Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch bescheidmäßigen Abspruch über die Anzeige der Vereinsauflösung mangels gesetzlicher Kompetenz zur Erlassung eines solchen BescheidesSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 29.500,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Eingabe vom 13. Juni 1997 zeigten der Beschwerdeführer und J.C. als "Liquidatoren" in Vertretung der "VIÖ - in Auflösung" deren in der "Zentralkonferenz" vom 24. Mai 1997 beschlossene freiwillige Auflösung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich als zuständiger Vereinsbehörde an. Diese Meldung war mit dem Antrag verbunden, die freiwillige Vereinsauflösung zur Kenntnis zu nehmen, sie amtlich zu verlautbaren und einen Feststellungsbescheid über die erfolgte Auflösung zu erlassen.
2. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wies die Anzeige der freiwilligen Vereinsauflösung mit dem - an den Beschwerdeführer gerichteten - Bescheid vom 31. Juli 1998, Zl. Vr-1082/98, mit der Begründung zurück, daß er "nicht legitimiert (sei), für den Verein als 'abtretendes' Leitungsorgan die Auflösungsanzeige einzubringen; diese war vielmehr mangels Legitimation zurückzuweisen". Dies deswegen, weil ein näher dargestellter Bestellungsvorgang nicht wirksam zustande gekommen sei.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die "VIÖ - in Auflösung", diese vertreten durch den Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren, mit Schriftsatz vom 18. August 1998 Berufung, welche der Bundesminister für Inneres mit dem nunmehr angefochtenen, unmittelbar an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom 24. September 1998, Zl. 51.734/12-II/15/98, abwies; der Bundesminister für Inneres bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der Spruch folgendermaßen zu lauten habe: "Die Anzeige der freiwilligen Auflösung des Vereins 'VIÖ' mit dem Sitz in Vöcklabruck vom 13.6.1997 in Verbindung mit der Stellungnahme vom 4.12.1997 wird gem §26 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl 233 idgF, iVm §8 AVG mangels Legitimation als unzulässig zurückgewiesen." In der Bescheidbegründung bestätigte der Bundesminister für Inneres im wesentlichen die rechtlichen Erwägungen der Vereinsbehörde erster Instanz; der Beschwerdeführer sei - aus näher dargelegten Gründen - nicht befugt, den Verein nach außen zu vertreten.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Vereinsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides sowie die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof für den Fall der Abweisung oder Ablehnung beantragt wird.
5. Der Bundesminister für Inneres erstattete als belangte Behörde eine Gegenschrift, in der er beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Ersatz des Aufwandes der belangten Behörde aufzutragen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die privatrechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen eines ideellen Vereines als juristische Person sind eine Gründungsvereinbarung und die Konstituierung. Die Rechtsverhältnisse des Vereines, etwa sein Verhältnis zu seinen Organen und zu seinen Mitgliedern, sind grundsätzlich privatrechtlicher Natur und unterliegen den Regeln des Zivilrechtes. Streitigkeiten aus diesen Vereinsverhältnissen entscheiden demnach (nach Erschöpfung allfälliger vereinsinterner Streitschlichtungsmechanismen) letztlich die ordentlichen Gerichte (§1 JN, vgl. zuletzt VfGH 19. Juni 2000, B887/99).
1.2. Das VereinsG 1951, BGBl. 233, zuletzt in der Fassung BGBl. I 191/1999, sieht öffentlich-rechtliche Vorsorgen im Interesse der Sicherheits- und der Ordnungspolizei vor, die von den Sicherheitsbehörden des Bundes (vgl. Art78a Abs1 B-VG, §4 SPG) im Rahmen der Sicherheitsverwaltung (vgl. §2 Abs2 SPG) zu vollziehen sind.
So ist etwa das Anzeigeverfahren zu verstehen, im Zuge dessen die zuständige Sicherheitsbehörde die im VereinsG 1951 vorgesehenen Aspekte zu überprüfen hat. Soferne keine Untersagungsgründe im Sinne des VereinsG 1951 vorliegen, gilt der Verein als nach dem Vereinsgesetz gegründet, wiewohl eine privatrechtliche Übereinkunft zwischen den Proponenten des künftigen Vereines schon im Vorfeld rechtlich notwendig ist.
2.1. Die Auflösung eines Vereines erfolgt entweder freiwillig, statutengemäß (§26) gleichsam als "contrarius actus" zur Vereinsgründung, oder durch hoheitliche Verfügung (vgl. §24, §25 und §27 VereinsG 1951). Die Vereinsauflösung durch privatrechtliche Vereinbarung erfolgt nach allgemeinen Regeln im Rahmen der Privatautonomie und freiwillig. Ihre Beurteilung obliegt nach den oben ausgeführten Grundsätzen den ordentlichen Gerichten (§1 JN). Für Vereinspolizeibehörden können in diesem Zusammenhang strittige Sachverhalte nur als Vorfragen (§38 AVG) - etwa in einem Verwaltungsstrafverfahren nach §29 Abs1 lite VereinsG 1951 - relevant sein.
2.2. §26 VereinsG 1951 enthält eine öffentlich-rechtliche vereinspolizeiliche Ordnungsvorschrift für Fälle dieser freiwilligen Vereinsauflösung durch privatrechtliche Vereinbarung. §26 VereinsG 1951 verpflichtet nämlich das "abtretende Leitungsorgan" dazu, die freiwillige Auflösung eines Vereines der Sicherheitsdirektion binnen vier Wochen anzuzeigen und sie auch in einer für amtliche Verlautbarungen bestimmten Zeitung zu veröffentlichen. Diese Rechtspflicht des "abtretenden Leitungsorganes" steht unter der Verwaltungsstrafdrohung des §29 Abs1 lite VereinsG 1951. Weitere vereinspolizeiliche Reaktionen auf die Anzeige der Vereinsauflösung sieht der Wortlaut des VereinsG 1951 nicht vor. Weder die Anzeige der Vereinsauflösung noch deren Zurkenntnisnahme durch die Vereinsbehörde hat konstitutive Wirkung auf den Rechtsbestand des Vereines (vgl. VfSlg. 2655/1954, 3275/1957).
2.3. Im vorliegenden Fall hat die Behörde über die Anzeige der Vereinsauflösung einen zurückweisenden Bescheid erlassen. Damit hat sie jedoch eine Kompetenz in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt: §26 VereinsG 1951 regelt die Anzeige der Vereinsauflösung durch das "abtretende Leitungsorgan", die Erlassung eines Bescheides über eine solche Anzeige ist aber weder in §26 noch in einer sonstigen Bestimmung des VereinsG 1951 vorgesehen. Auch im insofern vergleichbaren Fall einer Anzeige der Vereinsbildung ist auf Antrag bloß eine Bestätigung (§5 VereinsG 1951) über die erfolgte Anzeige zu erteilen und besteht ebenfalls keine Zuständigkeit der Vereinsbehörde zur Erlassung eines Bescheides.
3. Indem die Behörde über die Anzeige der Vereinsauflösung bescheidmäßig abgesprochen und dadurch eine ihr nicht zukommende Kompetenz in Anspruch genommen hat, hat sie den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
III. 1. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 4.500,-- sowie die gemäß §17a VerfGG 1953 entrichtete Eingabegebühr in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Vereinsrecht, Vereinsauflösung, VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B2117.1998Dokumentnummer
JFT_09988997_98B02117_00