TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/27 2002/06/0045

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/06/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über

I. die - zur Zl. 2002/06/0045 protokollierte - Beschwerde

1.

der IS, 2. des ES, 3. des Dr. MA, 4. des PA, alle in R, und

5.

der Gemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister, alle vertreten durch Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. Jänner 2002, Zl. Ve1- 550-2736/1-8, betreffend Abweisung einer Vorstellung in einer Baurechtsangelegenheit, sowie

II. die - zur Zl. 2002/06/0093 protokollierte - Beschwerde

              1.              des Dr. MA und 2. des PA, beide in R, beide vertreten durch Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. April 2002, Zl. Ve1-550-2736/1-10, betreffend Behebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG

(mitbeteiligte Parteien in beiden Beschwerdeverfahren:

              1.              Dr. ML in I, und 2. Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat I. den zur Zl. 2002/06/0045 angeführten Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 je zu gleichen Teilen und II. den zur Zl. 2002/06/0093 angeführten Beschwerdeführern ebenfalls insgesamt EUR 1.171,20 je zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Mit einem am 15. August 1997 eingelangten Bauansuchen beantragte der Erstmitbeteiligte beim Stadtamt der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung von zwei Einfamilienhäusern auf einem näher genannten Grundstück in der KG K. Am 23. Februar 1998 wurde darüber vom Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde unter Beteiligung der Beschwerdeführer eine Bauverhandlung durchgeführt.

Das Bauansuchen wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. Februar 1998 gemäß § 31 Abs. 4 lit. a, b und c der Tiroler Bauordnung 1989 abgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Berufung des Erstmitbeteiligten hat der Stadtrat der Stadtgemeinde K mit Bescheid vom 16. Juli 1998 als unbegründet abgewiesen.

Die Tiroler Landesregierung hat mit Bescheid vom 27. November 1998 der dagegen gerichteten Vorstellung des Erstmitbeteiligten Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde verwiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß § 4 Abs. 2 der auf das vorliegende Verfahren noch anzuwendenden Tiroler Bauordnung 1989 Gebäude nur errichtet werden dürften, wenn eine dem vorgesehenen Verwendungszweck entsprechende Wasser- und Energieversorgung sowie Abwasserbeseitigung rechtlich sichergestellt und technisch möglich sei. Im Bauverfahren wäre daher zu ermitteln gewesen, ob eine entsprechende Wasserversorgung durch Schaffung von in der Natur noch nicht vorhandenen Einrichtungen rechtlich sichergestellt und technisch möglich sei. Dasselbe gelte auch für die Beseitigung der anfallenden Abwässer. Auch habe der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde in seinem Bescheid vom 16. Juli 1998 nicht ausreichend begründet, aus welchen Gründen eine rechtlich gesicherte Verbindung des Baugrundstückes - wie von ihm angenommen - mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht vorliege.

In der Folge wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. April 1999 der Berufung des Erstmitbeteiligten Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz verwiesen. Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Baubehörde erster Instanz das Ermittlungsverfahren im Sinne der Ausführungen der Aufsichtsbehörde zu ergänzen und sodann über das Bauansuchen neuerlich zu entscheiden haben werde.

Dieser Bescheid wurde zunächst nur dem Erstmitbeteiligten zugestellt, eine Zustellung an die Beschwerdeführer erfolgte erst am 17. Juli 2001. Nach erfolgter Zustellung erhoben die Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. April 1999 das Rechtsmittel der Vorstellung, die mit dem zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. April 2002 als unbegründet abgewiesen wurde. Der zweitangefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Begründung des von den Beschwerdeführern bekämpften Bescheides entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer sehr wohl der Beschlussfassung des Stadtrates unterzogen worden sei und dieser auch ordnungsgemäß einberufen worden und zusammengesetzt gewesen sei. Zum Einwand der Beschwerdeführer, sie seien in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt, weil nicht erkennbar sei, weshalb die noch erforderlichen Erhebungen nicht auch vom Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde getroffen hätten werden können, führte die belangte Behörde aus, dass der übergangene Nachbar einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung einbringen könne und nach Zustellung des Bescheides Berufung erheben oder sofort Berufung erheben könne. Eine neuerliche Sachentscheidung stehe dem Berufungswerber somit nicht zu. Die Ausführungen der Beschwerdeführer, die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG hätten nicht vorgelegen, weil sich die Erledigung der Berufung auf Grund einer zwischenzeitlich erfolgten Freilandwidmung auf die Beurteilung einer Rechtsfrage reduziert hätte, seien nicht zutreffend, weil die Rückwidmung in Freiland erst nach der Beschlussfassung des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde erfolgt sei.

In der Zwischenzeit war das Bauansuchen des Erstmitbeteiligten mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 13. Dezember 1999 bewilligt und die dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer waren mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 6. Juni 2000 abgewiesen worden. Den dagegen erhobenen Vorstellungen der Beschwerdeführer war mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2000 Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde verwiesen worden und in der Folge mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Juli 2001 den Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. Dezember 1999 (mit dem die Baubewilligung erteilt worden war) Folge gegeben und dieser Bescheid wegen Unzuständigkeit des Bürgermeisters (weil der Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde K vom 21. April 1999 mangels Zustellung gegenüber den Beschwerdeführern formell nicht in Rechtskraft erwachsen sei) behoben worden.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 2001 wurden "die Vorstellungen" der Beschwerdeführer "gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde K vom 02.07.2001, Zl. 2865/97-Mag.E/Str," als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, sie wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, erstattete Gegenschriften und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden. Auch der Erstmitbeteiligte erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerdeverfahren wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges verbunden und über beide Beschwerden erwogen:

Ihre Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid begründen die zu I. angeführten Beschwerdeführer damit, dass sie den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Juli 2001, Zl. 2865/97, gar nicht mit einer Vorstellung bekämpft hätten. Die Beschwerdeführer hätten zwar eine Vorstellung vom 30. Juli 2001 erhoben, diese habe sich aber gegen den (ihnen erst verspätet zugestellten) Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. April 1999 gerichtet. Die belangte Behörde habe dies verwechselt.

Die Beschwerdeführer zeigen damit eine Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides auf. Aus Spruch und Begründung des erstangefochtenen Bescheides geht nämlich deutlich hervor, dass die belangte Behörde mit diesem eine Vorstellung gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Juli 2001, mit dem den Berufungen der Beschwerdeführer Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit des Bürgermeisters ersatzlos behoben worden war, als angefochten erachtet hat. Nach der Aktenlage wurde eine solche Vorstellung jedoch nicht erhoben. Wird über ein nicht eingebrachtes Rechtsmittel entschieden, so liegt Unzuständigkeit der belangten Behörde im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG vor (vgl. dazu die von Mayer, Österreichisches Bundes-Verfassungsrecht, 3. Auflage 2002, zu § 42 VwGG auf S 764 dargestellte hg. Rechtsprechung). Aus diesem Grunde war der erstangefochtene Bescheid daher aufzuheben.

Auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid ist begründet. Mit diesem hat die belangte Behörde nämlich einen Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. April 1999, mit dem ein die Baubewilligung versagender Bescheid der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz verwiesen wurde, als rechtmäßig angesehen, ohne dass die in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen gegeben gewesen wären oder aus dem Akt ersichtlich wären noch nachvollziehbar begründet worden wären. Bei Vorliegen eines mangelhaften Sachverhaltes ist eine Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG nur dann zulässig, wenn eine neuerliche Verhandlung unvermeidlich erscheint, nicht jedoch schon dann, wenn eine Ergänzung des Verfahrens etwa durch Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen erforderlich ist (vgl. die von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2003, zu § 66 Abs. 2 unter den Punkten 8 ff dargestellte hg. Rechtsprechung). Eine Bauverhandlung hatte im gegenständlichen Fall stattgefunden.

Weil die belangte Behörde dies verkannte, war der zweitangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Abweisung der in beiden Beschwerden gestellten Mehrbegehren beruht darauf, dass ein Streitgenossenzuschlag in den in der angeführten Verordnung dargestellten Pauschbeträgen nicht enthalten ist.

Wien, am 27. September 2005

Schlagworte

Allgemein Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002060045.X00

Im RIS seit

28.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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