmasse nicht vorhanden sei, ersatzlos aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs des Alois R*** kommt Berechtigung zu. Die Enteignung der Dorothea S*** gehörenden Grundstücke wurde gemäß den Bestimmungen des § 54 Tiroler Straßengesetz, LGBl. 1951/1 idF LGBl. 1970/10, und des § 18 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. 1978/43, ausgesprochen. § 18 Abs1 TBO normiert, daß Grundflächen, die für die Herstellung oder Verbreiterung von Gemeindestraßen benötigt werden und durch die Festlegung der Straßenfluchtlinien im Bebauungsplan als Verkehrsflächen ausgewiesen sind, an die Gemeinde auf deren Verlangen gegen Entschädigung abzutreten sind. Wenn eine gütliche Einigung nicht zustandekommt, hat gemäß § 18 Abs2 TBO der Bürgermeister im übertragenen Wirkungsbereich zu entscheiden, welche Grundflächen nach Abs1 abzutreten sind. Für das Verfahren zur Abtretung von Grundflächen und für die Festsetzung der Entschädigung gelten gemäß § 18 Abs3 TBO, soweit in § 18 Abs4 bis Abs7 nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des Tiroler Straßengesetzes. Das Tiroler Straßengesetz, LGBl. 1951/1, sieht im zweiten Abschnitt des sechsten Hauptstückes die Enteignung von Grundstücken zur Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von öffentlichen Straßen vor. Das Gesetz regelt im einzelnen die Einleitung des Verfahrens (§ 53), das Enteignungsverfahren (§ 54), die Entschädigung (§ 55), den Vollzug (§ 56), die Anmerkung im Grundbuch (§ 57), und die Rückübereignung (§ 58). Die subsidiäre Geltung der Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes ist weder in der Tiroler Bauordnung noch im Tiroler Straßengesetz vorgesehen. Beide Gesetze enthalten auch keine Regelung über die Verteilung eines zuerkannten Entschädigungsbetrages. Gemäß § 13 VEG gelangen aber die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes zur Anwendung, "sofern die Gesetze Enteignungen zulassen und nichts anderes anordnen". Art. 13 VEG ist eine Verfahrensbestimmung iS des Art. 11 Abs2 B-Vg;
er ist daher auch auf Landesgesetze, die Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen und deren Entschädigung vorsehen und nichts anderes anordnen, anzuwenden (SZ 56/167; SZ 56/87;
Kühne-Hofmann-Nugent-Roth, EisbEG 18).
Der Rechtsmittelwerber macht geltend, daß der G*** Z*** im Verteilungsverfahren Parteistellung nicht zukam, so daß der Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes in Rechtskraft erwachsen sei. Für die Anfechtbarkeit des Verteilungsbeschlusses und das Rechtsmittelverfahren gelten weder die Bestimmung des § 30 EisbEG, die sich nur auf den Rekurs gegen den Entschädigungsfestsetzungsbeschluß bezieht, noch die Vorschriften der Exekutionsordnung, da § 34 Abs2 EisbEG nur die Anwendung der Verteilungsgrundsätze der Exekutionsordnung anordnet, sondern das Gesetz über das Verfahren außer Streitsachen (SZ 9/216; Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 246). Es ist daher zu prüfen, ob die G*** Z*** durch den Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes beschwert (§ 9 AußStrG) sein konnte.
Sowohl wie Bestimmung des § 34 Abs2 EisbEG als auch die des § 215 EO geht davon aus, daß die Entschädigungssumme bzw. das Meistbot bereits erlegt und damit verfügbar ist, die Entschädigungssumme bzw. das Meistbot also bereits durch Gerichtserlag geleistet wurde. Der Erleger ist daher, wie Brunner aaO 246 richtig ausführt, zur Verteilungstagsatzung nicht zu laden, weil er durch einen Verteilungsbeschluß in seinen Rechten nicht mehr berührt werden kann. Nur die gerichtliche Entscheidung über die Festsetzung der Höhe der Enteignungsentschädigung stellt gemäß § 36 EisbEG und § 1 Z 6 EO einen Exekutionstitel dar (3 Ob 81/82; Brunner aaO 242). Dieser Exekutionstitel wird durch den Verteilungsbeschluß weder erweitert noch abgeändert. Er bildet auch keinen (weiteren) Exekutionstitel, auf Grund dessen der einem Gläubiger zugewiesene Betrag im Wege der Exekution hereingebracht werden könnte (vgl. Heller-Berger-Stix, Komm.4 1580). Durch die Verteilung des Entschädigungsbetrages von S 291.224,44 wurde demnach in Rechte der G*** Z*** nicht eingegriffen; ihr Rekurs gegen den Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes war dann aber unzulässig. Allein dadurch, daß die verteilte Summe gar nicht zur Gänze vorhanden war, wurden Rechte der G*** Z*** nicht berührt. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Kosten für den Rekurs sind nicht zuzuerkennen, weil dem Gesetz über das Verfahren außer Streitsachen ein Kostenersatz fremd ist. § 44 EisbEG gilt für das Verteilungsverfahren nicht mehr.
Anmerkung
E14574European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00575.88.0628.000Dokumentnummer
JJT_19880628_OGH0002_0010OB00575_8800000_000