TE OGH 1988/6/28 1Ob18/88

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf G***, Entsorgungsunternehmer, Kühnsdorf-Mitte 5, vertreten durch Dr. Reinhard Schubert, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 156.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17. März 1988, GZ 4 a R 32/88-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. Dezember 1987, GZ 30 Cg 374/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.659,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 10. Juli 1986 erklärte der Kläger dem Militärkommando für Kärnten sein Interesse, Soldaten in seinem Betrieb eine berufliche Ausbildung zum Bürokaufmann, Lastkraftwagenmechaniker und Lastkraftwagenfahrer zu gewähren. Mit Befehl des Militärkommandos Kärnten vom 22. August 1986, Zl 22.003-0400/50/86, wurde dem Zeitsoldaten Korporal Werner B*** gemäß § 33 WehrG 1978 idF Wehrrechtsänderungsgesetz 1983, BGBl. 1983/577, die berufliche Bildung im Betrieb des Klägers (Praktikum als LKW-Fahrer) in der Zeit vom 1. September 1986 bis 31. August 1987 ermöglicht. Im Befehl des Militärkommandos für Kärnten wurde ausgeführt, daß Kpl Werner B*** für die Zeit der beruflichen Bildung Angehöriger des Bundesheeres iS des § 1 Abs. 3 Z 1 WehrG 1978 bleibe und allen wehr-, sozial- und dienstrechtlichen Bestimmungen, die für Zeitsoldaten gelten, unterliege. Er hatte den Weisungen des zivilen Ausbildungspersonals, soweit diese die Ausübung im Rahmen der beruflichen Bildung betreffen, Folge zu leisten. Die zivile Ausbildungsstätte galt als militärische Dienststelle. Für die Zeit der beruflichen Bildung war Kpl Werner B*** von jeder sonstigen militärischen Dienstverrichtung freizustellen. Die Dienstaufsicht über die berufliche Bildung war vom Militärkommando Kärnten durch fallweise Kontrollen wahrzunehmen. Darüber hinaus hatte sich Kpl Werner B*** monatlich einmal beim Militärkommando Kärnten persönlich oder telefonisch zu melden. Eine Abschrift des Befehls wurde dem Kläger unter Berufung auf eine Vereinbarung über die Ermöglichung beruflicher Bildung von Zeitsoldaten übermittelt.

Am 9. September 1986 lenkte Werner B*** im Auftrag des Klägers dessen unbeladenen LKW Mercedes-Benz Absetzkipper, pol. Kennzeichen K 81.114, auf der 10. Oktober-Straße in Treibach Richtung Mölbling. Als er einen Durchlaß durchfahren wollte, blieb er mit dem rechten hinteren Hebearm der Containeraufhängung des LKWs an der Durchlaßdecke hängen, worauf das Fahrzeug mit einem Ruck angehoben wurde und die Fahrerkabine gegen die Durchlaßdecke prallte. Die Kabine wurde total beschädigt; außerdem entstanden Schäden am vorderen rechten Blinker und am rechten Rücklicht. Der Kläger begehrt, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, den Betrag von 156.000 S zu bezahlen. Werner B*** sei bei der in Rede stehenden Fahrt Soldat und in Vollziehung des Wehrgesetzes tätig gewesen. Für das schuldhafte Verhalten ihres Organes habe die beklagte Partei einzustehen.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Werner B*** sei im Schadenszeitpunkt nicht als Organ der beklagten Partei iS des § 1 Abs. 2 AHG tätig gewesen. Während der beruflichen Bildung sei er zwar weiterhin Angehöriger des österreichischen Bundesheeres geblieben, seine Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Bildung sei jedoch nicht in Vollziehung der Gesetze erfolgt, weil dieser Tätigkeit jeder Bezug zu hoheitlichen Aufgaben fehle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Handlungen eines Zeitsoldaten im Rahmen seines Berufspraktikums iS des § 33 WehrG 1978 seien nicht der Hoheitsverwaltung zuzuordnen. Daß Manfred B*** die berufliche Bildung auf Grund eines Befehls des Militärkommandos für Kärnten ermöglicht worden sei, genüge nicht, seine Tätigkeit im Rahmen dieser beruflichen Bildung als hoheitlich zu qualifizieren, weil ihr ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang zur hoheitlichen Tätigkeit des Bundesheeres fehle. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Die Erfüllung der dem Bundesheer obliegenden Aufgaben geschieht grundsätzlich in Vollziehung der Gesetze (1 Ob 39/87; SZ 59/112; EvBl. 1979/53; SZ 45/42; Loebenstein-Kaniak, Amtshaftungsgesetz2 258). Welche Aufgaben dem Bundesheer obliegen, ergibt sich aus Art. 79 B-VG. Nach dessen Abs. 1 ist dies vor allem die militärische Landesverteidigung. Nach Art. 79 Abs. 2 ist das Bundesheer darüber hinaus, soweit die gesetzmäßige zivile Gewalt seine Mitwirkung in Anspruch nimmt, zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie der demokratischen Freiheiten der Einwohner, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt sowie zu Hilfeleistungen bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges bestimmt. Weitere Aufgaben können dem Bundesheer gemäß Art. 79 Abs. 3 B-VG nur durch Bundesverfassungsgesetz übertragen werden. Jede Handlung oder Unterlassung eines im Dienst befindlichen Soldaten ist ebenfalls hoheitlicher Natur, wenn sie bei objektiver Betrachtung einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit diesen hoheitlichen Aufgaben aufweist (1 Ob 39/87; SZ 59/112; SZ 55/82). Gemäß § 33 Abs. 1 WehrG 1978 ist Wehrpflichtigen, die einen Wehrdienst als Zeitsoldat in der Gesamtdauer von mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung leisten, vom zuständigen Militärkommando eine berufliche Bildung im Inland bis zum Höchstausmaß von einem Drittel der Dienstleistungszeit als Zeitsoldat während dieses Präsenzdienstes zu ermöglichen. Der Beginn der beruflichen Bildung ist vom zuständigen Militärkommando nach Möglichkeit so festzulegen, daß die berufliche Bildung mit dem Wehrdienst als Zeitsoldat endet. Ein Anspruch auf berufliche Bildung besteht gemäß § 33 Abs. 2 WehrG 1978 nur für solche Berufe, gegen die im Berufsberatungsgutachten der Arbeitsmarktverwaltung keine Einwände wegen mangelnder Fähigkeit des Zeitsoldaten oder wegen mangelnder Verwendungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt erhoben werden. Gemäß § 33 Abs. 3 WehrG 1978 kommt als berufliche Bildung die fachliche Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung in öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen und Betrieben im Inland in Betracht. Gemäß § 33 Abs. 6 WehrG 1978 trägt die Kosten der beruflichen Bildung in allen Fällen der Bund. Die berufliche Bildung iS des § 33 WehrG 1978 wurde dem Zeitsoldaten Werner B*** mit Befehl des Militärkommandos Kärnten ermöglicht. Werner B*** blieb während der beruflichen Bildung Angehöriger des österreichischen Bundesheeres und als solcher der Dienstaufsicht des Militärkommandos unterstellt (vgl. auch die Erläuterungen zur RV zum Wehrrechtsänderungsegsetz 1983, 51 BlgNR 16. GP 17). Der Oberste Gerichtshof hat daher auch bereits ausgesprochen, daß das "Ermöglichen" der beruflichen Bildung während des Dienstverhältnisses im Befehl besteht, sie in Anspruch zu nehmen; die Ausführung des Befehls betrifft dann die Erfüllung einer, wenn auch nicht spezifisch militärischen Dienstpflicht (SSt 54/85). Damit wird aber nicht auch schon das Verhalten im Rahmen der beruflichen Bildung zu einem hoheitlichen Organhandeln iS des § 1 Abs. 2 AHG. Die berufliche Bildung dient nicht der Erfüllung der dem Bundesheer obliegenden Aufgaben, sondern soll den Zeitsoldaten, wie insbesondere die Regelung des § 33 Abs. 2 WehrG 1978 erweist, vor dem Ende seines Wehrdienstes möglichst zweckmäßig auf seine weitere Berufslaufbahn außerhalb des Bundesheeres vorbereiten (vgl. Erl. zur RV zum Wehrrechtsänderungsgesetz 1983, 51 BlgNR 16. GP 17). Die berufliche Bildung steht daher nicht im Dienst hoheitlicher Zielsetzung, sie soll dem Zeitsoldaten vielmehr unter weitgehender Freistellung von seinen militärischen Pflichten den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten für seinen künftigen Zivilberuf ermöglichen. Wenn der Zeitsoldat auch während der beruflichen Bildung der Dienstaufsicht seiner militärischen Vorgesetzten untersteht, so wird doch seine Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Bildung nicht vom militärischen Vorgesetzten durch Befehle, sondern durch Anordnungen des Leiters der Bildungseinrichtung bzw. des Betriebes, in dem die berufliche Bildung erfolgt, bestimmt. Die Fahrt, bei der sich der Unfall ereignete, erfolgte auch im Auftrag des Klägers. Sie trug demnach keinen militärischen Charakter; ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang mit den Aufgaben des Bundesheeres bestand nicht. Wurde der Schaden aber von Kpl Werner B*** nicht in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs. 2 AHG) zugefügt, ist eine Haftung der beklagten Partei nicht begründet.

Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14825

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00018.88.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0010OB00018_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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