TE OGH 1988/7/5 10ObS146/88

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Veröffentlicht am 05.07.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso (AG) und Walter Hartl (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helene S***, Am Heumarkt 9/57, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***, Webergasse 4, 1203 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hinterbliebenenleistungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 26. Feber 1988, GZ 33 Rs 246/87-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. September 1987, GZ 3 Cgs 1115/87-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 28. April 1986 verstorbene Ivo S*** bezog für die Folgen einer anerkannten Berufskrankheit - durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte Erkrankung der tieferen Atemwege und der Lunge mit objektiviertem Nachweis einer Leistungsminderung der Atmung gemäß § 177 ASVG Anlage 1 Nr. 41 - eine Versehrtenrente von 30 % der Vollrente.

Mit Bescheid vom 9. September 1986 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach ihrem am 28. April 1986 verstorbenen Ehemann Ivo S*** ab, da der Tod mit der entschädigten Berufskrankheit in keinem ursächlichen Zusammenhang stehe sondern Folge eines anlagebedingten Leidens sei. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei (auch im zweiten Rechtsgang) der Klägerin und ihrer am 13. Juni 1967 geborenen Tochter Monika aus Anlaß des Todes des Versicherten Ivo S*** "Leistungen nach den §§ 214, 215 und 218 ASVG in der gesetzlichen Höhe" zu gewähren. Der Versicherte sei am 28. April 1986 an einem akuten Asthmaanfall verstorben, der letzlich ohne das als Berufskrankheit anerkannte Leiden nicht eingetreten wäre. Der Tod sei während der notwendigen Behandlung der Asthmaerkrankung (offensichtlich mit pyrazolonhältigen Medikamenten) wegen einer in das Krankheitsbild fallenden Atemwegsallergie erfolgt, womit der Kausalzusammenhang logisch erwiesen sei. Die verbale Verneinung des Kausalzusammenhanges durch den Sachverständigen müsse dann bedeutungslos bleiben, wenn dieser beim Darstellen des Ereignisablaufes Zusammenhänge aufzeige, die einen juristisch relevanten Kausalzusammenhang ergeben müßten. Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge. In Abänderung des Ersturteiles stellte es fest, daß der am 28. April 1986 eingetretene Tod des Versicherten Ivo S*** nicht die Folge der Berufskrankheit nach Nr. 41 der Berufskrankheitenliste Anlage 1 zu § 177 ASVG war und wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin (und deren Tochter Monika) Leistungen nach den §§ 214, 215 und 218 ASVG zu gewähren, ab.

Es traf nach Beweiswiederholung folgende Feststellungen:

Beim Versicherten Ivo S*** wurden erstmals im September 1982 nach einem grippalen Infekt asthmatische Beschwerden erhoben. Im Mai 1983 wurde bei ihm eine Mehrfachallergie festgestellt, die anlagebedingt ist und als "Wegbereiterin" für alle kommenden Ereignisse angesehen werden kann. Der Versicherte zeigte anläßlich einer im Mai 1983 erfolgten Untersuchung auch positive inhalative Reaktionen auf Chemikalien, wie sie am Arbeitsplatz verwendet wurden. Das allergische Asthma hätte auch ohne das Einwirken der am Arbeitsplatz vorhanden gewesenen Stoffe zum Ausbruch kommen müssen. Wäre das allergische Asthma durch am Arbeitsplatz aufgetretene chemisch-irritative Stoffe ausgelöst worden, hätte es sich schon früher äußern müssen. Die 1983 erhobene, bis dahin unerkannt gebliebene Mehrfachallergie ist eindeutig anlagebedingt. Der während einer stationären Behandlung eingetretene Tod des Versicherten wurde durch eine bis dahin unbekannte, angeborene Allergie gegen Pyrazolon (das sichtlich zur Bekämpfung einer Erkältung eingesetzt wurde) die eine Schocklunge auslöste, bewirkt. Medizinisch ist ein Zusammenhang zwischen der Berufskrankheit Nr. 41 der Anlage 1 zu § 177 ASVG und dem Tod des Versicherten auszuschließen.

Als Ursache des Todes des Versicherten sei ausschließlich ein anlagebedingtes Leiden und nicht die beschriebene Berufskrankheit anzusehen. Ein Kausalzusammenhang sei daher zu verneinen.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer wegen Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision bekämpft die Klägerin ausschließlich, daß das Berufungsgericht die Ergebnisse der beiden Sachverständigengutachten seinen Feststellungen zugrundelegte und meint, die Gutachten seien widersprüchlihc und ließen wesentliche Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft außer Acht. Beide Sachverständigengutachten und deren mündliche Ergänzungen sind keineswegs widersprüchlich sondern logisch und nachvollziehbar aufgebaut, sie kommen in allen wesentlichen Punkten der medizinischen Kausalität zu einem überstimmenden Ergebnis. Das Berufungsgericht durfte daher ohne Verfahrensmangel die darin enthaltenen tatsächlichen Ausführungen seinen Feststellungen zugrundelegen, ohne daß es noch weiterer wissenschaftlicher Darlegungen bedurfte. Die von den Sachverständigen anzuwendenden Regeln der Wissenschaft, Sachkunde und Kunstfertigkeit sind Erfahrungsgrundsätze zur Gewinnung des Sachverhaltes. Eine Anfechtung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nur insoweit möglich, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze und zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdruckes unterlaufen ist und dies die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge hat (Fasching IV 336; EvBl. 1959/160, SZ 22/126; EFSlg. 52.243 uva; dagegen Fasching Zivilprozeßrecht RZ 1926, der nunmehr den Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO annimmt). Beschränkt sich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlußfolgerungen auf die Beurteilung der naturwissenschaftlichen, medizinischen Kausalität und legt das Gericht diese Schlußfolgerungen seinen Tatsachenfeststellungen zugrunde, so stellt deren Bekämpfung den irrevisiblen Anfechtungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung dar. Ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichtes aber ist auch die rechtliche Kausalität zu verneinen, weil die anerkannte Berufskrankheit nicht wesentliche Ursache des Todes des Versicherten war, sondern ein schon zuvor bestehendes anlagebedingtes Leiden zum Tod des Versicherten führte. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E14748

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00146.88.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19880705_OGH0002_010OBS00146_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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