TE OGH 1988/7/13 3Ob526/88

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Veröffentlicht am 13.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst B*** KG, Wels, Machstraße 5, vertreten durch Dr. Ernst Rohrauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Erich W***, Zivilingenieur, Wels, Höhenstraße 19, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen 435.722,-- S sA und Feststellung, infolge Rekurses der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7.März 1988, GZ 5 R 107/87-78, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 9. Februar 1987, GZ 4 Cg 181/84-58, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Im Jahr 1977 errichtete die klagende Partei über Auftrag des Elektrodenwerkes S*** Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden kurz Elektrodenwerk S***) die Stahlkonstruktion für eine 35 m lange und 9 m breite Lagerhalle ohne Seitenwände, welche am 7.1.1981 einstürzte. Der Beklagte (gegen den ursprünglich mitgeklagten Zweitbeklagten wurde das Verfahren nicht fortgesetzt) hatte der klagenden Partei für die Errichtung der Stahlkonstruktion eine statische Berechnung erstellt, wobei er sich seines Angestellten (des früheren Zweitbeklagten) bediente.

Das Elektrodenwerk S*** begehrte im Rechtsstreit 1 Cg 153/81 des Kreisgerichtes Wels Schadenersatz von der jetzigen klagenden Partei und deren Komplementärin, welche mit Urteil des Erstgerichtes vom 29.12.1982, bestätigt mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 21.4.1983, und Urteil des Revisionsgerichtes vom 28.2.1984 (5 Ob 690/83), zur Zahlung von 351.332,72 S samt Anhang verurteilt wurden. Als Ursache des Halleneinsturzes wurde in diesem Rechtsstreit festgestellt, daß die Stahlkonstruktion wegen Fehlens von Aussteifungsverbänden zwischen den einzelnen Stahlstützen oder einer stärkeren Dimensionierung derselben dem Schneedruck nicht standgehalten hat, sodaß alle Stahlstützen in Längsrichtung einknickten. Ein Mitverschulden des Elektrodenwerkes S*** wurde verneint, weil die jetzige klagende Partei nach der Abnahme, bei der ein Ausschwingen der Konstruktion festgestellt worden war, erklärt hatte, die Statik sei in Ordnung. Der jetzige Beklagte war nach Streitverkündigung der beklagten Parteien dem Rechtsstreite auf deren Seite als Nebenintervenient beigetreten.

Mit einer am 8.12.1981 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei vom Beklagten die Zahlung von 339.059,78 S samt Anhang als Ersatz desjenigen Betrages, den die klagende Partei dem Elektrodenwerk S*** ersetzen müsse und dehnten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 29.4.1982 ihre Klage dahin aus, daß sie auch die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Schäden aus dem Einsturz der Lagerhalle am 7.1.1981 begehrte. Mit Teilurteil des Erstgerichtes vom 30.4.1982, bestätigt mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 23.7.1982, und Urteil des Revisionsgerichtes vom 12.1.1983 (3 Ob 657/82), wurde das Leistungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, vor Leistung des Schadenersatzes an das Elektrodenwerk S*** könne die klagende Partei nicht Regreß nehmen. Mit der Behauptung, es seien in der Zwischenzeit die im Rechtsstreit 1 Cg 153/81 auferlegten Leistungen in Raten, die das Elektrodenwerk S*** auf Grund eines Vergleiches gewährt habe, erbracht worden, erhob die klagende Partei neuerlich ein Leistungsbegehren, das nach und nach auf schließlich 435.722,-- S samt Stufenzinsen ausgedehnt wurde.

Die klagende Partei behauptete, sie habe den Beklagten den Auftrag erteilt, die erforderlichen statischen Berechnungen vorzunehmen; es sei nicht etwa nur ein Auftrag zur Erstellung einer sogenannten Vorbemessung erteilt worden. Tatsächlich habe allerdings der Beklagte entgegen dem erteilten Auftrag nur eine grobe Vorbemessung geliefert, bei der die Statik nur für die X-Achse, nicht aber für die Y-Achse (Längsrichtung) berechnet worden sei. Beim Betrieb der klagenden Partei handle es sich um einen Schlossereibetrieb. Den Leuten der klagenden Partei hätten die nötigen statischen Kenntnisse gefehlt, es sei daher nicht bemerkt worden, daß die als statische Berechnung bezeichnete und mit dem Siegel des Zivilingenieurs versehene Unterlage mangelhaft gewesen sei. Dem Beklagten oder seinem Erfüllungsgehilfen sei im übrigen bekannt gewesen, daß die Halle ohne Seitenwände errichtet werden solle, und auch, daß es bei der Abnahme zu einem Ausschwingen der Halle gekommen sei. Die Bedenken seien aber zerstreut worden. Die klagende Partei arbeite mit dem Beklagten schon seit 25 Jahren zusammen und habe ihm daher Vertrauen geschenkt. Die Aufträge seien immer in derselben Form erteilt worden. Den Begriff "Vorbemessung" habe die klagende Partei erst durch das im Rechtsstreit 1 Cg 153/81 eingeholte Sachverständigengutachten kennengelernt. So wie die klagende Partei dem Beklagten den Auftrag erteilt habe, habe dieser unbedingt auch die Statik der Y-Achse berechnen müssen. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete Verjährung ein, weil der klagenden Partei schon seit dem Jahre 1977 bekannt sei, daß die Halle den Mangel aufwies, der dann später auch zum Schadensereignis geführt habe. Den Beklagten treffe kein Verschulden. Ihm sei nicht der Auftrag erteilt worden, eine statische Berechnung für die Errichtung der Halle zu erstellen, sondern die klagende Partei habe lediglich angefragt, welche Dimensionen Stahlträger bei einer solchen Halle aufweisen müßten. Dem Beklagten sei nicht mitgeteilt worden, daß die Halle ohne Seitenwände errichtet würde (welche naturgemäß zu einer Seitenversteifung führten), weshalb kein Anlaß für eine Berechnung der Statik in der Längsrichtung bestanden habe. Der Beklagte habe damit rechnen können, daß zumindest einige Aussteifungen angebracht würden, auch dann wäre die Konstruktion sicher gewesen. Die klagende Partei habe hier ausreichende Kenntnisse. Bei früheren Aufträgen an den Beklagten habe sich ergeben, daß die klagende Partei sehr wohl zwischen gewissen vorläufigen Berechnungen, etwa für die Materialbeschaffung, der Kostenkalkulation usw, und nachträglich erteilten Aufträgen auf einreichfähige statische Berechnungen zur Ausführung selbst unterscheide. Der falsche Auftrag, dessen wahres Ausmaß sich auch aus dem verrechneten niedrigen Preis ergebe, gehe daher gänzlich zu Lasten der klagenden Partei. Das Alleinverschulden liege bei ihr. Dazu komme, daß der klagenden Partei bei der Abnahme die Bedenken über das Ausschwingen mitgeteilt worden seien und sie ohne Rückfrage beim Beklagten versichert habe, die Statik sei in Ordnung. Die klagende Partei habe es unterlassen, einen Bauleiter beizuziehen. Die Halle sei ohne Einholung einer baubehördlichen Genehmigung errichtet worden. Auch dies begründe das Alleinverschulden der klagenden Partei. - Für Zinsen und Kosten aus dem Vorprozeß habe der Beklagte auch im Falle eines Verschuldens nicht einzustehen. Das Feststellungsbegehren sei wegen fehlenden Feststellungsinteresses unbegründet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging von einer Verjährung des Klagsanspruches aus. Es handle sich um eine Entschädigungsklage im Sinn des § 1489 ABGB. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne im Zeitpunkt der Kenntnis der schädigenden Handlung ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schadens. Allenfalls müsse zunächst eine Feststellungsklage eingebracht werden, wenn mit künftigen Schäden mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei. Der klagenden Partei als Fachfirma könne im Zusammenhang mit dieser Kenntnis keine Unwissenheit zugebilligt werden. Ein Anerkenntnis des Beklagten liege nicht vor.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes mit Rechtskraftvorbehalt auf.

Rechtliche Beurteilung

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes liege ein Regreßanspruch nach § 1313 zweiter Satz ABGB vor, der noch nicht mit dem Eintritt des Schadens des Dritten entstehe, sondern erst, wenn und soweit der in Anspruch genommene Teil dem Dritten Ersatz geleistet habe. Darauf, ob dieser Teil (Geschäftsherr) und sein Erfüllungsgehilfe dem Dritten gegenüber solidarisch hafteten, komme es nicht an. Dies gelte auch für das Feststellungsbegehren, abgesehen davon, daß der Beklagte diesem gegenüber die Verjährung nicht ausdrücklich eingewendet habe.

Von dieser Rechtsansicht ausgehend müßten die vom Erstgericht bisher nicht getroffenen Feststellungen über den Inhalt und Umfang des Auftrages der klagenden Partei an den Beklagten getroffen werden. Nur dann könne man beurteilen, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, auch Berechnungen der Y-Achse anzustellen, oder die klagende Partei darauf hinweisen hätte müssen, daß solche Berechnungen nicht erfolgt seien und die Dimensionierung der Stützen nur dann ausreiche, wenn Seitenverbände angebracht würden. Dabei müsse auch auf die gegenseitig erteilten Informationen Bedacht genommen werden, vor allem, ob dem Beklagten mitgeteilt worden sei, ob eine freie Durchfahrt durch die Halle von allen Seiten bestehen sollte (also keine Seitenwände angebracht würden). Falls der Beklagte den ihm erteilten Auftrag falsch oder unvollständig erfüllt hätte oder seiner Warn- und Hinweispflicht nicht nachgekommen wäre, müßten auch die entsprechenden Feststellungen zum Mitverschulden der klagenden Partei getroffen werden, für die der Maßstab des § 1299 ABGB gelten müsse. Für den Fall einer Haftung der beklagten Partei müßten Feststellungen über die geleisteten Zahlungen erfolgen. Wegen der zwischen den Streitteilen bestehenden Beziehungen könnten auch die aufgelaufenen Prozeßkosten Gegenstand eines Regresses sein, nicht jedoch die als Folge des Zahlungsverzuges der klagenden Partei aufgelaufenen Zinsen. Der Klagsbetrag müsse daher entsprechend aufgeschlüsselt werden. Wegen der Höhe der von der klagenden Partei schon behaupteten Zahlungen sei auch zu erörtern, ob noch ein Feststellungsinteresse bestehe. Unerheblich sei es, daß die Halle ohne Baubewilligung errichtet worden sei und ob die klagende Partei gewerberechtlich befugt gewesen sei, die vorgenommenen Arbeiten zu erbringen, weil diese bau- und gewerberechtlichen Vorschriften nicht den Zweck hätten, Statiker vor den Folgen von Falschberechnungen zu schützen. Das Berufungsgericht wies weiters darauf hin, daß das Erstgericht im zweiten Rechtsgang verschiedene Verfahrensmängel vermeiden müsse (Verwertung von Privatgutachten).

Die gegen den Aufhebungsbeschluß erhobenen Rekurse beider Streitteile sind nicht berechtigt.

Die klagende Partei wendet sich nicht gegen die Aufhebung an sich, sondern rügt nur einen Teil der Rechtsansichten des Berufungsgerichtes und stellt auch zulässigerweise einen dementsprechenden Rekursantrag (Fasching IV 414; SZ 18/48; JBl 1954, 359; MietSlg 34/10).

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß die klagende Partei iSd § 1299 ABGB für diejenigen Fachkenntnisse einzustehen hat, die von einem Unternehmer üblicherweise zu erwarten sind, der Stahlkonstruktionen für Lagerhallen der vorliegenden Art herstellt. Die klagende Partei, die sich nach der gegebenen Sachlage öffentlich zu diesem Handwerk bekannte, kann sich nicht damit entlasten, daß gerade bei ihr diese durchschnittlichen Fachkenntnisse gefehlt hätten (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1299). Eine Behauptung, der beklagten Partei sei ein Fehlen solcher Fachkenntnisse aufgefallen oder hätte ihr bekannt sein müssen, hat die klagende Partei nicht aufgestellt.

Allerdings kann auch ein an sich sachverständiger Auftraggeber das Verschulden oder Mitverschulden des von ihm herangezogenen Sachverständigen geltend machen (vgl Entscheidungen wie JBl 1984, 556, wonach etwa die Warnpflicht nach § 1168 a ABGB auch gegenüber einem sachkundigen Besteller gilt). Wenn also im Sinne des Ergänzungsauftrages des Berufungsgerichtes ermittelt wird, welchen Auftrag die klagende Partei der beklagten Partei erteilt hat, dann wird nach Feststellung der durchschnittlichen Kenntnisse eines Unternehmens vom Betriebszweig der klagenden Partei auch beurteilt werden können, ob der Auftrag erkennen ließ, daß die klagende Partei von ganz unrichtigen Prämissen ausgegangen ist, in welchem Fall eine Warnpflicht bestanden hätte, oder ob vielleicht die klagende Partei im Wissen der insgesamt nötigen Berechnungen klar erkennbar zB nur eine Teilberechnung und nicht eine Berechnung der gesamten Statik angefordert hat, in welchem Fall die beklagte Partei den Auftrag erfüllt haben könnte und nicht für Fehler einer von ihr nicht in Auftrag gegebenen Berechnung einstehen müßte. Eine gewisse Rolle mag hier auch das Vorgehen bei früheren Aufträgen spielen. Von besonderer Bedeutung werden aber doch die konkreten Gesprächsinhalte für den vorliegenden Auftrag sein, wie dies das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt. Es wird also zu prüfen sein, ob die beklagte Partei oder ihr Mitarbeiter wußten oder wissen konnten, daß die klagende Partei eine offene Lagerhalle errichten sollte und ob die in Auftrag gegebene Berechnung nicht nur für die Bestellung der Stahlträger gewünscht wurde, sondern als Grundlage für die Vornahme der gesamten Stahlkonstruktion, und ob der beklagten Partei die Rüge des Elektrodenwerkes S*** über das Ausschwingen der Halle mitgeteilt wurde. In diesem Zusammenhang ist auch aufklärungsbedürftig, ob nicht die beklagte Partei zumindest im Zusammenhang mit der Erstellung einer teilweisen Nachberechnung (die dann freilich nicht unfallskausal war) Kenntnis von der Art der Lagerhalle erlangte und vielleicht zumindest zu diesem Zeitpunkt eine Warnpflicht entstand.

Über die Bedeutung der Bezeichnung der Berechnung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht keine bindende Rechtsansicht aufgestellt. Der bei Erledigung der Mängelrüge vertretene Standpunkt, es komme nicht auf die Bezeichnung der Berechnung der beklagten Partei, sondern auf ihren wirklichen Gehalt an, und es sei daher kein ergänzendes Sachverständigengutachten nötig, kann nicht dahin ausgedehnt werden, daß das Berufungsgericht dieser Bezeichnung keine Bedeutung zumesse. Anknüpfend an die obigen Ausführungen ist vielmehr zu wiederholen, daß es von den beiderseitigen Kenntnissen und der Art der Geschäftsverbindung und des erteilten Auftrags abhängen kann, ob die klagende Partei schon aus dem Inhalt der statischen Berechnung der beklagten Partei erkennen mußte, was ihr geliefert wurde, oder ob die beklagte Partei ohnedies nur zur Berechnung der Statik für die Querachse verpflichtet war. Wenn hier Unklarheiten bestanden, dann kann allerdings auch der objektiv unrichtigen Bezeichnung des Werkes als "statische Berechnung" statt "statische Vorbemessung" oder dergleichen eine Bedeutung zukommen. Ein unrichtiger Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes ist aber hier nicht erkennbar.

Zinsen, die dem Rückgriffsberechtigten dadurch entstanden sind, daß er die Forderung des geschädigten Dritten nicht sofort beglichen hat, sind in der Regel nicht Gegenstand des Regresses (SZ 54/119 ua). Ein besonderes Verhältnis, etwa eine Vereinbarung der klagenden Partei mit der beklagten Partei, den vom Elektrodenwerk S*** geltend gemachten Schaden vorerst nicht zu bezahlen, bis die Haftung der klagenden Partei im Vorprozeß festgestellt würde, oder die Ableitung des Zinsenschadens aus einer wahrheitswidrigen Auskunft (SZ 56/185) wurden nicht vorgebracht. Die bloße Streitverkündigung vermag ein solches besonderes Rechtsverhältnis nicht zu begründen; sie kann nur in gewissen Fällen Bindungswirkungen in der Hauptsache hervorrufen.

Ob und in welcher Höhe die klagende Partei von der beklagten Partei Verzugszinsen aus der Rückgriffsforderung zustehen, hat mit dieser fehlenden Regreßfähigkeit der von der klagenden Partei schon aufgewendeten Zinsen nichts zu tun.

Auch der Rekurs der beklagten Partei ist im Ergebnis unbegründet. Mit Urteil vom 12.Jänner 1983, 3 Ob 657/82, hat das Revisionsgericht in dieser Rechtssache bei Bestätigung des das damalige Leistungsbegehren mangels Fälligkeit abweisenden Teilurteils ausgesprochen, daß Rückgriffsansprüche der vorliegenden Art nicht schon dann entstehen, wenn beim Dritten ein Schaden eintritt, sondern erst, wenn und soweit der in Anspruch genommene Teil dem Dritten tatsächlich Ersatz geleistet hat. Aus dieser Rechtsansicht, an die der Oberste Gerichtshof im jetzigen Verfahrensstadium gebunden ist, ergibt sich, daß die Verjährung des strittigen Rückgriffsanspruches nicht schon im Jahr 1977 begonnen haben konnte.

Wenn die beklagte Partei auf die Rechtsprechung verweist, wonach bei Kenntnis von einem schädigenden Ereignis schon vor dem tatsächlichen Schadenseintritt auf Feststellung geklagt werden müsse, sofern der Schaden schon als wahrscheinlich vorhersehbar ist (siehe dazu aber kritisch Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1489 ABGB), so kann eine solche Auffassung keinesfalls auf Regreßfälle der vorliegenden Art ausgedehnt werden. Im Jahr 1977 war höchstens das Vorliegen eines Mangels an der Statik der Lagerhalle und eines Verschuldens der beklagten Partei bekannt; daß die Halle einstürzen werde und dann das Elektrodenwerk S*** die klagende Partei auf Schadenersatz belangen werde, das wurde erst durch den Schadensfall des Jahres 1981 erkennbar. Dem schon am 29.April 1982 gestellten Feststellungsbegehren und der später folgenden Geltendmachung der einzelnen Teile des Leistungsbegehrens stand daher die Verjährung nicht entgegen.

Wenn der Beklagte im Sinne seiner Rekursausführungen nicht Erfüllungsgehilfe des Klägers bei Ausführung des Auftrages gegenüber dem Elektrodenwerk S*** gewesen sein sollte, wäre für ihn im Ergebnis nichts zu gewinnen; denn dann würde er infolge seiner schuldhaften Vertragsverletzung dem Kläger gegenüber zwar nicht nach § 1313 ABGB, wohl aber unmittelbar nach § 1300 ABGB für den dem Kläger entstandenen Schaden (aus dem Verschulden des Beklagten entstandene Ersatzpflicht) einstehen müssen.

Der Standpunkt, die klagende Partei stütze sich nur auf Gewährleistung und habe kein Verschulden der beklagten Partei behauptet, steht mit dem Akteninhalt nicht im Einklang. Die klagende Partei hat immer wieder auf das Fehlverhalten der beklagten Partei und ihres Mitarbeiters hingewiesen und damit in der Sache ein Verschulden geltend gemacht. Von einer Verfristung des Klagsanspruches nach Gewährleistungsrecht kann daher keine Rede sein. Ob man einen Klagsanspruch der vorliegenden Art als einen echten Schadenersatzanspruch oder einen davon verschiedenen Rückersatzanspruch oder aber immerhin als eine sonstige Entschädigungsklage nach § 1489 ABGB werten will, könnte höchstens bei der Dauer der Verjährungsfrist eine Rolle spielen. Die Unterlassung einer Mängelrüge führt hier nicht zum Verlust der Haftung, weil kein Gewährleistungsanspruch geltend gemacht wird; wohl aber spielt dieser Umstand eine Rolle, wenn der allfällige Verschuldensanteil der klagenden Partei zu bestimmen ist. Hier kommt sowohl dem Umstand Bedeutung zu, ob die klagende Partei nach branchenüblichen Fachkenntnissen den allfälligen Mangel der von der beklagten Partei erstellten Berechnungen erkennen mußte, als auch, ob die klagende Partei zumindest nach der Übernahme im Jahr 1977 erkennen hätte können, daß ein Mangel bestand. Wenn die klagende Partei von dem damals festgestellten Ausschwingen der Halle die beklagte Partei nicht verständigt haben sollte, oder gar ohne Zuziehung der beklagten Partei wahrheitswidrig die Versicherung abgegeben haben sollte, nach den Berechnungen des Statikers gehe alles in Ordnung, läge hierin eine erhebliche Verschuldenskomponente. Das von der beklagten Partei ins Treffen geführte Mitverschulden des Elektrodenwerkes S*** kann nicht neuerlich untersucht werden. Hier besteht eine Bindung an den Vorprozeß infolge der stattgefundenen Streitverkündigung (vgl dazu ausführlich Reischauer, ÖJZ 1979, 57). Die beklagte Partei hätte es als Nebenintervenient in der Hand gehabt, im Vorprozeß die geeigneten Einwendungen zu erheben. Jetzt kann sie hier nichts mehr nachholen. Auch der Umstand, daß keine Bauverhandlung stattfand und kein verantwortlicher Bauführer bestellt war, fällt unter diese Bindungswirkung, soweit daraus ein Mitverschulden des Elektrodenwerkes S*** abgeleitet wird.

Auf eine Verletzung der Warnpflicht nach § 1168 a ABGB hat sich die klagende Partei zwar nicht ausdrücklich und durch Verwendung dieses Rechtsbegriffs berufen; dem Vorbringen der klagenden Partei ist aber zu entnehmen, daß der Klagsanspruch auch darauf gestützt wird, daß die beklagte Partei die Pflicht zur Zusammenarbeit mit der klagenden Partei verletzt habe (Hinweis auf die langjährige Zusammenarbeit und das daraus entstandene gegenseitige Vertrauensverhältnis in Seite 65 des Aktes), daß die beklagte Partei die fehlenden Statikkenntnisse bei der klagenden Partei zu wenig berücksichtigt habe (S 65, 66 d.A), welche nicht in der Lage gewesen sei, die statischen Erfordernisse selbst zu beurteilen (S 76 d.A), was sich zwanglos sowohl auf die Beurteilung des Werkes der beklagten Partei als auch auf die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit des der beklagten Partei erteilten Auftrages erstrecken kann, und daß die beklagte Partei selbst bei der Erteilung des beschränkten Auftrages einen Hinweis auf die Nichtberechnung der Y-Achse geben hätte müssen (Vorbringen bei der Fragestellung S 257).

In diesem Zusammenhang ist auf das im Bauwesen typische Zusammenwirken von Bauherrn, bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten wie Statikern hinzuweisen. Neben der Hauptpflicht auf Erstellung eines bestimmten Werkes besteht immer die Nebenpflicht der Kooperation zwischen Werkbesteller und ausführendem Werkunternehmer mit gegenseitigen Aufklärungs- und Kontrollpflichten (dazu ausführlich Meinhart, Der Sachverständige 1984 Heft 4 a, 3 f). Die klagende Partei und die beklagte Partei waren daher wechselseitig verpflichtet, einander Klarheit über die Konstruktionsweise der zu erstellenden Halle zu verschaffen (8 Ob 553/82, teilweise wiedergegeben bei Meinhart aaO 33). Die klagende Partei mußte die Berechnungen der beklagten Partei einer Prüfung auf offenkundige Mängel unterziehen, soweit die eigenen branchenüblichen Fachkenntnisse dies zuließen. Die beklagte Partei wieder mußte berücksichtigen, ob die klagende Partei zu einer solchen Prüfung imstande sei, besonders, ob sie das Fehlen einer Berechnung der Statik der Längsachse und die daraus zu ziehenden Konsequenzen beurteilen konnte. Die klagende Partei mußte die ihr bei der Abnahme mitgeteilten Bedenken der beklagten Partei weiterleiten, deren Ratschläge einholen, und die beklagte Partei mußte auf Grund des ihr bekannten Umfanges der statischen Berechnungen von sich aus tätig werden, wenn sie auf andere Weise Kenntnis von den Konstruktionsmängeln erhalten hätte (Anhaltspunkte dafür, daß die beklagte Partei oder ihr Mitarbeiter im Zusammenhang mit einer Nachberechnung über die Konstruktionsweise informiert wurde).

Von entscheidender Bedeutung wird also sein, ob der beklagten Partei von der klagenden Partei ausdrücklich der Auftrag erteilt wurde, nur die X-Achse zu berechnen, weil man die Berechnung der Y-Achse aus festzustellenden Gründen nicht benötige, ob die beklagte Partei von den Vorkommnissen bei der Abnahme benachrichtigt wurde, ob die beklagte Partei in anderem Zusammenhang Kenntnis von der Konstruktion der Lagerhalle erlangt hat, und ob die klagende Partei wahrheitswidrig den Bauherrn mit Versicherungen der beklagten Partei vertröstet und beruhigt hat.

Die im Rekurs vertretene Ansicht, es sei in erster Instanz kein Nachweis über den geleisteten Ersatz erbracht worden, trifft zwar zu; aber die Aufnahme der dazu angebotenen Beweise stellt gerade einen der Aufhebungsgründe des Berufungsgerichtes dar. Das Erstgericht traf nur deshalb keine Feststellungen dazu, weil es von der Verjährung des Klagsanspruches ausging. Ob die Parteienvernehmung als Beweismittel ausreicht, ist eine in dritter Instanz nicht zu erörternde Beweisfrage.

Richtig ist, daß in der Regel nicht nur aufgelaufene Zinsen (siehe die obigen Ausführungen zum Rekurs der klagenden Partei), sondern auch entstandene Prozeßkosten keinen Gegenstand des Regresses bilden (neben der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung EvBl 1975/44 auch ZVR 1976/237, SZ 51/105, SZ 54/119, SZ 56/185).

Die dazu geäußerten Gegenansichten (Koziol Haftpflichtrecht2 I 305, 306; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1313; Huber, ZVR 1986, 33) sind nur insoweit beachtlich, als es beim Vorliegen eines besonderen Verhältnisses auch zum Rückersatz solcher Kosten (ähnlich wie dies oben bei den Zinsen dargestellt wurde) kommen kann. Wenn etwa ein besonderer Freistellungsanspruch besteht, wie bei Versicherungsverhältnissen (JBl 1978, 483: Zuspruch von Regulierungskosten), wenn Bürge und Hauptschuldner Sondervereinbarungen getroffen haben (SZ 49/121), oder wenn eine besondere gesetzliche Regelung wie nach § 3 Abs 2 DHG besteht, dann sind auch aufgelaufene eigene oder fremde Prozeßkosten Gegenstand des Rückersatzes. Allenfalls kann an einen Rückersatz von Prozeßkosten auch dann gedacht werden, wenn die Prozeßführung des Regreßberechtigten im Sinne des § 1037 ABGB zum klaren überwiegenden Vorteil des Regreßpflichtigen diente (was zB Koziol für bestimmte Fälle der Prozeßführung eines von mehreren Solidarschuldnern annimmt). Regreßfälle der vorliegenden Art sind aber auch nicht damit vergleichbar, daß durch die Handlung des Schädigers Prozeßkosten unmittelbar und als typische Folge entstehen (JBl 1978, 32: Prozeßkosten, die ein Scheinvertreter verursacht hat, JBl 1970, 573: Kosten der Bestreitungsklage, die der Ehebrecher verursachte) oder die zur Abwehr eines Schadens gegen Dritte aufgewendet werden (SZ 34/34). Grundsätzlich betrifft nämlich die Prozeßführung nur das Verhältnis des Regreßberechtigten zum Dritten; der Regreßberechtigte führt den Prozeß im eigenen Interesse. Seine Kosten gehören daher nicht ohne weiteres zu dem vom wirklnchen Schädiger oder Mitschädiger verursachten Schaden. Irgendein besonderes Verhältnis der aufgezeigten Art wurde von der klagenden Partei bisher nicht vorgetragen. In diesem Punkt wird daher die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes vertretene Rechtsansicht nicht übernommen. Ob zusätzlich zum Leistungsbegehren noch ein Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei besteht, hängt davon ab, was die vom Berufungsgericht mit Recht aufgetragene Aufschlüsselung der bisher erbrachten Leistungen ergibt. Sollten noch Zahlungen zur Hauptsache ausstehen, bestünde das Feststellungsinteresse, weil die Verjährung unter Umständen - wie oben ausgeführt wurde - nicht erst mit der Zahlung, sondern schon mit der rechtskräftigen Feststellung der Ersatzpflicht der klagenden Partei zu laufen beginnen kann.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E14624

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00526.88.0713.000

Dokumentnummer

JJT_19880713_OGH0002_0030OB00526_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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