TE OGH 1988/6/28 2Ob560/87 (2Ob561/87)

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gunther G***, Steuerberater, Hochallee 53, D-2000 Hamburg, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Herbert Richter, Dr. Franz Marschall, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Werner L***, Handelsvertreter, Scharfeneckweg 2, 2500 Baden, vertreten durch Dr. Paul Koziel, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 174.688,-

(= ÖS 1,240.230,-) sA, infolge 1) Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 11. Dezember 1986, GZ 3 R 199, 261/86-19 (Punkt I), womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 8. August 1986, GZ 3 Cg 743/85-14 (Punkt a), ersatzlos aufgehoben, sohin abgeändert wurde, 2) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Dezember 1986, GZ 3 R 199, 261/86-19 (Punkt II), womit das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 8. August 1986, GZ 3 Cg 743/85-14 (Punkt b), unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1) Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat ihre diesbezüglichen Rechtsmittelkosten selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

2) Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof über den Rekurs sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Firma G*** FÜR K*** mbH & Co KG

(folgend: Gemeinschuldnerin) mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland richtete am 28. März 1983 an den Beklagten, der für sie als selbständiger Handelsvertreter tätig war, ein Fernschreiben mit der Erklärung, ihm gemäß mündlicher Absprachen eine Forderung gegen das bulgarische Außenhandelsunternehmen (für die Ein- und Ausfuhr von Elektromaschinen, Geräten und Lagern) Elektroimpex Sofia in Höhe von DM 174.688,- abzutreten, und dem Ersuchen, absprachegemäß einen "Abschlag in Höhe von DM 170.000,- auf ihr Konto zu überweisen". Am 20. Mai 1983 eröffnete das Amtsgericht Northeim zu 9 N 32/83 über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren und bestellte den Kläger zum Konkursverwalter.

Mit der Behauptung, die Gemeinschuldnerin habe dem Beklagten mit Vertrag vom 2. Oktober 1982 diese Forderung zur Einziehung abgetreten, der Beklagte habe sich verpflichtet, zur Linderung einer "Liquidationsenge" der Gemeinschuldnerin umgehend DM 170.000,- zu bezahlen, jedoch trotz Zahlung durch Elektroimpex Sofia an ihn Ende Juni 1983 an die Gemeinschuldnerin keine Zahlung geleistet, begehrt der Kläger - zunächst unter Berufung auf seine Bestellung als Konkursverwalter, in der mündlichen Streitverhandlung vom 21. Mai 1986 (ON 13 S. 2) auch als Zessionar auf Grund einer von der Gemeinschuldnerin am 12. Mai 1986 vorgenommenen Inkassozession - vom Beklagten DM 174.688,- samt Nebengebühren.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und wendete zunächst mangelnde Aktivlegitimation des im ausländischen Konkurs der Gemeinschuldnerin bestellten Konkursverwalters ein. Als dieser im Prozeß seine Klageberechtigung (auch) auf die von der Gemeinschuldnerin vorgenommene Inkassozession stützte, verhandelte der Beklagte zunächst über dieses neue Vorbringen des Klägers (Protokoll ON 13 S. 2 bis 5) und wies erst dann auf die "Unzulässigkeit der Klagsänderung" hin. Das Erstgericht erachtete diesen Widerspruch gegen die vom Kläger vorgetragene Klagsänderung (Änderung seiner Klageberechtigung) noch als rechtzeitig, erklärte die Klagsänderung "durch Ableitung des Klagsanspruchs aus der Zession./G") für unzulässig und wies mit Urteil das Klagebegehren wegen des Mangels der aktiven Klagslegitimation des Konkursverwalters ab. Das Gericht zweiter Instanz beurteilte als Rekursgericht den Widerspruch des Beklagten gegen die Klagsänderung (Stützung der aktiven Klagslegitimation auf die Inkassozession der Gemeinschuldnerin) als verfristet, hob in Stattgebung des Rekurses des Klägers den erstgerichtlichen Beschluß ersatzlos auf und hob weiters als Berufungsgericht das klagsabweisliche Ersturteil unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf, weil umfassende Feststellungsmängel zu dem berechtigterweise vom Kläger erhobenen Klagebegehren vorlägen. Gegen diese Beschlüsse richten sich der Revisionsrekurs und der Rekurs des Beklagten mit den Anträgen, die erstinstanzlichen Entscheidungen wiederherzustellen, allenfalls dem Berufungsgericht nach Aufhebung seiner Entscheidung eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kläger beantragt in seinen Rekursbeantwortungen, beiden Rekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl der Revisionsrekurs als auch der Rekurs des Beklagten sind nicht berechtigt.

1.) Zum Revisionsrekurs:

Zutreffend haben beide Vorinstanzen den Vortrag des Klägers, er stütze seine Klageberechtigung auch auf eine von der Gemeinschuldnerin erteilte Inkassozession, als Klagsänderung beurteilt, weil damit die seinerzeitige anspruchsbegründende Tatsachenbehauptung, die Forderung stehe dem Kläger gegen den Beklagten als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin zu, durch jene ersetzt wurde, sie gründe sich auf ein durch Zession in seine Rechtszuständigkeit gelangtes Recht eines Dritten. Dies stellte aber eine Änderung des Streitgegenstandes durch Austausch des Klagegrundes und sohin eine Klagsänderung dar (JBl. 1975, 549). Dem Rekursgericht ist aber nach dem Aktenstand beizupflichten, daß der Beklagte über die "geänderte Klage" bereits verhandelt hatte (ON 13 S. 2 bis 5), bevor er letztlich auf die Unzulässigkeit der Klagsänderung hinwies, also dagegen Widerspruch erhob. Damit hat er aber gemäß § 235 Abs.2 letzter Satz ZPO der Klagsänderung stillschweigend zugestimmt, so daß die Klagsänderung ipso facto zugelassen war, ohne daß vom (Erst-)Gericht darüber noch ein Beschluß hätte gefaßt werden müssen (SZ 49/25; 7 Ob 543/88 uva). Das Rekursgericht hat sohin ohne Rechtsirrtum den die Unzulässigkeit der Klagsänderung aussprechenden Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos behoben.

Gemäß den §§ 50 und 40 ZPO hat der Beklagte die Kosten seines erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Klagsänderung gehört nicht zu den im § 521 a ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen des zweiseitigen Rekurses (4 Ob 1510/84 uva). Die vom Beklagten insoweit erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

2.) Zum Rekurs:

Dem Berufungsgericht ist auch dabei zu folgen, daß das neue Vorbringen des Klägers, womit er seine Aktivlegitimation als Zessionar auf Grund einer Inkassozession der Gemeinschuldnerin ableitete, für die Beurteilung des Streitfalles entscheidend ist. Bis zum Inkraftreten des IRÄG (BGBl. 1982/370) mit 1. Jänner 1983 galt § 67 KO (alt), aus dessen Anwendung in Rechtsprechung und Lehre gegenüber ausländischen Konkursen gefolgert wurde, daß der im Ausland in Konkurs verfallene Gemeinschuldner über sein österreichisches Vermögen (damit auch über Forderungen gegen Österreicher, welche damit in Österreich belegen sind) die freie Verfügungsbefugnis (Prozeßführungs-, Eintreibungsbefugnis) behalte (EvBl. 1984, 125; SZ 53/44; SZ 47/71; 7 Ob 663/85 uva; Bartsch-Pollak3 I 332 f).

Mit der Aufhebung dieser Bestimmung ab 1. Jänner 1983 durch Art. II Z 22 IRÄG erfolgte durch § 180 KO für die Anerkennung von Maßnahmen, die im Ausland im Rahmen eines dem österreichischen Konkursverfahren entsprechenden Verfahrens getroffen werden, insbesondere für Entscheidungen, mit denen ein Organ bestellt oder unmittelbar über im Inland belegenes Vermögen verfügt wird, eine Verweisung auf die §§ 79 bis 82, 84 EO.

Die Materialien (3 BlgNR 15.GP 49) begründen die Beseitigung der nicht effektiv gewordenen §§ 66 und 67 KO mit den heutigen international-konkursrechtlichen Verhältnissen: In Ermangelung der Gegenseitigkeit komme es weder dazu, daß bewegliches Auslandsvermögen in inländische Konkurse gezogen werde, noch dazu, daß österreichisches Vermögen ausgefolgt werde. Soweit daher nicht Insolvenzabkommen bestünden, beschränke sich der (österreichische) Konkurs auf das im Inland belegene Vermögen, möge auch § 1 KO vom Universalitätsgrundsatz ausgehen. Im übrigen sorge § 180 KO dafür, daß Maßnahmen eines ausländischen Konkursgerichtes dann, wenn kein Staatsvertrag vorliege, wie bisher keine Inlandswirkung hätten. Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Konkurs- und Ausgleichs-(Vergleichs-)Rechtes BGBl. 1985/233, trat jedoch erst am 1. Juli 1985 in Kraft und ist auf vorher eröffnete Konkursverfahren (wie im vorliegenden Fall - 20. Mai 1983) noch nicht anzuwenden. Aber auch in der Bundesrepublik Deutschland herrschte die Ansicht vor, im Ausland belegenes Vermögen des Gemeinschuldners zähle nur dann zur Konkursmasse, wenn es "einer Zwangsvollstreckung" unterliege. Ob dies im Einzelfall zutreffe, sei nicht dem inländischen (deutschen) Konkursrecht, sondern dem Statut der Einzelzwangsvollstreckung zu entnehmen. Dabei komme nach kollisionsrechtlicher Anknüpfung regelmäßig das Recht des Landes der lex fori zur Anwendung, in welchem die Einzelzwangsvollstreckung betrieben werde, was stets zur Berufung des Rechtes am Ort der Belegenschaft des jeweiligen Vermögensgegenstandes führe (Kuhn-Uhlenbruck, dKO10 1970 f mwH; Jaeger - dKO8

§§ 237, 237 Anm. 307).

Ist aber ein (deutscher) Gemeinschuldner über seine in Österreich belegene Forderung - nach der dargestellten Rechtslage des anzuwendenden österreichischen Rechtes - frei verfügungsberechtigt, dann kann er diese Forderung nicht nur selbst (durch Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes) gerichtlich geltend machen, sondern damit auch im Wege einer (Inkasso-)Zession einen Dritten betrauen, auch den in der Bundesrepublik Deutschland in seinem Konkursverfahren bestellten Konkursverwalter. Der Rechtsgrund für diese Abtretung liegt jedenfalls - selbst nach dem dafür aber gar nicht anzuwendenden deutschen Recht (Palandt BGB47 § 398 Anm. 2 und 7) - im Auftrag zur Einziehung oder der Geschäftsbesorgung. Nach der als zutreffend erkannten Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist das Verfahren noch nicht spruchreif, sondern noch - praktisch zum gesamten Klagevorbringen - durchzuführen, so daß der angefochtene Aufhebungsbeschluß gerechtfertigt und zu bestätigen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO, weil der Erfolg der beiderseitigen Rechtsmittelschriften erst am Prozeßergebnis gemessen werden kann.

Anmerkung

E14385

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00560.87.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0020OB00560_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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