Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Herbert Bruna als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ilse B***, Hausbesorgerin, Wien 7., Zieglergasse 61/6, vertreten durch Dr. Donat Mossbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wilhelm D***, Hauswirt, Wien 3., Am Modenapark 10, vertreten durch Dr. Heinz Gerö, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 206.734,10 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Februar 1988, GZ 34 Ra 146/87-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9. September 1987, GZ 6 Cga 1031/86-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist seit dem Jahre 1971 Hausbesorgerin des Hauses Wien 7. Zieglergasse 61, das aus einem Vorder- und einem Hintertrakt besteht. Der Beklagte ist Eigentümer von 3.088/3.574 Anteilen der Liegenschaft.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von S 206.734,10 brutto sA. Ihr stehe Hausbesorgerentgelt für die Betreuung von Vorder- und Hintertrakt zuzüglich Liftpauschale zu; darüber hinaus schulde ihr der Beklagte zusätzliches Reinigungsgeld anläßlich der Herstellung einer neuen Steigleitung im Mai 1984, der Instandsetzung der Hoffassade im November 1985 sowie der Beendigung dieser Instandsetzungsarbeiten im August 1986, des Ausmalens beider Stiegenhäuser im Jänner und Februar 1987 und der Instandsetzung der gassenseitigen Fassade im Mai 1987. Für die seit 1. August 1983 verrichteten Hausbesorgerarbeiten gebühre der Klägerin insgesamt ein Bruttoentgelt von S 339.967,43, von dem die Zahlungen des Beklagten von S 133.233,41 in Abzug zu bringen seien.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin erhalte die Entgelte für das von ihr betreute Haus. Das zweite auf der Liegenschaft befindliche Haus betreue sie seit 1. Juli 1981 nicht mehr und erhalte dafür seit 5 Jahren kein Entgelt mehr; sie habe sich eines allfälligen Anspruches verschwiegen. Im Hinblick darauf, daß das zweite Haus seit 1981 nicht mehr genutzt werde, stehe der Klägerin auch rechtlich kein Entgelt zu. Weiters wandte der Beklagte ein, daß die Klage eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens 6 Cr 1003/83 des Arbeitsgerichtes Wien sei.
Das Erstgericht sprach mit "Zwischenurteil" aus, daß der Anspruch der Klägerin betreffend das Hausbesorgerentgelt für den Hintertrakt des Objektes Zieglergasse 61 von August 1983 bis Juli 1986 nicht zu Recht bestehe.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Mit schriftlichem Hausbesorgerdienstvertrag vom 2. Dezember 1971 wurde die Klägerin von der Firma C*** D*** als Hausbesorgerin für das Haus Wien 7. Zieglergasse 61 bestellt und ihr eine Dienstwohnung eingeräumt, die sie auch jetzt noch bewohnt. Das Ausmaß der zu betreuenden Flächen und das Entgelt sind im Vertrag nicht geregelt. Die Klägerin betreute den aus Wohnungen bestehenden Vordertrakt und den an die Firma P*** vermieteten Hintertrakt; sie erhielt Entgelt für beide Trakte. Im Jahre 1980 wurde der Beklagte Mehrheitseigentümer der Liegenschaft. Im September 1981 zog die Firma P*** aus dem Hintertrakt aus, der danach unbenützt blieb. Nur ein Raum für das Labor C*** wurde noch einige Zeit benützt; es wurde aber durch den Vordertrakt betreten. Der Beklagte ließ nach dem Auszug der Firma P*** den Hintertrakt versperren und wies die Hausverwaltung an, der Klägerin nur mehr das Entgelt für den Vordertrakt zu zahlen. Als ihr dies von einer Angestellten der Hausverwaltung mitgeteilt wurde, erklärte die Klägerin, da könne man halt nichts machen. Als ein neuer Hausverwalter bestellt wurde, brachte die Klägerin die Höhe ihres Entgeltes zur Sprache. Sie wurde auf die Berechnung nach Trakten verwiesen. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde sich erkundigen. Sie wandte sich hierauf an die Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst. Mit Schreiben vom 3. Juli 1982 wurde der Beklagte zur Zahlung von S 30.020,48 aufgefordert. Eine Entgeltschmälerung sei nicht möglich, weil sich die Berechnungsgrundlage nicht geändert habe; außerdem werde die Aufzugsbetreuung nicht bezahlt. Mit einer am 13. Jänner 1983 zu 6 Cr 1003/83 des Arbeitsgerichtes Wien erhobenen Klage machte die Klägerin sodann lediglich das Entgelt für Aufzugsbetreuung von März bis Dezember 1982 im Betrage von S 5.160,-- geltend. In der Tagsatzung vom 22. März 1983 wurde Ruhen des Verfahrens vereinbart. Das Verfahren wurde in der Folge nicht fortgesetzt. Der Hintertrakt ist erst seit November 1986 wieder vermietet. Vom Herbst 1981 bis zur neuerlichen Vermietung im Jahre 1986 öffnete die Klägerin im Hintertrakt fallweise Fenster, kehrte Wasser weg oder verständigte die Polizei, wenn ein Obdachloser dort hauste. Die in § 4 Hausbesorgergesetz aufgezählten Arbeiten hat sie bezüglich des Hintertraktes nicht mehr erbracht. Anfang 1982 verweigerte sie - dem Beklagten gegenüber - eine Mithilfe beim Wegkehren von Wasser nach einem Wasserrohrbruch ausdrücklich mit dem Hinweis, sie bekomme ja auch kein Entgelt dafür.
Eine ausdrückliche Vereinbarung über die von der Klägerin zu betreuende Nutzfläche und über das Entgelt bzw. dessen Änderung wurde nicht getroffen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin der Änderung des Ausmaßes der zu reinigenden Flächen und damit der Entgeltminderung schlüssig zugestimmt habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Feststellung des Bestandes der Klagsforderung auf Hausbesorgerentgelt für den Hintertrakt des Objektes Wien 7, Zieglergasse 61 von August 1983 bis Juli 1986 ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, der durch die Verknüpfung von Wohnung und Arbeit bedingte besondere Kündigungsschutz umfasse nicht nur einen Endigungsschutz, sondern auch einen Vertragsinhaltsschutz. Eine allfällige Zustimmung der Klägerin zur Verschlechterungsvereinbarung sei nach der Drucktheorie unwirksam. Eine Teilkündigung des Arbeitsvertrages sei unzulässig; eine das gesamte Arbeitsverhältnis zur Auflösung bringende Endigungskündigung habe der Beklagte jedoch nicht vorgenommen. Es habe nach wie vor zu den Aufgaben der Klägerin gehört, auch den Hintertrakt des Hauses als Hausbesorgerin zu betreuen. Ob die Klägerin seit Herbst 1981 im Hintertrakt nur fallweise Fenster geöffnet, Wasser weggekehrt und die Polizei verständigt habe, weil dort ein Obdachloser hauste, sei unerheblich. Das Entgelt des Hausbesorgers sei nämlich nach § 7 Abs 1 Hausbesorgergesetz objektiviert und vom tatsächlichen Ausmaß der Arbeitsleistung unabhängig. Der Klägerin stehe nach § 1155 ABGB für den klagsgegenständlichen Zeitraum ein ungeschmälerter Anspruch auf Hausbesorgerentgelt zu, weil sie durch Umstände, die ausschließlich in der Sphäre des Beklagten gelegen seien, daran gehindert worden sei, ihre volle Arbeitsleistung für den Hintertrakt des Hauses zu erbringen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor
Zu Recht wendet sich der Revisionswerber aber gegen die
rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.
Mit dem Hinweis auf die Ausnahmsbestimmung des § 1 Abs 2 lit b Hausbesorgergesetz macht der Revisionswerber eine unzulässige (§ 504 ZPO) und damit unbeachtliche Neuerung geltend; abgesehen davon ist diese Bestimmung nicht anwendbar, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Haus nur zum Teil gewerblichen Tätigkeiten dient (vgl. MietSlg. 24.503).
Zu Recht wendet sich der Revisionswerber aber gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, eine Vereinbarung über die Einschränkung des Umfanges der Arbeitsleistung der Klägerin und damit auch des hiefür zu leistenden Entgeltes sei nicht zustandegekommen und wäre auch unzulässig. Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, daß aus der Reaktion der Klägerin bei "da kann man halt nichts machen" keine Zustimmung zur mitgeteilten Entgeltkürzung erschlossen werden kann; berücksichtigt man aber das weitere Verhalten der Klägerin, dann mußte der Beklagte gemäß § 863 ABGB annehmen, daß die Klägerin der der Einschränkung ihres Arbeitsumfanges entsprechenden Entgeltminderung zustimmte. Die Klägerin hat zwar in der Folge das Entgelt für den Hintertrakt und die Liftbetreuung mit Schreiben vom 3. Juli 1982 eingemahnt, aber nur das letztgenannte Entgelt dann eingeklagt und dieses Verfahren nach Eintritt des Ruhens am 22. März 1983 nicht mehr fortgesetzt. Bis zur Einbringung der gegenständlichen Klage am 31. Juli 1986 hat sie den versperrten und nicht vermieteten Hintertrakt des Hauses nicht mehr im nennenswerten Umfang betreut, Hausbesorgerarbeiten nicht durchgeführt und die Entgeltkürzung hingenommen. Zieht man in Betracht, daß die Klägerin ihre Ansprüche unter Hinweis auf ihren Rechtsstandpunkt, eine Entgeltschmälerung sei nicht möglich, geltend gemacht hatte, solche Ansprüche dann aber durch mehr als 3 Jahre nicht weiter verfolgte, und auch eine dem reduzierten Entgelt entsprechende eingeschränkte Arbeitsleistung erbrachte, dann durfte der Beklagte gemäß § 863 ABGB davon ausgehen, daß die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt nicht mehr aufrecht erhielt und der nicht gegen zwingende Entgeltvorschriften verstoßenden Honorierung nach dem Ausmaß des von ihr tatsächlich zu betreuenden Objektes zustimmte. Der vom Berfungsgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 9 Ob A 58/87 ist lediglich zu entnehmen, daß eine einseitige Vertragsänderung durch Einschränkung von Arbeitsleistung und Entgelt unzulässig ist, nicht aber, daß eine derartige Vertragsänderung im Wege einer Vereinbarung unwirksam wäre (vgl. DRdA 1984, 352 mit im wesentlichen zustimmender Besprechung von Eypeltauer). Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin nur aus den Gründen des § 18 Abs 6 Hausbesorgergesetz aufgelöst werden kann, so daß eine Änderungskündigung allein wegen Einschränkung der zu betreuenden Flächen nicht möglich ist, läßt sich daraus, daß vom Beklagten eine derartige Kündigung nicht ausgesprochen wurde, kein Argument gegen die Zulässigkeit einer einvernehmlichen Vertragsänderung gewinnen. Der besondere Kündigungsschutz des Hausbesorgers, dem eine Dienstwohnung zusteht, verschafft ihm eine Position, in der er nicht genötigt ist, den Vorschlag des Arbeitgebers nur deshalb anzunehmen, um nicht den Verlust des Arbeitsplatzes zu riskieren. Da damit die sonst das Arbeitsverhältnis prägende Übermacht des Arbeitgebers als Partners des Arbeitsvertrages hier nicht entsprechend zum Tragen kommt, ist die an sich erlaubte Vereinbarung weder unter dem Gesichtspunkt des § 870 ABGB (vgl. Eypeltauer aaO 357) noch unter dem des § 879 Abs 1 ABGB (vgl. Krejci in Rummel ABGB Rz 12 und 13 zu § 879) unwirksam.
Da die Klägerin ein Verhalten gesetzt hat, das mit Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) nur den Schluß zuließ, sie sei mit der Vertragsänderung letztlich einverstanden und da die auf diese Weise zustandegekommene Änderungsvereinbarung nicht unzulässig ist, erweist sich der Anspruch der Klägerin auf Hausbesorgerentgelt für den Hintertrakt des gegenständlichen Objektes - bis zur Neuvermietung des Objektes - als unberechtigt. Da ein negatives Zwischenurteil nicht zulässig ist (vgl. Fasching ZPR Rz 1427), eine Abweisung mit Teilurteil mangels entsprechender Aufschlüsselung des begehrten Entgeltes (Vorder- und Hintertrakt) nicht möglich ist und es dazu einer Erörterung in erster Instanz bedarf, ist die Sache noch nicht spruchreif.
Der Revision war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E14928European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00139.88.0713.000Dokumentnummer
JJT_19880713_OGH0002_009OBA00139_8800000_000