Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei August B***, Pensionist, geboren am 5.Februar 1916 in Steinakirchen am Forst, 3100 St.Pölten, Khittelstraße 11, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Elfriede B***, geboren am 25.Oktober 1932 in Krems a. d.Donau, 3300 Amstetten, Igo-Etrich-Straße 10 b, vertreten durch Dr. Peter Panovsky, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.März 1988, GZ 14 R 30/88-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 7.November 1987, GZ 3 Cg 185/87-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.397,35 (einschließlich S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen am 14.8.1980 vor dem Standesamt St. Pölten die beiderseits zweite Ehe. Dieser Ehe entstammen keine Kinder. Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger und hatten ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt in St.Pölten.
Der Kläger begehrt die Scheidung dieser Ehe aus dem Verschulden der Beklagten mit der Begründung, diese verhalte sich ihm gegenüber seit geraumer Zeit lieblos und zeige keinen Ehewillen mehr. Sie sei stets zornig und aggressiv. Sie habe wiederholt Gegenstände nach ihm geworfen (Kofferschreibmaschine, schmiedeeiserner Luster, verschiedene Häferln), habe ihn beschimpft und gedroht, ein Glas auf ihn zu werfen. Am 6.7.1985 habe die Beklagte den Kläger böswillig verlassen. Am 25.8.1985 habe sie versucht, ihn auf offener Straße zu schlagen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Für den Fall der Ehescheidung begehrte sie den Ausspruch überwiegenden Verschuldens des Klägers mit der Begründung, dieser habe sie beschimpft und bedroht sowie wiederholt aufgefordert, die eheliche Wohnung zu verlassen. Der Kläger unterhalte auch Beziehungen zu einer anderen Frau.
Das Erstgericht schied auch im zweiten Rechtsgang die Ehe der Streitteile aus beiderseitigem Verschulden. Es stellte hiezu folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger bezieht Pensionen von monatlich S 10.552,- plus S 1.451,-. Davon hat er seiner ersten Frau Unterhalt von monatlich S 4.800,- zu leisten. Die Beklagte verdiente monatlich rund S 6.000,- und gab dem Kläger davon für die Haushaltsführung vereinbarungsgemäß S 3.000,- (Darstellung des Klägers) oder S 4.000,- (Darstellung der Beklagten). Der Kläger trug sämtliche Aufwendungen für den gemeinsamen Haushalt, der er führte, und bezahlte auch den Mietzins für die Wohnung (einschließlich Heizkosten S 3.000,- bis S 5.000,- monatlich) sowie die für die Wohnung anfallenden Betriebskosten. Wegen des Geldes kam es zwischen den Streitteilen wiederholt zu Auseinandersetzungen, wobei der Kläger von der Beklagten mehr Wirtschaftsgeld verlangte und ihr vorhielt, sie habe keine Ahnung, wieviel alles koste. Nachdem der Kläger die Beklagte anfangs mit dem PKW zu ihrem Arbeitsplatz gebracht hatte, verlangte er eines Tages von ihr hiefür Benzingeld und stellte die Fahrten ein, als sie derartige Zahlungen verweigerte. Im Sommer 1983 sollte die Beklagte vereinbarungsgemäß für die bei einer Urlaubsfahrt anfallenden Benzinkosten aufkommen. Als die Beklagte bei der Heimfahrt in Bad Schallerbach sich weigerte, eine weitere Benzinrechnung zu bezahlen, weil der Tankinhalt ohnedies noch für die Heimfahrt ausreiche, ließ sie der Kläger aussteigen und fuhr allein heim. Es kam auch vor, daß der Kläger der Beklagten das Fernsehgerät abschaltete und das Kabel der Nähmaschine aus dem Stromstecker riß, weil er der Meinung war, die Beklagte verbrauche im Vergleich zu ihrem Haushaltsbeitrag zuviel Strom. Ab Mai 1985 zahlte die Beklagte auf Grund einer Vereinbarung mit der Vermieterin der Wohnung den halben Mietzins, dem Kläger bezahlte sie die halben Betriebskosten, gab ihm jedoch kein Kostgeld mehr. In der Folge machte der Kläger den Gasherd betriebsunfähig, so daß seine Frau nicht mehr kochen konnte. Dies tat dann ihrerseits auch die Beklagte einmal, stellte aber kurz darauf die Funktionstüchtigkeit des Herdes wieder her.
Im Zuge der Streitigkeiten kam es wiederholt zu gegenseitigen Beschimpfungen. Der Kläger bezeichnete die Beklagte als Hure, womit er darauf Bezug nahm, daß der erste Gatte der Beklagten im seinerzeitigen Scheidungsprozeß behauptet hatte, sie habe ihn mehrmals betrogen. Ferner sagte er zu ihr, es möge sie der Krebs auffressen. Die Beklagte wiederum nannte den Kläger einen alten Hund, warf vor Weihnachten 1981 eine Kofferschreibmaschine gegen seine Füße und rieb anfangs 1982 mit einem Häfen, welches mit kochendem Wasser gefüllt war, gegen den Kläger auf. Als die Beklagte im Dezember 1983 von einer Weihnachtsfeier später als angekündigt heimkam und überdies leicht alkoholisiert war, beschimpfte sie der Kläge als besoffene Sau und riß sie an den Haaren. Es kann aber nicht festgestellt werden, daß der Kläger die Beklagte mehrmals an den Haaren gerissen und niedergestoßen hätte. Im Zuge einer weiteren Auseinandersetzung trat die Beklagte dem Kläger mit dem Fuß in den Geschlechtsteil.
Die Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen fanden in Abständen von einer Woche statt und nahmen gegen Ende der häuslichen Gemeinschaft an Häufigkeit und Intensität zu. In dieser Zeit weckte der Kläger die Beklagte in der Nacht wegen ihres Schnarchens und bezeichnete sie als schnarcherte Sau.
Am 6.7.1985 verließ die Beklagte die eheliche Wohnung und zog zunächst in eine Wohnung in der Maximilian Straße in St.Pölten. Nachdem sie im August 1985 gesehen hatte, daß der Kläger mit seinem PKW Frau Maria P*** führte, die ihm damals die Reinigung der ehelichen Wohnung besorgt hatte, stellte sie ihn wegen dieser Beobachtung zur Rede, warf ihm vor, daß er sie betrüge, nannte ihn einen alten Hund und schlug durch das geöffnete Wagenfenster nach ihm, ohne ihn zu treffen.
Es kann nicht festgestellt werden, daß das Verhalten des einen Ehegatten immer nur Reaktion auf das des anderen gewesen wäre. Die Ehe der Streitteile zerbrach vor allem am mangelnden gegenseitigen Verständnis.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Zerrüttung der Ehe auf das Verschulden beider Ehegatten in gleicher Weise zurückzuführen sei.
Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis unbedenklicher Beweiswürdigung, billigte die Verschuldensteilung und bestätigte daher das Urteil des Erstgerichtes.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen werde; hilfsweise wird begehrt, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen.
Der Kläger begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin geht selbst davon aus, daß letztlich ein Mangel an Verständnis, d.h. ein Mangel an ehelicher Gesinnung oder ein Mangel an Liebe, zur Zerrüttung der Ehe führte. Das Ausmaß dieser Einstellung könne aber nur nach der Erscheiungsform der festgestellten Beleidigungen und Tätlichkeiten beurteilt werden. Da aber - wie selbst das Berufungsgericht richtig ausgeführt habe - , die beleidigenden Äußerungen des Klägers schwerwiegender seien, müsse auch dessen überwiegendes Verschulden an der Zerrüttung der Ehe festgestellt werden.
Dieser Argumentation der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß die festgestellten beleidigenden Äußerungen des Klägers häufiger und derber waren als diejenigen der Beklagten, doch fallen dieser wiederum schwerwiegende Tätlichkeiten gegen den Kläger zur Last. Aus dem Verhalten beider ergibt sich aber - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten - mangelndes Einfühlungsvermögen und mangelnde Bereitschaft, dem Ehepartner entgegenzukommen, was eben schließlich zur Zerstörung der ehelichen Gemeinschaft führte. Das überwiegende Verschulden eines der Streitteile wäre nur dann anzunehmen und auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervorträte (EFSlg 20.503 u.a.), also das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund träte (8 Ob 636/87 u.v.a.). Da der Gesetzgeber im Falle der Scheidung wegen Verschuldens nur das Alleinverschulden eines Ehegatten, das überwiegende Verschulden eines von ihnen oder gleichteiliges Verschulden kennt, folgt daraus, daß hinsichtlich des Verschuldensausmaßes nicht subtile Erwägungen anzustellen sind. Nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teiles soll im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen (5 Ob 565/87), sodaß auch annähernd gleiches Verschulden zum Ausspruch gleichteiligen Verschuldens führen muß (7 Ob 531/88).
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E15054European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00599.88.0714.000Dokumentnummer
JJT_19880714_OGH0002_0080OB00599_8800000_000