Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** A***, Wien 9., Spitalgasse 31, vertreten durch
Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** I*** reg. Genossenschaft mbH,
Wien 7., Kaiserstraße 33, vertreten durch Dr. Otto Kunze, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 301.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1987, GZ 3 R 177/87-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. Mai 1987, GZ 38 Cg 37/86-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.766,25 (darin enthalten S 978,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Genossenschaft ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung zum Handel mit allen von ihren Mitgliedern in deren bienenwirtschaftlichen Betrieben erzeugten Gegenständen und Waren, mit Imkerbedarfsartikeln, Met, Lebkuchen und Kanditen aus Honig sowie mit Kerzen. Sie vertreibt "Fumidil B", eine Arzneispezialität zur Verhütung der Nosemaseuche bei Bienen. Am 1. Oktober 1985 kaufte Dr. Peter K*** - ein Angestellter des klagenden Ö*** A***, der weder
Genossenschafter der Beklagten noch Imker ist - in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten im 7. Wiener Gemeindebezirk eine Packung "Fumidil B"-Pulver, ohne daß er gefragt worden wäre, ob er Imker sei. Der hiefür verlangte Preis von S 127,50 entspricht dem Selbstkostenpreis der Beklagten, welche auf ihren Einkaufspreis nur 7 % für verschiedene unvermeidbare Nebenleistungen aufschlägt. Der amtlich geregelte Höchstpreis für die Abgabe an Letztverbraucher beträgt ca. S 190,--. Die Beklagte bezieht "Fumidil B" von der Firma C. R*** & CO KG, die in Wels eine Apotheke und den Arzneimittelgroßhandel betreibt. Der Beklagten wurde der Großhandelspreis verrechnet.
Am 2. April 1971 hatte das Bundesministerium für soziale Verwaltung dem Ö*** I*** mitgeteilt, daß es gegen
den Bezug von "Fumidil B" durch die Landesverbände des Imkerbundes und die I*** Ö*** zum Zweck der Weitergabe
an die Tierhalter (Imker) keinen Einwand erhebe, sofern das Präparat aus einer öffentlichen Apotheke beschafft und von den "genannten Verteilern in der Funktion als Besorger" an die Verbraucher nicht über dem Selbstkostenpreis abgegeben werde.
Der Kläger beantragt, die Beklagte schuldig zu erkennen, das Anbieten und die Abgabe von Arzneimitteln und Arzneimittelspezialitäten, insbesondere "Fumidil B", an Letztverbraucher zu unterlassen. Die Beklagte betreibe keine Apotheke; sie verstoße durch den Verkauf dieses Arzneimittels im Kleinhandel an Letztverbraucher, gegen § 57 Abs 1 und § 59 AMG und damit auch gegen § 1 UWG; dadurch verschaffe sie sich gegenüber den gesetzestreuen Apothekern und denjenigen Kaufleuten, die es unterlassen, in wettbewerbswidriger Weise Arzneimittel und Arzneimittelspezialitäten zu verkaufen, einen Wettbewerbsvorteil. Das Verhalten der Beklagten sei aber auch deshalb sittenwidrig, weil der sogenannte "Apothekenvorbehalt" der Erhaltung der Volksgesundheit diene. Die Beklagte mißachte auch die auf Grund des PreisG ergangene amtliche Höchstpreisregelung, weil sie auf ihre Einstandspreise, "gerechnet vom Apothekenverkaufspreis (= amtlicher Höchstpreis)" 7 % für Verpackung, Lagerung und diverse sonstige Kosten aufschlage. Im Gegensatz dazu behauptete der Kläger allerdings auch, daß die Beklagte das Arzneimittel "unter dem amtlich geregelten Preis an Letztverbraucher verkaufe". Sie beziehe das Arzneimittel auch nicht in einer öffentlichen Apotheke, sondern vom Arzneimittelgroßhandel.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Da es wiederholt zu Engpässen bei der Beschaffung des Präparates "Fumidil B" in Apotheken gekommen sei, habe das Bundesministerium für soziale Verwaltung bereits am 2. April 1971 erklärt, gegen die Verteilung dieses Arzneimittels durch die Ö***
I*** keinen Einwand zu erheben, wenn diese das Präparat in einer öffentlichen Apotheke kauften und nicht über dem Selbstkostenpreis an die Verbraucher abgäben. Die Beklagte beziehe das Arzneimittel von einer öffentlichen Apotheke und ziehe aus seiner Besorgung und Verteilung keinen Gewinn.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagte verstoße zwar objektiv gegen den sogenannten "Apothekenvorbehalt"; dieser Verstoß sei ihr aber im Hinblick auf die Erklärung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 2. April 1971 subjektiv nicht vorwerfbar. Das bloße Besorgen und Verteilen eines in einer öffentlichen Apotheke erworbenen Arzneimittels sei aber auch keine Wettbewerbshandlung. Daß das Unternehmen, von dem die Beklagte das Produkt bezogen habe, nicht nur eine Apotheke, sondern auch den Arzneimittelgroßhandel betreibe, ändere daran nichts. Ein Verstoß gegen das PreisG liege nicht vor, weil die Beklagte den amtlich geregelten Höchstpreis nicht überschritten habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes aus dessen Gründen und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung der Klage abzuändern; hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger macht in der Revision im wesentlich geltend, daß die Vorinstanzen die gegenüber dem Provisorialverfahren veränderte Tatsachengrundlage nicht berücksichtigt hätten: Nunmehr stehe fest, daß die Beklagte das Präparat "Fumidil B" zu einem wesentlichen niedrigeren Preis verkaufe, als dies in Apotheken der Fall sei; außerdem habe sie dieses Präparat nicht in einer Apotheke, sondern offensichtlich im Arzneimittelgroßhandel bezogen. Der Begriff eines "Besorgers und Verteilers" sei dem ArzneimittelG fremd. Die Umstände, unter denen die Beklagte das Präparat abgebe, entsprächen nicht den für die Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken bestehenden Mindestanforderungen. Auch die subjektive Tatseite hätte nicht verneint werden dürfen, weil das Schreiben des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 2. April 1971 von einer anderen Gesetzeslage ausgegangen sei und eine allfällige Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften, die nicht in die Kompetenz dieses Ministeriums gefallen seien, bewußt nicht geprüft habe. Dem ist folgendes zu erwidern:
Die Mißachtung gesetzlicher Bindung durch einen Wettbewerber kann zwar einen Verstoß gegen § 1 UWG begründen; das ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich der Gesetzesverstoß irgendwie auf den Wettbewerb auswirkt (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 218 Rz 118 Einl. UWG, 856 Rz 568 zu § 1 UWG; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 83). Ob eine Handlung wegen Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG anzusehen ist, ist aber erst dann zu beurteilen, wenn sie im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes vorgenommen worden ist. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung (ÖBl 1987, 124) ausgesprochen hat, verfolgt nicht jedes Verhalten eines Unternehmers im geschäftlichen Verkehr Zwecke des Wettbewerbs; zur Wettbewerbshandlung wird es erst im Rahmen des Wettstreites mit den Konkurrenten. Der Oberste Gerichtshof hat daher im Provisorialverfahren eine Wettbewerbshandlung der Beklagten schon deshalb verneint, weil bescheinigt war, daß die Beklagte das Präparat gerade aus einer öffentlichen Apotheke bezogen und solcherart jede Beeinträchtigung des Absatzes der öffentlichen Apotheken bewußt vermieden hatte; wegen der Abgabe zum Selbstkostenpreis (einschließlich eines Zuschlages für verschiedene unvermeidbare Nebenleistungen) wurde auch die Erlangung eines sittenwidrigen Wettbewerbsvorsprunges durch die Beklagte gegenüber jenen Kaufleuten verneint, die in Beachtung des Apothekenvorbehaltes keine Arzneimittel verkaufen. Dieser im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommene Sachverhalt liegt entgegen den Revisionsausführungen auch der Entscheidung im Hauptverfahren zugrunde. Daß jenes Unternehmen, von dem die Beklagte das Präparat "Fumidil B" bezieht, neben einer Apotheke auch den Arzneimittelgroßhandel betreibt, steht der Feststellung, daß sie das Präparat in einer Apotheke bezogen hat, nicht entgegen; auch der - gegenüber dem amtlichen Höchstpreis - verrechnete niedrigere Preis erlaubt keinen Schluß auf das Gegenteil. Die Ergebnisse des Hauptverfahrens haben somit zu keiner neuen Tatsachengrundlage geführt, die eine andere rechtliche Beurteilung zur Folge haben müßte. Auf die weiteren Rechtsmittelausführungen des Klägers, welche sich gegen die Annahme eines unverschuldeten Rechtsirrtums der Beklagten wenden, muß daher nicht mehr eingegangen werden. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14660European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00026.88.0628.000Dokumentnummer
JJT_19880628_OGH0002_0040OB00026_8800000_000