TE OGH 1988/7/14 8Ob510/88

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Veröffentlicht am 14.07.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes HonProf Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz V***, Installateur, 2013 Göllersdorf, Schönbornerstraße 186, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hannelore V***, Angestellte, 2011 Sierndorf, Wienerstraße 46, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen S 420.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Oktober 1987, GZ 11 R 110/87-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 16. Februar 1987, GZ 16 Cg 26/86-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird eine neue Entscheidung aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt den Zuspruch von S 420.000,-- s.A. mit der Begründung, die Beklagte habe sich außerhalb des am 19.12.1984 anläßlich eines Ehescheidungsverfahrens abgeschlossenen Vergleiches und unabhängig von diesem zur Zahlung dieses Betrages als Beitrag für das vom Kläger (laut diesem Vergleich) für die Beklagte zu errichtende Einfamilienhaus verpflichtet.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Behauptung, daß die am Morgen des 19.12.1984 (Tag der Scheidungsverhandlung) zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch die in Punkt 15. des Scheidungsvergleiches enthaltene Generalklausel aufgehoben worden sei. Überdies habe der Kläger die Beklagte, die sich damals in einem schlechten Gesundheitszustand befunden habe, am Morgen des genannten Tages unter Ausnützung ihrer Gemütsaufregung dazu gebracht,die für sie nachteilige und dem bereits vorher besprochenen und dann tatsächlich abgeschlossenen Vergleich widersprechende Verpflichtungserklärung abzugeben. Diese der Klage zu Grunde liegende Vereinbarung sei daher gemäß den §§ 869, 870 und 879 Abs 2 Z 4 ABGB nichtig. Für den Fall, daß der Klage dennoch stattgegeben würde, wandte die Beklagte eine Gegenforderung von S 497.431,57 bis zur Höhe der eingeklagten Forderung aufrechnungsweise mit der Begründung ein, der Kläger habe seine Verpflichtung zur Errichtung des Einfamilienhauses nur unvollständig und mangelhaft erfüllt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Eineinhalb Wochen vor der für den 19.12.1984 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in der Ehescheidungssache der Streitteile hatten sich diese über die Regelung betreffend Unterhalt und Vermögensteilung im Falle der Scheidung geeinigt und das Ergebnis ihren Anwälten mitgeteilt. Tatsächlich wurde in der genannten Tagsatzung ein 15 Punkte umfassender Vergleich entsprechend dieser Vereinbarung abgeschlossen. Punkt 15 enthält eine Generalklausel, wonach mit Abschluß dieses Vertrages sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen zwischen den Streitteilen bereinigt und verglichen seien. Eine Gegenleistung von S 420.000,-- durch die Beklagte für die Errichtung des Einfamilienhauses laut Punkt 10 des Vergleiches durch den Kläger ist darin - entsprechend der den Anwälten mitgeteilten Willenseinigung der Parteien - nicht enthalten. Am Morgen des 19.12.1984 kam der Kläger zur Beklagten, die sich damals in einem so schlechten physischen und psychischen Gesundheitszustand befand, daß sie alles geschrieben und unterschrieben hätte, um ein Ende des Scheidungsverfahrens herbeizuführen, und diktierte ihr eine Verpflichtungserklärung folgenden Inhaltes: "1984 12 19 Ich erkläre mich bereit, im Zuge der Bauarbeiten für das Einfamilienhaus in Sierndorf S 420.000,- (i.W. vierhundertzwanzigtausend) an Franz V*** auszuhändigen." Diese Urkunde wurde sodann von beiden Streitteilen unterschrieben. Nach der Scheidungsverhandlung übergab die Beklagte diese Urkunde, die während der Verhandlung vom Beklagtenvertreter in einem verschlossenen Briefumschlag ohne Kenntnis des Inhaltes verwahrt worden war, zusammen mit anderen persönlichen Sachen und einem Abschiedsbrief ohne weiteres Gespräch darüber dem Kläger. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Schuldbekenntnis mangels Notariatsaktsform ungültig sei. Überdies sei es durch die Generalklausel des Scheidungvergleiches außer Kraft gesetzt worden.

Das Berufungsgericht übernahm einen Großteil der erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis unbedenklicher Beweiswürdigung, ließ es aber dahingstellt, ob die Verpflichtungserklärung am 14.12.1984 oder am 19.12.1984 von der Beklagten abgegeben worden ist, weil es darauf nur dann ankäme, wenn für einen dieser Tage Geschäftsunfähigkeit der Beklagten behauptet würde, was aber nicht der Fall sei.

Die Klage sei abzuweisen, weil die im Vergleich enthaltene Generalklausel die Vermutung der Vollständigkeit des Vergleiches begründe, die der Kläger nicht habe widerlegen können, wenngleich die Vereinbarung der Streitteile, auf die sich der Kläger berufe, nicht in Form eines Notariatsaktes habe errichtet werden müssen (Pichler in Rummel, Rz 3 zu § 97 EheG).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen, oder es in klagestattgebendem Sinn abzuändern.

Die Beklagte begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Generalklausel in Punkt 15 des Scheidungsvergleiches schließt nicht aus, daß die Parteien außerhalb dieses Vergleiches und von ihm - daher auch von seiner Generalklausel - unberührt eine zusätzliche Vereinbarung schlossen. Vom Abschluß einer solchen Vereinbarung gehen die Streitteile in ihrem Tatsachenvorbringen übereinstimmend aus: der Kläger behauptet dies ausdrücklich, die Beklagte bestätigt dies mit dem Vorbringen, der Kläger habe diese Verpflichtungserklärung mit dem Beifügen verlangt, er werde sonst bei der Scheidungsverhandlung nicht zu dem abgeprochenen Vergleich stehen (siehe Seite 4 der Klagebeantwortung = AS 10). Damit ist durch übereinstimmendes Parteienvorbringen der mit einer Generalklausel verbundenen Vermutung der Vollständigkeit der vergleichsweisen Regelung und damit auch der rechtlichen Schlußfolgerung der Klägerin betreffend die Aufhebung der vom Kläger behaupteten Vereinbarung durch den nachfolgenden Vergleich der Boden entzogen. Die mit 19.12.1984 datierte Vereinbarung der Parteien bleibt daher durch die nachfolgende Generalklausel unberührt (vgl EvBl 1985/22).

Es kommt daher entscheidend darauf an, ob die letztgenannte Verpflichtungserklärung der Beklagten aus den von ihr behaupteten Gründen nichtig ist. Die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zur Gemütsbeschaffenheit der Beklagten am Morgen des 19.12.1984 hätten die Nichtigkeit dieser Vereinbarung gemäß § 879 Abs 1 Z 4 ABGB (Ausbeutung der Gemütsaufregung der Beklagten dadurch, daß sich der Kläger - unter dem Gesichtspunkt der bereits vollständigen Einigung über die Vermögensteilung - einen Vermögenswert ohne weitere Gegenleistung versprechen ließ) zur Folge. Da aber der Tag dieser Vereinbarung strittig ist, das Erstgericht den wiedergegebenen Sachverhalt nur für den 19.12.1984 feststellte und das Berufungsgericht - ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht - die diesbezügliche Beweisrüge des Klägers im angefochtenen Urteil nicht erledigte, muß die Entscheidung der zweiten Instanz aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen werden. Dabei bleibt es dem Berufungsgericht überlassen, über die Notwendigkeit einer abermaligen Berufungsverhandlung selbst zu befinden. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E15059

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00510.88.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19880714_OGH0002_0080OB00510_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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