TE OGH 1988/7/14 7Ob613/88

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Veröffentlicht am 14.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers und Gegners der gefährdeten Partei Heinz S***, Angestellter, Wolfurt, Rauhholzstraße 8 a, vertreten durch Dr. Ingobert Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die Antragsgegnerin und gefährdete Partei Monika S***, geborene P***, Angestellte, Bregenz, Sonnenstraße 11, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen einstweiliger Verfügung infolge Revisionsrekurses des Antragstellers und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 28. April 1988, GZ 1 a R 198/88-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 7. März 1988, GZ F 18/87-16, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit S 7.779,75 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 707,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde am 25. März 1987 geschieden. Der Ehe entstammen die beiden mj. Kinder Constanze, geboren am 7. Juli 1975 und Isabell, geboren am 24. Mai 1976. Die geschiedenen Ehegatten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 1346 KG Rieden mit dem Grundstück 1050/15. Die Liegenschaft wurde während der Ehe erworben. Mit Hilfe von mehreren Darlehen wurde darauf ein Wohnhaus errichtet, das als Ehewohnung diente. Im Aufteilungsverfahren strebt die Antragsgegnerin und gefährdete Partei (im folgenden nur Antragsgegnerin) die Regelung an, daß die dem Antragsteller und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden nur Antragsteller) gehörende Hälfte der Liegenschaft ohne Ausgleichszahlung in ihr Eigentum übertragen werde. Sie übernehme mit Stichtag 1. Dezember 1987 die Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Hypothekargläubigern. Bis zu diesem Stichtag habe der Antragsteller die Tilgungsraten zu bezahlen. Zur Sicherung ihres Anspruchs auf die Ehewohnung begehrt sie die einstweilige Verfügung, 1.) dem Antragsteller aufzutragen, den in Exekution gezogenen Betrag von S 100.000,-- der H*** DES L*** V*** zu bezahlen

und alles vorzukehren, daß das Zwangsversteigerungsverfahren zu 9 E 29/87 des Erstgerichtes bis längstens 29. Februar 1988 eingestellt werde und 2.) dem Antragsteller aufzutragen, sämtliche rückständigen Annuitäten bis einschließlich 30. November 1987 bei der H*** DES L*** V***, bei der B***

G*** DER F*** W*** registrierte Genossenschaft mbH, bei der R*** GesmbH und beim L***

DES L*** V*** zu bezahlen bzw. sämtliche Vorkehrungen zu treffen, daß kein Exekutions- bzw. Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet werde. Der Antragsteller habe bewußt die Annuitätszahlungen an sämtliche Hypothekargläubiger eingestellt, um die Versteigerung der Liegenschaft herbeizuführen. Es drohe der Verlust des Hauses durch die bereits eingeleitete Zwangsversteigerung der Liegenschaft.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Nach seinen Feststellungen haften auf der Liegenschaft Pfandrechte zugunsten der R*** GesmbH, der

B*** G*** DER F*** W***, des L***

V*** und der H*** DES L*** V*** mit einem Gesamtbetrag von S 2,494.000,--. Die Pfandrechte dienen der Sicherstellung von Darlehen für die Errichtung des Wohnhauses. Die Antragsgegnerin ist bei sämtlichen Darlehen Mitschuldnerin bzw. Bürgin. Die H*** DES L*** V*** hat einen Exekutionstitel über S 100.000,-- gegen den Antragsteller erwirkt. Am 12. Oktober 1987 wurde die Zwangsversteigerung des Hälfteanteiles des Antragstellers bewilligt. Am 26. Jänner 1988 richtete der Rechtsvertreter des Antragstellers an die B*** G*** DER F*** W*** ein Schreiben, in dem es unter anderem heißt:

"Da die geschiedene Gattin meines Mandanten trotz des inzwischen eingeleiteten gerichtlichen Vermögensauseinandersetzungsverfahrens weder bereit ist, in die freiwillige Veräußerung der Liegenschaft einzuwilligen noch meinem Mandanten den halben Verkehrswert auszubezahlen, hat sich mein Mandant entschlossen, die zwangsweise Versteigerung der Liegenschaft dadurch herbeizuführen, indem er selbst bewußt die Annuitätenzahlungen an sämtliche Hypothekargläubiger zur Einstellung gebracht hat."

Nach der Auffassung des Erstgerichtes erfordere auch eine einstweilige Sicherstellung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse eine besondere Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 EO. Maßgeblich für das Vorliegen einer Gefährdung sei, ob die Wahrscheinlichkeit bestehe, daß ohne die einstweilige Verfügung die Befriedigung des Anspruches erheblich erschwert würde. Dies sei etwa dann der Fall, wenn ein Verhalten des Antragsgegners bescheinigt werde, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit Vereitelungshandlungen unwiederbringlicher Art hinsichtlich der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse abgeleitet werden könnten. Da sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin für die Darlehensschulden hafteten, sei eine Gefährdung zu verneinen. Der Antragsteller habe zwar durch bewußte Zahlungseinstellung die Zwangsversteigerung herbeigeführt, der Antragsgegnerin wäre es jedoch als Mitschuldnerin freigestanden, die fälligen Annuitäten selbst zu bezahlen.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, Voraussetzung für die begehrte Verfügung sei die Bescheinigung des Aufteilungsanspruches und der Gefährdung. Im vorliegenden Fall hätten beide Parteien einen Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, zu dem auch die Liegenschaft mit dem Haus gehöre. Die monatlichen Rückzahlungsraten für das Haus von insgesamt rund S 17.000,-- seien nach der bisherigen einvernehmlichen Lebensgestaltung der Parteien vom Antragsteller getragen worden. Auch nach der Auflösung der Ehe seien beide Parteien verpflichtet, die während der Ehe zur gemeinsamen Lebensführung vereinigten Lebensbereiche in fairer und billiger Weise zu lösen. Die Einstellung der Zahlungen durch den Antragsteller widerspreche diesen Grundsätzen. Hinsichtlich der dem Antragsteller gehörenden Liegenschaftshälfte werde bereits Exekution geführt, ein weiterer Antrag auf Zwangsversteigerung der Gesamtliegenschaft seitens der B*** G*** DER F*** W*** stehe bevor. Es

bestehe die Gefahr, daß im Falle einer Zwangsversteigerung der gesamten Liegenschaft nicht annähernd der mit S 3,855.000,-- ermittelte Wert erzielt und dadurch die Aufteilungsmasse in erheblichem Ausmaß geschmälert werde. Zur Abwendung der Gefahr der Verminderung der Aufteilungsmasse sei die begehrte Verfügung ein geeignetes Mittel. Der Auffassung des Erstgerichtes, der Antragsgegnerin sei es freigestanden, die Zahlungen selbst zu leisten, stehe entgegen, daß nach der maßgeblichen bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse der Antragsteller die monatlichen Rückzahlungen für die Darlehen geleistet habe. Die Anträge der Antragsgegnerin seien jedoch mangelhaft. Die begehrte Leistung müsse nach Art und Umfang so genau bezeichnet sein, daß keine Ungewißheit darüber bestehen und die Exekution bewilligt werden könne. Ein unbestimmtes Verbot bzw. Gebot dürfe nicht erlassen werden. Das von der Antragsgegnerin in Punkt 1.) ihres Antrages umschriebene Begehren auf Zahlung von S 100.000,-- erfasse nach der Äußerung des Antragstellers nicht die gesamte offene Forderung gegenüber der H*** DES L*** V***. Das weitere Begehren zu

Punkt 1.) und das zu Punkt 2.) gestellte Begehren seien zu unbestimmt und nicht vollstreckbar. Insoweit werde es dem Erstgericht obliegen, die Antragsgegnerin zunächst zu einer Verbesserung ihrer Anträge anzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist berechtigt.

Der Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es nicht, die Erfüllung zu erzwingen, sondern die Vereitelung der Durchsetzung des Anspruches zu verhindern oder die gefährdete Partei gegen eine Veränderung des gegenwärtigen Zustandes zu schützen (Walker, Österreichisches Exekutionsrecht 369). Demgemäß erfordert die einstweilige Verfügung ein besonderes Rechtsschutzinteresse (ein Sicherungsbedürfnis), das in der Gefährdung besteht (Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht 224 und 238; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht 293 f). Auch einstweilige Verfügungen zur Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß § 382 Z 8 lit. c EO können, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, nur erlassen werden, wenn eine konkrete Gefährdung behauptet und bescheinigt wird (MietSlg. 33.771; EFSlg. 34.718, 32.308; 6 Ob 532/88; 3 Ob 503, 504/87; 1 Ob 724/82; 4 Ob 539/82). Maßgeblich für das Vorliegen einer Gefährdung ist, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, daß ohne die einstweilige Verfügung die Befriedigung des Anspruches vereitelt oder erheblich erschwert würde (§ 381 Z 1 EO). Fällt eine Liegenschaft mit einem Haus, in dem sich die Ehewohnung befand, in die Aufteilungsmasse, muß die Einstellung der Zahlungen der Tilgungsraten für die zur Errichtung des Hauses aufgenommenen und auf der Liegenschaft sichergestellten Darlehen durch einen der geschiedenen Ehegatten noch keine Gefährdung des Aufteilungsanspruches des anderen bedeuten. Sind beide Ehegatten Solidarschuldner der Darlehensschuld und ist der andere geschiedene Ehegatte auch in der Lage, die Tilgungsraten selbst zu leisten, kann keine Rede davon sein, daß ohne die einstweilige Verfügung die Verwirklichung seines Anspruches vereitelt oder erheblich erschwert würde. Er kann durch Erfüllung seiner Rechtspflicht zur Zahlung der Tilgungsraten eine drohende Zwangsversteigerung auch ohne gerichtliche Verfügung selbst abwehren. Es besteht in diesem Fall kein Sicherungsbedürfnis.

Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin lediglich die Zahlungseinstellung durch den Antragsteller und die daraus resultierende Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens behauptet. Sie hat andererseits selbst die Übernahme sämtlicher Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Hypothekargläubigern mit Stichtag 1. Dezember 1987 gegen Übertragung der Liegenschaftshälfte des Antragstellers angeboten und damit zum Ausdruck gebracht, daß sie in der Lage ist, die Rückzahlungsraten aufzubringen. Daß sie zur Aufbringung der Tilgungsraten vor dem bezeichneten Stichtag nicht in der Lage gewesen wäre, wurde nicht einmal behauptet. Fest steht, daß die Antragsgegnerin als Mitschuldnerin bzw. Bürgin für die gesamten Darlehensschulden auch haftet. Bei dieser Sachlage kann eine Bescheinigung der Anspruchsgefährdung nicht angenommen werden, weil die dargelegten Umstände eher dafür sprechen, daß die Antragsgegnerin selbst in der Lage gewesen wäre, durch Erfüllung ihrer Rechtspflicht gegenüber den Darlehensgläubigern eine drohende Zwangsversteigerung abzuwehren. Die mangelnde Bescheinigung der Gefährdung kann auch bei einem nicht in Geld bestehenden Anspruch nicht durch Sicherheitsleistung ersetzt werden und steht der Erlassung der einstweiligen Verfügung entgegen (SZ 42/135; 1 Ob 724/82 ua).

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402 und 78 EO und auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14700

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00613.88.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19880714_OGH0002_0070OB00613_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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