Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan M***, geboren am 20. März 1926 in Rohrbach, Landesbeamter, Spitalgasse 5, 7400 Oberwart, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Katharina M***, geboren am 24. Oktober 1928 in Klingenbach, Hausfrau, Spitalgasse 5, 7400 Oberwart, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Jänner 1988, GZ 13 R 185/87-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 12. Mai 1987, GZ 1 Cg 256/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von 308,85 S, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 27. September 1952 vor dem Standesamt Eisenstadt die Ehe geschlossen. Es handelt sich beiderseits um erste Ehe. Ihr entstammen drei bereits volljährige Kinder. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; sie haben ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Oberwart.
Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten im Sinne des § 49 EheG. Die Beklagte habe sich seit seiner Erkrankung im Jahr 1983 (Schlaganfall) immer mehr von ihm zurückgezogen. Sie vernachlässige die Haushaltsführung und schlafe häufig bis zur Mittagszeit. Sie habe den Kläger beschimpft und sei grundlos aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen. Sie habe ohne Wissen und Zustimmung des Klägers Geld von einem gemeinsamen Sparbuch und vom Gehaltskonto des Klägers behoben. Sie habe den dem Kläger zustehenden Teil des Bestandzinses für ein im gleichteiligen gemeinsamen Eigentum der Streitteile stehendes Haus ohne Einverständnis des Klägers zurückbehalten und darüber selbst ausschließlich verfügt und habe mehr an Mietzins eingenommen, als dem Kläger bekannt gewesen sei. Die Beklagte habe dem Kläger die von ihm benötigte Diätkost nicht zubereitet. Sie habe ohne Veranlassung des Klägers gegen ihn eine Unterhaltsklage eingebracht. Durch dieses Verhalten der Beklagten sei die Ehe unheilbar zerrüttet worden. Die Beklagte bestritt, daß sie Eheverfehlungen begangen habe und daß die Ehe unheilbar zerrüttet sei. Sie beantragte daher in erster Linie die Abweisung des Klagebegehrens. Für den Fall der Scheidung der Ehe beantragte sie den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers. Nicht die Beklagte habe sich vom Kläger abgewendet, sondern dieser von ihr. Er lehne es ab, daß sie für ihn koche und seine Wäsche betreue. Er habe die Beklagte wiederholt aufgefordert, aus der Ehewohnung auszuziehen. Er leiste für sie nur mangelhaft Unterhalt. Er habe im vorliegenden Verfahren wahrheitswidrige Anschuldigungen gegen die Beklagte erhoben und darauf seine Ehescheidungsklage gestützt. Angeblich habe er eine Freundin und wolle sich deswegen scheiden lassen.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Ehe der Streitteile verlief durch viele Jahre harmonisch. Der Kläger ist Landesangestellter und Verwalter des Landeskrankenhauses Oberwart. Sein Einkommen aus dieser Tätigkeit lag im Jahr 1986 im Monatsdurchschnitt über 30.000 S netto. Dieses Gehalt gelangte auf ein Gehaltskonto des Klägers, über welches auch die Beklagte zeichnungsberechtigt war. Die Streitteile waren je zur Hälfte Eigentümer einer Hausliegenschaft in Eisenstadt. Sie ist vermietet; der monatliche Mietzins beträgt 3.300 S. Auch dieser Mietzins wurde ursprünglich auf das erwähnte Gehaltskonto einbezahlt. Vorübergehend wurde vor einigen Jahren zu diesem Mietbetrag ein weiterer Betrag von 800 S monatlich durch die Mieterin entrichtet, als deren Tochter zeitweilig die Mansarde des Hauses bewohnte. Diese zusätzlichen 800 S wurden damals bar bezahlt. Zwischenzeitig erfolgte mit der Mieterin eine Einigung dahingehend, daß sie per 1. Juni 1987 das Bestandobjekt räumen wird; bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte eine Mietzinsvorauszahlung. Die Streitteile bezogen ihre Kost mittags überwiegend aus der Küche des Krankenhauses. Sie bezogen durchschnittlich etwa viermal pro Woche ihr Mittagessen aus der Spitalküche. An den anderen Tagen kochte die Beklagte selbst, insbesondere dann, wenn jemand von der Familie besondere Wünsche bezüglich des Essens geäußert hatte. Abends wurde in der Familie der Streitteile überwiegend kalt gegessen. Die dazu notwendigen Lebensmittel kaufte jeweils die Beklagte ein. Gelegentlich kochte sie auch abends, wenn eines der Familienmitglieder darum bat.
Die Verwaltung des Einkommens hat der Kläger ursprünglich der Beklagten überlassen, die vom Gehaltskonto die erforderlichen Abhebungen vornahm und daraus nicht nur die Kosten der Haushaltsführung bestritt, sondern auch sonst die für die Familie anfallenden Zahlungen leistete.
Am 5. Juli 1983 erlitt der Kläger einen Schlaganfall. Er war zunächst halbseitig gelähmt und befand sich je 5 Wochen in stationärer Pflege des Krankenhauses Graz und dann in Bad Tatzmannsdorf. Anschließend konsumierte er noch drei Wochen Urlaub. Danach war er wieder so weit hergestellt, daß er seine Arbeit wieder aufnehmen konnte. Seit diesem Schlaganfall leidet der Kläger an einer Sprachstörung. Nach diesem Schlaganfall mußte der Kläger auch Diät einhalten. Er bezog auch sein Diätessen (mittags) grundsätzlich aus der Krankenhausküche. Zeitweise machte ihm die Beklagte manche Beilagen frisch dazu, wenn man solche nicht aufwärmen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt verlief die Ehe der Streitteile noch immer harmonisch. Der Kläger beklagte sich öfter über sein Diätessen aus dem Krankenhaus, worauf ihm die Beklagte anbot, er solle ihr sagen, wenn er etwas anderes wolle, sie werde es ihm kochen. Tatsächlich äußerte der Kläger gelegentlich solche Wünsche. Die Beklagte bereitete ihm dann die gewünschten Speisen zu. Der Kläger hat nie erklärt, er wolle generell nicht mehr seine Diätkost aus dem Krankenhaus beziehen. Wenn er schlecht gelaunt war, bemängelte der Kläger auch von der Beklagten zubereitete Speisen. Trotz der ihm auferlegten strengen Diätvorschriften hielt sich der Kläger nicht immer strikt daran. Er verlangte von der Beklagten auch öfter die Zubereitung eines gebackenen (panierten) Hasen, obwohl ihm bewußt war, daß dies gegen seine Diätvorschriften verstieß. Er sagte dazu, ab und zu könne er auch so etwas essen.
Auch die Beklagte wäre seit Jahren wegen bestehender Beschwerden an Magen, Galle und Bauchspeicheldrüse zur Einhaltung einer Diät verpflichtet; auch sie hält sich aber nicht immer streng daran. Am Morgen des 1. April 1986 sagte der Kläger zur Beklagten, sie brauche für ihn überhaupt nicht mehr zu kochen, er werde künftig nicht mehr zu Hause, sondern im Krankenhaus essen. Dieser Erklärung war keinerlei Streit zwischen den Ehegatten vorangegangen. Da die Beklagte bereits einen Hasen vorbereitet (aufgetaut) hatte, bereitete sie diesen trotz dieser Erklärung des Klägers zu. Sie machte einen gebackenen (panierten) Hasen. Als der Kläger heimkam, lehnte er ab, diesen Hasen zu essen. Der Kläger hat seit diesem Tag (1. April 1986) die Beklagte nie mehr ersucht, ihm irgendetwas zum Essen zuzubereiten. Die Beklagte hat ihm seither auch nie mehr ausdrücklich angeboten, ihm etwas zu kochen.
Trotz dieser Situation verblieben die Streitteile in der bisherigen Ehewohnung und nächtigten auch weiterhin im gemeinsamen ehelichen Schlafzimmer. Sie waren gewohnt, bei offenem Fenster zu schlafen, wobei die Beklagte das Bett neben dem Fenster genommen hatte, weil der Kläger an einem Ohr empfindlich war. Die Beklagte litt gelegentlich unter Schmerzen und war der Meinung, daß dies darauf zurückzuführen sein könne, daß sie bei offenem Fenster schlafe. Schon vor dem 1. April 1986 hatten daher die Streitteile die Möglichkeit erörtert, daß die Beklagte allenfalls in einem anderen Zimmer schlafen solle, weil der Kläger weiterhin bei offenem Fenster schlafen wollte. Gegen Ende April bzw. Anfang Mai 1986 zog aus diesen Gründen die Beklagte aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. Seither haben sich ihre Beschwerden (Nervenentzündung) gebessert. Der Kläger hat die Beklagte seit ihrem Auszug nie aufgefordert, wieder ins eheliche Schlafzimmer zurückzukehren. Der Kläger kündigte anfangs April 1986 gegenüber der Beklagten an, er werde in Pension gehen, sie müsse bis zum Ende des Jahres aus der Wohnung ausziehen. Dabei sprach der Kläger nicht davon, gemeinsam mit der Beklagten wegen der bevorstehenden Pensionierung ausziehen zu wollen; er verlangte lediglich, die Beklagte müsse ausziehen. In weiterer Folge verlangte er sogar, die Beklagte solle bis Ende Juni ausziehen, er wolle jemand anderen in die Wohnung nehmen, der ihn betreuen könne. Er wolle die Beklagte nicht mehr "umsonst füttern". Als Entgegnung auf diese Ankündigungen des Klägers erklärte die Beklagte, wenn sie tatsächlich ausziehen müsse, sei ihr der Kläger "etwas schuldig", sie verlange Unterhalt vom Kläger. Dieser änderte jedoch im April 1986 sein Gehaltskonto und verlegte dieses zur H***-B***, um dadurch die Beklagte "mehr in der Hand zu haben". Hinsichtlich des nunmehrigen Gehaltskontos war die Beklagte nicht mehr zeichnungsberechtigt. An Bargeld überließ ihr der Kläger nur mehr die Mieteinnahmen in Höhe von 3.300 S monatlich, von welchen er aber in der Folge (ab Herbst 1986) ebenfalls die Hälfte beanspruchte und erhielt.
Als die Beklagte im Mai 1986 Geld vom Gehaltskonto bei der R*** abheben wollte, mußte sie feststellen, daß auf diesem Konto kein Geld vorhanden war. Da das Konto noch nicht gelöscht war, behob die Beklagte in weiterer Folge gegen Ende Mai - Anfang Juni 1986 39.000 S von diesem Konto. Diesen Betrag ermittelte sie derart, daß sie für die Monate April, Mai und Juni 1986 je 13.000 S an Unterhalt für sich berechnete und den daraus resultierenden Betrag behob. Sie hatte nämlich auch für April 1986 kein Geld mehr zur Verfügung gehabt, weil sie das für diesen Monat behobene Geld bereits zu Monatsbeginn zur Deckung mehrerer angefallener Zahlungen verwendet und einen Betrag von 12.000 S dem Kläger über sein Ersuchen zur Verfügung gestellt hatte. Den Kläger informierte die Beklagte erst einige Zeit später über die Abhebung dieser 39.000 S, worauf ihr der Kläger heftige Vorwürfe machte. Er sagte, es werde wegen dieser Auszahlung auch die R*** mit ihm Schwierigkeiten bekommen, er werde diesen Betrag nicht an die R*** refundieren. Um derartige Schwierigkeiten zu vermeiden, zahlte die Beklagte den Betrag von 39.000 S wieder an die R*** zurück; sie hatte diesen Betrag noch nicht verbraucht.
Die Streitteile hatten die während der Ehe gemachten Ersparnisse auf einem Inhabersparbuch erlegt, das auf den Namen des Klägers lautete. Auf diesem Sparbuch erlag auch das Realisat früher abgeschlossener zum Teil auf die Namen der Kinder lautender Bausparverträge, ebenso der Erlös des Verkaufes einer den Streitteilen gemeinsam gehörenden Liegenschaft.
Als die Beklagte im Mai 1986 feststellen mußte, daß auf dem Gehaltskonto des Klägers kein Geld mehr vorhanden war und der Kläger zuvor von ihr den Auszug aus der Ehewohnung verlangt hatte, beschloß sie, das auf dem Sparbuch erliegende Geld zunächst abzuheben und in Verwahrung zu nehmen, um sich für allfällige künftige Auseinandersetzungen abzusichern. Sie behob zunächst nahezu das gesamte Guthaben (469.880 S) und beließ lediglich ca. 8 S auf dem Konto. Sie zahlte den abgehobenen Betrag auf ein anderes Sparbuch ein. Dieses lautete zwar auf den Namen eines Kindes der Streitteile, war aber ebenfalls ein Inhabersparbuch. Auch von dieser Transaktion machte die Beklagte dem Kläger erst zu einem späteren Zeitpunkt Mitteilung, worauf der Kläger die sofortige Rückzahlung des abgehobenen Betrages verlangte und der Beklagten vorwarf, sie habe einen Diebstahl begangen. Die Klägerin behielt 240.000 S zurück, da sie ihrer Meinung nach diesen Betrag zu beanspruchen hatte, weil aus früheren auf sie und die Kinder lautenden Bausparverträgen viermal je 60.000 S an Realisat diesem Sparkonto gutgebracht worden waren. Den sich danach ergebenden Restbetrag zur ursprünglichen Abhebungssumme zahlte die Beklagte wieder auf ein Sparbuch ein und händigte dieses dem Kläger aus.
Die Beklagte war von Mai 1947 bis Ende 1958 berufstätig. Dann führte sie den Haushalt der Familie, in welchem sie auch die Kinder betreute. Die Beklagte hat die Haushaltsführung nie vernachlässigt und die Wohnung der Streitteile immer ordentlich betreut und versorgt.
Die Beklagte blieb am Vormittag öfter länger im Bett liegen und schlief gelegentlich auch bis zur Mittagszeit, und zwar insbesondere dann, wenn sie während der Nacht wegen Schmerzen und Beschwerden nicht gut schlafen konnte. Zeitweise wurde sie auch im Schlaf gestört, wenn der Kläger schnarchte. In solchen Fällen hat sie den Kläger nicht geweckt oder ihm Vorhaltungen gemacht, da sie beabsichtigte, den verlorenen Schlaf dadurch einzubringen, daß sie am Folgetag länger liegen blieb und schlief.
Die Beklagte hat den Kläger nie beschimpft.
Der Kläger äußerte der Beklagten gegenüber die Absicht, allenfalls Liegenschaftsbesitz zu veräußern, worauf die Beklagte ihren Liegenschaftsanteil an eine Tochter übergab, um sich diesbezüglich nicht allenfalls selbst mit dem Kläger auseinandersetzen zu müssen.
Die Streitteile gingen früher öfter abends spazieren. Zur Arbeit fuhr der Kläger damals mit dem PKW. Nach seiner Erkrankung geht der Kläger abends ins Krankenhaus schwimmen; dies gehört zu seiner Therapie. Anfangs ging auch die Beklagte mit. Auch sie ist geschwommen, bekam jedoch einen Blasenkartarrh und konnte nicht mehr zum Schwimmen mitgehen. Es ist nie vorgekommen, daß der Kläger die Beklagte zu einem gemeinsamen Spaziergang oder etwa zu einem Konzertbesuch aufgefordert hätte und die Beklagte abgelehnt hätte, mit ihm mitzukommen. Der Kläger spricht seit April 1986 kaum noch mit der Beklagten.
Am 20. August 1986 brachte die Beklagte gegen den Kläger beim Bezirksgericht Oberwart eine Unterhaltsklage ein, mit der sie den Zuspruch monatlicher Unterhaltsbeträge von 10.000 S ab 1. September 1986 begehrte. Der Kläger anerkannte in der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28. August 1986 einen Unterhaltsanspruch der Beklagten in der Höhe von 6.000 S monatlich; in diesem Umfang erging ein Teilanerkenntnisurteil. Der Kläger bestritt jedoch, zu dieser Klagsführung Anlaß gegeben zu haben. Mit Endurteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 16. Dezember 1986 wurden der Beklagten monatliche Unterhaltsbeträge von insgesamt 10.000 S ab 1. September 1986 zuerkannt und der Kläger zum Kostenersatz verpflichtet. In diesem Urteil ging das Bezirksgericht Oberwart von zunächst unzureichenden Naturalunterhaltsleistungen des Klägers aus, weshalb das Begehren der Beklagten auf Zuspruch einer Geldunterhaltsleistung berechtigt sei. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
Durch den Umstand, daß seit April 1986 kaum noch Kontakte zwischen den Streitteilen gegeben sind, ist eine weitgehende Zerrüttung ihrer Ehe eingetreten. Da die Beklagte jedoch weiterhin an der Ehe festhält und die Streitteile auch nach wie vor gemeinsam in der bisherigen Ehewohnung leben, kann noch nicht festgestellt werden, daß die Ehe der Streitteile bereits derart tiefgreifend zerrüttet wäre, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zwischen ihnen nicht mehr erwartet werden könnte.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die vom Kläger behaupteten Eheverfehlungen der Beklagten weitgehend nicht gegeben seien. Es könne keine Rede davon sein, daß sich die Beklagte vom Kläger nach seiner Erkrankung abgewendet hätte; es habe sich vielmehr der Kläger selbst von der Beklagten abgewendet und spreche seit April 1986 kaum noch mit ihr. Daß die Beklagte ihm die Zubereitung einer allenfalls von ihm begehrten Diätkost verweigert hätte, treffe nicht zu. Der Kläger habe ohne einen vorangegangenen Streit einfach abgelehnt, künftig sein Essen von der Beklagten zubereiten zu lassen. Unter diesen Umständen sei eine Eheverfehlung der Beklagten nicht zu erkennen, auch wenn sie dem Kläger in weiterer Folge nicht mehr ausdrücklich die Zubereitung seiner Diätkost angeboten habe. Die behauptete Vernachlässigung der Haushaltsführung durch die Beklagte liege nicht vor. Daß die Beklagte aus dem Schlafzimmer ausgezogen sei bzw. wiederholt vormittags länger geschlafen habe, sei darauf zurückzuführen, daß sie einerseits das Schlafen bei offenem Fenster nicht mehr vertragen habe und andererseits am Vormittag länger liegen geblieben sei oder sich neuerlich hingelegt habe, wenn sie in der Nacht nicht gut geschlafen hatte. Auch in diesem Verhalten könne eine schwerwiegende Eheverfehlung der Beklagten nicht erblickt werden. Eine allfällige Beschimpfung des Klägers durch die Beklagte sei nicht erwiesen.
Es verblieben als denkbare Eheverfehlungen der Beklagten nur die ihr vom Kläger vorgeworfenen finanziellen Transaktionen. Dazu ergebe sich aus den getroffenen Feststellungen, daß entgegen den Behauptungen des Klägers die Mieteinnahmen tatsächlich nur 3.300 S monatlich betragen hätten; die in diesem Zusammenhang vom Kläger gegen die Beklagte erhobenen Vorwürfe seien daher unberechtigt. Aus dem Urteil im Unterhaltsprozeß ergebe sich, daß der Kläger keinen ausreichenden Naturalunterhalt geleistet habe, weshalb auch im Versuch der Beklagten, durch eine Abhebung vom Gehaltskonto einen angemessenen Unterhaltsbeitrag zu erlangen, eine Eheverfehlung nicht zu ersehen sei. Im übrigen habe die Beklagte infolge der Einwände des Klägers den behobenen Betrag ohnedies umgehend wieder rückerstattet.
Daß im Hinblick auf aufgetretene Differenzen und die Aufforderung des Klägers, sie solle aus der Ehewohnung ausziehen, die Beklagte zunächst das Sparvermögen der Streitteile abgehoben und in Verwahrung genommen habe, stelle ebenfalls keinen relevanten Ehescheidungsgrund dar. Die Beklagte habe den behobenen Betrag ja nicht etwa mißbräuchlich verwendet oder dem Kläger endgültig vorenthalten. Sie habe vielmehr etwa die Hälfte des Betrages ohnedies wieder auf ein Sparkonto erlegt und das entsprechende Sparbuch dem Kläger ausgehändigt. Es möge zwar in einem allfälligen Aufteilungsverfahren nach einer Ehescheidung noch näher zu klären sein, ob die Beklagte tatsächlich etwa die Hälfte des Sparvermögens für sich beanspruchen könne. Daß sie etwa die Hälfte dieses Sparvermögens zunächst selbst in Verwahrung genommen habe, könne aber jedenfalls nicht rechtfertigen, deshalb eine nahezu 35 Jahre währende Ehe aus dem Verschulden der Beklagten zu scheiden. Der Kläger selbst habe diese Reaktion der Beklagten dadurch hervorgerufen, daß er ihr die Verfügungsmöglichkeit über sein Gehaltskonto entzogen, sie zum Verlassen der Ehewohnung aufgefordert und sogar über seine Absicht einer Liegenschaftsveräußerung gesprochen habe, wodurch die Beklagte naturgemäß weitgehend verunsichert worden sei. Daß sie daraufhin das in ihren Händen befindliche Sparbuch dazu benützt habe, einen Hälfteanteil des Sparvermögens in ihre Verwahrung zu nehmen und für künftige vermögensrechtliche Auseinandersetzungen zu sichern, könne unter diesen Gesichtspunkten nicht als schwere Eheverfehlung qualifiziert werden, auch wenn die Beklagte zunächst das Gesamtrealisat behoben habe, wovon sie aber ohnedies in der Folge etwa die Hälfte wieder dem Kläger zur Verfügung gestellt habe.
Insgesamt ergebe sich daher, daß schwere Eheverfehlungen der Beklagten im Sinne des § 49 EheG, durch die sie eine unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile verschuldet hätte, nicht vorlägen. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, soweit der Kläger der Beklagten vorwerfe, sie habe ihn in seiner Krankheit zunehmend bis vollständig im Stich gelassen, entferne er sich von den getroffenen Feststellungen. In diesem Umfang sei seine Rechtsrüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Soweit der Kläger wegen seiner eigenen Ratlosigkeit, wie er nach dem Schlaganfall mit den geänderten Lebensumständen fertig werden solle, von der Beklagten ohne jedes konkrete Gespräch Hilfe bei der therapeutischen Aufarbeitung seiner sicher vorhandenen und subjektiv auch als schwer empfundenen Probleme erwarte, stelle er an ihre Fähigkeiten zu hohe Ansprüche. Wenn die Beklagte diese unter den aufgezeigten Umständen nicht erfüllt habe, stelle dies jedenfalls keine Eheverfehlung dar. Stelle man das Verhalten des Klägers (Entzug der Zeichnungsberechtigung für sein Gehaltskonto, ohne der Beklagten anderweitig jene Geldmittel zu überlassen, die ihr die Wirtschaftsführung ermöglicht hätten; Aufforderung zum Auszug aus der Ehewohnung; er wolle sich jemand anderen in die Ehewohnung nehmen, der ihn betreut; er wolle die Beklagte nicht umsonst füttern; er wolle den Liegenschaftsbesitz veräußern u.a.m.) dem darauf reagierenden Verhalten der Beklagten gegenüber, dann könne weder in der Schenkung ihrer Liegenschaftshälfte an die Tochter ohne Rücksprache mit ihm noch in den übrigen Versuchen einer finanziellen Absicherung durch die Beklagte eine schwere Eheverfehlung erblickt werden.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Aber auch der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu. Es trifft sicher zu, daß sie Vernachlässigung des Haushaltes eine schwere Eheverfehlung bilden kann; derartiges ist aber nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann, der Beklagten nicht vorzuwerfen.
Es ist auch sicher richtig, daß jedes mit dem Wesen der Ehe unvereinbare Verhalten eines Ehegatten eine schwere Eheverfehlung darstellen kann und daß es bei der Beurteilung, ob ein Ehegatte schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG gesetzt hat, auf sein Gesamtverhalten unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände ankommt.
Jedoch ist auch daraus nach den im vorliegenden Fall festgestellten Umständen für den Standpunkt des Klägers nichts abzuleiten.
Der Kläger führt in seiner Rechtsrüge gar nicht aus, welches konkret festgestellte Verhalten der Beklagten er unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG beurteilt wissen will. Der Sachlage nach - die Feststellungen der Vorinstanzen über das Verhalten der Beklagten gestatten die Annahme sonstiger durch sie begangener schwerer Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG nicht - käme hier nur die festgestellte (vorübergehende) Überziehung des Gehaltskontos des Klägers durch die Beklagte und ihre eigenmächtige Ansichnahme gemeinsamer ehelicher Ersparnisse in Betracht. In derartigen ohne Einverständnis des Ehepartners durchgeführten eigenmächtigen Maßnahmen liegt sicher ein Vertrauensbruch und eine Verletzung der im § 91 ABGB normierten Verpflichtung zur einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensführung, die es rechtfertigt, derartige Maßnahmen als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG zu qualifizieren. Zieht man aber im vorliegenden Fall das grob ehewidrige Verhalten des Klägers in Betracht, das diesen Handlungen der Beklagten vorausging (grobe Vernachlässigung seiner Unterhaltspflicht, Aufforderung an die Beklagte, bis Ende Juni aus der Ehewohnung auszuziehen, weil er sie nicht umsonst "füttern" und jemand anderen in die Wohnung nehmen wolle, der ihn betreuen solle), dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß dieses Verhalten der Beklagten, mit dem sie letztlich ihren Unterhalt sicherstellen und ihre finanzielle Position für den Fall einer vom Kläger beabsichtigten Ehescheidung stärken wollte, der Vorschrift des § 49 zweiter Satz EheG zu unterstellen ist. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist die Scheidung abzulehnen, wenn dem beklagten Ehegatten zwar eine schwere Eheverfehlung zur Last liegt, jedoch ein derartiger Zusammenhang zwischen der Verfehlung des beklagten Ehegatten mit dem - grob ehewidrigen - Verhalten des klagenden Ehegatten besteht, daß bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe das Scheidungsbegehren als sittlich nicht zulässig erkannt werden kann (EFSlg 38.718; EFSlg 41.205; EFSlg 43.639 uva). Unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen auch die zuletzt dargestellten Handlungen der Beklagten das vom Kläger nach § 49 EheG gestellte Scheidungsbegehren nicht. Auf die Frage der unheilbaren Zerrüttung der Ehe braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden. Der Revision des Klägers muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14968European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00551.88.0712.000Dokumentnummer
JJT_19880712_OGH0002_0020OB00551_8800000_000