TE OGH 1988/7/7 6Ob603/88

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Veröffentlicht am 07.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilfried S***, Handelsangestellter, Salzburg, Friesachstraße 4/3/19, vertreten durch Dr. Klaus Kauweith, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B*** FÜR A*** UND W*** Aktiengesellschaft, Wien 1., Seitzergasse 2-4, vertreten durch Dr. Rudolf Bruckenberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 60,366.358,- S samt Nebenforderungen und Feststellung (Teilstreitwert 1 Mio. S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. März 1988, GZ 4 R 189/87-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 4. Mai 1987, GZ 1 Cg 412/85-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 133.965,53 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 37.200,- S und an Umsatzsteuer 8.796,87 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Gesellschafter einer Gesellschaft m.b.H. Seine Stammeinlage beträgt bei einem Stammkapital von 1,2 Mio. S 1,008.000,- S, das entspricht 84 %. Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 18. Mai 1982 der Konkurs eröffnet, nachdem ein am 1. März 1982 angenommener gerichtlicher Ausgleich, wie der Ausgleichsverwalter berichtete, wegen Scheiterns der Finanzierungsgespräche mit der beklagten Kreditunternehmung, der Hausbank der Gesellschaft, nicht erfüllt werden konnte. Mit der am 23. Juli 1984 angebrachten Klage begehrte der Kläger einen Schadenersatzbetrag von 60,366.358,- S samt 5 % Zinsen seit dem Klagstag. Überdies stellte er das mit 1 Mio. S bewertete Begehren auf Feststellung, daß die beklagte Partei für jeden Schaden, den der Kläger dadurch erlitten habe, daß die beklagte Partei es unterließ, die Gesellschaft m.b.H. durch Gewährung eines weiteren Kredites von 8 Mio. S im März 1982 zu sanieren, und wegen der zu Unrecht betriebenen Versteigerung einer im Eigentum des Klägers gestandenen Pfandliegenschaft aufzukommen habe. Nach dem Klagsvorbringen habe sich die Gesellschaft mit der Entwicklung, der Konstruktion und dem Vertrieb von speziellen Kommunikationseinrichtungen befaßt, ihr Unternehmen habe gegenüber der weltweiten Konkurrenz aufgrund technischen Know-hows einen beträchtlichen Wettbewerbsvorsprung besessen, habe aber an einer unzureichenden Kapitalausstattung gelitten. Die Geschäftsentwicklung in den letzten Jahren vor der Insolvenz sei dennoch von einer außerordentlichen Steigerung der Jahresumsätze gekennzeichnet gewesen. Die beklagte Kreditunternehmung habe seit dem Jahre 1971 als Hausbank der Gesellschaft dieser die erforderlichen Kredite gewährt. Die Kredite seien teilweise durch Pfandrechte auf einer dem Kläger gehörenden Liegenschaft sowie durch Abtretung von Forderungen der Kreditnehmerin gegenüber deren Kunden besichert worden. Die Beklagte habe durch die Prüfung des Zessionsstandes und durch regelmäßige Kontrollen der Finanzgebarung Einsicht in die finanzielle Lage der Gesellschaft gehabt und bis Ende des Jahres 1980 auch sämtliche Kreditwünsche der Gesellschaft befriedigt. Am 21. Januar 1981 habe die Gesellschaft die Beklagte, von der sie außerordentlich abhängig gewesen sei, um die Ausweitung der Kredite um 5 Mio. S ersucht. Obwohl ein von der Gesellschaft beauftragter Unternehmensberater in seinem Gutachten dargelegt habe, daß eine Sanierung der Gesellschaft sinnvoll und zweckmäßig wäre, habe die Bank nur einen weiteren Kredit von 4 Mio. S und diesen um etwa "ein halbes Jahr zu spät" gewährt. Im Dezember 1981 habe ein Betriebsberater im Auftrag der Finanzierungsgarantiegesellschaft m. b.H. zur Beurteilung nach dem Garantiegesetz 1977 ein Gutachten erstellt und sei darin zum Ergebnis gelangt, daß mit einer zusätzlichen Kapitalzuführung von 6 bis 8 Mio. S eine Sanierung der Gesellschaft herbeigeführt werden könnte, wobei zur Verminderung der Lieferantenverbindlichkeiten ein gerichtlicher Ausgleich empfohlen worden sei. Die Finanzierungsgarantiegesellschaft hätte für den zusätzlichen Kreditbedarf die Bürgenhaftung übernommen. Die Gesellschaft habe Ende Dezember 1981 das gerichtliche Ausgleichsverfahren beantragt, der von ihr angebotene 40 %-ige Ausgleich sei angenommen und gerichtlich bestätigt worden, die Beklagte habe aber die Finanzierung des Ausgleiches abgelehnt. Sie habe zwar eine solche Finanzierung nicht ausdrücklich zugesagt gehabt, aber durchblicken lassen, unter bestimmten, von ihr nicht näher umschriebenen Voraussetzungen zur Finanzierung bereit zu sein, und durch die Beistellung der für die Löhne und Gehälter der Dienstnehmer der Gesellschaft erforderlichen Mittel zu Lasten des Kreditkontos der Gesellschaft ein Verhalten gesetzt, aus dem die Gesellschaft habe schließen dürfen, der Beklagte wäre am Fortbestand der Gesellschaft gelegen gewesen. Tatsächlich sei das Gegenteil der Fall gewesen. Die Beklagte habe mit einer deutschen Konkurrenzunternehmung zusammengewirkt, daß diese in den Genuß des technischen Entwicklungsvorsprunges der Gesellschaft gelange. Die Beklagte habe dem Kläger als dem Geschäftsführer der Gesellschaft am 11. Mai 1982 mitgeteilt, sich endgültig aus der Finanzierung der Gesellschaft zurückzuziehen.

Damit habe die Beklagte eine nach den konkreten Umständen des Falles anzunehmende Sanierungsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft verletzt und durch ihr gemeinsames Vorgehen mit dem Wettbewerber der Gesellschaft sich einer Untreue dieser gegenüber schuldig gemacht.

Die durch das rechtswidrige Verhalten der Beklagten in Konkurs verfallene Gesellschaft habe Substanz- und Umsatzverluste erlitten, die der Kläger mit 71,864.713,- S bezifferte. Zum eigenen Vermögensnachteil folgerte der Kläger nach dieser Ableitung wörtlich:

"Da der Kläger mit 84 % am Stammkapital des Vermögens der Gesellschaft beteiligt war, hat er einen Schaden von 60,366.358,- S erlitten. In diesem Betrag ist der verlorengegangene Good-will-Wert des Unternehmens (Kundenstock, Markenzeichen, Namenswert, Ansehen etc.) noch nicht berücksichtigt und kann im Augenblick noch nicht festgelegt werden."

Als zusätzlichen Rechtsgrund für das Klagebegehren machte der Kläger in der Folge noch geltend, daß die Beklagte durch die von ihr mit Wettbewerbern der Gesellschaft geführten Verhandlungen das von ihr zu wahrende Bankgeheimnis verletzt und ihr anvertraute Geschäftsgeheimnisse ihrer Bankkundin zu verwerten unternommen habe. Die Beklagte bestritt dem Grunde nach nicht nur sämtliche vom Kläger geltend gemachten Haftungsgründe, sie wendete vor allem den Mangel einer Anspruchsberechtigung des Klägers ein, der nicht zu ersetzende sogenannte mittelbare Schäden behaupte.

Das Erstgericht wies sowohl das Zahlungs- als auch das Feststellungsbegehren ab.

Es folgerte in rechtlicher Beurteilung:

Durch die vom Kläger behauptete Verletzung einer gegenüber der Bankkundin erwachsenen Sanierungsverpflichtung, die behauptete Untreue gegenüber der Bankkundin und die behauptete Verletzung des Bankgeheimnisses sowie die behauptete unlautere Ausnützung von Geschäftsgeheimnissen ihrer Bankkundin habe unmittelbar nur ein Nachteil im Vermögen der Gesellschaft selbst eintreten können. Der vom Kläger behauptete Schaden in seinem eigenen Vermögen sei nur als Schmälerung seines erhofften Gewinnanteiles faßbar und deshalb als nicht ersatzfähiger Drittschaden zu werten, da ein Fall der sogenannten bloßen Schadensverlagerung nicht vorliege. Der behauptete Vermögensnachteil des Klägers stelle sich als reine Reflexwirkung einer Verminderung des Gesellschaftsvermögens dar. Das Berufungsgericht bestätigte das klagsabweisende Urteil erster Instanz.

Es teilte die erstrichterliche Beurteilung, daß der Kläger einen nicht ersatzfähigen Drittschaden ersetzt begehre, und führte zu dem in der Berufung ausgeführten Gesichtspunkt einer Verletzung vertraglich begründeter Schutz- und Sorgfaltspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger als einem Gesellschafter der kreditnehmenden Bankkundin ergänzend aus:

In der behaupteten Verletzung einer der Bank gegenüber ihrer Bankkundin oblegenen Sanierungsverpflichtung handle es sich der Sache nach um einen angeblichen Verstoß gegen das Verbot sittenwidriger Schädigung und nicht um die Nichterfüllung von Vertragspflichten. Aber auch bei Annahme einer Vertragspflichtverletzung der Beklagten gegenüber ihrer Bankkundin könnte unmittelbar nur deren Vermögen geschmälert worden sein, das - vor allem im eingetretenen Insolvenzfall - in erster Linie zur Befriedigung der Forderungen der Gesellschaftsgläubiger heranzuziehen gewesen wäre. Eine allfällige Ersatzpflicht der Beklagten erschöpfte sich darin, den Vermögensstand der Gesellschaft wieder auszugleichen. Der Kläger könnte sich nicht in einem absolut geschützten Rechtsgut, sondern nur durch den Verlust künftigen Gewinnes in seinem Vermögen geschädigt erachten. Das Vermögen als solches fiele aber keinesfalls in den Schutzbereich einer vertraglich begründeten Schutzpflicht zugunsten Dritter. Auch bei Unterstellung aller Klagsbehauptungen als richtig und bei Zutreffen aller sonstigen rechtlichen Folgerungen des Klägers könnte nur der ungeachtet ihrer Auflösung durch die Konkurseröffnung nach wie vor als Rechtsperson bestehenden Gesellschaft ein Schadenersatzanspruch erwachsen sein.

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach dem § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Stattgebung des Klagebegehrens zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen haben die Klage ohne Rechtsirrtum als unschlüssig erkannt, weil beim Zutreffen sämtlicher Klagsbehauptungen im Vermögen des Klägers nur ein nicht ersatzfähiger Drittschaden entstanden sein könnte.

Der Kläger behauptete eine Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten und der inzwischen in Konkurs verfallenen Gesellschaft m. b.H. als deren Bankkundin. Ein vertragswidriges, treu- und sittenwidriges Verhalten der Beklagten zum Nachteil der Gesellschaft und ein der Gesellschaft daraus entstandener Vermögensnachteil hätten entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft in seinem Vermögen fortgewirkt. Eine Verkürzung des Gesellschaftsvermögens trifft den Gesellschafter über seine Beteiligung an der Gesellschaft. Die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschafter einer Gesellschaft m.b.H. sind in dieser mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Organisationsform derart zusammengefaßt, daß neben dem Anspruch der Gesellschaft (sei es auf vertraglich oder außervertraglich geschuldete Leistung an Geld, Naturalleistung, Rechnungslegung, Vermögensbekanntgabe, Unterlassung, Feststellung usw.) kein gleichgerichteter (Teil-)Anspruch des Gesellschafters besteht (vgl. zB SZ 47/84).

Die in der Revision vertretene These, ein Ersatzanspruch wegen Schädigung des Gesellschaftsvermögens als Folge einer von der Beklagten zu vertretenden Konkurseröffnung könne nicht in die Konkursmasse fallen und vom Masseverwalter verfolgt werden, weil die Schädigung erst im Konkursstadium eingetreten sei, ist unrichtig. Solange die Gesellschaft als Rechtsperson Trägerin von Rechten und Pflichten ist, ändert sich nichts an der Rechtszuständigkeit von Ersatzforderungen aus der Schädigung von Gesellschaftsvermögen, einerlei ob es sich um konkursverfangenes oder konkursfreies Vermögen handelt (vgl. auch hiezu SZ 47/84).

Die vom Rechtsmittelwerber erst im Rechtsmittelverfahren aufgeworfene Frage nach einem eigenen Anspruch kraft vertraglich begründeter Schutzpflichten zu seinen Gunsten stellt sich in dem zur Entscheidung vorliegenden Fall deshalb nicht, weil bei einem Ausgleich der im Vermögen der Gesellschaft eingetretenen Nachteile durch die Erfüllung eines entsprechenden Ersatzanspruches der Gesellschaft kein weiterer in das Vermögen des Gesellschafters fortwirkender Schade anzunehmen wäre. Diese Beurteilung folgt aus der positiven Regelung der Ansprüche eines kraft Gesetzes Unterhaltsberechtigten im Falle einer körperlichen Verletzung des Unterhaltspflichtigen (sei es durch einen vertraglich oder außervertraglich Haftenden): Wem gegenüber dem Verletzungsopfer ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zusteht, den er im Falle eines tödlichen Verletzungserfolges als solchen verliert, dem räumt § 1327 ABGB einen eigenen Ersatzanspruch ein. Im Falle einer nicht zum Tode führenden Verletzung des Unterhaltspflichtigen, bleibt er wegen einer Verkürzung seines Unterhaltes zufolge verletzungsbedingten Entganges des Unterhaltspflichtigen an seinem Verdienst ohne Anspruch gegen den für die Verletzung Verantwortlichen. Der Verdienstentgangsanspruch steht nur dem Verletzten selbst zu. Wird nämlich dieser Verdienstentgang ausgeglichen, erscheint die Grundlage für die Bemessung und Befriedigung des Unterhaltsanspruches der Angehörigen des Verletzten voll wiederhergestellt, so daß neben dem Verdienstentgangsanspruch kein gleichgerichteter (Teil-)Anspruch einer weiteren Person gewährt wird, auch nicht jemandem, der kraft gesetzlichen Unterhaltsanspruches am Vermögen des Verletzungsopfers wirtschaftlich und rechtlich "teil hat". Gleiches gilt für die "Teilhaber"-Ansprüche eines Gesellschafters einer Gesellschaft m. b.H. Rechtsgeschäftspartner und sonstige Gläubiger dessen, der sich von einem anderen eine Hauptleistungspflicht versprechen ließ, aber einen Vertragsbruch des anderen hinnehmen mußte, haben in dieser Hinsicht eine grundsätzlich andere wirtschaftliche und rechtliche Stellung als ein Gesellschafter einer Gesellschaft m. b.H., dessen Interessen am Gesellschaftszweck in seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verkörpert sind und sich automatisch mit diesen verändern. Der in der Revision gezogene Größenschluß trifft daher nicht zu.

Aus diesen Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14889

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00603.88.0707.000

Dokumentnummer

JJT_19880707_OGH0002_0060OB00603_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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