TE OGH 1988/6/28 1Ob21/88

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Manfred T***, Röntgenfacharzt, Weiz, Pestalozzigasse 27, vertreten durch Dr. Gerald Weidacher und Dr. Peter Imre, Rechtsanwälte in Gleisdorf, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, und den Nebenintervenienten Dr. Dietrich B***, öffentlicher Notar, Irdning, vertreten durch Dr. Paul Hörner, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Feststellung (Streitwert S 4,907.486,75 s.A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. November 1987, GZ 4 R 111/87-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25. Februar 1987, GZ 13 Cg 45/86-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 261.161,65 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 13.910,15 Umsatzsteuer und S 108.150,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Maria T*** ist am 1. Jänner 1983 verstorben. In dem beim Bezirksgericht Irdning zu A 13/83 eingeleiteten Abhandlungsverfahren wurde der öffentliche Notar Dr. Dietrich B***, Irdning, zum Gerichtskommissär bestellt. Die S*** K***- UND

W***-B*** AG, Salzburg, teilte dem Gerichtskommissär mit

Schreiben vom 8. März 1983 mit:

"Verlassenschaft nach Frau Maria T***

Kreditengagement Reinhard T***, Falkenburg 9/

A-8952 Irdning

Sehr geehrter Herr Notar,

zu obigem Kreditengagement hat Frau Maria T*** Haftung zu unseren Gunsten über Deckungswechsel samt Widmungserklärung, unterfertigt in blanko, übernommen.

Weiters besteht auch Grundbuchbesicherung zu unseren Gunsten, uzw. öS 2,000.000,-- ob EZ 315 KG Irdning als HE u. EZZ 392, 562, u. 115 KG Irdning als NE'en, alle Ger.Bez.Irdning.

Die aushaftenden Salden zu gegenständlichem Engagement wollen Sie bitte beiliegender Bürgschaftsverständigung vom 31. Jänner 1983, Salden per 31.12.1982 = 1. Jänner 1983 (Todestag der Verstorbenen), entnehmen.

Auf Wunsch können wir Ihnen jederzeit die von Frau Maria T*** unterfertigten Kreditpapiere in Kopie zur Verfügung stellen."

Aus der beigelegten Aufstellung waren die Kreditverbindlichkeiten des Reinhard T*** zum 31. Dezember 1982 wie folgt ausgewiesen: S 83.626,02 (Wechselobligo); S 8,102.870,75 (Kontokorrent); S 557.295,50 (Bauspar-Zwischenfinanzierung); S 1,150.000,-- (Kreditdarlehen); S 1,533.324,-- (Kreditdarlehen). Die erbl. Söhne Josef, Reinhard T*** und der Kläger, letzterer vertreten durch den mit Vollmacht ausgewiesenen Reinhard T***, gaben am 31. August 1983 zum Nachlaß der Maria T*** unbedingte Erbserklärungen ab, die zu Gericht angenommen wurden. Der Ehegatte Josef T*** entschlug sich seines Pflichtteilsrechts und erklärte, gegen den Nachlaß keine Forderungen zu stellen. Nach dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis, in dem die Haftung für die Bankschulden unberücksichtigt blieb, betrug die Summe der Aktiven S 426.690,-- und das reine Nachlaßvermögen S 281.680,38. Im Protokoll über die Verlassenschaftsabhandlung hielt öffentl. Notar Dr. Dietrich B*** fest:

"Festgestellt wird, daß sämtliche auf den erbl. Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteilen haftenden Pfandrechte von der Firma Gerberei Reinhard T*** aufgenommen wurden, die Erblasserin mit ihren Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteilen lediglich eine dingliche Besicherung dieser Pfandrechte übernommen hat und diese somit nicht Gegenstand der Verlaßabhandlung sind".

Im abgeschlossenen Erbenübereinkommen übernahm der Kläger aus dem Nachlaß die Hälfte des Grundstückes 164/18 der EZ 392 KG Irdning im Ausmaß von 813 m2. Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Irdning vom 26. Jänner 1984 wurde der Nachlaß der Maria T*** dem Kläger zu einem Drittel eingeantwortet. Im Hinblick auf die Abgabe der unbedingten Erbserklärung wurde der Kläger von der S*** K***- UND W***-B*** AG beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu 13 Cg 110/85 auf Bezahlung des Betrages von S 7,462.930,39 s.A. geklagt.

Der Kläger begehrt, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, die Feststellung, die beklagte Partei hafte für den Schaden, der ihm in Hinkunft aus der Abgabe der unbedingten Erbserklärung im Verfahren A 13/83 des Bezirksgerichtes Irdning, insbesondere in dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren 13 Cg 110/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, entstehen wird. Der im Abhandlungsverfahren als Gerichtskommissär bestellte öffentl. Notar Dr. Dietrich B*** habe ihn nicht über die unterschiedlichen Rechtsfolgen einer bedingten und unbedingten Erbserklärung belehrt, obwohl er auf Grund des Schreibens der S*** K***- UND W***-B*** AG vom 8. März 1983 gewußt habe, daß die Erblasserin für das Kreditengagement ihres Sohnes Reinhard T*** nicht nur eine dingliche, sondern mittels blanko unterfertigter Deckungswechsel samt Widmungserklärung auch eine obligatorische Haftung übernommen hatte. Hätte ihn der Gerichtskommissär über das Bestehen einer obligatorischen Haftung zureichend aufgeklärt, hätte er keine unbedingte Erbserklärung abgegeben.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Dem Gerichtskommissär könne keine Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen werden, weil er alle Erben persönlich und nachdrücklich über das Wesen und den Unterschied zwischen einer bedingten und einer unbedingten Erbserklärung belehrt und insbesondere auch auf die bei Abgabe einer unbedingten Erbserklärung eintretenden Haftungsfolgen aufmerksam gemacht habe. Die Stellungnahme des Schuldners Reinhard T***, daß für seine Kreditverbindlichkeit keine persönliche Haftung der Erblasserin bestehe, weil diese Forderungen getilgt worden seien, hätten alle Erben nach erfolgter Belehrung unwidersprochen hingenommen. Der Gerichtskommissär habe annehmen können, daß diese Angaben den Tatsachen entsprechen. Der Kläger habe sich auch im Abhandlungsverfahren durch seinen Bruder Reinhard T*** vertreten lassen, so daß öffentl. Notar Dr. Dietrich B*** zur Annahme berechtigt gewesen sei, daß die Frage der Höhe des noch aushaftenden Kredites und des Umfanges der Haftung der Erblasserin zwischen den Brüdern geklärt worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:

Dr. Dietrich B*** habe im Abhandlungsverfahren weder auf das Schreiben der S*** K***- UND W***-B*** AG vom 8. März 1983 Bezug genommen noch die Erben eingehend über den Unterschied zwischen einer bedingten und unbedingten Erbserklärung belehrt.

Das rechtswidrige und schuldhafte Organverhalten liege darin, daß der Gerichtskommissär seiner gesetzlichen Aufklärungs- und Belehrungspflicht nicht bzw. nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sei. Dem Gerichtskommissär sei es insbesondere als Verschulden anzulasten, daß er nicht die Kreditunterlagen der S*** K***- UND W***-B*** AG beigeschafft habe, um sich über Art und Ausmaß der Haftung der Erblasserin klar zu werden. Er habe, obwohl im Schreiben der S*** K***- UDN W***-B*** AG vom 8. März 1983 ausdrücklich von einer obligatorischen Haftung der Erblasserin die Rede gewesen sei, in der im Abhandlungsverfahren aufgenommenen Niederschrift vom 31. August 1983 festgehalten, daß die Erblasserin lediglich eine dingliche Besicherung der dem Reinhard T*** gewährten Kredite übernommen habe. Er habe damit bei allen Unterfertigern der Niederschrift, so auch beim Kläger, die Meinung erweckt, daß eine Haftung für die Verbindlichkeiten nur mit den Liegenschaften der Erblasserin bestehe.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht stellte nach Wiederholung des Beweisverfahrens fest:

Die Verlassenschaftsabhandlung nach Maria T*** sollte ursprünglich der Notariatskandidat Dr. Werner W***, der seine Notarenlaufbahn am 1. Jänner 1983 bei Dr. Dietrich B*** begonnen hatte, durchführen. Er habe entsprechende Erhebungen gepflogen und im Zuge dieser Erhebungen eine Anfrage an die S*** K***- UND W***-B*** AG gerichtet, die mit dem Schreiben vom 8. März 1983 beantwortet worden sei. Nachdem Dr. Werner W*** dieses Schreiben mit Dr. Dietrich B*** besprochen hatte, habe Dr. Dietrich B*** erklärt, daß er die Verlassenschaftsabhandlung selbst durchführen werde, "weil man das genau machen müsse". Die am 4. Mai 1983 in den Räumen des Gerichtskommissärs durchgeführte Verlassenschaftsabhandlung sei von Dr. Dietrich B*** persönlich geleitet worden. An ihr hätten neben den Söhnen der Erblasserin Reinhard T***, Josef T*** jun. und dem Kläger auch der Ehegatte der Erblasserin Josef T*** sen. und Dr. Werner W*** teilgenommen. Als Dr. Dietrich B*** den Erben vorgehalten habe, daß nach dem Inhalt des Schreibens der S*** K***- UND

W***-B*** AG Schulden vorhanden seien, habe Reinhard T*** ihn sofort unterbrochen und erklärt, er werde diese Schulden übernehmen, weil sie den von ihm bereits übernommenen Gerbereibetrieb beträfen. Während Dr. Dietrich B*** über die Schulden, insbesondere über die auf den Liegenschaften pfandrechtlich sichergestellten Darlehen und das Schreiben der S*** K***- UND W***-B*** AG, gesprochen habe, habe

Reinhard T*** zum Ausdruck gebracht, daß er diese Verbindlichkeiten übernehme. Reinhard T*** habe gewußt, daß im März 1983 bzw. am 4. Mai 1983 Kreditverbindlichkeiten in der Höhe von ca. S 10 Mio. aushafteten. Er habe nicht gewußt, für welchen Betrag die Erblasserin gutgestanden sei. Dr. Dietrich B*** habe bei der Besprechung zwar keine juristisch differenzierte Aufklärung über den Unterschied zwischen dinglicher und persönlicher Haftung erteilt, er habe den Erben jedoch mit den Worten, daß sie "dran seien", wenn Reinhard T*** die Schulden nicht bezahle, zu verstehen gegeben, daß sie in diesem Fall persönlich haftbar seien. In dieser Form habe Dr. Dietrich B*** die Erben mehrmals über die Rechtsfolgen einer unbedingten Erbserklärung belehrt; Reinhard T*** habe den Notar, wenn über die Haftung gesprochen wurde, immer wieder unterbrochen und betont, den anderen könne nichts passieren, weil er ohnehin die ganzen Schulden übernehmen und alles bezahlen werde. Im Zusammenhang mit den Erläuterungen der Auswirkungen einer unbedingten Erbserklärung habe Dr. Dietrich B*** auch darauf hingewiesen, daß die Kosten der Verlassenschaftsabhandlung im Falle der Abgabe einer bedingten Erbserklärung nach den Schätzwerten der Liegenschaften berechnet würden. Reinhard T*** habe bei der Besprechung am 4. Mai 1983 versichert, daß lediglich eine dingliche Haftung der Erblasserin bestehe, weil die im Schreiben der S*** K***- UND

W***-B*** AG vom 8. März 1983 erwähnten Wechselverpflichtungen Kredite beträfen, die bereits zurückbezahlt seien. Dr. Dietrich B*** habe die Verlassenschaftsabhandlung nach etwa einer Stunde beendet und Reinhard T*** ersucht, diese Frage an Hand seiner Kreditunterlagen zu klären. Der Kläger habe seinen Bruder Reinhard T*** bereits am 4. Mai 1983 bevollmächtigt, ihn in der Folge im Abhandlungsverfahren zu vertreten und in seinem Namen auch eine Erbserklärung abzugeben. Dr. Dietrich B*** habe in der Folge keine Schritte unternommen, um die Frage der Haftung der Erblasserin zu klären. Nachdem ihm Reinhard T*** fernmündlich mitgeteilt hatte, daß sich nichts geändert hätte, d.h. daß lediglich eine dingliche Haftung der Erblasserin bestehe, habe Dr. Dietrich B*** die Verlassenschaftsabhandlung für den 31. August 1983 angesetzt. Dr. Dietrich B*** habe zu diesem Termin eine Niederschrift vorbereitet gehabt, die die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung durch die Erben vorgesehen habe. Am 31. August 1983 seien Josef T*** sen., Reinhard T*** und Josef T*** jun.

erschienen, denen die von Dr. Dietrich B*** vorbereitete Niederschrift vorgelesen worden sei. Die Genannten seien aufgefordert worden, Änderungswünsche bekanntzugeben. Die Erben hätten gegen den Inhalt der Niederschrift keine Einwendungen erhoben und diese unterfertigt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Gerichtskommissär sei gemäß § 116 Abs 1 AußStrG verpflichtet, die Erben, die bei der Verlassenschaftsabhandlung nicht von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten sind, über die gesetzlichen Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärung zu belehren. Diese Belehrung müsse für den Rechtsunkundigen faßbar und verständlich sein, so daß es ihm möglich sei, die damit verbundenen Rechtsfolgen zu übersehen und entsprechende Entschlüsse zu fassen. Der Gerichtskommissär habe mit den Worten, daß sie dran seien, wenn Reinhard T*** die Schulden nicht bezahlen könne, auf eine auch für einen Rechtsunkundigen unmißverständliche Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Erben, wenn sie eine unbedingte Erbserklärung abgeben, mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeit der Erblasserin zu haften hätten. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Gerichtskommissär seiner Belehrungspflicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sei, dürfe auch nicht übersehen werden, daß sich der Kläger bei der Abgabe der Erbserklärung durch seinen Bruder Reinhard T*** habe vertreten lassen, der nach seiner eigenen Darstellung gewußt habe, daß die Erblasserin für seine Schulden, die im Zeitpunkt der Abgabe der Erbserklärung rund S 10 Mio. betrugen, nicht nur eine dingliche, sondern auch eine obligatorische Haftung übernommen hatte. Auf Grund dieses Wissens und der wenn auch in volkstümlichen Worten erfolgten Rechtsbelehrung durch den Notar sei es Reinhard T*** als dem Bevollmächtigten des Klägers möglich gewesen abzusehen, welche Folgen die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung für den Kläger mit sich bringe. Der Rechtsansicht des Erstgerichtes, ein Verschulden des Gerichtskommissärs sei darin zu erblicken, daß er in Kenntnis des Schreibens der S*** K***- UND W***-B*** AG vom 8. März 1983 in der Niederschrift vom 31. August 1983 festgestellt habe, die Erblasserin habe lediglich eine dingliche Haftung übernommen, und damit bei den Unterfertigern der Niederschrift den Eindruck erweckte, daß eine Haftung für die Verbindlichkeiten nur mit den Liegenschaften der Erblasserin bestehe, könne nicht gefolgt werden. Dabei werde übersehen, daß es sich dabei offensichtlich um die Wiedergabe der Angaben der unbedingt erbserklärten Erben im eidesstättigen Vermögensbekenntnis handle, das gemäß § 114 AußStrG im Falle einer unbedingten Erbserklärung dem Abhandlungsverfahren zugrundezulegen sei. Dem Abhandlungsgericht und dem Gerichtskommissär stehe es nicht zu, das eidesstättige Vermögensbekenntnis auf seine Richtigkeit zu überprüfen und hiezu Ermittlungen anzustellen. Der Gerichtskommissär habe auch davon ausgehen können, daß Reinhard T*** als Bevollmächtigter des Klägers dessen Interessen wahren werde und dies auch getan habe, bevor er ihm telefonisch versicherte, daß lediglich eine dingliche Haftung der Erblasserin für die ihm gewährten Kredite bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung zu.

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Vorinstanzen gingen mit Recht davon aus, daß der Notar als Beauftragter des Gerichtes (Gerichtskommissär) Organ iS des § 1 Abs 2 AHG ist. Die Amtshaftung für schuldhaftes Fehlverhalten trifft den Bund als den Träger der Gerichtsbarkeit (SZ 57/172; NZ 1969, 7; Leobenstein-Kaniak, AHG2, 56; Schauer, Amtshaftung für Notare, RdW 1984, 270; Wagner, Notariatsordnung2 115). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, daß der Bund gegebenenfalls für die Folgen einer unrichtigen Rechtsbelehrung durch den Notar, die zur Abgabe einer unbedingten Erbserklärung führt, nach dem Amtshaftungsgesetz einzustehen hat (SZ 57/172). Der Gerichtskommissär hat, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, Erben, die nicht von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten sind, bei der Tagsatzung, in welcher er deren Erbserklärung entgegennimmt, über die gesetzlichen Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärung zu belehren und erst danach ihre Äußerungen oder Erbserklärungen zu Protokoll zu nehmen (§ 116 Abs 1 AußStrG). Diese Belehrung hat insbesondere die Wirkungen der bedingten und der unbedingten Erbserklärung, das Verbot des Widerrufes der unbedingten Erbserklärung und der Umwandlung einer unbedingten in eine bedingte Erbserklärung (§§ 801 f, 806 ABGB) zu umfassen. Die Belehrung muß für den Rechtsunkundigen faßbar sein (SZ 57/172; Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen2 Anm. 9 zu § 116 AußStrG).

Im vorliegenden Fall war dem öffentlichen Notar Dr. Dietrich B*** auf Grund der Auskunft der S*** K***- UND

W***-B*** AG vom 8. März 1983 bekannt, daß Maria T*** die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten ihres Sohnes Reinhard T*** in der beträchtlichen Höhe von ca. S 11,4 Mio. übernommen hatte und Forderungen der Bank in der Höhe von S 2 Mio. grundbücherlich besichert waren. Bestanden Verbindlichkeiten in dieser Höhe, war es Aufgabe des Notars, in besonders eindringlicher Weise auf die Haftungsfolgen der unbedingten Erbserklärung hinzuweisen. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen klärte Dr. Dietrich B*** die Erben nur darüber auf, daß "Schulden" vorhanden seien; die Belehrung über die Rechtsfolgen der unbedingten Erbserklärung erfolgte danach in der Weise, daß der Notar den Erben "zu verstehen gegeben" habe, daß sie "dran seien", wenn Reinhard T*** die Schulden nicht bezahle. Dr. Dietrich B*** wies dann nur noch darauf hin, daß die Kosten der Verlassenschaftsabhandlung im Falle der Abgabe einer bedingten Erbserklärung nach den Schätzwerten der Liegenschaften berechnet würden. Eine von Dr. Dietrich B*** nur in dieser Form gegebene Rechtsbelehrung kann insbesondere unter Bedachtnahme auf den Wert der Verlassenschaft und die zumindest vorerst ausgewiesene Höhe der Schulden der Verlassenschaft nicht als hinreichend erachtet werden. Da die Rechtsbelehrung auch dem juristischen Laien die Rechtsfolgen der Erbserklärung verständlich vor Augen führen soll, mag es in einem Fall, in dem die Verlassenschaft groß genug ist, um alle möglicherweise bestehenden Verbindlichkeiten decken zu können, zureichen, die Rechtsfolgen der unbedingten Erbserklärung dahin zu umschreiben, daß die Erben auch persönlich "dran sind", wenn sie eine solche Erklärung abgeben, weil in einem solchen Fall die unbeschränkte Erbenhaftung für Verbindlichkeiten des Erblassers ohne Belang ist. Darin durfte sich die Rechtsbelehrung aber bei Nichtzureichen der Verlassenschaft nicht erschöpfen, da diese Belehrung auch für die bedingte Erbserklärung gilt und nicht deutlich zum Ausdruck bringt, daß der Erbe bei Abgabe einer unbedingten Erbserklärung unbegrenzt auch mit seinem eigenen Vermögen über den Wert der Verlassenschaft hinaus haftbar ist. Der Gerichtskommissär hatte auch die Alternative aufzuzeigen, daß die unter Bedachtnahme auf die Höhe der Verlassenschaftsschulden gravierenden Haftungsfolgen durch die Abgabe einer bedingten Erbserklärung vermieden werden könnten, und die Abgabe einer bedingten Erbserklärung eindeutig zu empfehlen. Der alleinige Hinweis, daß bei Abgabe einer bedingten Erbserklärung die Kosten der Verlassenschaftsabhandlung nach den Schätzwerten der Liegenschaft berechnet würden, war bei dieser Sachlage unzureichend, weil der juristische Laie dadurch zur Meinung verleitet werden konnte, daß im Falle der Abgabe einer bedingten Erbserklärung nur höhere Kosten entstehen. Nach den getroffenen Feststellungen hielt Dr. Dietrich B*** den Erben auch nur vor, daß nach dem Schreiben der S*** K***- UND W***-B*** AG "Schulden" vorhanden seien; der Inhalt des Schreibens und damit das (behauptete) Ausmaß der Risiken wurde also nicht einmal den Erben mitgeteilt. Eine solche Information war aber selbst dann unabdingbar, wenn Dr. Dietrich B*** eine eingehende Belehrung über die Rechtsfolgen der bedingten Erbserklärung erteilt hätte, weil dem Kläger erst damit eine Entscheidungsgrundlage an die Hand gegeben war, ob er für den Fall des Zurechtbestehens der behaupteten Forderung die höheren Kosten, die ihn bei Errichtung des Inventars treffen, in Kauf nimmt, um eine allfällige Haftung in Millionenhöhe zu vermeiden. Dem Vorbringen des Reinhard T***, es seien nur noch Verbindlichkeiten offen, die pfandrechtlich gesichert seien, hätte Dr. Dietrich B*** entgegenhalten müssen, daß dies nach dem Schreiben der S*** K***- UND W***-B*** AG vom 8. März 1983 nicht zutreffe. Gewiß ist es richtig, daß es der Kläger sodann seinem Bruder durch Einräumung einer Vollmacht in die Hand gegeben hat, eine unbedingte Erbserklärung abzugeben. Da es Dr. Dietrich B*** unterlassen hat, eine hinreichende Rechtsbelehrung zu erteilen, obläge aber der beklagten Partei der Beweis, daß der Kläger auch bei zureichender Rechtsbelehrung seinem Bruder Vollmacht erteilt und eine unbedingte Erbserklärung abgegeben hätte (vgl. SZ 49/144; SZ 44/187; JBl 1969, 498; SZ 36/159; SZ 34/137), ein Beweis, der praktisch nicht erbringbar ist.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14594

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00021.88.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0010OB00021_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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