Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Herbert Bruna als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut P***, Angestellter, Hall in Tirol, Jägerstraße 16, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Maria K***, Geschäftsfrau, Mayrhofen, Sportplatzweg 314, vertreten durch Dr. Paul Ladurner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 97.125 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 3. Juli 1986, GZ 1 a Cg 10/86-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 7. Februar 1986, GZ 2 Cr 58/84-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es einschließlich des bestätigten Teils als Teilurteil zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 84.175 brutto samt 4 % Zinsen seit 27. Dezember 1983 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 12.950 brutto samt 4 % Zinsen seit 27. Dezember 1983 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen, wird abgewiesen."
Im übrigen, die Gegenforderung und die Kostenentscheidungen betreffenden Teil, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben; die Arbeitsrechtssache wird in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung über die Gegenforderung zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der Behauptung, sein Arbeitsverhältnis habe nach Einrechnung von Vordienstzeiten einvernehmlich durch Zeitablauf am 26. Dezember 1983 geendet, begehrt der Kläger S 84.175 brutto sA an Abfertigung und S 12.950 brutto sA an restlicher Urlaubsentschädigung.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe das auf sechs Monate zur Probe abgeschlossene Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Ihm stehe ein Abfertigungsanspruch im übrigen auch wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht zu. Der Kläger habe zugesichert, daß er nach Ablauf der Probezeit mindestens fünf Jahre im Betrieb tätig sein wolle. Nur aus diesem Grunde sei es zu einer Anrechnung von Vordienstzeiten gekommen. Keine der Parteien habe beabsichtigt, daß dem Kläger bei einem Ausscheiden während der Probezeit ein Abfertigungs- und Urlaubsanspruch unter Anrechnung der Vordienstzeiten gebühren sollte. Insoferne sei das Begehren des Klägers auch sittenwidrig. Da er die Abrechnung seiner Urlaubsansprüche ohne Berücksichtigung der Vordienstzeiten widerspruchslos zur Kenntnis genommen habe, habe er die Vereinbarung im Sinne des Beklagtenvorbringens anerkannt.
Überdies wandte die Beklagte Gegenforderungen von insgesamt S 202.705 aus Ersatzansprüchen ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Die Parteien schlossen am 14. Juni 1983 einen schriftlichen Dienstvertrag, der unter anderem lautet:
"1. Dienstbeginn des Herrn P*** am 1. Juli 1983 als Disponent im Transportbereich.
2. Aufgabenstellung im bekannten Rahmen eines Disponenten im Transportbetrieb. Eine Stellenbeschreibung wird in der Probezeit entwickelt.
3.
Gehalt während der Probezeit öS 17.000 netto.....
6.
Herrn P*** werden acht Jahre und elf Monate aus seiner früheren Tätigkeit auf Urlaubs- und Abfertigungsansprüche angerechnet.
7. Probezeit wird auf sechs Monate vereinbart. In der Probezeit kann das Dienstverhältnis von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen
a)
im Monat täglich
b)
bis zum dritten Monat wöchentlich zum Wochenende
c)
danach bis zum Ende der Probezeit monatlich zum Monatsletzten gekündigt werden. Danach treten die Kündigungsfristen des Kollektivvertrags in Kraft.
..........
10. Nach erfolgreich abgeschlossener Probezeit werden neue Vereinbarungen über die Gehaltszahlungen getroffen."
Die Anrechnung der Vordienstzeiten wurde über Wunsch des Klägers in die Vereinbarung aufgenommen. Es ist nicht feststellbar, daß die Anrechnung der Vordienstzeiten erst im Falle eines endgültigen Arbeitsvertrages nach Ablauf der Probezeit gelten sollte und nicht schon ab Dienstantritt des Klägers bei der Beklagten. Es ist weiters nicht feststellbar, daß bei Vertragsabschluß davon ausgegangen worden wäre, daß der Kläger nach Ablauf der Probezeit auf jeden Fall eine bestimmte Zeit bei der Beklagten tätig bleiben sollte. Dem Kläger war aber daran gelegen, sich bei der Beklagten eine Lebensstellung aufzubauen; er wollte das Arbeitsverhältnis bei positiven Erfahrungen in der Probezeit darüber hinaus fortsetzen. Er begann seine Tätigkeit für die Beklagte am 27. Juni 1983. Am 2. November 1983 kam es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich der Kläger zu den Vorwürfen der Beklagten dahin äußerte, daß er sich nach einer anderen Arbeit umsehen müsse; eine weitere Zusammenarbeit erscheine ihm nicht mehr sinnvoll. Die Beklagte erwiderte, wenn er es so meine, sei das gut. Nachdem der Kläger noch einige Tage mit seinem Nachfolger gearbeitet hatte, überreichte er der Beklagten am 28. November 1983 ein mit 25. November 1983 datiertes Schreiben folgenden Inhalts:
"Endigung des befristeten Dienstverhältnisses
..........
Ich teile Ihnen mit, daß ich das am 27.6.1983 zur Probe abgeschlossene Dienstverhältnis nicht mehr verlängern werde. Wir haben vertraglich eine Probezeit von sechs Monaten abgeschlossen, wobei dies jedoch arbeitsrechtlich nicht zulässig ist. Die über einen Monat hinausgehende Dienstzeit wird laut Auskunft der Kammer für Arbeiter und Angestellte als befristetes Dienstverhältnis angesehen. Dies beträgt in meinem Fall fünf Monate und endet mit 26.12.1983.
Ich bin nicht willens, das zur Probe abgeschlossene Dienstverhältnis zu verlängern."
Die Beklagte unterfertigte den Durchschlag dieses Schreibens am selben Tag mit dem Zusatz: "Gelesen und akzeptiert". Sie meldete den Kläger mit 26. Dezember 1983 bei der Tiroler Gebietskrankenkasse ab und erstellte eine Endabrechnung. Ausgehend von einem monatlichen Bruttoentgelt von S 24.050 erhielt der Kläger bei Ende des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabfindung von S 13.225 brutto. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die schriftlich vereinbarte Probezeit in Auslegung des Parteiwillens dahin zu verstehen sei, daß die Parteien im Anschluß an die gesetzlich auf einen Monat beschränkte Probezeit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen hätten. Dieses Arbeitsverhältnis habe der Kläger mit seinem Schreiben vom 25. November 1983 selbst gekündigt, so daß er keinen Anspruch auf Abfertigung habe. Die ihm zustehende Urlaubsabfindung habe er schon erhalten. Feststellungen hinsichtlich der Gegenforderung seien entbehrlich.
Das Berufungsgericht verhandelte die Arbeitsrechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß zwischen den Parteien kein befristetes, sondern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beabsichtigt gewesen sei, welches der Kläger mit seinem Schreiben vom 25. November 1983 einseitig zur Auflösung gebracht habe. Auch wenn er hinsichtlich des Vorliegens eines befristeten Arbeitsverhältnisses einer rechtlichen Fehleinschätzung unterlegen sei, habe er eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er das Arbeitsverhältnis über den 26. Dezember 1983 hinaus nicht mehr fortsetzen wolle. Der von der Beklagten angebrachte Zusatz "Gelesen und akzeptiert" könne nicht im Sinne einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gedeutet werden, sondern sei dahin zu verstehen, daß die Beklagte den Inhalt des Schreibens des Klägers zur Kenntnis genommen habe.
Eine Absprache darüber, ob die Anrechnung der Vordienstzeiten auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Probezeit von sechs Monaten gelten sollte, sei nicht feststellbar. Zur Auslegung des Parteiwillens stehe nur der schriftliche Dienstvertrag zur Verfügung, aus dem sich keine solche Vereinbarung ergebe. Es sei nicht davon auszugehen, daß die Parteien eine Anrechnung so erheblicher Vordienstzeiten auch für den Fall gewollt hätten, daß das Arbeitsverhältnis während der Probezeit oder mit Ablauf der Probezeit ende. Nach Treu und Glauben seien die Abrechnungsvereinbarungen vielmehr im Lichte eines von den Parteien beabsichtigten, über diesen Zeitraum hinausreichenden Arbeitsverhältnisses zu sehen. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches auf Urlaubsentschädigung fehle es auch an der Erfüllung der Wartezeit des § 2 Abs 2 UrlG.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zum Teil berechtigt.
Gemäß § 19 Abs 2 AngG kann ein Arbeitsverhältnis auf Probe nur für die Höchstdauer eines Monats vereinbart und während dieser Zeit von jedem Vertragsteil jederzeit aufgelöst werden. Ob bei insoweit teilnichtiger Vereinbarung einer mehr als einmonatigen Probezeit ab dem Beginn des zweiten Monats (insgesamt gesehen) ein befristetes Arbeitsverhältnis oder aber ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist, hängt allein vom Willen der Parteien ab (Arb. 9.765 mwH = SZ 52/21). Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, kann es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers im vorliegenden Fall keinem Zweifel unterliegen, daß zwischen den Parteien schon bei Abschluß des schriftlichen Arbeitsvertrages Einigkeit darüber bestand, daß das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Ablauf der Probezeit enden, sondern darüber hinaus fortgesetzt werden sollte. Dies ergibt sich nicht nur daraus, daß zwar der Beginn der Tätigkeit mit 1. Juli 1983 festgelegt, aber kein Ende des Arbeitsverhältnisses in Aussicht genommen wurde (vgl. Arb. 10.094), sondern unter anderem auch aus den Regelungen, daß während der Probezeit eine Stellenbeschreibung entwickelt werden sollte, daß ferner erhebliche Vordienstzeiten angerechnet wurden, daß für die Zeit nach der Probezeit die Kündigungsfristen des Kollektivvertrags gelten und daß schließlich nach Ablauf der Probezeit neue Vereinbarungen über die Gehaltszahlungen getroffen werden sollten (vgl. Arb. 10.184 = JBl 1983, 389). Insoweit ist die über einen Monat hinausreichende und dem Arbeitsverhältnis eingebundene Probezeit nur ein Motiv des Vertragsabschlusses, durch das sich an der beabsichtigten zeitlich unbegrenzten Dauer des Arbeitsverhältnisses nichts änderte (vgl. Floretta, DRdA 1980, 312 ff).
Den Vorinstanzen kann aber darin nicht beigepflichtet werden, daß der Kläger mit seinem Schreiben vom 25. November 1983 dieses unbefristete Arbeitsverhältnis selbst aufgekündigt habe. Eine Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, welche auf die künftige Beendigung eines auf unbestimmte Dauer eingegangenen Arbeitsverhältnisses gerichtet ist (Arb. 9.142 mwH). Von einer solchen Willenserklärung ist im Schreiben des Klägers vom 25. November 1983 keine Rede. Der Kläger bringt darin lediglich die (rechtlich unzutreffende) Wissenserklärung zum Ausdruck, daß sein befristetes Arbeitsverhältnis mit 26. Dezember 1983 ende und die Willenserklärung, daß er nicht willens sei, das zur Probe abgeschlossene Arbeitsverhältnis zu verlängern. Die Beklagte nahm dieses Schreiben nicht etwa bloß zur Kenntnis, wie die Vorinstanzen meinen, sondern unterfertigte den Durchschlag im Sinne ihrer vorhergegangenen mündlichen Erklärung mit dem Zusatz "Gelesen und akzeptiert". Damit waren aber beide Parteien gleichermaßen darüber einig, das an sich unbefristete Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen nicht mehr fortzusetzen, was einer einvernehmlichen Auflösung gleichkommt (vgl. Arb. 10.243 mwH). Diese einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses begründet daher den Anspruch des Klägers auf Abfertigung (vgl. Martinek-Schwarz AngG6 § 23 Erl. 40 mwH). Ein Vorbehalt, daß die vereinbarte Anrechnung von Vordienstzeiten während der ersten sechs Monate des unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht gelten sollte, ist weder dem schriftlichen Arbeitsvertrag zu entnehmen noch war feststellbar, daß die Anrechnung der Vordienstzeiten erst nach Ablauf der "Probezeit" gelten sollte und nicht schon ab dem Dienstantritt des Klägers bei der Beklagten. Es steht nicht einmal fest, daß die Parteien bei Vertragsabschluß davon ausgegangen wären, daß der Kläger jedenfalls auch nach Ablauf der "Probezeit" für die Beklagte arbeiten sollte. Die im Ergebnis vertragsberichtigende Auslegung des Berufungsgerichtes läßt unberücksichtigt, daß die Parteien eine (echte) Probezeit von sechs Monaten nicht wirksam vereinbaren konnten und der Beklagten ohnehin ein das Entstehen eines Abfertigungsanspruches beeinflussender Gestaltungsspielraum zukam. Hätten die Parteien die Anrechnungsvereinbarung sohin erst nach Ablauf der "Probezeit" wirksam werden lassen wollen, hätten sie dies im Arbeitsvertrag eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Das auf die Erfüllung vereinbarter Ansprüche gerichtete Klagebegehren verstößt weder gegen Treu und Glauben noch ist es sittenwidrig. Die diesem Einwand zugrundeliegenden Behauptungen der Beklagten waren nicht erweislich. Der weitere Einwand eines Anerkenntnisses des Standpunktes der Beklagten durch den Kläger läßt die Rechtslage unberücksichtigt (vgl. Ertl in Rummel ABGB § 1380 Rz 6 f). Eine Urlaubsentschädigung steht dem Kläger allerdings nicht zu, da er durch seine Tätigkeit für die Beklagte die sechsmonatige Wartezeit des § 2 Abs 2 UrlG nicht erfüllte. Die ihm nach Maßgabe des § 10 UrlG gebührende Urlaubsabfindung hat er, wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, schon erhalten (vgl. Cerny Urlaubsrecht4 35). Es war daher über das Begehren des Klägers mit Teilurteil abzusprechen (Fasching ZPR Rz 1297 f).
Hinsichtlich der von der Beklagten eingewendeten Gegenforderungen fehlt es an jeglichen Feststellungen, so daß das nunmehrige Prozeßgericht erster Instanz im fortzusetzenden Verfahren vorerst den Sachverhalt zu klären und auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen über die Gegenforderungen zu entscheiden haben wird.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs 2 ZPO begründet.
Anmerkung
E14927European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00068.88.0713.000Dokumentnummer
JJT_19880713_OGH0002_009OBA00068_8800000_000