Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz B*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 2. März 1988, GZ 11 a Vr 393/87-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO hat der Angeklagte die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz B*** des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt und über ihn nach der genannten Gesetzesstelle eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verhängt.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch sowie den Strafausspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch außerdem mit Berufung.
Die Beschwerdeausführungen sind nicht berechtigt.
Aus welchen Gründen das Schöffengericht die Verantwortung des die Nötigung des Tatopfers leugnenden Angeklagten als widerlegt ansah, legte es denkfolgerichtig und im Einklang mit den allgemeinen Lebenserfahrungen mängelfrei dar. Hiebei bezog es sich bei der Feststellung, daß Manuela H*** ua auch weinte, zu Recht auf die diesbezüglichen Angaben der Zeugin (S 67) und befaßte sich entgegen der Beschwerde auch ausdrücklich mit den zur Anzeigeerstattung durch das Tatopfer - erst mehrere Tage nach der Tat - führenden inneren und äußeren Vorgängen (S 99 und 102). Das übrige Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erschöpft sich - nach Art einer Schuldberufung - in der Erörterung des Wertes der vorliegenden Beweise, insbesonders der belastenden Aussage der Manuela H*** sowie in einer Kritik an der Bedeutung, die das Schöffengericht den einzelnen Verfahrensergebnissen beimaß. Damit wird jedoch nur unzulässig und deshalb unbeachtlich die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz in Zweifel gezogen. Auf die sinngemäße Behauptung, daß die im Urteil gezogenen Schlüsse nicht zwingend seien und aus den vom Erstgericht ausdrücklich und eingehend erörterten Umständen für den Angeklagten auch günstigere Konklusionen denkbar wären, vermag der formale Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht gestützt zu werden.
Auch die Darlegungen in der Nichtigkeitsbeschwerde unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO vermögen die durch die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage nicht in einem Maß zugunsten des Franz B*** zu ändern, daß die Beweiswürdigungserwägungen der Tatrichter ihre intersubjektive Überzeugungskraft verlieren, das heißt unvertretbar erscheinen und die Annahme entscheidungswesentlicher Tatsachen ernstlich in Frage stellen würden.
Die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie nicht am Urteilssachverhalt festhält (vgl. ua S 103 f), wonach sich Franz B*** der Ernsthaftigkeit des seiner Tathandlung widerstrebenden Willens des Tatopfers bewußt war.
Eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer schließlich darin, daß sich das Schöffengericht über gesetzliche Vorschriften hinweggesetzt habe, die es vorliegend geboten hätten erscheinen lassen, die Strafe ganz (§ 43 Abs 1 StGB) oder doch zum Teil (§ 43 a StGB) bedingt nachzusehen.
Auch diese Rüge ist nicht zielführend:
Der hier bezogene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten Falles der Z ß %res § 281 Abs 1 StPO (nF) stellt nicht darauf ab, ob eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tat- und tätergerecht ist, sondern darauf, ob gegen Bestimmungen über die Strafbemessung in unvertretbarer Weise verstoßen wurde, das heißt, ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteils zu der - ohne Überschreitung seiner
Strafbefugnis - ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen (vgl. 11 Os 44/88, 12 Os 53/88).
Dies trifft aber auf den vorliegenden Fall nicht zu. Denn das Schöffengericht begründete die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht - generell (und damit auch im Sinn des § 43 a StGB) - mit dem Hinweis auf spezial- und generalpräventive Gründe (die es, an sich nicht verfehlt, insbes. aus einem gröblichen Vertrauensbruch ableitete), demnach mit gerade jenen Kriterien, die für die Anwendung (oder Nichtanwendung) der §§ 43 und 43 a StGB - von den Primärerfordernissen der Strafart und des Strafausmaßes abgesehen - den Ausschlag zu geben haben. Dem Urteil selbst ist somit ein normwidriger, also ein mit den bezüglichen Gesetzesvorschriften nicht zu vereinbarender Strafbemessungsvorgang nicht zu entnehmen.
Auf die Frage jedoch, ob die - rite - herangezogenen Kriterien gemessen an allen (auch den allenfalls unberücksichtigt gebliebenen) Verfahrensergebnissen richtig beurteilt wurden (Zweifel daran mögen hier berechtigt sein), ist im Rahmen einer Rechtsrüge nach dem § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht einzugehen. Dies muß - als vom Resultat einer in zweiter Instanz gegebenenfalls von neuem vorzunehmenden Sammlung und Prüfung des in Betracht kommenden Prozeßmaterials abhängig - dem Berufungsverfahren vorbehalten bleiben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Über die Berufung wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285 i nF).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E14540European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00064.88.0628.000Dokumentnummer
JJT_19880628_OGH0002_0110OS00064_8800000_000