TE Vfgh Beschluss 2001/10/3 V15/01

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Veröffentlicht am 03.10.2001
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0015 Unabhängiger Verwaltungssenat

Norm

B-VG Art89 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art129a Abs3
VfGG §57 Abs2
Wr UVS-GO §1 Abs3
Wr UVS-GO §2 Abs1
Wr UVS-GO §12 Abs5

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags der Präsidentin des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien auf Aufhebung von Bestimmungen der Geschäftsordnung des UVS mangels Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Präsidentin des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien begehrt unter Berufung auf Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG mit näherer Begründung die Aufhebung des §1 Abs3, in eventu §1 Abs3 erster Satz der Geschäftsordnung des UVS Wien (UVS-GO) vom 14. März 2000, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 14 vom 6. April 2000, wegen Gesetzwidrigkeit.

2. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien lauten wie folgt:

"Vollversammlung

§8. (1) Der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates bilden die Vollversammlung.

(2) Der Vollversammlung obliegt

...

4. die Beschlussfassung über die Geschäftsordnung (§11)

...

(3)... Die Einberufung, die Festlegung der Tagesordnung, der Vorsitz, die Bestellung von Berichtern aus dem Kreis der übrigen Mitglieder und unter der Voraussetzung, daß dies der Verhandlungsgegenstand erfordert, die Beiziehung von Personen ohne Stimmrecht aus dem Personalstand des Unabhängigen Verwaltungssenates obliegen dem Präsidenten, im Falle seiner Verhinderung seinem Vertreter. Dem Präsidenten obliegt auch die Verkündung von Beschlüssen und die Fertigung von Beschlußausfertigungen. Jedes Mitglied ist berechtigt, in der Vollversammlung das Wort zu ergreifen und Anträge zu §8 Abs2 Z1 bis 7 zu stellen.

(4) Der Präsident, im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter, hat die Vollversammlung jedenfalls auf schriftlichen, einen Tagesordnungspunkt enthaltenden Antrag von mindestens sechs Mitgliedern, in dienstrechtlichen Angelegenheiten auch auf schriftlichen, einen Tagesordnungspunkt enthaltenden Antrag des betroffenen Mitgliedes allein, unter Bekanntgabe der Tagesordnung nach Maßgabe der Dringlichkeit, spätestens aber innerhalb von zwei Wochen ab Einfangen des Antrages so einzuberufen, daß die Vollversammlung spätestens innerhalb von vier Wochen ab Einfangen des Antrages zusammentreten kann."

"Geschäftsordnung

§11. (1) Die Vollversammlung hat eine Geschäftsordnung zu beschließen.

(2) In der Geschäftsordnung sind unter Bedachtnahme auf Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit die näheren Bestimmungen für die Führung der den Mitgliedern übertragenen Geschäfte zu regeln, und zwar insbesondere hinsichtlich

1. Geschäftsgang in der Vollversammlung, in den Ausschüssen, in den Kammern und bei Verhandlungen vor Einzelmitgliedern;

2. Verfahren zur Wahl in den Personalausschuß und in den Geschäftsverteilungsausschuß;

3. Erstellung des jährlichen Tätigkeitsberichts;

4. Verfahren in der Vollversammlung als Disziplinarkommission.

(3) Die Geschäftsordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen."

3. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmung der UVS-GO lautet auszugsweise wie folgt (die bekämpfte Bestimmung ist durch Fettdruck hervorgehoben):

"Vollversammlung

§1.(1) Der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates (UVS) bilden die Vollversammlung.

(2) Die Einberufung der Vollversammmlung obliegt dem Präsidenten nach Maßgabe der §§8 Abs3 und 4 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (UVS-G). Gleichzeitig mit der Einberufung sind die voraussichtliche Dauer sowie die Tagesordnung bekanntzugeben.

(3) Wird die Vollversammlung entgegen §8 Abs4 UVS-G nicht fristgerecht einberufen, obwohl die Einbringung eines Antrages im Sinne dieser Gesetzesbestimmung evident ist, so tritt die Vollversammlung um 13.00 Uhr des letzten Tages der in §8 Abs4 UVS-G genannten vierwöchigen Frist zusammen. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen arbeitsfreien Tag, so tritt die Vollversammlung am nächst folgenden Arbeitstag um 13.00 Uhr zusammen.

..."

4.1. Zur Antragslegitimation wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Am 9. August 2000 hatten Mitglieder des UVS Wien an dessen Präsidentin den Antrag gestellt, die Vollversammlung zu den folgenden Tagesordnungspunkten zu einer Sitzung einzuberufen

"1) Bericht der Vorsitzenden gemäß §2 Abs1 zweiter Satz der Geschäftsordnung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien über die Leitungstätigkeit, insbesondere über die Vertretung des UVS nach außen,

2) Bericht des Leiters der Evidenz- und Dokumentationsstelle gemäß §12 Abs5 der Geschäftsordnung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien."

Weiters führt die Antragstellerin zu ihrer Antragslegitimation wörtlich aus:

"Die Antragstellerin ist Präsidentin des UVS Wien.

§7 UVS-Gesetz legt unter anderem fest, dass der Präsident den Unabhängigen Verwaltungssenat leitet und dass er bei Verhinderung vom Vizepräsidenten vertreten wird. Ist auch dieser verhindert und hat der Präsident nicht ein anderes Mitglied des UVS mit seiner Vertretung betraut, vertritt ihn jenes Mitglied, welches dem UVS am längsten angehört.

...

Gemäß §8 Abs3 UVS-Gesetz obliegt dem Präsidenten die Einberufung der Vollversammlung sowie die Festlegung der Tagesordnung, der Vorsitz, die Verkündung von Beschlüssen etc.

Nach §8 Abs4 UVS-Gesetz hat der Präsident die Vollversammlung unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte einzuberufen.

       Die Präsidentin des UVS Wien ist dem Antrag der Mitglieder

... (auf Einberufung der Vollversammlung) nicht nachgekommen und hat

die Vollversammlung nicht einberufen und die Mitglieder mit

elektronischer Post ... darüber informiert ... Denn bereits in der

Einladung zu einer Sitzung der Vollversammlung hätte die Präsidentin des UVS Wien die Tagesordnungspunkte benennen müssen, die in der anberaumten Sitzung behandelt werden sollen. Die Präsidentin des UVS Wien hätte die Einberufung der Vollversammlung daher unter Bezugnahme auf §2 Abs1, zweiter Satz und auf §12 Abs5 UVS-GO vornehmen müssen, wodurch sie demnach die Bestimmungen des §2 Abs1, zweiter Satz und des §12 Abs5 UVS-GO - die sie für verfassungs- und gesetzwidrig erachtet - bereits angewendet und sich damit der Möglichkeit der Anfechtung dieser Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof begeben hätte.

Auf dem Boden des Gesetzes hätte daher keine Vollversammlung zu den Tagesordnungspunkten 'Berichtspflicht der Präsidentin' (§2 Abs1, zweiter Satz UVS-GO) und 'Berichtspflicht des Leiters der Evidenz- und Dokumentationsstelle' (§12 Abs5 UVS-GO) stattfinden dürfen.

§1 Abs3 UVS-GO kreiert jedoch ein 'Selbsteinberufungsrecht' der Vollversammlung, aufgrund dessen die Vollversammlung zum Tagesordnungspunkt 'Berichtspflicht des Leiters der Evidenz- und Dokumentationsstelle an die Vollversammlung' stattgefunden hat (der Tagesordnungspunkt 'Berichtspflicht der Präsidentin' ist mangels Anwesenheit der Präsidentin des UVS Wien in der Sitzung der Vollversammlung entfallen).

Der Präsident leitet gemäß §8 Abs3 UVS-Gesetz die Vollversammlung. Er müsste daher auch in der gemäß §1 Abs3 UVS-GO stattfindenden Vollversammlung den Vorsitz führen, wodurch er die Bestimmungen des §1 Abs3 UVS-GO anzuwenden hätte.

Bei Aufhebung des §1 Abs3 UVS-GO durch den Verfassungsgerichtshof würde die für rechtswidrig erachtete Regelung ('Selbsteinberufungsrecht' der Vollversammlung) nicht mehr zum Tragen kommen und wäre die vom UVS-Gesetz vorgesehene Rechtslage wiederhergestellt.

Die Antragslegitimation der Präsidentin des UVS Wien ist demnach gegeben."

4.2. In der Sache geht es der Antragstellerin iW darum darzutun, dass mit der angefochtenen Bestimmung des §1 Abs3 UVS-GO im Ergebnis ein "Selbsteinberufungsrecht" der Vollversammlung geschaffen würde. Eine derartige Regelung finde aber in der Verordnungsermächtigung des §11 Abs2 UVS-Gesetz keine Deckung und sei daher gesetzwidrig.

5. Die Vollversammlung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde ua. auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates.

Gemäß Art89 Abs2 B-VG hat ein Gericht, sofern es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung zu stellen. Dies gilt gemäß Art129a Abs3 B-VG sinngemäß auch für die Unabhängigen Verwaltungssenate.

§57 Abs2 VerfGG bestimmt, dass ein unabhängiger Verwaltungssenat einen Antrag auf Aufhebung einer Verordnung oder von bestimmten Stellen einer solchen nur dann stellen kann, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat die Verordnung in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden hat oder wenn die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der bei diesem unabhängigen Verwaltungssenat anhängigen Rechtssache ist.

2. Zu einer Antragstellung gemäß Art139 Abs1 B-VG ist ein Unabhängiger Verwaltungssenat nur legitimiert, wenn er die angefochtene Norm in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hat (vgl. dazu VfSlg. 13.424/1993).

Im vorliegenden Antrag wird nicht dargelegt, in welcher beim UVS Wien anhängigen Rechtssache die bekämpfte Bestimmung anzuwenden ist.

Falls die Ausführungen zur Antragslegitimation dahingehend zu verstehen sind, dass die bekämpfte Bestimmung bei der Einberufung der Vollversammlung anzuwenden gewesen wären, verkennt die Antragstellerin, dass eine solche Einberufung jedenfalls keine "Rechtssache" im Sinne des Art139 Abs1 B-VG iVm §57 Abs3 VerfGG darstellt.

3. Der Antrag war demnach schon aus diesem Grunde mangels Legitimation der Antragstellerin ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, ohne dass zu prüfen war, ob seiner meritorischen Erledigung noch andere Hindernisse entgegenstehen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953).

Schlagworte

Unabhängiger Verwaltungssenat, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V15.2001

Dokumentnummer

JFT_09988997_01V00015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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