TE OGH 1988/6/28 4Ob31/88

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** R*** FÜR

H***, G*** UND I***, Salzburg, Jahnstraße 11, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei prot. Firma M. K***, Linz, Landstraße 48, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und Dr. Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24.Februar 1988, GZ 13 R 9/88-7, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 14.Dezember 1987, GZ 8 Cg 364/87-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Außer Streit steht, daß die Beklagte im Jahr 1987 für Bettwäsche und Federpolster mit den Bezeichnungen "Sonderangebot", "Aktionsangebot" oder "Sonderpreis" geworben hat, obwohl es sich bei den dort angeführten Preisen um die bereits längere Zeit verlangten Normalverkaufspreise gehandelt hatte; weiters kündigte die Beklagte für alle diese Artikel (generelle) Preisnachlässe in prozentueller Form an, die sie jedoch dann mit dem Hinweis darauf, daß es sich bei den für diese Produkte angegebenen Preisen um Sonderangebote handle, nicht gewährte.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragte der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, in öffentlichen Bekanntmachungen und Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, insbesondere in Zeitschriften, Zeitungen und Auslagen sowie in Postwurfsendungen in Form von Prospekten und Katalogen,

a) Waren mit der Bezeichnung "Sonderangebot", "Aktionsangebot", "Sonderpreis" oder ähnlichem zu bewerben, anzubieten und in Verkehr zu bringen, wenn der unter dieser Bezeichnung angeführte Preis lediglich dem Normalverkaufspreis entspricht;

b) Preisnachlässe, insbesondere Rabatte, für Waren anzukündigen bzw. für sie zu werben, die für diese Waren dann tatsächlich nicht gewährt werden.

In einem am 20.November 1987 - nach Zustellung der vorliegenden Klage - errichteten Notariatsakt übernahm der alleinvertretungsbefugte Gesellschafter der beklagten OHG, August W***, im eigenen Namen und im Namen der Beklagten gegenüber dem Kläger eine dem Sicherungsantrag wörtlich entsprechenden Unterlassungsverpflichtung, wobei als Rechtstitel unter anderem §§ 1, 2, 14, 24 UWG angeführt waren (Pkt. 1); Punkt 2 enthält die Erklärung, daß diese Unterlassungsverpflichtung unwiderruflich und unbedingt abgegeben werde und die in Punkt 1 übernommene Verpflichtung iS des § 3 NO sofort vollstreckbar sein solle; Punkt 3 enthält die Ermächtigung des Klägers zur Veröffentlichung des Notariatsaktes auf Kosten der Beklagten unter der Bedingung, daß im vorliegenden Verfahren die Beklagte zum Ersatz der Prozeßkosten an den Kläger verurteilt und im Urteil nicht auf Urteilsveröffentlichung erkannt werde.

Unter Hinweis auf diesen Notariatsakt beantragte die Beklagte die Abweisung des Sicherungsantrages. Der Kläger könnte im Fall eines Verstoßes der Beklagten gegen die eingegangene Unterlassungsverpflichtung sofort Exekution führen. Die Beklagte habe den behaupteten Wettbewerbsverstoß begangen und anerkenne daher vorbehaltlos die Unterlassungsverpflichtung, nicht jedoch das Unterlassungsbegehren, weil sowohl die Aktivlegitimation des Klägers als auch die Wiederholungsgefahr bestritten würden und der klagende Verband im übrigen eine allfällige Klageberechtigung rechtsmißbräuchlich ausgeübt habe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Da die Beklagte die Unterlassungsverpflichtung vorbehaltslos anerkannt habe, sei die Wiederholungsgefahr weggefallen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es stellte den Vereinszweck des Klägers (Förderung des lauteren Wettbewerbs durch Übernahme und Übertragung von Forschungsaufträgen sowie Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs u.a. durch Zuhilfenahme der hiefür zuständigen Organe der Rechtspflege) und die Art seiner Mitglieder (ausnahmslos Unternehmer, darunter auch Mitbewerber der Beklagten) fest, bejahte im Hinblick auf diese Umstände die Aktivlegitimation des Klägers, ferner auch dessen Beschwer durch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz und führte in rechtlicher Hinsicht noch folgendes aus:

Die Einwendung der Beklagten, daß ein vollstreckbarer Notariatsakt über den im Sicherungsantrag erhobenen Anspruch vorliege, sei auch als Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses aufzufassen. Auch wenn sich der Berechtigte an der Errichtung des Notariatsaktes nicht zu beteiligen und diesen auch nicht zu unterfertigen brauche, müsse doch zur Begründung seiner Wirkung, das Rechtsschutzinteresse an einer weiteren Prozeßführung zu beseitigen, gefordert werden, daß die Erklärung den erhobenen Anspruch in eindeutiger Weise und im Zusammenhang mit dem Prozeßvorbringen in allen seinen anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmalen - zu welchen auch die Aktivlegitimation gehöre - betreffe; gerade diese werde aber gleichzeitig bestritten. Die Beklagte sei somit im Notariatsakt nur eine gar nicht verlangte Verpflichtung, die sie ja weiterhin bestreite, eingegangen. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers sei aber ungeachtet dieser Erwägungen schon deshalb gegeben, weil die Zustellung des Notariatsaktes an ihn erst nach der Entscheidung des Erstgerichtes erfolgt sei. Nur wenn der Kläger zu diesem Zeitpunkt schon in der Lage gewesen wäre, auf Grund des Notariatsaktes Exekution gegen die Beklagte zu führen, wäre der mit dem Sicherungsantrag verfolgte Zweck schon erreicht gewesen; solange einem Kläger die Existenz eines Exekutionstitels gegen den Beklagten nicht bekannt sei, müsse ihm das Interesse an der Rechtsverfolgung zugebilligt werden. Der Kläger habe demgemäß im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes noch ein berücksichtigungswürdiges Rechtsschutzinteresse an der Erlassung der einstweiligen Verfügung gehabt.

Auch die Wiederholungsgefahr sei zu bejahen: Durch die vorbehaltlose Anerkennung des Unterlassungsanspruches anerkenne der Beklagte auch die Wiederholungsgefahr. Diese könne in der Regel nur dann ausgeschlossen werden, wenn dem Kläger, der neben der Unterlassung auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung begehre, zugleich die Veröffentlichung des abzuschließenden Vergleiches auf Kosten des Beklagten in angemessenem Umfang angeboten werde; nur die Frage des Kostenersatzes dürfe der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten werden. Die Beklagte habe die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Notariatsaktes an ihre Verurteilung zum Prozeßkostenersatz und an die negative Voraussetzung, daß nicht auf Urteilsveröffentlichung erkannt werde, geknüpft; sie habe daher auch die Urteilsveröffentlichung einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten. Wegen der Bestreitung der Aktivlegitimation des Klägers im Prozeß bestünden aber auch Zweifel an der Ernstlichkeit der Absicht in Hinkunft gleichartige Wettbewerbsverstöße nicht mehr zu begehen. In Wahrheit habe die Beklagte somit nur versucht, die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruches zu beseitigen. Auf einen in einem anderen gerichtlichen Verfahren über den gleichen Anspruch ergangenen Exekutionstitel könne sich die Beklagte - erstmals im Rechtsmittelverfahren - wegen des bestehenden Neuerungsverbotes nicht berufen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528 a ZPO).

Das Rekursgericht hat die Aktivlegitimation des klagenden Vereins schon deshalb zutreffend bejaht, weil diesem nur Unternehmer - darunter auch Mitbewerber der Beklagten - angehören (vgl. ÖBl. 1986, 10 und 100); die Feststellung der Namen der Mitglieder und der Organe eines solchen Vereins ist für die rechtliche Beurteilung nicht erforderlich. Mit ihren weiteren Ausführungen, wonach die eidesstättige Erklärung des Klagevertreters für die Bescheinigung der Zusammensetzung der Mitgliederschaft des Klägers nicht ausreichend gewesen sei, bekämpft die Beklagte in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Rekursgerichtes. In ihrer Rechtsrüge vertritt die Beklagte die Auffassung, schon die Errichtung des Notariatsaktes über die im Prozeß angestrebte Unterlassungsverpflichtung nach Zustellung der Klage habe das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Erlangung eines weiteren Exekutionstitels beseitigt. Die Mitwirkung des Berechtigten am Zustandekommen des Notariatsaktes sei nicht erforderlich. Auch auf den Zeitpunkt der Zustellung des Notariatsaktes an den Berechtigten komme es nicht an; zumindest dürfe es der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, daß das Erstgericht das ihm vorgelegte Original des Notariatsaktes dem Kläger nicht sofort zugestellt habe. Durch die Zustellung des Beschlusses des Erstgerichtes habe der Kläger von der Existenz des Notariatsaktes erfahren und damit die Möglichkeit erhalten, den Exekutionstitel beim Erstgericht zu beheben und im Fall neuerlichen Zuwiderhandelns auch Exekution zu führen. Dem kann nicht gefolgt werden:

Daß der Kläger einen vollstreckbaren Notariatsakt über den geltend gemachten Anspruch besitzt, begründet nach ständiger Rechtsprechung (SZ 4/27; SZ 21/124; SZ 25/143; JBl 1980, 488) nicht die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache, sondern nur allenfalls die - von der Partei in erster Instanz zu erhebende - Einrede des mangelnden Rechtsschutzinteresses, welche nicht zur Zurückweisung der Klage, sondern zur Abweisung des geltend gemachten Anspruches führt. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz das mangelnde Rechtsschutzinteresse des Klägers - zwar nicht ausdrücklich, aber durch die Berufung auf die Vollstreckbarkeit des mit der Äußerung zum Sicherungsantrag vorgelegten Notariatsaktes deutlich erkennbar - geltend gemacht. Das Rechtsschutzinteresse an der Geltendmachung eines Anspruches im Prozeß oder im Provisorialverfahren kann aber wegen eines diesen Anspruch umfassenden vollstreckbaren Notariatsaktes nur dann von vornherein fehlen oder im Zuge des Verfahrens erster Instanz wegfallen, wenn der Kläger von dessen Existenz überhaupt Kenntnis hat und sich den Besitz dieser öffentlichen Urkunde zumindest verschaffen kann: Erst dadurch wird er nämlich in die Lage versetzt, von diesem Exekutionstitel Gebrauch zu machen. Da der Kläger an der Errichtung des Notariatsaktes nicht beteiligt war, sondern erst durch die Zustellung der Entscheidung des Erstgerichtes davon erfahren hat, muß ihm zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlußfassung durch dbs Erstgericht das Rechtsschutzinteresse an der Erlangung der im Haupt- und im Provisorialverfahren angestrebten Exekutionstitel zugebilligt werden. Daß der Kläger noch vor der Entscheidung des Erstgerichtes von dem Notariatsakt Kenntnis erlangen würde, durfte die Beklagte schon deshalb nicht erwarten, weil die Entscheidung im Sicherungsverfahren nicht nach mündlicher Verhandlung ergeht und die Äußerung zum Sicherungsantrag üblicherweise erst mit der darüber ergangenen Entscheidung zugestellt wird. Sie hat auch nicht behauptet, daß sie den Kläger außergerichtlich - etwa durch Übersendung einer Urkunde - von der Errichtung des Notariatsaktes verständigt hätte. Schon aus diesem Grund hat das Rekursgericht zutreffend das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Erlangung der beantragten einstweiligen Verfügung bejaht; ob der Notariatsakt im vorliegenden Fall auch einen Exekutionstitel bildet, braucht daher nicht weiter erörtert zu werden.

Dem Rekurs`ericht ist auch darin beizupflichten, daß die erst nach der Beschlußfassung durch das Erstgericht erfolgte Zustellung des Notariatsaktes an den Kläger dessen Interesse an der Beseitigung der seinen Sicherungsantrag abweisenden Entscheidung nicht beeinflussen konnte. Die Beschwer, die eine Voraussetzung für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels bildet, liegt bei Rechtsmitteln an die zweite Instanz trotz des Wegfalles des Interesses an der Entscheidung in der Hauptsache noch in der Belastung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz (EvBl 1971/218; JBl 1977, 650; WBl 1988, 55; 4 Ob 404/87).

Ob die - zugleich mit Äußerung zu einem Sicherungsantrag vorgenommene - Vorlage eines ohne Beteiligung des Klägers zustande gekommenen, eine Unterlassungsverpflichtung enthaltenden Notariatsaktes, der mangels Kenntnis des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz das Rechtsschutzinteresse an der Erlangung eines (weiteren) Exekutionstitels nicht beseitigt hat, den Wegfall der Wiederholungsgefahr bewirken könnte, braucht im vorliegenden Fall ebenfalls nicht beurteilt zu werden: Der Notariatsakt vom 20. November 1987 könnte diese Rechtsfolge schon deshalb nicht nach sich ziehen, weil er die Ermächtigung des Klägers zu seiner Veröffentlichung an die Voraussetzung knüpft, daß im Hauptverfahren nicht auf Urteilsveröffentlichung erkannt wird; er enthält also keine unbedingte und vorbehaltlose Verpflichtung zur Veröffentlichung. Dieser Sachverhalt ist dem Anbieten eines Unterlassungsvergleiches gleichzuhalten, der entgegen dem - berechtigten - Begehren des Klägers den Veröffentlichungsanspruch nicht umfaßt (vgl ÖBl. 1982, 25, ÖBl. 1984, 135); das Rekursgericht hat daher schon aus diesem Grund den Wegfall der Wiederholungsgefahr zutreffend verneint. Da das Verhalten der Beklagten geeignet war, irrige Vorstellungen des Verkehrs über seine Preise zu erwecken, ist der Unterlassungsanspruch nach § 2 UWG begründet. Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich in Ansehung des Klägers auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E14866

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00031.88.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0040OB00031_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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